Verführerische Julia

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Wahre Gefühle? Das ist nichts für Cameron Duke. Bis seine Affäre, die schöne Bäckerin Julia, plötzlich ein Kind von ihm erwartet. Er will für seinen Sohn da sein und nimmt sie zur Frau. Kann aus der Zweckehe Liebe werden?


  • Erscheinungstag 01.03.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783955768751
  • Seitenanzahl 128
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. Kapitel

Cameron Duke hatte genau drei Wünsche: Seine Krawatte loswerden, ein kühles Bier und Sex, wobei die Reihenfolge eher nebensächlich war. Er hatte viel zu lange viel zu hart an dem laufenden Projekt von Duke Development gearbeitet, der Entwicklungsfirma, die er gemeinsam mit seinen beiden Brüdern leitete. Und er hatte es, verdammt noch mal, satt, in einem Hotelzimmer zu wohnen!

Andererseits, dachte er, während er die Schlüsselkarte in das Lesegerät neben der Tür schob, hätte ich es wirklich schlechter treffen können. Immerhin gehörte ihm das Hotel, und seine Suite im Monarch Dunes bestand aus zweihundert Quadratmetern reinem Luxus – inklusive riesiger Terrasse, Meerblick und Zimmerservice. Nein, eigentlich hatte er keinen Grund zum Klagen.

Während er den Vorraum seiner Suite betrat, schwor er sich, dass er angeln gehen würde, sobald die Internationale Catering-Konferenz vorüber war. Die Hotelanlage lief mittlerweile wie am Schnürchen und war voll ausgebucht. Zeit, sich ein paar Wochen Urlaub zu nehmen, abzuhauen und einfach mal nichts zu tun. Vielleicht würde er ein Hausboot auf dem Shasta-See mieten oder eine Kanutour auf dem King River machen. Oder aber er wählte einfach ein paar Nummern und …

Kein Zweifel, er brauchte unbedingt Sex.

Während er seine Krawatte lockerte, warf er seinen Schlüsselbund auf das Sideboard, stellte seine Aktentasche auf dem Marmorboden ab und betrat das Wohnzimmer, in dem alle Lichter angeschaltet waren.

»Was ist denn hier los?«, murmelte er. Als er die Suite vor zwei Tagen verlassen hatte, waren die Lampen ganz sicher aus gewesen.

Doch die Lichter waren nicht das einzige Problem: Entgegen seiner Gewohnheit waren die Vorhänge geschlossen. Dabei wusste das Hauspersonal doch ganz genau, wie sehr er den Meerblick zu schätzen wusste!

Aber Cameron ließ sich von dieser kleinen Unregelmäßigkeit nicht weiter irritieren, sondern zog sich das Jackett aus und warf es auf einen Sessel. Wahrscheinlich gab es einen Neuzugang beim Personal, der seine Vorlieben noch nicht kannte. Gleich morgen würde er mit dem Chef der Reinigungskräfte sprechen und dafür sorgen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkam.

Doch dann fiel ihm ein Taschenbuch auf, das aufgeschlagen und mit dem Rücken nach oben auf dem Couchtisch lag und ganz sicher nicht ihm gehörte. Außerdem hing ein fremdes Kleidungsstück über der Sofalehne.

Überrascht nahm er das weiche rosafarbene Hemdchen in die Hand, das mit einer weißen Spitzenbordüre eingefasst war. Nachtwäsche, und zwar teure. Die selbstredend einer Frau gehören musste. Ein zarter Duft von Orangenblüten stieg Cameron in die Nase. Der Geruch kam ihm irgendwie bekannt vor und ließ ein unerklärliches Verlangen in ihm aufsteigen.

»Was, zum Teufel?«, murmelte er verwirrt und legte das transparente Hemdchen wieder aufs Sofa zurück. Nicht dass er etwas gegen Reizwäsche gehabt hätte, aber im Moment interessierte ihn vor allem, wer sich unerlaubt in seiner Suite breitgemacht hatte.

Sicher würde ihm die Lösung dieses Rätsels mit einem Bier in der Hand leichter fallen. Aber als er in den großzügigen Küchenbereich hinüberlief, stolperte er fast über ein Paar High Heels, rot, sexy und unglaublich hoch.

