New York Bachelors - Großstadtnächte, Bad Boys & Begierde (3in1)

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Trilogie über drei sexy italo-amerikanische Junggesellen, die in Little Italy in New York leben, arbeiten und lieben.

IM RAUSCH DER BEGIERDE

"Ich habe noch nie eine Kundin geküsst!" Bis jetzt hat Bauunternehmer Tony Paladino erfolgreich Bett und Business getrennt. Bei Catherine Fox jedoch wird er zum ersten Mal schwach. Ein Fehler? Im Rausch der Begierde setzt er für eine Affäre mit ihr bald alles aufs Spiel …

GROßSTADTNÄCHTE, LIEBESTRÄUME

Für Luca Paladino ist seine neue Untermieterin April die heißeste Frau in ganz New York. Ihre aufregend süßen Küsse lassen ihn nicht nur vor Verlangen vergehen, er verliebt sich auch in sie. Aber als er den sexy Wirbelwind halten will, begeht er einen verhängnisvollen Fehler …

DIE RÜCKKEHR DES BAD BOYS

Dom Paladino ist zurück! Als Sara den unwiderstehlichen Bad Boy in Little Italy wiedersieht, trifft es sie wie der Blitz. Eine heiße Affäre beginnt - bis sie etwas über seine Familie herausfindet, das ein riesiges Dilemma bedeutet: Liebe oder Ehre …


  • Erscheinungstag 21.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783955769734
  • Seitenanzahl 432
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Jo Leigh

New York Bachelors - Großstadtnächte, Bad Boys & Begierde (3in1)

1. KAPITEL

„Wo zum Teufel bist du gewesen?“

Tony Paladino blieb stehen, als Gina, seine Cousine und die Büroleiterin von Paladino & Sons, mit einem Stapel rosa Telefonnotizen auf ihn zukam. Er hielt seine Hand hoch, um sie zu stoppen, während er rasch eine SMS auf seinem Smartphone überflog.

Rita wollte sich mit ihm treffen. Sie war nur heute Abend in der Stadt. Das würde er sich garantiert nicht entgehen lassen. Er hatte schon lange keinen Sex mehr gehabt, und Rita war ein Geschenk des Himmels. Unkompliziert, war nur gelegentlich in New York und wollte nichts weiter von ihm als eine heiße Nacht. Perfekt.

Rasch gab er eine Antwort ein. Kaum hatte er auf „Senden“ gedrückt, stürzte Gina sich auf ihn.

„Du solltest schon vor zwei Stunden hier sein. Alex sagt, das ganze Rohrsystem des Ortega-Hauses muss von Grund auf erneuert werden. Das war in seinem Budget nicht vorgesehen. Sal hat aus dem Haus von Catherine Fox angerufen. Er sagt, die Frau ist verrückt, und falls du ihn nicht sofort zurückrufst, packt er seine Sachen und geht.“

„Na, das läuft doch alles super!“

„Ich bin noch nicht fertig“, erklärte Gina rasch. „Der Assistent des Bürgermeisters versucht, deinen Vater zu erreichen. Er will ihn zum Abendessen einladen als Dank für den Umbau seiner Büros. Lucas Wagen ist liegen geblieben, deswegen ist er noch nicht auf der Baustelle der Walkers. Es sind noch ein paar mehr Anrufe gewesen, aber das sind die, um die du dich als Erstes kümmern solltest.“

„Das passt alles perfekt zu dem Morgen, den ich hinter mir habe. Danke, Gina.“

Sie stemmte eine Hand in die Seite und musterte ihn abwägend.

„Hey, Gina, ich habe dir doch gesagt, dass ich zu Tante Miriam musste.“

„So lange?“

„Ich musste jeden einzelnen Punkt ihrer Mängelliste mit ihr durchgehen, während der Projektmanager danebensaß und Kaffee trank. Plötzlich bin ich der Einzige, dem sie vertraut.“

„Trotzdem hättest du meine SMS beantworten können.“

„Ich habe vergessen, mein Smartphone einzuschalten. Ich sage dir, Miriam ist …“

„… eine Verrückte mit zu viel Zeit.“ Ginas Lächeln verriet, dass sie ihm noch einmal verziehen hatte. Sie reichte ihm die Telefonzettel. „Ich dachte, dir läge vielleicht nicht so viel daran, hierherzukommen. Ich meine, der erste Tag und so …“

„Nein, nein, wieso es hinauszögern?“ Er zuckte mit den Schultern, obwohl er eine gewisse Anspannung nicht leugnen konnte.

„Herzlichen Glückwunsch, Tony. Dein Vater ist mit Sicherheit stolz darauf, dass du die Firma übernimmst. In seinem Büro habe ich nichts geändert, weil ich dachte, du willst es dir selbst einrichten.“

„Ich glaube, es wird immer Dads Büro bleiben. Einen kleinen Veränderungswunsch habe ich allerdings: keine rosa Telefonzettel mehr. Das können wir alles auf unseren Tablets erledigen, oder?“

„Gott sei Dank“, sagte sie. „Hinter deinen Brüdern und dir herzulaufen, ist wie Flöhe hüten. Auf die Weise könnt ihr mir nicht die Schuld in die Schuhe schieben, wenn ihr Mist baut.“

„Danke für das Vertrauen.“

Gina lachte nur.

„Tust du mir einen Gefallen? Ruf Luca an. Er soll seinen Wagen in die Werkstatt bringen lassen. Und dann frag Dom, ob er statt Luca zu den Walkers fahren könnte.“

Sie wählte bereits.

Tony betrat das Büro und nahm in dem schwarzen Ledersessel hinter dem großen Eichenschreibtisch Platz. Es würde nicht leicht sein, die Position seines Vaters zu übernehmen. Als der älteste Sohn war Tony seit 2004 in der Firma – seit er sein Studium an der New York University abgeschlossen hatte. Im Grunde war er dabei, seit er laufen konnte. Es war nicht die Arbeit, die ihm Beklemmungen verursachte, sondern die Verantwortung für das Erbe der Paladinos. Ihr Name stand für etwas. Wer einen Job gut gemacht haben wollte, pünktlich und im Rahmen des verabredeten Preises, der rief die Paladinos. Sie hielten Wort. Und sie hielten Little Italy zusammen, wie jeder wusste, der in diesem Teil Manhattans in New York lebte.

Sie kümmerten sich um die Häuser in den neun Blocks an der Lower East Side. Das taten sie bereits seit 1912, als der erste Paladino von Sizilien in die Staaten gekommen war.

Glücklicherweise hatte sein Vater den zweiten Herzinfarkt gut überstanden. Der Arzt hatte ihm allerdings streng verboten, weiter zu arbeiten, dennoch war davon auszugehen, dass Joe immer wieder einmal hier im Büro auftauchen würde. Tony konnte ihm keinen Vorwurf dafür machen. Das Baugewerbe lag den Paladinos im Blut.

Er rief Sal an, einen alten Freund und einen ihrer besten Projektmanager. In der Vergangenheit hatte er schon manches schwierige Projekt glatt über die Runden gebracht. Was ging ihm jetzt bei dem Fox-Projekt gegen den Strich?

„Wurde aber auch Zeit“, knurrte Sal. Er hatte gleich nach dem ersten Klingeln abgenommen. „Deine Kundin ist verrückt.“

„Wieso?“

„Sie sagt, wir dürfen bei den Renovierungsarbeiten nichts beschädigen, was noch vom ursprünglichen Zustand des Hauses stammen könnte. Art déco, sagt sie. So wäre es vereinbart. Es soll alles restauriert werden, von den Fliesen an den Wänden bis zum Stuck an der Decke. Erstens – es steht nichts davon im Auftrag. Zweitens – woher sollen wir wissen, was an diesem Haus der Originalzustand ist? Es wurde 1902 gebaut. Hör mal, Tony, es tut mir wirklich leid, dir an deinem ersten Tag als Boss mit so einem Problem zu kommen, aber du kennst unseren Zeitplan. Ich habe noch eine ganze Latte von Jobs abzuarbeiten. Was soll ich jetzt machen?“

Tony seufzte stumm. Der Fox-Auftrag war einer der letzten gewesen, die sein Vater angenommen hatte. Schon vor ein paar Monaten waren ihm gelegentlich Fehler unterlaufen. Die meisten konnte Tony ausbügeln. Um den Fox-Auftrag hatte er sich nicht weiter gekümmert, weil er Sal vertraute. Dies war allerdings ein großes Projekt, eine komplette Renovierung – und nun offenbar auch Restaurierung. Das konnte er nicht einfach am Telefon entscheiden.

„Am besten ist, du arbeitest erst mal an den Punkten, die nicht betroffen sind. Ich nehme Kontakt zu Catherine Fox auf und finde heraus, was sie will. Dann melde ich mich wieder bei dir, okay?“

„Okay. Aber, Tony, die Sache muss bis morgen geklärt sein. Ich habe gleich im Anschluss noch einen anderen Job. Wir sollen da ein paar Wände abtragen, sobald die Baubehörde die Sache freigegeben hat.“

„Wird erledigt.“

Er ging nach vorn zu Gina. „Sag mal, waren meine Brüder heute Vormittag hier?“

Sie nickte.

„Bitte versuch doch, für morgen ein gemeinsames Mittagessen zu arrangieren.“

„Das habe ich schon gemacht. Luca wird auf jeden Fall da sein. Dom hat die SMS noch nicht beantwortet, aber er kommt bestimmt auch. Sie waren enttäuscht, als du nicht da warst. Sie hätten gern mit dir darauf angestoßen, dass du nun in das Büro deines Dads ziehst. Dom hatte sogar Donuts dabei.“

„Sag nicht, dass er tatsächlich dafür gezahlt hat.“

Gina lachte. „Er hatte sie von diesem Carveccio-Mädchen.“

„Natürlich.“ Tony überlegte. Zuerst einmal musste er sich mit Catherine Fox in Verbindung setzen. Dann wollte er frei sein für Rita.

