So verführerisch - und so verboten (Julia 2441)
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Sie war ihm nicht ebenbürtig. Daran musste Luca sich immer wieder selbst erinnern. Allein ihre Körperhaltung und wie sie mit ihm sprach … Designer und Stylisten hatten aus Sophia nie eine echte Prinzessin machen können.
Sie war seine Stiefschwester und das schwarze Schaf der ansonsten makellosen königlichen Familie von San Gennaro. Sophia passte so wenig in diesen Palast, dass Luca kaum ihre Nähe ertrug.
Und jetzt sollte ausgerechnet er einen passenden Ehemann für sie finden.
Für seine Stiefschwester, die er wider besseres Wissen heftiger begehrte als alles andere auf der Welt.
Diesem Verlangen würde er niemals nachgeben. Dafür gab es tausend Gründe. Von ihrer bürgerlichen Herkunft bis hin zu der Dunkelheit in ihm selbst. Der wichtigste Grund jedoch blieb die Tatsache, dass sie seine Stiefschwester war – und er der König.
„Du hast mich rufen lassen, Luca?“
Ein Glimmen in Sophias blauen Augen verriet, dass auch sie aufgewühlt war. Wahrscheinlich verabscheute sie seine Gegenwart genauso sehr wie er ihre.
Doch wenn er es mit ihr aushielt, konnte sie es auch. Schließlich war ihr königlicher Stolz nur geliehen.
„Wie du weißt, hat mein Vater vor seinem Tod sichergestellt, dass deine Mutter und du auch in Zukunft versorgt seid. Er hat festschreiben lassen, dass du wie eine leibliche Tochter zu behandeln bist.“
Sophia senkte den Blick, bis ihre dunklen Wimpern die helle Haut ihrer Wangen berührten. Zarte Sommersprossen zeichneten sich darunter ab, und sie irritierten ihn immer wieder. Weil er sie am liebsten zählen wollte – oder küssen.
Eine echte Prinzessin hätte die Sommersprossen unter einer Schicht Make-up verschwinden lassen.
Heute trug sie ein einfaches, kurzes Kleid, unter dem ihre Beine viel zu lang und schlank aussahen. Vollkommen unangemessen. Zumal sie dazu weder Strumpfhose noch hohe Schuhe gewählt hatte. Auf ihrer Haut funkelte kein einziges Schmuckstück. Selbst ihr dunkles Haar fiel ihr offen über die Schultern.
Er konnte nur hoffen, dass sie so nicht den Palast verlassen hatte.
„Ich weiß“, antwortete sie schließlich.
Dann hob sie ihren Blick und sah ihm direkt in die Augen. Er spürte die Verbindung als elektrische Entladung in seiner Magengegend. Das sollte er nicht. Verglichen mit den Frauen, mit denen er schlief, war sie noch nicht einmal schön. Alle anderen Prinzessinnen der Welt waren eleganter als sie.
Dennoch faszinierte sie ihn, schon seit sie in sein Leben getreten war, nachdem ihre Eltern geheiratet hatten. Damals war sie zwölf gewesen und er siebzehn. Wie eine fremdartige Spezies war sie ihm vorgekommen, denn Sophias gewöhnliche Schulbildung hatte ihr nichts über richtiges Benehmen oder die Hierarchie eines Palastes beigebracht. Sie neigte dazu, ungefragt zu sprechen, über die eigenen Füße zu stolpern und viel zu vertraut mit Luca umzugehen.
Mit ihrer Mutter kam Luca viel besser zurecht. Sie war warmherzig und voller Leben. Damit hatte sie seinem Vater nach dem Tod seiner ersten Frau die Freude am Leben wiedergegeben. Außerdem lernte sie schnell und war innerhalb kürzester Zeit zu einer guten Königin für San Gennaro geworden.
Wohingegen Sophia sich ihrer Rolle hartnäckig verweigerte. Immer noch. Inzwischen natürlich nicht mehr so offen wie als kleines Mädchen, aber doch in Kleinigkeiten wie nackten Beinen und fehlendem Make-up.
Sein Ärger über sie hatte sich in etwas anderes, gefährlicheres verwandelt, als sie ungefähr sechzehn gewesen war. Vorher war sie für ihn wie eine Spinne gewesen, ein Eindringling in den eigenen vier Wänden, den man dennoch fasziniert anstarrte.
