Verbotene Nächte mit dem italienischen Milliardär
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Beth Hardingstone betrat das Ankunftsterminal des Wiener Flughafens. Doms Kinderwagen schob sie mit einer Hand vor sich her, mit der anderen schleppte sie die randvoll gefüllte Babytasche.
Sie sah sich nach dem Fahrer um, der sie hier eigentlich abholen sollte, und hoffte, dass es nicht allzu lange dauerte, bis sie endlich einen Becher Kaffee in den Händen hielt. Schwarz und superstark. Sie brauchte dringend Koffein!
Der kleine Dom zahnte gerade und hatte sie die ganze Nacht mit seinem Weinen wachgehalten. Um vier Uhr morgens war sie schließlich doch eingeschlafen, weniger als eine Stunde bevor sie losmusste, um den frühesten Flug nach Wien zu bekommen.
Im Flugzeug hatte es auch keine Gelegenheit zum Ausruhen gegeben. Dom hatte diese neue Erfahrung nicht gerade genossen und dafür gesorgt, dass jeder der anwesenden Passagiere das auch mitbekam.
Inzwischen schlief er tief und fest im Kinderwagen, mit dem Daumen im Mund, und sah aus wie ein unschuldiger kleiner Engel.
Die Leute behaupteten immer, das erste Jahr mit einem Baby wäre anstrengend. Aber mit wie viel harter Arbeit und krasser Erschöpfung es wirklich verbunden war, das wusste man erst, wenn man es selbst erlebt hatte. Es gab allerdings auch keine Worte dafür, die unendliche Freude zu beschreiben, die damit einherging: das zuckersüße Lächeln eines Babys oder das kehlige Lachen, wenn es vergnügt war … Und wie wunderbar fühlte es sich an, wenn sich ein schreiendes Kind sofort beruhigte, sobald man es in die Arme nahm! Das war die ultimative Liebe!
Eine große Gestalt lehnte in der Nähe des Ausgangs an einer Wand. Der Mann sah von dem Telefon in seiner Hand auf, und als sein Blick ihren traf, machte Beths Herz einen plötzlichen Sprung.
Vor sechs Wochen hatte man ihr den Eventmanager-Job des Jahrhunderts angeboten: die Organisation eines Wiener Maskenballs. Ein griechischer Milliardär, der in Wien einen Palast gekauft und weitere Millionen investiert hatte, um ihn in ein Luxushotel für Superreiche zu verwandeln, hatte durch einen Vertreter Beths Firma beauftragt.
Und dieser Mittelsmann stand nun vor ihr: Valente Cortada.
In ihren sechs Jahren bei White’s Events – eine Agentur, die männliche und weibliche Models als Hosts und Hostessen an ihre wohlhabenden, einflussreichen Kunden vermittelte – hatte Beth noch nie jemanden getroffen, der ihr auf den ersten Blick den Atem geraubt hätte … außer Valente.
Auf seine Veranlassung hin war sie persönlich damit beauftragt worden, den Maskenball unvergesslich zu machen. Die Tatsache, dass zu diesem Zeitpunkt erst neun Monate ihres unbezahlten Urlaubsjahres verstrichen waren und sie keinerlei Kinderbetreuungsmöglichkeiten hatte, war von Valente und auch von ihrer Chefin Lucinda vom Tisch gewischt worden. Sie hatten Beth mit der nötigen Technologie ausgestattet, um das meiste bequem von ihrer Wohnung aus zu organisieren, und ihr außerdem eigenes Personal zur Verfügung gestellt, das sie unterstützte.
Da das schlafende Baby der Grund für ihre zwölfmonatige Auszeit war und sie sich weigerte, ohne den Kleinen zu reisen, waren sogar Vorkehrungen getroffen worden, damit sie Dom mit zum Ball nehmen konnte.