„Little Italy, bitte. Ecke Grand Street, Lafayette Street.“ Catherine ließ sich auf den Rücksitz des Taxis sinken. Vom Gebäude der UNO zu ihrem neuen Zuhause waren es knapp zehn Kilometer, aber man brauchte wenigstens fünfundzwanzig Minuten. Wenn man Glück hatte.

Heute hatte sie kein Glück.

Das ganze Bau-Debakel war ein ziemlicher Schock für sie gewesen. Nicht nur, dass der Projektmanager so tat, als wisse er nichts von ihren geänderten Plänen. Es ärgerte sie, dass sie sich auf eine mündliche Vereinbarung eingelassen hatte.

Statt die Sache jetzt mit Joseph zu diskutieren, musste sie sich mit seinem Sohn begnügen. Wollte Paladino & Sons sie über den Tisch ziehen? Die sollten sie kennenlernen! Es gab auch andere Baufirmen! Dennoch hoffte sie inständig, dass es sich nur um ein Missverständnis handelte. Der alte Paladino hatte wirklich den besten Eindruck auf sie gemacht. Gerade sie sollte doch wohl in der Lage sein, einen Menschen zu durchschauen. Ihr Job hing davon ab, dass sie Untertöne heraushörte und die Körpersprache richtig deutete.

Sie bogen in die Grand Street ein. Tony Paladino wartete bereits vor ihrem Haus. Groß, dunkelhaarig und schlank. Dunkle Jeans und ein weißes Hemd ohne Krawatte. Dazu eine schwarze Schultertasche.

Catherine bezahlte das Taxi und stieg aus. Verstohlen strich sie sich den Rock glatt, während sie auf Tony zutrat. Er drehte sich um, als er ihre Absätze auf dem unebenen Pflaster hörte. „Hallo.“ Er reichte ihr die Hand. „Tony Paladino.“

Sie sah ihm in die dunkelbraunen Augen, und ihr Puls ging unerklärlich schneller. „Catherine Fox. Es enttäuscht mich, dass Ihr Vater nicht hier ist.“

„Er wäre gekommen, wenn es ihm möglich wäre, glauben Sie mir.“

Sie schob den Schlüssel ins Schloss. Das gab ihr den Moment, den sie brauchte, um sich davon abzulenken, dass Tony ein ausgesprochen attraktiver Mann war. Sollte er sie mit seinem Charme einlullen, damit sie neu verhandelten und sie dann blind unterschrieb? Darauf konnten sie lange warten! Sie würden den Job ganz genauso machen, wie Joseph Paladino es ihr versprochen hatte.

Einen Moment später waren sie im Haus. Das Gros des Baumaterials befand sich im Erdgeschoss. Sie mussten sich den Weg bahnen zwischen Gerüsten, Abdeckplanen und herumliegenden Rohren. Bisher hatte sich die Firma in erster Linie mit den elektrischen Leitungen und den Rohren befasst. Das waren Grundarbeiten, um die sie sich weiter keine Sorgen machte. Sie führte Tony in die kleine Suite im ersten Stock, in der sie sich für den Moment provisorisch eingerichtet hatte – mit Schlafzimmer, Bad, Küche und einem kleinen Wohnbereich, wo sie fernsehen konnte.

Catherine legte ihre Tasche ab und befahl sich, cool zu bleiben. Sie atmete einmal tief durch, bevor sie sich zu ihm umwandte. „Ich habe Wein, Kaffee und Tee. Was darf ich Ihnen anbieten?“

Er sah wirklich gut aus. Sehr männlich. Ein Mann, dem der Smoking mit Sicherheit genauso stand wie die Arbeitsmontur. Sie fand die dichten Brauen ausgesprochen sexy. Ihr Blick wurde jedoch magisch zu seinen Lippen hingezogen, die gleichzeitig männlich und trotzdem weich wirkten. Eine wunderbare Kombination.

„Wenn es Ihnen keine Mühe macht, nehme ich einen Kaffee.“

Sie wandte sich rasch ab, um den Eindruck zu vermeiden, sie starre ihn an. „Kein Problem. Sind Sie schon einmal hier gewesen?“

„Nein, ich musste mich um einen Auftrag für den Bürgermeister kümmern.“

„Aha.“ Sie musste lächeln. Wollte er sie etwa beeindrucken? Da musste er schon schwereres Geschütz auffahren. Beruflich hatte sie regelmäßig mit allen möglichen Staatsoberhäuptern zu tun.

„Ich glaube, Sie haben meine Brüder schon kennengelernt.“ Tony war ihr in die Küche gefolgt. Es war eng hier, und sie hatte nicht erwartet, dass er ihr so nahe kommen würde. Nah genug, um ihren Puls erneut durchstarten zu lassen.

„Ja, natürlich, Luca und …“ Sie hatte einen Blackout. „Entschuldigen Sie, der Name Ihres zweiten Bruders fällt mir nicht ein.“

„Dom.“ Um Tonys Mundwinkel zuckte es verdächtig.

„Richtig.“ Sie wusste nicht, was ihn so amüsierte. „Dom. Aber die Änderungen am ursprünglichen Auftrag habe ich mit Ihrem Vater besprochen.“

„Ich weiß, mein Vater ist der Beste in diesem Bereich, er hat mir von Kindheit an alles beigebracht. Ich übernehme nicht nur die Arbeit, sondern auch seinen Anspruch auf beste Qualität. Falls es ein Missverständnis gegeben hat, werden wir es lösen.“

Catherine musterte ihn kritisch. Glaubte sie ihm wirklich, oder wollte sie ihm einfach glauben? Die Firma hatte einen guten Ruf. Wahrscheinlich waren sie ausgebucht und hatten einfach keine Kapazitäten frei für ihre Restaurierungsarbeiten. Etwas abzureißen und dann etwas Neues hochzuziehen, war schneller, einfacher und billiger.

Sie öffnete die Kaffeedose und begann, das Pulver in den Filter zu löffeln.

„Soweit ich das verstanden habe, haben Sie mit meinem Vater darüber gesprochen, möglichst viel von dem ursprünglichen Gebäude zu erhalten?“

Sie nickte und hätte fast das Zählen vergessen. „Ja. Er sagte, er würde die Notizen dem ursprünglichen Auftrag hinzufügen. Er wollte den richtigen Mann für das Projekt finden. Ich habe mich förmlich verliebt in das Art déco und Art nouveau der 1930er-Jahre, und ich weiß, dass es Spuren davon überall im Haus gibt. Ihr Vater hat den Speiseaufzug auf die Liste gesetzt, die Kamine, die Stuckdecken, alte Fliesen, die Treppe und einige der Türbögen. Das war das Ergebnis der ersten flüchtigen Begutachtung. Ich habe auch Wandteller gefunden und Griffe von Kommodenschubladen, die ich erhalten möchte.“

Sie drehte sich zu ihm herum, als der Kaffee durchlief. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich möchte natürlich allen modernen Komfort und trotzdem gleichzeitig die Schönheit des Historischen erhalten.“

„In Ordnung“, sagte Tony nach kurzem Zögern. „Ich werde die Notizen meines Vaters suchen, aber auch wenn ich sie nicht finde, werde ich dafür sorgen, dass Sie bekommen, was Sie wollen.“

Catherine atmete erleichtert auf. Sie hätte es gehasst, wenn Joseph oder sein Sohn sie enttäuscht hätten. Das war ja einer der Punkte, der sie zu dieser kleinen Gemeinschaft hingezogen hatte: die Menschen und ihre Kultur. Sie hatte sie durch ihre verstorbene Nanny kennen- und lieben gelernt.

Belaflore Calabrese war in Little Italy aufgewachsen. Anfangs hatte sie für Catherines Eltern als Haushälterin gearbeitet, als sie in New York lebten. Dann war sie mit ihnen durch Europa gereist und hatte Catherine praktisch aufgezogen. Belaflore hatte ihr Geschichten über dieses Haus und Little Italy erzählt, an die Catherine sich immer noch gern erinnerte.

„Als Erstes müssen wir alle Details festhalten“, sagte Tony. „Das können wir machen, während Sal die Grundsanierungen zu Ende bringt. Wir werden sehen, was wir finden. Nicht jeder Fund wird ein Juwel sein.“ Tony warf rasch einen Blick auf die Uhr. „Mein Vater hat Ihnen noch keine Kosten angegeben, oder?“

Catherine spürte, wie Hoffnung und Glaube schwanden. Das war der Punkt, an dem sie der Firma ausgeliefert war. Sie konnten jeden Preis nennen. Es sah ganz so aus, als würden der charmante Tony Paladino und sein Vater sie doch noch enttäuschen.

2. KAPITEL

Tony war sich nicht sicher, was gerade passiert war. Vor ein paar Sekunden schien noch alles bestens gewesen zu sein zwischen ihm und Ms. Fox, doch dann ging sie plötzlich auf Distanz.