Dann hatte es diesen Moment gegeben, als sie atemlos in den Palast gestürmt war, nachdem sie wie ein Kind im Garten herumgetollt hatte. Und plötzlich hatte ihn der Gedanke erfasst, wie es wäre, diesen frechen Mund mit seinem eigenen zu bedecken und zu spüren, wie sie sich ihm hingab. Zu erforschen, ob sie ihm danach weniger betörend erscheinen würde.
Von da an war es immer schlimmer geworden, und die Vorstellung, sie zu küssen, hatte sich längst zu einer anderen Fantasie entwickelt, in der er so viel mehr mit ihr tat.
Aber das durfte niemals geschehen.
Sein Vater hatte sie in die Familie aufgenommen. Sie war seine Schwester, wenn auch keine leibliche. Luca musste dem Ganzen endlich ein Ende setzen.
„Mein Vater hat sehr konkrete Anweisungen für dich hinterlassen“, fuhr er fort. „Ich finde, sechs Monate nach seinem Tod ist die Zeit reif dafür.“
Zwischen ihren Augenbrauen bildete sich eine Falte. „Was für Anweisungen?“
„Es geht um deine Hochzeit, sorellina.“
Sorellina, kleine Schwester. So nannte er sie, wenn er sich selbst daran erinnern musste.
„Meine Hochzeit? Findest du nicht, ich sollte mich erst einmal fürs Kino verabreden?“
„Das sollte nicht nötig sein. Eine Frau in deiner Position geht nicht ins Kino. Nein, ich habe eine Liste mit möglichen Heiratskandidaten erstellt.“
„Du suchst mir einen Ehemann aus?“, fragte sie ungläubig.
„So arrogant bin ich nun auch wieder nicht. Ich habe nur eine Vorauswahl für dich getroffen.“
Sophia stieß ein sehr unelegantes Lachen aus. „Dann bist du also arrogant genug, mich zu informieren, dass ich zu heiraten habe und du bereits die ersten Vorkehrungen getroffen hast? Hast du auch schon mein Kleid ausgesucht?“
Natürlich würde er das Kleid absegnen müssen. Wenn sie etwas anderes erwartete, war sie naiv.
„Bisher nicht“, antwortete er steif.
„Und was, wenn ich nicht will?“
„Du wirst dich nicht widersetzen.“
Dessen war er absolut sicher. Er war jetzt König. Er würde es schlicht nicht erlauben.
„Warum nicht?“
„Du würdest die Großzügigkeit meines Vaters dir und deiner Mutter gegenüber mit Füßen treten und einen Keil zwischen uns treiben.“
Sie kreuzte die Arme vor der Brust und schob eine Hüfte vor.
„Wie sollte ich einen Keil zwischen uns treiben? Du warst noch nie der liebende große Bruder, für den du dich jetzt ausgibst.“
„Wahrscheinlich habe ich dich nie als Schwester gesehen“, gab er schroff zurück.
Sie würde nicht verstehen, warum er das sagte oder wie er es meinte.
Tatsächlich sah sie eher durcheinander aus.
„Ich muss das nicht tun.“ Sie schüttelte den Kopf, sodass ihr dunkles, glänzendes Haar um ihre Schultern wirbelte. „Dein Vater hätte mich nie zur Heirat gezwungen. Er liebte mich und wollte nur das Beste für mich.“
„Offensichtlich hielt er eine Heirat für das Beste. Ich habe Dokumente, die das beweisen. Wenn du willst, lasse ich sie dir bringen. Es war ein außergewöhnlicher Schritt meines Vaters, dich als Tochter anzunehmen, obwohl er nicht dein leiblicher Vater war. Das hat noch kein König von San Gennaro je getan. Er behandelte dich wie eine leibliche Tochter, und gerade deshalb wollte er dich verheiraten. Um sicherzugehen, dass dein Zukünftiger von unfehlbarer Abstammung ist. Natürlich kannst du seinen letzten Willen ignorieren. Aber wenn ich du wäre, würde ich erst über die Konsequenzen nachdenken.“
Sophia brauchte nicht lange zu überlegen, sie fühlte die Konsequenzen schon jetzt. Ihr Herz klopfte so heftig, dass sie Angst hatte, sie müsste ohnmächtig werden. Ein Zittern durchlief sie, und ihr wurde abwechselnd heiß und kalt.