Als man ihr das angeboten hatte, hätte Beth vor Erleichterung beinahe geweint. Das geschützte Nest, in dem sie das erste Jahr von Doms Leben hatte verbringen wollen, war ihr viel schneller als erwartet entzogen worden. Nun stand sie an einem Scheideweg. Emotional war sie noch nicht bereit dazu, Dom in die Kinderbetreuung zu geben und zur Arbeit zurückzukehren, aber die Rechnungen häuften sich allmählich – ihre Miete und ihre übrigen Lebenshaltungskosten waren gestiegen.
Sie war noch nie in ihrem Leben derart in finanzieller Bedrängnis gewesen.
Es war kaum zu glauben, dass ihre Zukunft vor etwas mehr als einem Jahr noch richtig rosig ausgesehen hatte. Beth hatte genug verdient, um eine kleine Wohnung in London anzumieten und ihr Single-Dasein zu genießen. Regelmäßig essen gehen, Live-Shows oder Konzerte besuchen und shoppen, wann immer ihr danach war …
Ihre Karriere hatte sich rasant entwickelt, aber dann kam die Tragödie dazwischen. Jetzt lief sie Gefahr, ihr geliebtes Apartment zu verlieren und in einer Sozialwohnung untergebracht zu werden.
Falls es dazu kam, würde sie auch das schaffen. Doms Wohlergehen bedeutete ihr mehr als alles andere. Der arme Schatz war schon im zarten Alter von drei Monaten zur Waise geworden und brauchte unendlich viel Liebe und Sicherheit. Natürlich konnte Beth ihm nicht die Mutter ersetzen, aber sie hoffte, ihm genauso viel Hingabe zu widmen, wie Caroline es getan hätte.
Aus eigener Erfahrung wusste Beth, wie wichtig und notwendig dieses Gefühl absoluter Geborgenheit war. Und sie betrachtete das, was sie für Dom tat, auch nicht als Opfer. Caroline dagegen war eine Heldin: Sie hatte ihr eigenes Leben für das ihres Sohnes gegeben.
Und als wäre ihre finanzielle Not nicht schon schlimm genug gewesen, saß Beth auch noch Alessio Palvetti im Nacken.
Doms mächtiger Onkel hatte von der Existenz seines Neffen erfahren und sofort seine gesellschaftliche Macht demonstriert, indem er ihr aus seinem Elfenbeinturm in Mailand eine E-Mail geschickt und ein festes Umgangsrecht verlangt hatte. Allerdings hatte sie Doms Eltern hoch und heilig versprochen, den Kleinen um jeden Preis von Alessio und den übrigen Palvettis fernzuhalten, darum lehnte sie seine Bitte ab.
Daraufhin hatte Alessio seine teuren Anwälte beauftragt, ihr eine Million Pfund als Gegenleistung für das alleinige Sorgerecht anzubieten. Natürlich hatte sie sofort abgelehnt und klargestellt, dass sie weitere Kontaktaufnahmen als Belästigung empfinden und entschieden dagegen vorgehen würde.
Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört, aber das war vermutlich bloß die Ruhe vor dem Sturm. Er war zu wohlhabend und zu mächtig, um einfach klein beizugeben.
Beth liebte Dom sehr. Sie war bei seiner Geburt dabei gewesen … und beim Tod seiner Mutter. Und sie würde alles tun, um ihn zu beschützen, auch wenn das bedeutete, es mit einer der reichsten und mysteriösesten Familien Europas aufzunehmen!
Das Geld, das sie für die Organisation des Maskenballs verdiente, war ihre Rettung in letzter Sekunde.
Sie hatte Valente seit ihrem ersten Treffen nicht mehr gesehen, aber da er die Verbindung zwischen Giannis und ihr war, hatten sie täglich in Form von E-Mails und Videoanrufen kommuniziert.