Geld. Es ging immer um Geld. „Ich kann Ihnen die Kosten erst nennen, wenn Sie Ihre Entscheidungen gefällt haben. Mein Vater müsste erwähnt haben, dass solche Restaurierungen nicht ganz billig sind.“

Sie nickte kühl. „Ich verstehe.“

„Hey, ich will Sie nicht entmutigen.“ Tony wollte, dass sie wieder lächelte. Wollte wieder die Fältchen in ihren Augenwinkeln sehen. „Vielleicht müssen Sie hier und da ein paar Abstriche machen, aber wir werden einen Weg finden, innerhalb Ihres Budgets zu bleiben.“

„Das hat Ihr Vater auch gesagt.“ Catherine führte ihn zur Couch und nahm ihm gegenüber auf einem Sessel Platz. Ihre Knie berührten sich fast. Sie zupfte ihren Rock zurecht. „Bevor Sie fragen – ich bleibe bei meinem Wunsch, dass ich die Räume größer haben möchte als bisher. Es soll keine Puppenstube sein.“

Tony warf nochmals einen Blick auf die Uhr. Er wollte unbedingt noch duschen, bevor er Rita traf, aber es war noch Zeit genug, um Catherines Sorgen zu zerstreuen. „Es dürfte kein Problem sein, Ihnen diesen Wunsch zu erfüllen. Meist legen wir in diesen alten Häusern mehrere Zimmer zusammen. Zurzeit ist es Mode, weitgehend offene Etagen zu haben, daher sind wir in dieser Hinsicht sehr kreativ geworden. Es ist eine nette Überraschung, dass Sie auch die Ursprünge des Gebäudes berücksichtigen möchten. Ich habe schon jemanden im Sinn, der sich sehr gut mit Restaurierungen auskennt.“

„Sie werden es nicht selbst machen?“

„Nicht jetzt, nachdem ich gerade die Firma übernommen habe. Ungeachtet dessen habe ich eng mit allen Teams zusammengearbeitet, und keiner meiner Männer wäre noch dabei, wenn er nicht zu den Besten gehörte.“

„Sie haben die Firma übernommen? Was ist mit Ihrem Vater?“

„Dad hatte gesundheitliche Probleme. Sein Arzt hat ihm geraten, sich von der Firma zurückzuziehen. Manche Menschen haben doch wirklich Glück, oder?“

Sein Versuch, die Stimmung zu heben, schlug fehl. Ein Ausdruck des Mitgefühls verdunkelte ihren Blick. „Das tut mir leid.“

„Es geht ihm gut. Er wird noch eine Weile brauchen, bis er wieder richtig fit ist, aber er wird uns erhalten bleiben. Und er wird dafür sorgen, dass wir nichts machen, das nicht seine Zustimmung finden würde.“

Catherine beugte sich ein wenig vor, sodass er die helle Haut im Ausschnitt ihrer Bluse sehen konnte. „Bitte, denken Sie nicht, ich wollte Ihre Fähigkeiten in Abrede stellen.“

Er räusperte sich – und gewann damit gerade genug Zeit, sich wieder an den roten Faden ihres Gesprächs zu erinnern. „Nein, das habe ich nicht gedacht. Die Firma ist bereits seit Generationen in der Familie, und das haben wir nur über Empfehlungen schaffen können.“

„Daran habe ich keinen Zweifel.“

„Catherine …“ Tony konnte sich gerade noch davon abhalten, nach ihrer Hand zu greifen. „Ms. Fox …“

„Catherine ist in Ordnung“, sagte sie mit einem unerwartet scheuen Lächeln.

Er nickte. „Es war mir ernst, was ich über Ihr Budget gesagt habe. Sie behalten immer die Kontrolle und können jederzeit aussteigen.“

Catherine war eine attraktive Frau. Ihrem Selbstvertrauen und ihrer ganzen Haltung nach schätzte er sie auf Ende zwanzig. Irgendetwas in ihrem Gesicht ließ sie jünger wirken. Deswegen hätte er sich fast vergessen. Hätte er sie berührt, hätte sie ihn vielleicht auf der Stelle gefeuert, und niemand hätte ihr dafür einen Vorwurf machen können, am wenigsten er selbst. Sie war eine Auftraggeberin, das durfte er nicht vergessen.

Verdammt. So etwas war ihm bisher noch nie passiert. Er musste aufhören, sie anzustarren. Es war keine Hilfe, dass ihre Kleidung ihn ebenso anmachte wie ihr Gesicht. Aber … ein schwarzer Rock, der ihre Schenkel bis hin zu den Knien bedeckte. Eine gestärkte weiße Bluse. Wieso war das so heiß? Und doch …

Sie strich sich das blonde Haar zurück, und er verfolgte die Bewegung ihrer Finger wie hypnotisiert.

Der Kaffee lief mit einem letzten lauten Gurgeln durch. Catherine erhob sich so rasch, dass Tony zurückschreckte und die ganze Couch verschob. Er nutzte die Gelegenheit, ein paarmal tief durchzuatmen, bevor er ihr folgte. Was auch immer da gerade in ihm vorging – es war verrückt. Er kannte sie überhaupt nicht. Und sie war eigentlich gar nicht sein Typ.

Nicht, dass er es im Moment auf irgendeine Frau abgesehen hätte – außer auf Rita. Die witzige, unkomplizierte Rita. An sie sollte er denken. Und Catherine Fox? Ein Irrtum der Hormone. Nach diesem Abend würde wieder alles normal sein.

Bevor er die Küche erreichte, warf er einen Blick auf das Display seines Smartphones. Er stellte immer den Vibrationsalarm ein, wenn er bei einem Kunden war. Bisher lagen keine Nachrichten vor, das war ein gutes Zeichen.

„Nehmen Sie Sahne? Zucker?“

„Einfach schwarz, bitte.“

Catherine schenkte den Kaffee ein und nahm sich selbst Zucker. Sie wirkte beherrscht. Perfekt. „Zuletzt habe ich in London gelebt“, erzählte sie. „Ich war gern dort, aber ich glaube, New York passt besser zu mir. Die Stadt hat einen Rhythmus, der mich anspricht. Ich mag die Hektik und die Geräusche. Die Luft könnte man vielleicht verbessern, doch alles in allem bin ich froh, hierhergekommen zu sein.“

Europa, London, New York? Womit verdiente sie ihr Geld? Wahrscheinlich irgendetwas Glamouröses, vermutete er. Auf jeden Fall hoch oben auf der sozialen Leiter.

Sie hatten Platz genommen.

„Ich habe noch ein wenig Zeit vor dem nächsten Termin“, sagte er. „Wieso erzählen Sie mir nicht mehr von Ihren Plänen mit dem Haus?“

Sie stellte ihre Tasse ab. „Ich habe ein paar Fotos gesammelt.“

„Das ist gut. Je mehr ich weiß, was Sie mögen, desto leichter kann ich Ihre Wünsche erfüllen.“

Sie verschwand, um kurze Zeit später mit einer dicken Mappe zurückzukehren.

„Keine Angst“, sagte sie, „Sie müssen sich nicht alles ansehen. Ich zeige Ihnen nur, was mir gefällt.“ Sie schlug die Mappe auf. Einige Blätter waren mit Haftzetteln markiert.

Am liebsten hätte Tony sich ganz auf ihr Gesicht konzentriert. Auf ihren exotischen Duft. Aber letztlich siegte dann doch ihre Begeisterung und riss ihn mit.

Ihr Geschmack war breit gefächert – sie zeigte ihm Fotos von klassischen Shaker-Möbeln wie auch von Objekten im asiatischen Stil. Ihr Herz gehörte jedoch eindeutig dem Art déco, das spürte er. Während sie die Räume nach ihren Vorstellungen beschrieb, sah er vor sich, wie sich die verschiedenen Stilrichtungen harmonisch zu etwas Neuem vereinten.

Viele Fotos betrafen Little Italy. Während sie ihnen zum zweiten Mal Kaffee nachschenkte, betrachtete er Fotos von Gebäuden, die er kannte, weil er in ihnen gewesen war, sie studiert oder an ihnen gearbeitet hatte. So vieles hatte sich im Laufe der letzten sechzehn Jahre verändert. Er wusste, dass die Veränderungen schon wesentlich früher eingesetzt hatten, aber erst seit er sein Studium an der NYU aufgenommen hatte, war ihm der Wandel bewusst geworden.

Wie im Rest der City waren in Little Italy die Immobilienpreise durch die Decke geschossen. Die meisten alten Bekannten seiner Familie waren nach Queens, New Jersey oder in den sonnigen Süden gezogen.

Mit jedem weiteren Foto erwachte Tonys Liebe zu dem Stadtteil neu. „Was hat Sie hierher gezogen?“, fragte er. „Ich meine, in diese Nachbarschaft? In dieses Haus?“

„Ich kannte das Haus. Und ich weiß, wie selten Einfamilienhäuser hier sind.“

„Haben Sie schon einen Käufer im Sinn?“

Sie runzelte die Stirn. „Einen Käufer? Nein. Ich möchte den Rest meines Lebens hier verbringen.“

Sie hatte das Haus nicht gekauft, um es wieder zu verkaufen? Nach den Umbauten würde sie viel Geld dafür verlangen können. Leider war das Gebäude problematisch – wegen der Nachbarn zu beiden Seiten. Die Häuser waren schon seit Generationen im Besitz derselben Familien, und die alten Damen, die im Moment dort wohnten, würden Catherine mit Sicherheit nicht willkommen heißen.

„Tony? Stimmt etwas nicht?“

„Nein, nein. Ich bin es nur gewohnt, dass Käufer die alten Gebäude entweder zu Büroflächen umbauen oder zu Mehrfamilienhäusern. Die Preise steigen ständig, deswegen ist viel Bewegung im Markt. Ich ging davon aus …“

„Das Haus ist für mich. Bisher habe ich noch nie ein eigenes Zuhause auf Dauer gehabt. Deswegen sind mir auch Kleinigkeiten so wichtig. Es tut mir nur leid, dass ich bisher noch keine Nachbarn kennengelernt habe. Überhaupt bin ich noch nicht wirklich dazu gekommen, mir die unmittelbare Umgebung näher anzusehen. Aber ich habe ja Zeit – vorausgesetzt, ich überlebe die Umbauarbeiten.“

Er lächelte, trotzdem wuchsen seine Beklemmungen. Catherine konnte ein Schmuckstück aus diesem Haus machen, dennoch stand ihr ein aussichtsloser Kampf bevor. Die Leute hier waren fest verwurzelt mit der Vergangenheit. Die meisten waren strikt gegen jeden Wandel. Sie wollten die Gepflogenheiten ihrer Kindheit, die kleinen Läden und die Straßenmärkte. Sie waren nicht freundlich zu Menschen, die sie als Eindringlinge in ihre Welt betrachteten.

Sollte er ihr das jetzt sagen? Ihr klarmachen, worauf sie sich einließ?

Sein Blick fiel auf ihr Traumbuch. Nein, er konnte es ihr nicht sagen. Vielleicht lief es bei ihr anders. So etwas konnte ja vorkommen. Er wollte nicht derjenige sein, der ihr diese Möglichkeit nahm.