Luca.
Ihr gutaussehender, ernsthafter Stiefbruder, der König einer ganzen Nation. Er war so anders als sie, dass es sich nicht wie Familie anfühlte. Sein perfekt geschnittenes Gesicht war geradezu umwerfend. Als sie ihn kennengelernt hatte, waren seine Wangenknochen noch weniger markant gewesen. Die kohlschwarzen Augen, die schon mit siebzehn atemberaubend gewesen waren, wirkten nun scharf wie zerstoßener Obsidian.
Jemand wie Luca war ihr nie zuvor begegnet. Als Zwölfjährige, aus ärmlichen Verhältnissen übergangslos in den Luxus eines Schlosses versetzt, war sie ohnehin vollkommen orientierungslos gewesen. Und dann hatte sie ihn getroffen.
Von Anfang an hatte sie es darauf angelegt, ihn herauszufordern, seine granitharte Selbstbeherrschung zu durchbrechen. Dabei hatte sie damals noch nicht einmal verstanden, warum sie so sehr nach seiner Aufmerksamkeit dürstete.
Das war ihr später klargeworden, als sie zum ersten Mal zu einem Ball gegangen war, wo Luca mit einer anderen Frau erschienen war. Dieses Fieber, das sie mit solcher Macht ergriffen hatte, dass sie glaubte, sie müsse sterben! Es war Eifersucht gewesen.
Selbst als Vierzehnjährige hatte sie dieses Gefühl schon erkannt, und sie hatte gewusst, dass sie diejenige sein wollte, die Luca hielt und mit der er tanzte. Sie hätte er mit auf sein Zimmer nehmen sollen, um Dinge mit ihr zu tun, die so geheim waren, dass sie kaum etwas darüber wusste, und nach denen sie sich dennoch verzehrte.
Wie Luca selbst gesagt hatte, war sie für ihn nie eine Schwester gewesen. Er ging weder liebevoll mit ihr um, noch kümmerte er sich mehr als unbedingt nötig.
Andererseits hatte auch sie ihn nie als Bruder gesehen. Für Sophia war Luca etwas ganz anderes.
Sie begehrte ihn.
Und er wollte sie an einen anderen verheiraten. Einfach so. Nichts hätte besser verdeutlichen können, wie unterschiedlich sie füreinander empfanden.
Er will dich nicht.
Sie war keine Schönheit, das wusste sie ja, und auch in anderer Hinsicht passte sie überhaupt nicht zu Luca.
Anders als Sophia strahlte Luca eine angeborene königliche Würde aus. Es war, als hätte sein Blut tatsächlich eine andere Farbe, als wäre er eine andere Spezies als die Menschen, über die er regierte.
Sophia hatte alles versucht, sich diese Würde anzueignen. Aber sie passte zu ihr genauso wenig wie all die schönen Kleider, die für sie genäht wurden, seit sie im Palast wohnte. Während die eleganten Roben und verführerischen Kreationen bei großen, schlanken Frauen perfekt saßen, war Sophia eher kurvig veranlagt. Obwohl all ihre Kleider maßgeschneidert waren, wirkten sie, als gehörten sie eigentlich jemand anders.
Oh ja, sie kannte ihre Fehler und wusste genau, wie anmaßend ihre Gefühle für Luca waren. Aber sie wurde sie einfach nicht los. Selbst die absolute Gewissheit, dass niemals irgendetwas zwischen ihnen passieren würde, konnte nichts daran ändern.
Und so stand sie hier und spürte seine Worte wie Dolchstöße.
Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass er sie loswerden wollte, benutzte er auch noch das Andenken an seinen Vater – den einzigen Mann, der auch für sie wie ein Vater gewesen war – um sie zum Einlenken zu bewegen.
Dabei hatte Luca sogar recht. König Magnus hatte ihr und ihrer Mutter ein neues Leben geschenkt, eines, das über den täglichen Kampf ums Überleben hinausging.