Was als rein professionelle Beziehung begann, hatte sich ganz langsam in etwas Aufregenderes verwandelt. Er war nicht nur der anziehendste Mann, den sie jemals getroffen hatte, es war auch eine echte Freude, mit ihm zu arbeiten. Er stellte ihr Urteil selten infrage, und wenn er es tat, waren seine Argumente grundsätzlich vernünftig und überzeugend.
Vor allem abends dachte sie oft an ihn, während sie Dom in den Schlaf wiegte. Und tagsüber, wenn sie an ihrem Laptop arbeitete, unzählige Dinge koordinierte und gleichzeitig versuchte, sich um den Kleinen zu kümmern. Und nachts …
Ihre Haut wurde plötzlich ganz heiß, als sie sich an den Traum erinnerte, den sie von ihm gehabt hatte. Es war einige Wochen her, lange genug, um die Details verblassen zu lassen. Aber sie würde nicht so schnell vergessen, wie atemlos und verschwitzt sie in jener Nacht aufgewacht war.
Beim nächsten Videochat hatte sie Schwierigkeiten gehabt, ihm direkt in die Augen zu blicken, ohne dabei rot zu werden.
Er kam auf sie zu, gut einen Kopf größer als alle anderen Menschen in der Nähe, und achtete dabei gar nicht auf die vielen neugierigen Blicke, die ihm folgten. Sein schlanker Körper sah in der dunklen Hose und dem blauen Hemd, das am Hals offen stand, einfach hinreißend aus. Auf den geschwungenen Lippen zeichnete sich ein träges Lächeln ab.
Lässig streckte er eine Hand nach ihr aus und zog mit dieser Bewegung die Manschette seines Ärmels leicht zurück, sodass sie das feine, dunkle Haar auf seinem kräftigen Arm erkennen konnte.
„Beth, es ist schön, dich wiederzusehen.“ Sein starker italienischer Akzent hatte einen elektrisierenden Effekt auf sie.
Ihr Magen zog sich zusammen, als sie in seine tiefgrünen Augen sah. Sie hatte vergessen, wie lebendig sie waren, wenn ihr Glanz nicht durch einen Computerbildschirm verfälscht wurde. Sie hatten die Farbe von funkelnden Smaragden und boten einen scharfen Kontrast zu dem tiefen Olivton seiner Haut und dem vollen, schwarzen Haar, das sich leicht lockte.
Beth kannte Frauen, die töten würden, um so lange und dichte Wimpern zu haben wie er. Er hatte ein scharfkantiges Gesicht mit einer geraden Nase und einem festen Mund – ausgesprochen sexy.
Mit klopfendem Herzen schüttelte sie seine Hand, die sich kräftig und angenehm warm anfühlte. „Du hast kein Wort davon gesagt, dass du uns abholen würdest“, begann sie etwas atemlos.
Seine Augen leuchteten auf. „Meine Aufgabe an diesem Wochenende ist es, dir zu helfen, wo ich kann.“
Hatte sich da ein zweideutiger Unterton eingeschlichen, oder bildete sie sich das nur ein?
„Sind die Caterer schon im Palasthotel eingetroffen?“, fragte sie geschäftig.
Bei aller freundlichen Nähe, die sich zwischen ihnen entwickelt hatte, war ihre Beziehung trotzdem rein professionell. Bis auf diesen verwegenen Traum, den sie gehabt hatte, aber davon wusste er ja zum Glück nichts. Eine harmlose Schwärmerei …
„Sie kamen gerade an, als ich losgefahren bin. Bis jetzt läuft alles nach Plan. Deine organisatorischen Fähigkeiten haben sich voll ausgezahlt.“
„Das war Teamarbeit“, gab sie lachend zurück und freute sich ehrlich über sein Kompliment. „Außerdem lässt eine Frist von sechs Wochen, um den Maskenball des Jahrhunderts zu organisieren, einen automatisch zur Höchstleistung auflaufen.“
Sein Lächeln wurde breiter, und er warf einen Blick in den Kinderwagen. Er starrte Dom lange an, ehe er sich wieder an sie wandte. „Und das ist dein Sohn?“
Das kokette Funkeln in seinen Augen war verschwunden, und Beth wusste genau, warum: Valente hatte sich gerade daran erinnert, dass sie eine Mutter war …
Oder sie hatte sich nur eingebildet, dass er an ihr interessiert sein könnte. Letzteres war am wahrscheinlichsten. Beth war ernsthaft außer Übung in Sachen Männer. Und eigentlich war sie noch nie sonderlich gut im Flirten gewesen.