Etwas summte. Catherines Handy. Sie machte sich auf die Suche nach ihrer Tasche. Tony schaute kurz auf die Uhr. Zwei Stunden waren verflogen wie im Flug. Er zog sein Smartphone aus der Tasche. Vier verpasste Nachrichten. Eine von Gina, die anderen von Rita.

Sie war stocksauer, weil er sie versetzt hatte. Gewiss würde sie nicht mit ihm reden, auch wenn er jetzt anriefe. Aber zumindest konnte er ihr eine Entschuldigungs-SMS schicken und sie um Verzeihung bitten. Er kannte Rita. Wenn sie sich beruhigt hatte, war alles wieder gut.

Als Catherine zurückkam, verstand er, wieso die Zeit so schnell verflogen war. Es war bedauerlich, dass er nicht die Arbeiten an ihrem Haus übernehmen konnte – aber vielleicht war es auch gut so. Catherine Fox war eine Kundin. Eine wichtige Kundin. Dies war nicht der richtige Zeitpunkt, sich ablenken zu lassen.

„Um es offiziell zu machen …, Boss!“ Luca hielt sein Bier hoch und sah Tony dabei an.

„Nimm den Titel nur nicht zu ernst“, bat Dominic. „Auf den neuen Boss!“

Tony stieß sein Glas an ihre. „Vielen Dank.“ An Dom gewandt, sagte er: „Komm nur nicht auf dumme Gedanken. Alles bleibt, wie es war …“

„Entspann dich“, unterbrach sein Bruder ihn. „Ich bin auch ein Paladino. Ich werde meine Pflichten nicht vernachlässigen.“

Die Serviererin brachte das Essen. Während Tony sich um seine Baked Potato kümmerte, musste er daran denken, wie der Infarkt ihres Vaters alle Pläne durcheinandergewirbelt hatte. Beide Brüder arbeiteten in der Firma mit und studierten dabei noch, Luca Architektur und Dom Marketing. Er wusste, dass beide ihre Träume hatten, und er würde dafür sorgen, dass sie sie verwirklichen konnten. Mit der Zeit. Wenn alles etwas gefestigter war.

„Was hältst du von den Restaurierungsplänen von Catherine Fox?“, erkundigte Luca sich.

„Das Haus könnte wunderschön werden.“ Es war ein paar Tage her, seit Tony Catherine kennengelernt hatte, und er dachte viel zu oft an den Besuch bei ihr.

„Dad sagte, sie will alles restaurieren, was sich noch finden lässt“, bemerkte Dom. „Sie wird beim Verkauf ein Vermögen verdienen.“

„Das ist es ja gerade“, sagte Tony, während er sich ein Stück vom Steak abschnitt, „sie will das Haus nicht verkaufen. Sie will dort wohnen. Auf Dauer.“

Luca stellte sein Glas ab. „Im Ernst? Sie hat blondes Haar und blaue Augen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie italienische Wurzeln hat. Und sie will sich ausgerechnet da niederlassen?“

Tony schüttelte den Kopf. „Ich habe erwogen, ihr etwas zu sagen, bevor sie sich zu sehr in die Idee verrennt. Sie hat den Masucci-Clan auf der einen Seite und Pia Soriano auf der anderen. Die beiden alten Ladies sind so darauf versessen, jeden draußen zu halten, der nicht Italiener ist – das ist schon fast kriminell.“

„Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen“, bemerkte Luca. „Geht es in der Paladino-Stiftung nicht auch darum?“

„Stimmt, aber im Grunde wollen wir dasselbe wie Catherine: erhalten, was noch da ist. Und du musst zugeben, Little Italy ist weit von dem entfernt, was es einmal war. Hätte sie sich ein paar Blocks weiter eingekauft, wäre alles überhaupt kein Problem gewesen, nur … “

„Vielleicht hat sie ja irgendwelche italienischen Vorfahren“, bemerkte Dom und flirtete dabei mit der Serviererin.

Tony zuckte mit den Schultern. „Ich lasse mich gern überraschen.“

„Sogar falls es nicht so ist, solltest du ihr nichts sagen, bevor der Job nicht erledigt ist. Capice?“

„Du bist ein solcher Zyniker, Dominic. Wie kann das nur sein?“

„Einer muss ja einen kühlen Kopf bewahren bei euch Softies.“

Tony und Luca lachten laut los.

„Was ist?“

„Das musst du schon jemandem verkaufen, der dich nicht kennt“, sagte Luca. „Tony, wenn du willst, kann ich mir das Haus noch einmal ansehen.“

„Danke, nicht nötig.“

Luca musterte ihn kritisch. „Was ist los?“

„Nichts.“ Tony wich seinem Blick nicht aus. Manchmal wünschte er wirklich, statt Brüdern lieber Schwestern zu haben. „Was soll los sein?“

„Wieso bist du so …? Du magst sie!“

„Natürlich mag ich sie. Sie ist nett.“

„Wenn sie schon nicht Italienerin ist, will sie vielleicht einen kleinen Italiener in sich haben, was?“, flachste Dom.

Tony sah ihn vernichtend an. „Du solltest bald anfangen, mit der Nonna zur Messe zu gehen. Du wirst es nie schaffen, deine Sünden zu beichten, und wenn du hundert wirst!“

Beide Brüder lachten. Mit einem Blick auf Dom setzte Tony hinzu: „Übrigens hat sie sich an Lucas Namen erinnert, aber nicht an deinen.“

Doms fassungslose Miene war schon fast komisch.

3. KAPITEL

Endlich war der Elektriker fort. Er war der letzte des Teams gewesen, das an diesem Tag im Haus gearbeitet hatte. Nun wartete Catherine auf Fred.

Tony hatte ihr die Auftragsbestätigung geschickt. Sie war so formuliert, dass sie die Arbeiten jederzeit abbrechen konnte, falls die Kosten ihr zu hoch wurden. Er sicherte ihr außerdem zu, sich um einen Experten für die Restaurierungen zu bemühen, aber es war nicht auszuschließen, dass der Mann, den er im Sinn hatte, erst in einigen Wochen frei wurde. Sie überlegte, ob sie die Restaurierungsarbeiten aufschieben sollte, falls der Mann nicht gleich verfügbar war. Oder sollte sie sich mit dem Zweitbesten begnügen?

In dieser Anfangsphase brauchte sie jemanden, der die Geschichte und Architektur der 1920er- und 1930er-Jahre kannte. Ihr Ziel war, sicherzustellen, dass ihr an der Struktur des Hauses und an den noch vorhandenen Möbeln nichts entging, was sich zu restaurieren lohnte. Tony hatte Fred geschickt, um mit der Untersuchung der Wände zu beginnen, während sie seine Fundstellen aufnehmen wollte. Sie hatte sich in ein legeres Outfit geworfen und war voller Neugier auf die Schätze, die sie vielleicht finden würden.

Es klingelte, als sie gerade auf halbem Weg ins Erdgeschoss war. Sie beschleunigte den Schritt und riss die Tür auf.

Tony.

Ihn hatte sie jetzt nicht erwartet.

„Hi! Ich hoffe, das ist okay. Ich statt Fred. Ich kann Ihnen versichern, dass ich weiß, was ich tue.“

„Nein. Ich meine, ja. Das ist okay.“ Sie bemühte sich, ihre Reaktion neutral zu halten. „Kommen Sie herein.“

Er stand dicht bei ihr, nachdem sie die Tür geschlossen hatte. Es wäre höflich von ihr gewesen, einen Schritt zurückzutreten, aber nachdem ihr der Duft eines sehr männlichen Aftershaves in die Nase gestiegen war, konnte sie sich einfach nicht fortbewegen. Was erstaunlich war, da sie sonst sehr auf Distanz bedacht war. Tony sah einfach zu gut aus in seinem Leinenhemd und den alten Jeans.

Hätte sie gewusst, dass er kam, hätte sie etwas anderes angezogen als die alte Kakihose und das T-Shirt. Auf jeden Fall hätte sie einen Hauch Make-up aufgelegt. Und etwas mit ihrem Haar gemacht …

Himmel, was war denn los mit ihr?

„George und Fred stecken beide noch in anderen Projekten. Wir können es uns nicht leisten, noch länger zu warten. Der Domino-Effekt würde uns zu weit zurückwerfen.“

Sie lächelte. „Soweit ich gehört habe, ist das bei Bauunternehmen normal. Lassen sie ihre Kunden nicht immer warten?“

„Nicht Paladino & Sons. Okay, bei uns kann es auch einmal Verzögerungen geben, aber wir bemühen uns, einen realistischen Zeitplan aufzustellen …“ Er begriff, als er ihr Lächeln sah. „Sie haben nur einen Witz gemacht.“

Sie nickte, fasziniert von der Art, wie er sie ansah. Diesen Blick kannte sie aus Dutzenden romantischen Filmen. „Schön, Sie wiederzusehen.“ Sie war dankbar dafür, dass man ihr von klein auf beigebracht hatte, sich ihre Gefühle nicht anmerken zu lassen. „Kann ich Ihnen etwas anbieten? Kaffee? Wein?“

Er schüttelte den Kopf und ließ sie dabei nicht aus den Augen.

„Es ist ein sehr guter Cabernet von einem Weingut in Italien.“

„Ich bin hier, um zu arbeiten.“

Catherine spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. „Natürlich.“

„Aber da es ein echter Italiener ist – ich wäre einem Glas nicht abgeneigt, wenn wir fertig sind.“

„Das Angebot steht.“ Sie ging ihm voraus die Treppe hinauf und verdrängte den Gedanken, dass er wahrscheinlich gerade ihren Po begutachtete. „Ich wollte einen Teil der Bestandsaufnahme schon selbst machen“, gestand sie, „doch ich kam nicht weiter, weil ich mich frage, was hinter der Farbe auf dem Kaminsims steckt.“ Sie deutete hinüber.