Lucas Vater hatte ihre Mutter bei einem Staatsbesuch in den Vereinigten Staaten kennengelernt. Sie hatte bei einem Empfang als Kellnerin gearbeitet, und er hatte sich auf den ersten Blick in sie verliebt.
Es klang wie ein Märchen – außer natürlich, dass in diesem Märchen zwei Kinder im Spiel gewesen waren. Das eine Kind, Sophia, voller Angst, weil sie ihre Heimat verlassen und in einen schicken, fremden Palast ziehen musste. Das andere, Luca, offensichtlich verärgert über diese Invasion.
Immerhin wusste Sophia, dass Luca ihre Mutter mochte. Deren Anwesenheit schien ihn nicht zu stören.
Wie oft hatte sie darüber nachgedacht, dass Lucas Leben perfekt gewesen wäre, wenn er nur ihre Mutter und seinen Vater gehabt hätte? Ohne Sophia als Anhang. Nun versuchte er sie an einen Ehemann loszuwerden. Insofern hatte sie mit ihren Vermutungen also recht behalten.
„Das ist nicht fair“, brachte sie endlich hervor, als sie sich etwas gefasst hatte.
Luca blickte sie mit seinen unglaublich dunklen Augen an, und sie spürte zu ihrer Verärgerung ein verräterisches Kribbeln im Bauch.
„Nicht fair? Sophia, ich wusste ja, dass du dein Leben nicht zu schätzen weißt. Aber jetzt überraschst du selbst mich. Wie kannst du es unfair finden, wenn mein Vater sichergehen wollte, dass du versorgt bist? Oder wenn ich mich darum kümmere?“
„Du vergisst“, begann sie und musste erst ihre Gedanken sammeln, bevor sie weitersprechen konnte. „Ich bin in dieses Leben nicht hineingeboren worden, Luca. Die ersten zwölf Jahre meines Lebens war ich arm, aber ich wusste, ich konnte alles erreichen, wenn ich hart genug arbeitete. Dann bin ich von dieser Welle aus Luxus mitgerissen worden. Und plötzlich musste ich feststellen, dass ich trotz aller Annehmlichkeiten, die mir hier zur Verfügung stehen, viel weniger Möglichkeiten und Freiheiten hatte, etwas aus mir zu machen als damals in den USA.“
„Das liegt bloß daran, dass du dir als Kind etwas vorgemacht hast.“ Lucas Tonfall war zwar sanft, aber seine Worte schmerzten dennoch. „Deine Möglichkeiten waren genauso begrenzt wie die jedes anderen. Sicher hättest du deine Lage verbessern können, das bezweifle ich nicht. Aber eben nicht unendlich, und du wirst sehen, dass deine Grenzen jetzt sehr viel weiter gesteckt sind, als sie es damals waren.“
Ihr Herz zog sich zusammen, als sie erkannte, dass er recht hatte. Sie war damals naiv gewesen, und nun, als Erwachsene verhielt sie sich undankbar.
Hatte man ihr im Palast nicht immerhin die denkbar beste Schulbildung zuteilwerden lassen? Hatte sie nicht wundervolle Möglichkeiten? Sie konnte Wohltätigkeitsprojekte leiten, die ihr am Herzen lagen, und Kindern aus schwierigen Verhältnissen helfen.
Allerdings durfte eine Prinzessin nie einen richtigen Beruf ausüben. Doch sie würde sich auch niemals entscheiden müssen zwischen dem Job, der sie erfüllte, und dem, der die Rechnungen bezahlte.
Trotzdem war die Vorstellung, einen Mann zu heiraten, den ihr Stiefbruder für sie ausgesucht hatte, nicht gerade einfach. Luca kannte sie schließlich kaum.
Außerdem war es schlicht unvorstellbar, einen Mann zu heiraten, zu berühren und sogar zu lieben, der nicht Luca war.
Für Sophia hatte es schon immer nur Luca gegeben. Seine unglaublich faszinierenden Augen, sein Mund, der sich bei ihr gern zu einem spöttischen Grinsen verzog, und diese großen, rauen Hände, die so gar nicht zu einem König passten …
Sie wollte nur ihn. Allein Luca galt dieses tiefe, unerfüllte Verlangen in ihr.