„Das ist Dom“, bestätigte sie vage. Valente zu erklären, dass sie bloß Doms Erziehungsberechtigte und nicht seine leibliche Mutter war, würde nur weitere Fragen nach sich ziehen.
Carolines Tod ging ihr immer noch sehr nahe, und sie konnte nicht darüber sprechen, ohne sich in ein emotionales Wrack zu verwandeln. Außerdem musste sie sich dringend auf den Job konzentrieren, für den sie bezahlt wurde. „Ich würde euch ja gern einander vorstellen, aber er ist gerade erst eingeschlafen.“
Nachdenklich betrachtete er das schlafende Baby. „Dann werde ich euch mal zum Palast bringen und dir das Kindermädchen vorstellen, das sich um ihn kümmern wird, während du arbeitest.“
Mit diesen Worten nahm er ihr die Tasche ab, mühelos, als wäre sie nur mit Luft gefüllt, und wandte sich zum Ausgang.
Beth schluckte und folgte ihm.
Als Alessio, der sich Beth gegenüber als Valente ausgab, den Flughafen verließ, stellte er fest, dass die Sonne am Wiener Morgenhimmel schon aufgegangen war. Doch er schenkte dem wunderschönen Licht, das sie begrüßte, keine Aufmerksamkeit, sondern konzentrierte sich auf den cremefarbenen Kinderwagen, in dem sein verwaister Neffe schlief.
„Warst du schon einmal in Wien?“, wollte er von Beth wissen. Er musste das Gespräch am Laufen halten, damit sie keinen Verdacht schöpfte.
Bis vor ein paar Minuten hatte er den kleinen Domenico, den Beth Dom nannte, nur von Fotos gekannt.
Sein Plan hatte perfekt funktioniert. Beth war hier, und sie hatte seinen Neffen mitgebracht.
Und sie hatte immer noch keine Ahnung, wer er wirklich war.
Wie hätte sie ihn auch erkennen sollen? Wie der Rest der Palvettis schützte Alessio seine Privatsphäre extrem konsequent. Die wenigen Bilder, die von ihm in die Öffentlichkeit gelangt waren, hatte er durch rechtliche Schritte löschen oder unkenntlich machen lassen. Außerdem gab es keine Ähnlichkeit zwischen ihm und seinem verstorbenen Bruder, weder in Bezug auf die Persönlichkeit noch auf das Aussehen.
Es war hart gewesen, zu erfahren, dass sein Bruder in betrunkenem Zustand bei einem Autounfall ums Leben gekommen war, ehe sich die Familie versöhnen konnte. Und herauszufinden, dass er zuvor heimlich geheiratet hatte.
Die sterblichen Überreste seines Bruders waren auf einem kleinen Friedhof in London beigesetzt worden, nicht auf seinem rechtmäßigen letzten Ruheplatz, dem Familiengrundstück in Mailand. Aber die Tatsache, dass Domenicos Eltern irgendeiner Person die Vormundschaft für ihren Sohn übertragen hatten – einer Frau, die nicht einmal eine Blutsverwandte war –, erschütterte ihn zutiefst.
Domenicos Entfremdung von seiner Herkunft, das ganze böse Blut innerhalb der Familie, all das hatte er mit ins Grab genommen. Es war die ultimative Rache an einer Familie gewesen, die sich seinen egoistischen Bedürfnissen und phantasievollen Träumen entgegengestellt hatte.