Tony runzelte die Stirn. „Haben Sie schon etwas abgekratzt?“

„Nur ein wenig. Ich habe gelesen, dass alte Farbe Blei enthalten kann. Ich hatte keine Schutzkleidung, die ich mir jedoch inzwischen besorgt habe. Es sieht so aus, als könnte es sich lohnen, die Farbe abzutragen, und sei es nur, um zu sehen, ob darunter Gusseisen ist.“

„Eine gute Idee.“ Er zog sein Smartphone aus der Tasche. „Möchten Sie einen Teil der Restaurierungsarbeiten selbst machen?“

„Ja, gern, aber nichts Anspruchsvolles. Ich habe so etwas noch nie gemacht. Ich bin nicht sehr gut mit meinen Händen, allerdings wäre es ein schönes Gefühl, selbst etwas zum neuen Haus beigetragen zu haben.“

Tony tippte etwas.

„Schicken Sie Fred oder George eine SMS?“

„Nein. Ich habe eine App für all meine Notizen und Pläne. Ich habe den Grundriss des Hauses schon eingegeben, sodass ich markieren kann, wo wir etwas gefunden haben, das man näher untersuchen sollte.“

Tony zog ein Schweizer Messer aus der Hosentasche und hockte sich neben den Kaminsims. Catherine sah ihm zu. Ihr fiel auf, dass er wesentlich härter kratzte, als sie es getan hatte. Als Nächstes schnitt er das Linoleum auf, das unten am Sims lag. Er fand etwas, das seine Miene aufstrahlen ließ.

„Was ist?“

„Fliesen. Ich kann nicht garantieren, dass sie alle intakt sind, aber eigentlich brauchen wir nur eine einzige.“

„Die Sie dann duplizieren lassen?“

„Genau. Es ist nicht ganz billig, aber machbar.“

„Sie müssen sich keine Gedanken machen wegen der Kosten. Ich glaube, es ist einfacher für uns beide, wenn wir warten, bis der Kostenvoranschlag wirklich alles erfasst. Dann treffe ich meine Entscheidungen. Okay?“

„Einverstanden. Doch zuerst würde ich mir gern Ihre Schutzkleidung ansehen, um mich zu überzeugen, dass alles in Ordnung ist.“

Sekunden verstrichen. Sekunden, in denen sie glaubte, in den Tiefen seines Blicks zu versinken. Was war los mit ihr? Schlimm genug, dass sie ihn nicht lesen konnte, nun verstand sie schon sich selbst nicht mehr!

Catherine gab sich einen Ruck. „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mir ein Glas Wein hole?“

„Natürlich nicht.“

Sie leerte das halbe Glas, bevor sie zu ihm zurückkehrte, und nahm sich vor, sich auf den Bau zu konzentrieren und nicht auf den Bauunternehmer.

Es war hochinteressant für sie, Raum für Raum mit ihm abzugehen. Dabei kamen sie sich immer näher. Zuerst waren es nur ihre Schultern, die sich gelegentlich berührten. An sich nichts Dramatisches, wäre sie nicht innerlich ohnehin schon so auf ihn fokussiert gewesen. Die Berührungen wurden häufiger, und als es schließlich um das kleine Bad im Erdgeschoss ging, quetschten sie sich beide hinein, als wäre es die natürlichste Sache der Welt.

„Falls Sie dieses Bad vergrößern wollen, müsste es möglich sein, die ursprüngliche Ästhetik zu erhalten“, überlegte Tony. „Aber ich muss mehr über die Rohrleitungen wissen, bevor wir etwas entscheiden können.“

„Meinetwegen kann dieses Bad gern so klein bleiben, wenn ich dafür den Wohnbereich vergrößern kann.“

Tony sah ihr in die Augen. Seine Lippen öffneten sich leicht, als wolle er etwas sagen. Es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte sich zu ihm hinübergebeugt, um die Worte mit einer Berührung seiner Zunge zu lösen.

Ein lautes Hupen auf der Straße holte sie unvermittelt zurück in die Wirklichkeit. Sie hatte sich rasch wieder im Griff und verließ das Bad. Er machte sich noch ein paar Notizen in seiner App, bevor sie wieder nach oben gingen. Gedankenverloren griff er nach ihrem Weinglas. „Bisher haben wir nur die großen Punkte erfasst. Es fehlen noch sehr viele Details.“ Er nippte an dem Glas.

Catherine räusperte sich. Sie hatte nichts dagegen, dass er von ihrem Wein getrunken hatte, fürchtete aber, es könne ihm peinlich sein. „Tut mir leid, dass ich Ihnen momentan keine Sitzgelegenheit anbieten kann – außer auf der Treppe oder in meinem Schlafzimmer.“

Tonys Blick fiel auf das Weinglas. Für einen Moment war er schockiert. „Das ist kein Problem“, sagte er und stellte das Glas hastig zurück auf den Sims. Er war verlegen geworden. „Tut mir leid. Hören Sie, morgen Abend habe ich bereits einen Termin, und ich bin sicher, am Sonntag möchten Sie Ihre Ruhe haben, aber ich könnte Montag wiederkommen – wenn die anderen fort sind.“

„Sie?“

„Oder Fred.“

„Nein, das ist … Wenn Sie jetzt schon hier sind, würde ich Ihnen gern noch ein paar Fotos zeigen. Falls Sie Zeit haben, heißt das …“

„Ich habe noch ein paar Minuten.“

Sie schenkte ihm auch einen Wein ein, bevor sie ihm voraus in ihr Schlafzimmer ging. Ihre große Matratze passte kaum hinein, aber zumindest bot sie ausreichend Sitzfläche. Catherine nahm die Mappe auf, die auf einer Kiste mit Büchern lag.

Tony blieb an der Tür stehen.

„Kommen Sie. Setzen Sie sich.“ Sie klopfte auf die Matratze. Es war kein Problem. Sie hatten die dicke Mappe zwischen sich. „Die Sache, die ich noch mit Ihnen besprechen wollte, ist etwas größer …“

„Legen Sie los.“

„Ich hätte gern einen Dachgarten. Einen großen Dachgarten, den vielleicht auch die Nachbarn mitbenutzen können.“ Sie blätterte zu den hinteren Seiten und schob ihm die Mappe zu. In diesem Moment knurrte ihr Magen so laut, dass Tony sich ein Lachen verkneifen musste.

„Tut mir leid“, sagte sie, „ich habe noch nicht zu Abend gegessen. Ich glaube, ich lasse etwas vom Chinesen kommen. Möchten Sie mitessen?“

„Das ist sehr nett von Ihnen, aber …“

„Da ich Sie so mit Beschlag belege, dachte ich …“

„Es gibt da ein sehr gutes Lokal nicht weit von hier.“

„Wirklich? Ich kenne mich noch nicht so aus.“

Er suchte etwas auf seinem Smartphone und reichte es ihr dann. Sie sah die Speisekarte eines Szechuan-Restaurants auf dem Display.

„Ihr Lieferservice ist etwas langsam, doch das Warten lohnt sich. Sie haben mich noch nie enttäuscht. Ich glaube, es wird Ihnen gefallen.“

„Sie bleiben dabei, dass Sie nicht mitessen wollen?“

„Ich glaube, ich kann nicht …“

Während er sich die Beispielgärten ansah, schnappte sie sich ihr Handy und rief das Restaurant an. Ihre Bestellung fiel ziemlich groß aus – typisch, wenn sie wartete, bis sie solchen Hunger hatte, bevor sie eine Bestellung aufgab!

Vielleicht änderte Tony ja auch seine Meinung. Nein, daran durfte sie nicht mehr denken.

Als sie das Gespräch beendete, betrachtete Tony sie amüsiert.

„Was ist?“

„Sie essen offensichtlich wirklich sehr gern chinesisch.“

„Das stimmt.“ Sie lachte. „Ich könnte es schon zum Frühstück futtern.“

„Das geht mir auch so …“ Er schien noch mehr sagen zu wollen, unterbrach sich aber. „Um auf Ihr Projekt zurückzukommen: Dabei gäbe es sehr viele Punkte zu beachten. Zuerst einmal müssten wir einen Statiker kommen lassen, der prüft, ob die Fundamente ein solches Gewicht tragen würden. Dann muss man diverse Genehmigungen einholen, unter anderem für einen Kran in dieser relativ schmalen Straße.“

„Ich verstehe. Trotzdem möchte ich herausfinden, ob es möglich ist, bevor ich mich zu sehr in diese Idee verliebe.“

„Ich kümmere mich darum. Aber jetzt muss ich wirklich gehen.“

Enttäuscht begleitete Catherine ihn nach unten.

„Genießen Sie die gefüllten Teigtaschen. Die mag ich am liebsten.“

Fast hätte Catherine ihn noch einmal zum Essen eingeladen, konnte sich jedoch gerade noch zurückhalten. „Gute Nacht, Tony. Vielen Dank für heute Abend.“

Er nickte lächelnd und eilte davon, ohne sich noch einmal umzusehen.

Sie schloss die Tür und wünschte sich nichts sehnlicher, als dass er zurückkommen musste, weil er etwas vergessen hatte. Sein Smartphone vielleicht. Eine Jacke. Oder einen Kuss.

4. KAPITEL

Am Montagnachmittag hatte Tony das Büro seines Vaters so weit umgeräumt, dass es sich wie seines anfühlte. Er hörte eine tiefe Stimme im Vorzimmer – eine Stimme, die er noch im Koma erkannt hätte. Zumindest hatte sein alter Herr fast eine ganze Woche durchgehalten, ohne vorbeizukommen und nach seiner Firma zu sehen.

Tony freute sich, dass auch seine Mom mitgekommen war. Die beiden unterhielten sich mit Gina, als hätten sie sich jahrelang nicht gesehen statt nur wenige Tage. Tony begrüßte seine Mutter mit einem Kuss auf die Wange. „Habt ihr euch Sorgen gemacht, dass hier alles einstürzt?“

Joe musterte ihn grimmig. „Du glaubst, ich vertraue dir nicht? Ich vertraue dir. Die eigentliche Frage ist doch: Vertraust du dir?“

„Ich arbeite daran, Pop. Ich weiß nicht, wie du Luca und Dom bei der Stange gehalten hast.“

„Ihr wart alle drei kein Honigschlecken, glaub mir“, versicherte seine Mutter ihm trocken.