„Ich werde einen Ball geben“, erklärte er entschlossen. „Und dazu laden wir Männer ein, die ich persönlich für dich ausgewählt habe.“
Da riss ihr Geduldsfaden. Bei ihm klang dieser Ball ja fast wie eine Shoppingtour!
„Woher weißt du eigentlich, dass ich Männer mag, Luca? Danach hast du mich nie gefragt.“
Nur ein leichtes Flackern in Lucas Augen verriet, dass sie ihn überrascht hatte.
„Wenn nicht, solltest du es mich jetzt wissen lassen“, entgegnete er kühl.
„Nein“, antwortete sie kraftlos. Ihr kleiner Anflug von Rebellion hatte sich schon wieder verflüchtigt. „Ich habe nichts gegen Männer.“
„Dann bleibt uns dieses Problem wenigstens erspart.“
„Es wäre ein Problem gewesen?“
„Wie viele homosexuelle Prinzessinnen kennst du? Die oberen Zehntausend sind viel konservativer, als sie uns glauben machen wollen. Trotz aller Lippenbekenntnisse zu Freiheit, Gleichheit und so weiter. Es wäre ein ziemlicher Skandal in unserem Land. Die Tradition hat noch immer einen hohen Stellenwert.“
„Und für mich wurde ohnehin schon eine Ausnahme gemacht.“
„So ist es“, sagte er nachdrücklich. „Mein Vater hat dir dieselben Rechte verliehen wie mir. Schon das war unerhört, denn du bist nicht sein leibliches Kind, und wenn es um die königliche Linie geht, ist Blutsverwandtschaft alles.“
Sie seufzte. „Ich gehe zu dem Ball.“
Wenn Luca sich etwas in den Kopf gesetzt, machte es ohnehin keinen Sinn zu diskutieren. Was nach dem Ball passierte, wäre dann ihre Entscheidung.
Im Moment war Sophia sowieso viel zu durcheinander, um entsprechend für sich einzutreten.
Er wollte sie an einen anderen verheiraten, und es machte ihm überhaupt nichts aus, sie fortzuschicken.
Luca wollte sie nicht.
Er ist dein Stiefbruder, und selbst wenn er dich wollte, könntet ihr niemals zusammen sein.
Sie straffte die Schultern. „Und wann soll dieses erhabene Ereignis stattfinden?“
„In einigen Wochen.“
Sie blinzelte irritiert. „Ich glaube kaum, dass meine Mutter so schnell aus Frankreich zurück ist.“
„Oh doch, das wird sie. Ich habe schon mit ihr gesprochen.“
Das traf sie wie eine Lanze in die Brust. Natürlich hatte ihre Mutter keine Ahnung, wie Sophia für Luca empfand. Ansonsten erzählte sie ihrer Mutter alles, aber die aberwitzige Leidenschaft, die sie für Luca hegte, hatte sie wohlweißlich verschwiegen. Trotzdem konnte sie nicht fassen, dass ihre Mutter ihr nicht einmal einen kleinen Tipp gegeben hatte, was auf sie zukam.
„Ich habe sie gebeten, dir nichts zu sagen“, erklärte Luca, als hätte er ihre Gedanken gelesen.
„Das ist ja recht aufschlussreich“, entgegnete sie pikiert.
„Nun tu nicht so empört, sorellina. Das steht einer Prinzessin nicht zu Gesicht.“
„Ich war noch nie eine gute Prinzessin. Warum sollte ich gerade jetzt damit anfangen?“, entgegnete sie steif.
„Damit das hier funktioniert“, erwiderte er scharf und musterte sie von oben bis unten. „Zuerst besorgen wir dir eine neue Stylistin.“
„Ich habe dieselbe Stylistin wie meine Mutter“, verteidigte sie sich.
„Ja, aber für dich funktioniert das nicht.“ Seine Stimme klang schrecklich kalt.
Mit einer Handbewegung bedeutete er ihr, dass er dieses Gespräch als beendet ansah. Widerspruchslos zog sie sich auf den Flur zurück, wo sie sich an die Brust fasste und nach Luft schnappte.
Ein durchdringender Schmerz erfasste sie.
Der Mann, den sie heimlich liebte, wollte sie an einen anderen verheiraten.
Zugegeben, Luca war schließlich ihr Stiefbruder. Und ihr König. Sie konnte ihn niemals haben.