Alessio war unheimlich traurig und wütend auf seinen toten Bruder und hatte sich sofort zur Aufgabe gemacht, seinen Neffen nach Hause zu holen. Er würde nicht zulassen, dass der Junge unter den Fehlentscheidungen seines Vaters litt. Domenicos Sohn war ein geborener Palvetti und verdiente es, als solcher erzogen zu werden. Man durfte ihn nicht einfach in der Obhut einer Fremden lassen.
Also hatte er ein privates Ermittlungsteam engagiert, das sich mit dem Leben des Vormunds befassen sollte, und festgestellt, dass sie eine alleinstehende, vierundzwanzigjährige Eventmanagerin war. Zweifellos wäre sie erleichtert, die Verantwortung für ein verwaistes Baby wieder abgeben zu können. Zumindest hatte er das gedacht.
Er hatte ihr eine höfliche E-Mail geschickt, in der er um ein erstes Treffen bat. Die Antwort war ein knappes Nein gewesen. Daraufhin hatte er seine Anwälte eingeschaltet, aber sie war abweisend geblieben. Deshalb war er davon ausgegangen, dass sie ein finanzielles Angebot von ihm erwartete.
Offenbar hatte sie sich ein Jahr unbezahlten Urlaub genommen, um Zeit für seinen Neffen zu haben. Eine solche Entscheidung konnte das Geld schnell knapp werden lassen, daher bot er ihr eine Million Pfund für das alleinige Sorgerecht an.
Ihre sofortige Ablehnung und ihre Drohungen, rechtliche Schritte gegen ihn einzuleiten, falls er seine Belästigung fortsetzte, hatten Alessio eher verblüfft als verärgert. Zu diesem Zeitpunkt hatten seine Ermittler ihren Abschlussbericht über Beth bereits zusammengestellt – eine höchst interessante Lektüre.
Sie war ganz offensichtlich eine erfolgreiche und ehrgeizige Karrierefrau und hatte gleichzeitig ein großes Herz für den kleinen Domenico.
Allmählich hatte ein Schlachtplan in seinen Gedanken Gestalt angenommen. Eigentlich hatte Alessio noch ein paar Jahre länger an der Spitze von Palvetti, dem exklusiven Juwelier- und Parfümerieimperium, das von seinen Urgroßeltern gegründet worden war, verbringen wollen. Anschließend hatte er vorgehabt, eine Frau auszuwählen und die Familiendynastie fortzusetzen.
Aber wenn er das Sorgerecht für seinen Neffen übernehmen wollte, bedeutete dies, dass er seinen Lebensplan vorantreiben musste. Natürlich würde er für eine professionelle Kinderbetreuung rund um die Uhr sorgen, aber sein Neffe brauchte trotzdem eine Mutter. Eine feste Bezugsperson.
Alessios eigene Mutter war zwar nie in ihrer Rolle aufgegangen, aber ihr weiblicher Einfluss hatte ihn dennoch stark geprägt, und genau das wünschte er sich auch für seinen Neffen.
Aber die Ehe war keine Verbindung, die man aus einer Laune heraus einging, und Ermittlungsberichte waren keine zuverlässige Charakterstudie. Er musste selbst herausfinden, ob Beth die ideale Kandidatin war. Auf den ersten Blick sah es jedenfalls so aus.
Entschlossen hatte Alessio einen alten Freund kontaktiert, der ihm noch einen großen Gefallen schuldig war. Zwanzig Jahre zuvor hatte er seinem Schulkollegen Giannis Basinas ein falsches Alibi gegeben, damit Giannis nicht der Schule verwiesen wurde.
Im Gegenzug veranstaltete Giannis jetzt – auf Alessios ausdrücklichen Wunsch hin – einen Ball in dem prächtigen Palast, den er vor einigen Jahren gekauft und für dessen Renovierung er Millionen ausgegeben hatte. Und er hatte White’s Events mit der Organisation beauftragt, ganz bewusst unter der Leitung der talentierten Beth Hardingstone.