„Ich weiß.“ Tony grinste.

„Wir werden jetzt nicht über die Arbeit reden“, beschied seine Mutter ihn energisch. Theresa war das eigentliche Oberhaupt der Familie, und alle respektierten es.

„Seid ihr auf dem Weg in die Reha?“, erkundigte Tony sich.

Joseph fluchte auf Italienisch, während Theresa nickte. „Mein halsstarriger Mann glaubt, es sei Zeitverschwendung. Dabei hätte man meinen sollen, der zweite Herzinfarkt hätte ihm endlich die Augen geöffnet.“

Es tat gut, die beiden streiten zu hören. Wie in alten Zeiten.

Tony musste ein Telefonat annehmen und begab sich in sein Büro. Es war Dave, der Metallbauer, den er wegen Catherines Treppe und Kaminsimse angerufen hatte. Tony gab ihm ein paar Maße durch. Gerade als er den Anruf beendete, sah er, dass sein Vater hereingekommen war. Er betrachtete die Veränderungen, die Tony vorgenommen hatte. Sein Ausdruck dabei brach Tony fast das Herz und ließ ihn wünschen, er habe alles beim Alten belassen.

„Es ist gut“, sagte Joe. „Ich meine, dass du übernommen hast.“

„Es war nötig.“ Tony kam um den Tisch herum, um für seinen Vater den Sessel zu räumen. „Wir brauchen dich als Dad, nicht hier im Büro.“

„Ich weiß. Es ist nur so, dass ein Tag verdammt lang werden kann.“

„Hat Ma dir noch keine Arbeit zugeteilt?“

„Irgendwelche albernen Kleinigkeiten. Ich wollte das Gästezimmer streichen, aber sie hat Angst, ich breche gleich zusammen.“

„Und was ist mit den Spaziergängen im Park, über die wir uns unterhalten haben?“

„Ich mag es nicht, wie sie den Park verändert haben. Zu viele Fremde und zu viele Kinder.“

„Sie sind nur so lange Fremde, bis du sie kennenlernst. Und wieso sagst du, dort sind zu viele Kinder? Du magst doch Kinder.“

„Ich möchte Enkel“, knurrte Joe, „nicht die Kinder von Fremden. Du und Angie, ihr hättet inzwischen zwei bambini haben können, statt euch scheiden zu lassen.“

„Komm schon, Pa, das Thema ist durch.“

In diesem Moment kam seine Mutter ins Büro. Sie schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als sie ihren Mann am Schreibtisch sah.

Joe spielte den Gekränkten. „Ich sitze auf meinem alten Stuhl. Ist das ein Verbrechen?“

Sie stemmte die Arme in die Seiten und funkelte ihn an. „Wir gehen jetzt, damit du gar nicht erst in Versuchung kommst.“

„Probier es noch einmal mit dem Park“, riet Tony seinem Vater zum Abschied.

„Und du sorgst in der Zwischenzeit für Enkel.“

„Hör auf!“ Seine Mutter versetzte ihm einen Stoß mit der Schulter. „Was willst du? Er ist geschieden.“ Sie schüttelte den Kopf. „Hör nicht auf ihn“, sagte sie zu Tony. „Angie war ein nettes Mädchen, aber sie war viel zu modern.“

Er sagte nichts dazu. Angie stammte aus demselben Stadtteil. Seine Eltern kannten ihre Familie bereits seit Jahren. Sie war genau die Art Mädchen, die sich alle für ihn vorstellten, leider hatte die Ehe nicht funktioniert. Wenigstens hatten sie sich einvernehmlich getrennt.

Nachdem seine Eltern gegangen waren, musste er noch zwei Telefonate erledigen und dann einen neuen Kunden in Chinatown aufsuchen.

Danach wusste er, wohin er gehen würde.

Dorthin, wohin er nicht gehen sollte.

Die Schlange vor Ferraras Konditorei war lang, aber es schien schnell voranzugehen. Catherine liebte den Kuchen von hier, und an diesem Abend kaufte sie für zwei ein. Tony wollte kommen.

Sie wollten sich ihr Dach ansehen. Sal war immer noch verantwortlich für alle Arbeiten, doch Tony hatte beschlossen, die Restaurierungen und das Gartenprojekt selbst zu betreuen. Er hatte gesagt, er werde gegen halb sieben da sein, nach dem Abendessen bei seinen Eltern. Sie hoffte, dass er den Nachtisch wegließ.

Die Schlange bewegte sich weiter und erlaubte ihr einen Blick auf die Kuchenauslage. Es sah alles unglaublich verführerisch aus, aber sie wusste schon, was sie nehmen wollte: drei verschiedene Stücke, für die sie sich persönlich verbürgen konnte. Wenigstens eines davon würde ihm auch schmecken.

Zwei Frauen, die ein Stück vor ihr in der Schlange standen, erregten ihre Aufmerksamkeit, weil sie sich auf Italienisch unterhielten. Bei einer von ihnen schien es sich um ihre Nachbarin zu handeln. Catherine hatte sie vor ein paar Tagen vor ihrem Haus gesehen. Es war offensichtlich, dass sie sie nicht bemerkt hatten, weil sie sich nicht die Mühe machten, die Stimmen zu senken. Oder sie hielten es nicht für möglich, dass sie Italienisch sprach.

„Die hat den ganzen Tag Arbeiter da. Sie machen so viel Lärm, es ist kaum auszuhalten.“

Catherine bemühte sich, die Antwort der anderen Frau zu verstehen, aber vergebens.

„Soweit ich weiß“, fuhr die erste wieder fort, „will sie das Haus zu Apartments umbauen.“

Die Unterhaltung fand ihr Ende, als die Schlange weiter vorrückte.

Catherine beobachtete, wie die beiden ihre Bestellungen bei der Verkäuferin aufgaben. Einerseits wünschte sie, mehr gehört zu haben, andererseits war sie froh, dass es ihr erspart geblieben war. Die Frauen zahlten und gingen, ohne ein Anzeichen dafür zu geben, dass sie sie gesehen hatten. Glücklicherweise.

„Zwei Seelen, ein Gedanke!“

Catherine fuhr herum, als sie Tonys Stimme hinter sich hörte. Er strahlte sie an.

„Ich wollte uns etwas Süßes holen“, gestand sie. „Für später.“

„Genau das hatte ich auch vor.“

„Hmmm.“ Sie war verlegen und erfreut gleichermaßen. Wieso Tonys Gegenwart ihr die Stimme verschlagen hatte, wenn sie sich gegenüber Vladimir Putin problemlos behaupten konnte, war ihr selbst ein Rätsel. „Vielleicht ist es ganz gut, dass du da bist – dann muss ich nicht raten, was dir schmecken könnte.“ Sie waren inzwischen auf das vertraute Du übergegangen, was sich irgendwann ganz natürlich ergeben hatte.

„Was wolltest du denn nehmen?“

Sie trat beiseite, um Platz für ihn zu machen, damit andere besser an ihm vorbeigehen konnten. „Das ist nicht fair. Ich habe zuerst gefragt.“

„Wenn man es genau nimmt, hast du nicht gefragt, doch es wäre unhöflich von mir, darauf hinzuweisen.“

„Und natürlich möchtest du nicht unhöflich sein …“

Tony lächelte. „Es gibt hier kaum etwas, das mir nicht schmeckt. Vor allem die Cannoli sind sehr gut.“ Er lehnte sich zu ihr, sodass sein Atem ihr Ohr kitzelte. „Besser als die meiner Mutter, wenn ich ehrlich bin, aber das würde ich ihr natürlich niemals sagen. Du musst mir schwören, es für dich zu behalten.“

Catherine hob die Schwurhand und machte ein feierliches Gesicht.

„Bist du schon einmal hier gewesen?“, erkundigte er sich.

„Ja, oft. Ich esse gern Süßes.“

„So wie Chinesisches?“

„Wir wollen meine Megabestellung nicht mehr erwähnen.“ Sie musste wider Willen lachen.

„Dann sind wir ja quitt.“

Erfreulicherweise bewegte sich die Schlange weiter, und sie waren an der Reihe. „Vier Cannoli“, sagte Catherine rasch, damit es ihre Einladung war und nicht seine. „Zwei Windbeutel und zwei Gewürzkuchen.“

Sie war zwar schneller gewesen mit der Bestellung, aber Tony hatte bereits seine Brieftasche gezückt. „Steck die weg“, bat sie. „Du hilfst mir sowieso schon mehr als genug.“

„Ich bin ein italienischer Mann in einer Konditorei, in der man mich kennt. Möchtest du, dass die ganze Stadt darüber spricht, dass ich mich von dir aushalten lasse?“

„Das ist ja unglaublich chauvinistisch. Sag, dass das nicht dein Ernst ist.“

Sein Schulterzucken sagte mehr als viele Worte.

„Ich habe in Italien gelebt“, sagte sie, „aber niemand war so altmodisch.“

„Ich glaube, du wirst hier viele überholte Einstellungen in unserer kleinen Welt finden. Wir verlieren so viel Boden rundum, dass die Menschen sich zum Ausgleich an alles Althergebrachte klammern.“

Catherine erwog, ihm zu erzählen, was sie gehört hatte, entschied sich dann jedoch dagegen. „Also gut. Diesmal darfst du sie kaufen. Aber nur dieses eine Mal.“

„Ich trage sogar die Schachtel“, erbot er sich.

Als die junge Frau mit dem Wechselgeld zurückkam, sah sie Tony kaum an. Stattdessen musterte sie Catherine aufmerksam. Tony ignorierte sie und legte seine Hand auf Catherine Rücken, um sie zum Ausgang zu steuern.