Dennoch konnte sie einfach nicht aufhören, sich täglich aufs Neue nach ihm zu sehnen.
„Was ist das denn?“
Luca wusste, dass das Aktenbündel ein wenig dick ausgefallen war. Trotzdem kam Sophias Tonfall ihm ein wenig zu melodramatisch vor.
„Das sind Profile von möglichen Heiratskandidaten, die ich zum Ball einladen möchte. Ich dachte, da du nicht mit allen tanzen kannst, wäre es sinnvoll, die Liste einzukürzen. Mehr als fünf würde ich nicht einladen. Das verkompliziert nur die Auswahl.“
„Profile …“ Sie sah zu ihm auf, und er erkannte den Zorn in ihren Augen. „Das ist keine Liste, es sind vollständige Dossiers. Fotos, persönliche Daten …“
„Wie sollst du sonst herausfinden, ob ihr zueinander passt?“
„Indem ich mich zum Dinner verabrede?“
Sie verschränkte die Arme vor der Brust, wodurch ihr üppiges Dekolleté unnötig betont wurde. Es wurde wirklich Zeit für eine neue Stylistin. Im Moment war sie eine viel zu große Versuchung für ihn. Er konnte froh sein, wenn das alles hier vorbei war und seine Stiefschwester sicher außerhalb seiner Reichweite war.
Was auch immer nicht mit ihm stimmte, Sophia sollte nicht darunter leiden.
Wie oft hatte er sich in den letzten Jahren selbst von ihr ablenken wollen? Hatte überschlanke Blondinen gesucht, um sich daran zu erinnern, dass er auch ganz andere Frauen heiß finden konnte. Aber es hatte nie funktioniert. Irgendwann hatte er es mit den gegensätzlichen Frauen aufgegeben und sich auf kurvige Brünette eingelassen. Aber auch das hatte nur zu Selbsthass und Schuldgefühlen geführt – einem Zustand, der sich auf verdrehte Art sogar richtig angefühlt hatte.
Seit dem Tod seines Vaters lebte Luca viel zu eng mit Sophia zusammen. Keine andere Frau verlockte ihn so sehr wie sie. Nicht einmal einen Funken Begehren brachte er für andere auf, und das war vollkommen inakzeptabel. Aber war nicht alles, was mit Sophia zu tun hatte, irgendwie inakzeptabel?
„Prinzessinnen verabreden sich nicht zum Dinner“, erklärte er mit bemühter Geduld. „Du gehörst zur königlichen Familie und wirst nicht im Internet nach deinem zukünftigen Ehemann suchen.“
„Warum nicht?“, fragte sie trotzig. „Vielleicht möchte ich ja einfach einen IT-Typen, der mich aus den Socken wischt.“ Er reagierte nicht, und sie starrte ihn weiter an. „Wischen, du weißt schon, das ist so bei Dating-Apps.“
„Ich finde das nicht lustig. Wie ich schon sagte, gehörst du zur Familie.“ Vielleicht half es, wenn er es nur oft genug betonte. Auch für sich selbst. „Für deine Hochzeit gelten dieselben Standards wie für mich.“
„Warum suchst du dir dann nicht selbst eine Frau?“
„Das werde ich. Zu gegebener Zeit. Mein Vater hat allerdings deine Vermählung zur obersten Priorität gemacht.“
Luca würde heiraten, wie die Pflicht es von ihm verlangte. Aber mit Liebe oder Leidenschaft würde es nichts zu tun haben. Ihm ging es um seine Reputation und natürlich um die Krone. Ohne dieses Wertesystem war er nichts.
Er würde eine passende Frau finden, eine andere als Sophia.
„Was ist mit der Zeugung eines Erben?“ Sophia zog eine Augenbraue hoch. „Ist das nicht auch eine Priorität?“
„Doch, natürlich, aber ich bin ein Mann und habe noch etwas Zeit.“
„Weil Männer bis ins hohe Alter Kinder zeugen können?“
„Unsere biologische Uhr tickt nicht.“
Das schien Sophia zu verärgern, aber sie blinzelte nur, die Wangen rot verfärbt. Dann verzog sie den Mund. „Ich finde dieses Gespräch geschmacklos.“
„Du hast vom Zeugen angefangen, nicht ich.“
Einen Moment lang starrte sie ihn finster an. Dann fing sie sich wieder.