Und Alessios Name wurde kaum im Zusammenhang mit dem Maskenball erwähnt. Er gab sich lediglich als Vertreter des superreichen griechischen Veranstalters aus. Auf diese Weise konnte er Beth Hardingstone praktisch inkognito näherkommen.
Alessio lebte ein ruhiges und diskretes Leben, weit weg vom Medienrampenlicht, und hütete das sogenannte Palvetti-Geheimnis. Ein Mythos, den schon seine Urgroßeltern bewusst zelebriert hatten und der den Reiz ihrer weltberühmten Marke verstärkte.
Endlich fand Beth ihre Stimme wieder und beantwortete seine Frage. „Leider nicht. Ich wollte schon immer mal herkommen, habe es aber nie geschafft.“
Sie hatten sein Auto erreicht, einen glänzenden pechschwarzen Geländewagen. Alessio drückte auf seinen Schlüsselanhänger, um die Türen zu entriegeln.
„Gehört der etwa dir?“, fragte sie mit offensichtlicher Überraschung.
„Nur für die Arbeit.“ Ein weiteres Mal umging er die Wahrheit und fühlte sich absolut nicht wohl dabei. Aus irgendeinem Grund fiel es ihm immer schwerer, die Täuschung über seine wahre Identität aufrechtzuerhalten.
Beth öffnete die Hintertür und blickte dann Alessio mit einem Lächeln an. Ihre großen schokoladenbraunen Augen strahlten. „Du hast sogar an einen Kindersitz gedacht.“
Er nickte. Verdammt, sie war wirklich wunderschön, wenn sie lächelte!
Dieses Phänomen hatte ihn schon bei ihrem ersten Treffen und danach bei den vielen Videoanrufen beeindruckt. Ihr voller sinnlicher Mund übte eine fast hypnotische Wirkung auf ihn aus.
Heute trug sie eine enge cremefarbene Hose, ein grau-weißes Hemd und flache Ballerinas. Bei ihrem ersten Treffen waren Alessio gleich ihre hohen Absätze aufgefallen, aber heute hatte sie ein praktischeres Outfit gewählt, das er sogar noch aufreizender fand als den Business-Look.
Ihr langes dunkles Haar fiel lose um ihr hübsches herzförmiges Gesicht. Sie trug kein Make-up, jedenfalls kein auffälliges, aber das hatte sie auch gar nicht nötig. Ihre natürliche Anziehungskraft auf ihn war nicht zu leugnen.
Alessio hielt den Atem an, als sie das schlafende Kind vorsichtig aus dem Kinderwagen hob. Das unschuldige Wesen in ihren Armen war der Grund, warum er das alles hier tat. Dieser Junge war ein Palvetti, sein Fleisch und Blut!
Er räusperte sich. „Brauchst du Hilfe?“
„Es geht schon, danke“, antwortete sie freundlich, ohne zu bemerken, wie sehr ihn der Anblick seines Neffen aus der Fassung brachte.
Mit geübten Griffen legte sie das Baby in den Autositz und beugte sich weiter vor, um die Sicherheitsgurte festzuschnallen.
Plötzlich bemerkte Alessio, dass seine Aufmerksamkeit dabei auf ihren knackigen Po gerichtet war. Sein Mund wurde trocken, und er spürte, wie sich unbändige Lust in seinen Lenden ausbreitete.
Es war eine primitive Reaktion, völlig ungesteuert, wie er sie seit seiner Jugend nicht mehr erlebt hatte.
„Aha!“, kam es aus dem Inneren des Wagens.