Das musste ja wohl ein Witz sein! Wahrscheinlich steckte mal wieder sein Bruder Brandon dahinter. Wäre Cameron nicht so genervt darüber gewesen, dass sein ruhiger Abend gestört worden war, hätte er wohl darüber lachen können.

Misstrauisch spähte er hinter die Bar, doch dort hatte sich Brandon nicht versteckt. Dieser blöde Scherzkeks! Wahrscheinlich saß er in irgendeinem Schrank und wartete den richtigen Moment ab, um hervorzuspringen und »Reingelegt!« zu brüllen. Cameron holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank und trank einen großen Schluck. Dann ließ er die Flasche wie in Zeitlupe auf den Tresen sinken. Warum, um Himmels willen, standen da Babyfläschchen neben dem Spülbecken?

»Okay, jetzt reicht’s«, murmelte er. Dann rief er laut: »Brandon, komm raus, du Blödmann!« Aber niemand antwortete.

»Ich weiß, dass du hier irgendwo bist!«, fuhr er fort, während er durch den breiten Flur lief.

Und da hörte er den Gesang.

Er erstarrte mitten in der Bewegung und lauschte. Eine Frauenstimme, die ein bisschen schräg »Girl from Ipanema« sang. Und zwar unter seiner Dusche! In seinem Badezimmer!

Irritiert warf er einen Blick in den Schlafzimmerschrank, um sich zu versichern, dass er sich nicht in der Suite vertan hatte. Tatsächlich hingen dort all seine Sachen, ordentlich in Reih und Glied. Was allerdings bedeutete, dass sich die fremde Frau im Zimmer geirrt haben musste. Inzwischen war er sich hundertprozentig sicher, dass Brandon dahintersteckte. Es passte einfach zu gut zu seinem Bruder, als »Überraschung« eine Frau anzuheuern. Anders ließ sich das Ganze nicht erklären, denn ohne Anweisung eines Mitglieds des Duke-Clans hätte das Personal sicher keine Fremde in diese Suite gelassen.

Während er dem leisen Singsang aus dem Bad lauschte, fragte er sich, was er als Nächstes tun sollte. Ein Gentleman würde wohl warten, bis die Frau fertig geduscht und sich angezogen hatte, bevor er sie vor die Tür setzte. Allerdings hätte Cameron niemals für sich in Anspruch genommen, ein Gentleman zu sein.

Schließlich war er hier nicht derjenige, der einfach in ein fremdes Hotelzimmer eingebrochen war! Also beschloss er, sich im Badezimmer direkt vor der Duschkabine auf die Lauer zu legen.

Sekunden später hörte er, wie das Wasser abgedreht wurde. Dann öffnete sich die Kabinentür einen Spaltbreit. Ein sommersprossiger, leicht gebräunter Arm kam zum Vorschein und tastete nach einem Handtuch. Als Nächstes folgte ein unglaublich langes, feucht glänzendes Bein.

»Kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte Cameron und drückte ein weiches Frotteetuch in die tastende Hand.

Der darauffolgende Schrei war so schrill, dass Cameron sich wunderte, dass der Badezimmerspiegel nicht zerbarst.

»Raus!«, brüllte die Frau. Nervös ließ sie das Handtuch fallen und hob es gleich hastig wieder auf, um sich zu bedecken.

»Ist ja lustig. Genau dasselbe wollte ich Ihnen auch gerade vorschlagen.«

Eigentlich war Cameron kein Voyeur. Aber er schaffte es einfach nicht, sich von dem Anblick der Fremden loszureißen. Wie gebannt starrte er auf ihre Brüste, die der Traum jedes Teenagers waren. Ach was, eher der Traum jedes männlichen Wesens von hier bis Kuala Lumpur! Zwei vollkommen geformte, seidige Kugeln mit harten, rosigen Brustwarzen, die förmlich danach zu schreien schienen, von ihm berührt zu werden. Nicht, dass seine Fantasie hier schon aufhörte: Nachdem er diese sensationellen Brüste erobert hätte, würde er seine Hände über den flachen, feucht schimmernden Bauch gleiten lassen und seine Finger in den zarten Flaum zwischen den Oberschenkeln der Unbekannten schieben, und dann …

Im Bauchnabel der Frau glitzerte ein kleiner Diamant, der Cameron aus unerklärlichen Gründen zum Lächeln brachte.