Bis zu ihrem Haus war es nicht weit. Die untergehende Sonne tauchte alles in ein warmes, freundliches Licht. Catherine musste daran denken, dass Tony gerade erst die Firma von seinem Vater übernommen hatte, und doch kam er nach Feierabend noch zu ihr. „Weißt du, ich kann auch auf Fred oder George warten“, sagte sie. „Ich bin sicher, du hast jede Menge anderer Sachen zu erledigen.“

„Das macht mir nichts aus“, versicherte er ihr. „Hast du Lust auf einen kleinen Umweg? Wir müssen noch eine Lösung für deine Eingangsstufen finden, und ich würde dir gern zwei Varianten für das Geländer zeigen. Beide von dem Metallbauer designt, von dem ich dir erzählt habe.“

„Ja, das würde mich sehr interessieren.“

Sie bogen an der nächsten Ecke ab. Catherine wurde erst jetzt bewusst, dass sie zwar einige nützliche Adressen wie Bäckerei und Schnellreinigung gefunden hatte, dass sie sich aber sonst noch gar nicht weiter mit den Nebenstraßen befasst hatte. Die meisten Gebäude waren fünf, sechs oder sieben Stockwerke hoch, und fast bei jedem war das Erdgeschoss für Gewerbeflächen reserviert – dabei war alles vertreten: von Restaurants über Kunstgalerien bis hin zu Lebensmittelgeschäften.

Sie hatte schon darüber nachgedacht, ihr Erdgeschoss ebenfalls zu vermieten, um sich damit mehr in die Gemeinschaft einzufinden. Belaflores Familie hatte dort einen beliebten Secondhand- Laden betrieben. Aber sie war sich noch nicht schlüssig. Sie brauchte das Geld nicht – sie hatte das Glück, einer vermögenden Familie zu entstammen. Eines Tages wollte sie Kinder haben, und dann brauchte sie den Platz.

„Hey, Tony!“

Sie sahen einen untersetzten Mann im Eingang eines Elektronikladens stehen. Er musterte Catherine ungeniert.

„Hey, Pete“, sagte Tony.

„Wie geht’s deinem Vater?“

„Alles im Lot.“

„Sag ihm, dass wir ihn bei der Versammlung der Werbegemeinschaft erwarten. Ausreden werden nicht akzeptiert.“

„Sage ich ihm, Pete. Vielen Dank.“ Tony ging weiter, obwohl er es nicht eilig zu haben schien. „Sei gewarnt“, sagte er Catherine, „das wird häufiger vorkommen.“

„Mir ist schon aufgefallen, dass du sehr beliebt bist.“

„Es geht dabei nicht um mich, sondern um die Firma.“

„Gehört es zum Service deiner Firma, mit mir die Straße entlangzugehen? Mit deiner Hand auf meinem Rücken?“

Er zog seine Hand hastig zurück. „Verdammt. Tut mir leid.“

„Ich habe ja nicht gesagt, dass ich etwas dagegen habe.“

„So einfach ist das nicht. Keiner dieser Kerle wird glauben, du könntest eine Kundin sein. Sie werden unweigerlich davon ausgehen, dass wir ein Paar sind. Falls du also verlobt bist oder so …“

„Das wäre dann ungünstig, das stimmt.“

„Allerdings.“

„Dann ist es ja nur gut, dass ich es nicht bin.“

Ihre Mutter hätte sich über ihre Offenheit sehr gewundert. Sogar in London wäre sie wahrscheinlich zurückhaltender gewesen. Vielleicht war das ein Anzeichen dafür, dass sie zur New Yorkerin wurde. Oder vielleicht lag es einfach an dem Mann. Er gab ihr das Gefühl, mutiger zu sein als sonst – sei es, dass sie sich die Hände schmutzig machte, indem sie alte Wandleuchter polierte, oder dass sie Kuchen kaufte in der Hoffnung, dass Tony diesmal etwas länger blieb.

„Siehst du das?“ Tony deutete auf eine Treppe, die zu beiden Seiten der fünf Stufen ein herrliches schmiedeeisernes Geländer hatte. Dazu passte eine Laterne, die so viel stilvoller war als der nüchterne Beleuchtungskörper, den sie jetzt über ihrer Haustür hatte.

„Darf ich es mir näher ansehen?“

„Natürlich.“

„Wie schön.“ Sie ließ die Hand über das Geländer gleiten. Die Verzierungen waren modern und geschmackvoll.

„Tony Paladino! Du bist ja wohl schon hundert Jahre nicht mehr hier gewesen!“ Eine große schlanke Frau mit kurzem braunem Haar sah vom Nachbarladen zu ihnen herüber.

„Ich glaube, ganz so lange ist es noch nicht her, Mrs. Collette, aber es freut mich, Sie zu sehen.“

„Was ich noch sagen wollte … Wir haben uns nicht mehr gesprochen, seit du und Angie … Es tut mir wirklich leid, dass ihr euch getrennt habt. Sie ist ein so nettes Mädchen. Ich dachte, ihr beiden wäret wie füreinander geschaffen.“

„Ja, das lässt sich leider nicht ändern, Mrs. Collette.“ Tony ging schon weiter. „Das zweite Geländer ist gleich am nächsten Block“, sagte er zu Catherine. „Was hältst du davon, wenn wir dann zu deinem Haus gehen? Der Kuchen schreit förmlich nach mir.“

Catherine war neugierig, was diese Angie betraf, doch sie würde nie fragen. „Einverstanden.“

Das zweite Geländer war ebenso beeindruckend wie das erste und gab ihr alle möglichen Ideen für ihr eigenes Haus. Aber als sie schließlich ihre Haustür aufschloss, war sie mit den Gedanken viel mehr bei dem Abend, der vor ihr lag, als bei den Aussichten für ihre Eingangsstufen.

„Ich mache uns jetzt einen Kaffee“, erklärte sie. „Während er durchläuft, könnten wir ja aufs Dach gehen. Du könntest dir einen ersten Eindruck verschaffen, und ich erzähle dir, wie ich mir das Ganze in etwa vorstelle.“

„Eine gute Idee.“

Die Sonne war untergegangen, aber die Lichter, die Catherine anmachen konnte, erleuchteten die Fläche ausreichend. „Ich stelle mir sechs große Beete vor“, sagte sie und deutete über die Breite des Dachs. „Wir müssen diese schreckliche Klimaanlage irgendwie kaschieren, aber das sollte kein großes Problem sein. Außerdem möchte ich ein paar Hecken und ein paar gute, kräftige Koniferen, die im Winter nicht so trostlos aussehen. Dann vielleicht eine Pergola. Und natürlich einen Platz, wo man sitzen kann, essen und den Ausblick genießen. Dann dachte ich …“

Ihre Worte erstarben, als Tony sie unvermittelt zu sich herumdrehte. Sie hatte den Vorteil des Lichts, und für einen Moment glaubte sie, in seinen Augen Verlangen zu erkennen. Er zog sie an sich. Öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch es kam nichts …

Und dann küsste er sie.

Küsste sie, als habe er sich bereits seit einer Ewigkeit danach gesehnt.

Es kam überraschend. Catherine reagierte langsam. Überließ sich seinem Kuss. Sanft und verführerisch. Schließlich stöhnte sie auf. Öffnete die Lippen.

Für einen Moment löste er sich von ihr und ließ seinen Blick forschend über ihr Gesicht gleiten. Als sie lächelte, spürte sie förmlich, wie er sich entspannte, bevor er seine Lippen erneut auf ihre drückte …

Krach!

Irgendwo wurde eine Tür zugeschlagen. Das Geräusch kam nicht von Catherines Dach, war aber ganz in der Nähe. Tony erstarrte, als habe es sich um einen Schuss gehandelt. Er löste sich hastig von ihr. „Himmel, es tut mir leid.“ Er ging zur Tür. „Ich schreibe deine Ideen für den Dachgarten auf, bevor ich mich mit dem Designer in Verbindung setze.“

„Tony …“

Er hielt eine Hand hoch. „Es wird nicht wieder vorkommen, das verspreche ich.“

Und dann war er fort.

Catherine war wie benommen. Irgendwie hatte sie sich den Fortgang des Abends anders vorgestellt. Sie verstand sich selbst nicht, wenn es um Tony Paladino ging. Aber sie hoffte inständig, dass er sich nicht an sein Versprechen gebunden fühlte.

Sie hätte ihn sehr gern noch einmal geküsst.

5. KAPITEL

Tony war schon früh auf den Beinen. Nicht wegen der Arbeit, sondern weil er sich die ganze Nacht schlaflos von einer Seite auf die andere gewälzt hatte.

Es lag nicht daran, dass er Catherine geküsst hatte. Oder zumindest nur zum Teil. Er hatte es schon eine ganze Weile gewollt. Aber sein Abgang? Wie der letzte Idiot! Er hatte sie da einfach auf dem Dach stehen lassen. Wie von Sinnen war er die Treppe nach unten gehetzt und hatte sich dann in das erstbeste Taxi geworfen und sich nach Hause fahren lassen. Er lebte nicht einmal sehr weit entfernt, doch er hatte Angst, wenn er zu Fuß ginge, die falsche Richtung einzuschlagen.

In seiner Wohnung hatte er sich zuerst einmal ein paar Drinks gegönnt. Und sich dann davon abgehalten, noch mehr zu trinken. Das Vergessen wäre willkommen gewesen, nicht jedoch der Kater. Das wäre vielleicht gerade noch akzeptabel gewesen, bevor er der Boss geworden war, aber jetzt konnte er sich so etwas nicht mehr leisten.

Darüber hätte er nachdenken sollen, bevor er seine Auftraggeberin küsste.

Vielleicht war Sex mit Rita die Lösung.

Komischerweise wanderten seine Gedanken immer wieder irgendwie zu Catherine. Zu Catherine, ihrem schwarzen Rock und der weißen Bluse.

Zumindest bescherte die schlaflose Nacht ihm eine Idee. Das war der Grund, wieso er kurz nach ein Uhr am Nachmittag vor dem Besuchereingang des UNO-Gebäudes stand und eine SMS eingab.