Er blies zischend den Atem aus und trat von einem Bein aufs andere. „Wie bitte?“
Sie drehte den Kopf zu ihm um. „Das war etwas komplizierter, als ich gedacht hatte, aber am Ende bin ich dahintergekommen, wie dieses Gurtsystem funktioniert.“ Dann gab sie dem kleinen Domenico einen Kuss auf die Wange und richtete sich auf.
Alessio riss sich zusammen und verstaute ihr Gepäck im Kofferraum, während Beth vorn auf der Beifahrerseite einstieg. Und als er sich kurze Zeit später neben sie setzte, wurden seine Sinne sofort wieder lebendig, weil er ihr berauschendes Parfüm einatmete.
Dio, es war ein betörender Duft!
„Fertig?“ Er legte den Gang ein.
„Auf jeden Fall.“ Ihr Lachen klang melodisch und ansteckend. „Bring mich zum Palast!“
„Zu Befehl.“ Er grinste sie an und fühlte sich wunderbar energiegeladen.
Obwohl seine Reaktion auf sie in diesem Moment unangemessen war, fand er es eigentlich gar nicht schlimm, dass er sie begehrte. Bei der gemeinsamen Arbeit in den letzten sechs Wochen hatte er einen hervorragenden Eindruck von ihr gewonnen. Beth war tatsächlich ein Gewinn für jedes Unternehmen.
Berücksichtigte man dazu noch ihr angenehmes Wesen, ihre natürliche Schönheit und seine fast animalische Reaktion auf sie, besaß sie genau die Eigenschaften, die er von einer Ehefrau erwartete.
Beths Müdigkeit war verflogen. Jetzt strömte das Adrenalin durch ihre Adern, das immer kam, wenn ein wichtiges Ereignis bevorstand.
Sie hatte noch nie in ihrem Leben so hart gearbeitet wie in den letzten sechs Wochen. Lucinda, ihre Chefin, hatte ausreichend Zusatzpersonal und Ressourcen auf sie umgeleitet, sodass Beth ihr Programm mit buchstäblich militärischer Präzision koordinieren konnte. Und Ruhe hatte sie extrem wenig gehabt, da sie die Stunden, in denen Dom geschlafen hatte, für die Arbeit nutzen musste. Alles sollte zu Giannis Basinas’ Zufriedenheit ausfallen.
Schon in neun Stunden würden die Gäste ankommen. Es war nicht Beths erste exklusive Veranstaltung, aber diese Gästeliste hatte sie zum Keuchen gebracht. Die berühmtesten Gesichter der Welt bezahlten Unsummen für eine Eintrittskarte, um zu tanzen und sich unterhalten zu lassen: europäische Könige, Hollywoodgrößen, Milliardäre, berühmte Erben, Künstler … Dies würde ein legendärer Ball werden, der garantiert für medialen Gesprächsstoff sorgte.
Und falls es schiefging, würde sie das ihren Kopf kosten! Aber im günstigsten Fall waren ihre finanziellen Sorgen dank der großzügigen Gage plus Bonus endlich Geschichte.
Das Gehalt, das sie bis zu diesem Zeitpunkt schon bekommen hatte, war bereits ein Segen gewesen. Sie hatte ihre Miete bezahlt und Dom neue Sachen gekauft. Und falls wirklich noch ein Bonus drin war, konnte sie einem zukünftigen Rechtsstreit mit Alessio Palvetti etwas gelassener entgegenblicken.
Vor allem musste sie in dem Fall nicht sofort in den alltäglichen Arbeitstrott zurückkehren.
„Du bist ziemlich still“, bemerkte Valente plötzlich.