„Na gut, dann gehe ich also die Dossiers durch“, sagte sie und blickte ihn betont hochmütig an. „Erik Nilsson. Schwedischer Adel, nehme ich an?“
„In der Tat“, antwortete Luca. „Ausgesprochen wohlhabend. Der größte Teil seines Vermögens steckt allerdings in Schafen.“
„Schafe?“, fragte Sophia mit einem undeutbaren Ausdruck auf dem Gesicht. „Zumindest hätte ich immer genügend Pullover.“
„Darüber bräuchtest du dir keine Sorgen mehr zu machen.“
Die Eifersucht ergriff ihn so jäh und mit solcher Macht, dass sich sein Magen zusammenzog. Er konnte es sich selbst nicht erklären. Wie konnte er auf einen Mann eifersüchtig sein, der mit Schafen arbeitete und in einem vergessenen Dorf irgendwo in Schweden lebte?
Er hatte noch nicht einmal erwartet, dass dieser Mann seine Stiefschwester überhaupt interessieren würde. Und doch war es so.
„Also hat er wohl viel … Wolle. Und so“, sagte Sophia lahm. „Außerdem sieht er gut aus. Wenn man auf groß und blond steht …“
„Und? Stehst du auf groß und blond?“
„Ja, sehr“, erwiderte sie mit etwas zu viel Begeisterung. „Der ist noch im Rennen.“ Sie legte die Akte beiseite. „Dann schauen wir uns mal den nächsten Kandidaten an.“
So neutral wie möglich reichte Luca ihr das nächste Dossier. „Ilya Kuznetsov.“
Schon wieder hob sie eine Augenbraue. „Russe?“
Er zog selbst eine Augenbraue hoch. „Allerdings.“
„Dann steckt sein Vermögen vermutlich in Kaviar?“
„Ich enttäusche dich nur ungern, aber es ist Technik. Andererseits kommt das ja nahe an den IT-Spezialisten heran, für den du dich so brennend interessierst.“
„Ich interessiere mich für niemanden“, entgegnete sie scharf und trommelte nervös auf der Akte herum.
Er konnte nicht anders, als sich vorzustellen, wie sie ihn mit ebendiesen Fingern berührte. Sie zog ihn in ihren Bann.
„Da ich keine Ahnung von Computern oder Technik habe, bevorzuge ich Schafe“, erklärte sie und legte die Akte des Russen auf die andere Seite des Tisches.
Sie stellte ihn immer wieder vor Rätsel. „Ungewöhnliche Entscheidung. Aber machen wir weiter.“
Die nächsten beiden Kandidaten schieden ebenfalls aus. Ein italienischer Geschäftsmogul und ein griechischer Industriemagnat. Beide schienen ihren hohen Anforderungen nicht zu entsprechen – Anforderungen, die ihm vollkommen schleierhaft waren. Den dritten, einen mehr oder weniger adligen argentinischen Polospieler, lehnte sie ab, nachdem ein schneller Google-Check ergeben hatte, dass er ein bekannter Frauenheld war.
„Wobei du ja selbst nicht besser bist“, kommentierte sie, als sie von ihrem Smartphone aufsah.
„Dann ist es ja gut, dass ich nicht zur Wahl stehe.“
Auf Sophias Gesicht zeichnete sich so etwas wie Schock ab. Ihre Wangen verfärbten sich tiefrot, und in ihren Augen las er Verärgerung und Wut.
„Als ob ich dich jemals in Erwägung gezogen hätte“, gab sie sich empört.
„Als meine Schwester könntest du das gar nicht.“
„Stiefschwester“, betonte sie und sah dabei durch ihre dichten dunklen Wimpern zu ihm auf.
Für einen Moment erstarrte Luca, während sein Magen sich verkrampfte. Es dauerte nicht lange, bis er sich wieder unter Kontrolle hatte, und doch schien dieser Augenblick ewig zu dauern. Als hätte die Zeit ausgesetzt, und es wäre nichts mehr da außer große, blaue Augen, die jeden einzelnen seiner verdorbenen Gedanken durchschauten.
Jedes dunkle, furchtbare Geheimnis.