Er versuchte sich vorzustellen, wo Catherine war. Luca hatte gesagt, sie sei so etwas wie eine Dolmetscherin. Aber Catherine selbst hatte nichts gesagt, und Tony hatte nicht gefragt. Das kam also dabei heraus, wenn man persönliche Fragen vermied, um professionell zu bleiben. Er wusste so gut wie nichts von ihr.

Nachdem er die SMS abgeschickt hatte, ging er nervös auf und ab – und hielt erst ein, als er bemerkte, dass ein älterer Mann ihn misstrauisch betrachtete. Hier war nicht der richtige Ort, um sich verdächtig zu benehmen.

Sein Smartphone meldete sich.

Hi. Bin auf dem Weg. Treffe dich am Eingang.

Fünf Minuten später sah er sie. An ihrer Seite ging ein Mann. Als sie näherkamen, beobachtete Tony voller Missfallen, wie Catherine über etwas lachte, was der Anzug-Typ gesagt hatte. Verdammt.

Er hatte sich wieder im Griff, als sie ihn entdeckte.

„Was für eine nette Überraschung“, sagte sie. „Arbeitest du heute hier in der Gegend?“

Hm. Sie stellte ihn nicht vor. „Ich habe später einen Termin, deswegen dachte ich …“

Catherine wandte sich an ihren Begleiter. „Victor, das ist mein Bauunternehmer, Tony Paladino. Tony – mein Kollege Victor Bardon.“

Victor gab ihm nicht die Hand.

Catherine sah ihn an. „Wir sehen uns dann später, oui?“

Oui. Hat mich gefreut, Tony.“ Er ließ einen französischen Akzent durchklingen.

Tony hatte recht gehabt, was Monsieur Bardon betraf. Dem Blick nach zu urteilen, den er Catherine zuwarf, wollte Vic nicht nur ein Kollege sein. Zumindest machte er sich auf den Weg die First Avenue hinunter. Sobald er außer Hörweite war, wandte Tony sich Catherine zu. „Hattest du vor, essen zu gehen?“

Sie nickte lächelnd. Es war, als hätte es die peinliche Situation vom Vorabend nie gegeben. „Ich wollte nach Hause fahren. Ich habe noch Reste von Thunfisch da, die gegessen werden müssen.“

„Was hältst du davon, wenn ich dich in die beste Pizzeria New Yorks einlade?“

„Die beste?“

„Garantiert. Ich muss dir wieder einen Schwur der Verschwiegenheit abnehmen. Ich glaube, die Pizza-Bäcker in Little Italy fänden das gar nicht witzig. Und ich habe keine Lust, mit Betonschuhen im Hudson zu enden.“

„Wow! Little Italy hat ja wirklich seine eigenen Regeln. Aber ja, Pizza klingt wesentlich interessanter als mein blöder Salat.“

„Gut. Es ist nicht weit von hier.“ Er führte sie Richtung der Forty-Eighth Street. „Gehst du mittags immer essen?“

„Nein, normalerweise nicht. Aber ich war den ganzen Morgen in einem stickigen Meeting. Da tut es gut, an die frische Luft zu kommen.“

„Frische Luft? Hier in der City?“

Sie mussten beide lachen. Tony konnte gar nicht den Blick von ihr wenden. Sie schien jedes Mal, wenn er sie sah, hübscher zu werden.

„Ich sollte dich warnen – es kann sein, dass wir warten müssen. Wir können uns für den Rückweg allerdings ein Taxi nehmen, damit es schneller geht.“

„Wir? Ich hatte gestern Abend den Eindruck, dass du sehr schnell weg sein kannst.“

„Das ist eigentlich der Grund, wieso ich hier bin“, bekannte er.

„Das dachte ich mir.“

„Du klingst nicht böse …“

„Das bin ich auch nicht. Neugierig, ja. Verwirrt. Aber nicht böse. Du kannst also von Glück reden. Immerhin kenne ich zwei deiner Geheimnisse. Stell dir nur vor, was ich anrichten könnte …“

„Da bin ich dir ins offene Messer gelaufen, was?“

„Allerdings.“

Er legte ihr die Hand auf den Rücken – oder vielmehr tat es seine Hand von sich aus –, obwohl er sich geschworen hatte, das nicht wieder zu tun. Catherine schien nichts dagegen zu haben. Sie bogen in eine belebte Seitenstraße ein. „Es ist gleich da vorn. Dort bei dem Schild.“

„Ein Straßenverkauf?“

Er nickte. „Sie haben drinnen ein paar Tische, aber die Chancen sind gering, dass dort etwas frei ist. Siehst du die Leute an der Straße?“ Alle aßen und beugten sich dabei vor, um sich nicht zu bekleckern.

„Sieht ganz so aus, als wärst du nicht der Einzige, der glaubt, dass die Pizza hier die beste ist.“ Sie legte ihre Hand um seinen Arm. „Komm, wir stellen uns schnell an.“

Tony strahlte von einem Ohr zum anderen.

Es war das bei Weitem beste Stück Pizza, das Catherine je gegessen hatte. Sie aßen es im Stehen auf der Straße. Optisch schien die Pizza nichts Besonderes zu sein, aber der erste Bissen … Catherine gab ein fast orgiastisches Stöhnen von sich – was nicht weiter auffiel, weil die Leute rundherum dasselbe taten.

Auch Tony, der hier offensichtlich schon oft gegessen hatte, stöhnte hingerissen.

Catherine beugte sich zu ihm vor und flüsterte: „Jemand sollte hier ein Mikrofon aufstellen. Pornofilmer würden wahrscheinlich eine Menge Geld für diese Geräusche zahlen.“

Tony verschluckte sich. Er trank rasch einen Schluck Mineralwasser und hustete, bis er rot anlief.

Catherine legte eine Hand auf seinen Rücken, um zu klopfen, falls es bedrohlich werden sollte.

„Das hätte ich nicht sagen sollen“, räumte sie zerknirscht ein, als sein Anfall vorüber war. „Tut mir leid.“

Er musste trotz allem lachen.

Sie nahm einen kleinen Bissen und aß mit der Eleganz einer Dame.

„Möchtest du noch ein Stück?“, fragte Tony. „Ich meine, bevor die Schlange noch länger wird …“

„Nein, danke. Aber ich warte gern, falls du dir noch etwas holen möchtest.“

„Ich glaube nicht, dass ich je wieder in deiner Gegenwart Pizza essen kann.“

„Iss zu Ende. Ich verspreche, kein Wort mehr zu sagen.“ Sie warf ihre Serviette und den Pappteller in die Mülltonne. „War dies einfach nur so ein Besuch, oder hast du irgendwelche Neuigkeiten wegen der Arbeiten an meinem Haus?“

„Beides“, sagte er, als sie wieder zurückgingen. „Ich habe George heute Morgen angerufen. Er braucht noch eine Woche bei dem anderen Job.“

Sie blieb stehen, sodass ein Mann hinter ihr auf Spanisch zu fluchen begann, als er fast auf sie aufgeprallt wäre. „Und du?“

„Ich wollte mich bei dir entschuldigen“, bekannte er. „Eine Kundin zu küssen, ist absolut unprofessionell.“

Sie gingen weiter. Er zumindest, und sie beeilte sich, ihn einzuholen.

„Und dann so zu verschwinden! Ich komme mir vor wie der letzte Mensch.“ Er blieb stehen, und sie zog sich prompt den Zorn eines weiteren New Yorkers zu. „Das Schlimmste ist: Ich würde es wieder tun. Am liebsten jetzt gleich. Ich fühle mich sehr zu dir hingezogen, aber was ich getan habe, war nicht cool …“

Catherine hatte kaum noch etwas verstanden nach seinem Bekenntnis, dass er sie am liebsten noch einmal küssen würde.

Tony musterte sie. „Ich dachte, zwischen uns liefe heute alles gut, vielleicht habe ich die Zeichen auch falsch gedeutet“, setzte er hinzu, als sie schwieg. „Hör mal, ich kann dir ein Taxi holen, damit du zurück ins Büro kommst. Dann kannst du mich irgendwann wissen lassen, wie es weitergehen soll.“

„Ich könnte es dir auch gleich sagen.“ Sie zog Tony an ein Schaufenster, um den Strom der Passanten vorbeiziehen zu lassen. „Was, wenn ich dir den Auftrag entzöge?“

Er seufzte schwer. „Mist. Im Ernst?“

„Damit wären dann doch alle Probleme gelöst, oder?“

Er lehnte sich gegen die Scheibe und musterte Catherine. Das Lachen in ihrem Blick verriet sie. Er sah sie empört an. „He, das ist nicht witzig! Ich habe noch nie eine Kundin geküsst.“

„Tut mir leid, das war nicht ernst gemeint“, sagte sie rasch. „Dennoch frage ich mich, wieso wir nicht beides haben können.“

„Beides …?“

„Wieso können wir nicht weiter zusammenarbeiten?“

„Und das andere wäre …?“

„Ich glaube, das weißt du.“

Ein breites Lächeln glitt über seine Züge.

„Es gibt kein Gesetz, oder? Ich meine, man wirft dich nicht aus der Bauzunft oder so etwas?“

„Nein, das nicht. Aber gib mir einen Moment, um wieder zu mir zu kommen“, bat er. „Ich hatte fast einen Herzstillstand, als du sagtest, du entziehst uns den Auftrag. Wie hätte ich das meiner Familie erklären sollen?“

„Ich möchte, dass du dich weiterhin um die Restaurierungen kümmerst.“

Tony hatte seine Fassung zurückgewonnen. „Falls wir feststellen, dass unsere persönliche Beziehung die Arbeit beeinträchtigt, betrachten wir die Situation noch einmal neu.“

„Man sollte doch meinen, dass wir reif genug sind dafür.“

„Richtig.“ Er lachte trocken. „Ich gebe dir jetzt eine Vorwarnung, für den Fall, dass du jemanden aus deinem Büro in der Nähe siehst.“

Autor

Jo Leigh
<p>Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...
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