Schweigend sah sie ihn von der Seite an. Seine Aufmerksamkeit war fest auf die saubere breite Straße vor ihnen gerichtet. Er war tatsächlich ein sehr guter, konzentrierter Autofahrer. Kein einziges Mal auf ihrer dreißigminütigen Fahrt hatte Beth sich unwohl gefühlt. „Ich denke bloß nach.“
„Worüber?“
Sie lachte. „Was glaubst du wohl? Die Gäste werden in knapp neun Stunden erwartet. Und bis dahin kann noch viel schiefgehen.“
„Nichts wird schiefgehen.“
„Spricht da die Erfahrung aus dir?“
„Nur die Stimme von jemandem, den dein außergewöhnliches Organisationstalent zutiefst beeindruckt hat.“
Verlegen drehte sie sich weg und sah aus dem Fenster. Sein Kompliment schmeichelte ihr, und sie wusste nicht recht, wie sie darauf reagieren sollte.
Die Sicht nach draußen war faszinierend. Kein Wunder, dass diese Stadt für ihre Romantik berühmt war. Allein schon die atemberaubende Architektur und die Größe und Schönheit der Gebäude reichten aus, um Beth den Atem zu rauben.
Oder war es eher die unmittelbare körperliche Nähe zu Valente? Je länger sie neben ihm saß, desto bewusster wurden ihr sein männlich frischer Duft, die schlanken, gebräunten Finger am Lenkrad, das Muskelspiel seiner starken Schenkel, wenn er den Gang wechselte …
Schnell räusperte sie sich und antwortete: „Wie gut meine organisatorischen Fähigkeiten wirklich sind, wissen wir erst, wenn der Ball vorüber ist.“
Inzwischen hatten sie den riesigen Innenhof des Palasts erreicht, in dessen Mitte sich ein Wasserbrunnen befand. Es war ohne Zweifel das schönste Bauwerk, das sie je gesehen hatte, und umgab den Innenhof an drei Seiten.
Jetzt, bei aufgehender Sonne, konnte man unmöglich die vielen Fenster zählen, die über drei hohe Stockwerke das goldene Licht spiegelten und auf diese Weise die verzierten weißen Säulen perfekt in Szene setzten. Ein wahrlich spektakulärer Anblick! Kein Wunder, dass diese Adresse schon jetzt zu den teuersten Hotels Europas gehörte.
Ein Gefühl der Ehrfurcht erfüllte Beth, während sie mit Dom in den Armen die breiten, geschwungenen Stufen hinaufstieg und durch die pompösen Eingangstüren trat. Theoretisch kannte sie jeden Zentimeter des Erdgeschosses schon von den Fotos, Videos und Maßzeichnungen, die sie erhalten hatte, aber nichts hätte sie darauf vorbereiten können, wie diese einzigartigen Räume in der Realität wirkten.
Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich mühelos vorstellen, eine Prinzessin aus dem achtzehnten Jahrhundert zu sein. Vor allem konnte sie dann für einen Moment verdrängen, dass Valente sie genau beobachtete.
„Dann gehen wir mal hinauf zu deiner Suite“, murmelte er. „Doms Kindermädchen wartet dort schon auf dich.“
Sie riss sich aus ihrer Trance und folgte ihm durch die reich verzierten Korridore und eine Treppe hinauf, die so breit wie ihre Wohnung war. Ihre Schritte wurden von einem dicken königsblauen Teppich gedämpft. Oben bogen sie nach links ab und gingen zum hinteren Ende des Zwischengeschosses in ihr vorgesehenes Zimmer. Ihre Suite.
Sie schnappte nach Luft.
„Das kann doch nicht für mich sein!“
Valente sah sie mit seinen strahlend grünen Augen an. „Du hast schließlich ein Kind und brauchst etwas Platz. Da werden wir dich wohl kaum im Dienstbotentrakt unterbringen. Dein Outfit für den Ball hängt in deinem Kleiderschrank.“
Das Glitzern in seinem Blick löste ein warmes Gefühl in ihr aus, das tief in sie eindrang, so tief, als würde sie es niemals wieder loswerden können.
Lautlos erschien eine Frau mittleren Alters in der Tür. Sie trug ein dunkelblaues Kleid mit einer weißen Schärpe, die um ihre Taille gebunden war.