»Würden Sie freundlicherweise aufhören, mich anzustarren, und mir ein bisschen Privatsphäre lassen?«, herrschte die Frau ihn an und schlang sich das Handtuch um den schönen Körper – sehr zu Camerons Bedauern.

Ende der Vorstellung, dachte er enttäuscht. Dann sah er der Fremden zum ersten Mal ins Gesicht und erstarrte. Diese blitzenden blauen Augen hätte er unter Tausenden wiedererkannt. Denn sie gehörten der einen Frau, die er nie wirklich hatte vergessen können.

»Hallo, Julia«, sagte er, nachdem sich der erste Schreck gelegt hatte.

»Was glaubst du eigentlich, was du hier machst?«, fauchte sie ihn an.

Lässig lehnte er sich an die Tür. »Na ja, da ich hier wohne, hatte ich eigentlich vor, mir ein Bier zu schnappen und Football zu gucken.« Dann verschränkte er die Arme vor der Brust. »Sehr viel interessanter finde ich die Frage, was du hier machst.«

Julia fluchte leise und trat aus der Kabine. »Ich dachte, du würdest dich in den nächsten zwei Wochen nicht hier blicken lassen.«

»Ich bezweifle, dass irgendjemand vom Personal so etwas behaupten würde.«

»Stimmt«, gestand sie schlecht gelaunt ein und öffnete die Tür. Im Schlafzimmer zog sie einen kleinen Koffer unter dem Bett hervor.

Cameron folgte ihr gelassen, trank noch einen Schluck Bier und beobachtete, wie sie ein paar Kleidungsstücke aus dem Koffer zog. »Wenn du angezogen bist, sollten wir uns mal ein paar Takte über das Thema Grenzen unterhalten«, bemerkte er schließlich.

»Ach, halt doch die Klappe«, fuhr sie ihn zornig an. Cameron entging nicht, dass ihr die Hände vor Nervosität zitterten, als sie sich das feuchte, wellige Haar aus der Stirn strich. »Was machst du überhaupt hier?«

»Ich?« Gegen seinen Willen musste Cameron über ihre Unverschämtheit lachen. »Falls ich mich nicht irre, ist das immer noch meine Suite.«

»Aber du solltest überhaupt nicht hier sein!«

»Süße, das ganze Hotel gehört mir. Ich kann mich aufhalten, wo immer ich will.«

Julia raffte ihre Sachen zusammen und schob sich, an Cameron vorbei, in den begehbaren Kleiderschrank. Keine Minute später kam sie in Shorts und einem knappen T-Shirt wieder heraus.

Cameron atmete tief durch und versuchte, das beharrliche Pochen seiner Libido zu ignorieren. Er hatte gehofft, dass es helfen würde, wenn Julia sich etwas anzog. Doch jetzt faszinierte ihr Anblick ihn noch mehr.

»Also, würdest du mir bitte erklären, was das alles soll?«, fragte er und zog seine Krawatte aus, weil ihm das Atmen plötzlich außerordentlich schwerfiel.

Julia fuhr sich durchs Haar, atmete tief durch und sagte dann gefasst: »Sally meinte, dass …«

»Was?«, unterbrach er sie harsch. Auf einmal war er in Alarmbereitschaft. »Moment mal!«

Dass Julia plötzlich seine Mutter ins Spiel brachte, war ein wirklich schlechtes Zeichen. Sally Duke, die Frau, die ihn adoptiert hatte, als er acht gewesen war, ließ sich nur als Naturgewalt bezeichnen. Seit einer Weile hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, ihre drei Söhne möglichst schnell unter die Haube zu bringen. Und wie er sie kannte, würde sie nicht eher ruhen, bis sie ihr Ziel erreicht hatte. Verdammt, wenn Sally etwas mit Julias Anwesenheit hier zu tun hatte, steckte er ganz schön in der Klemme.

»Welcher Zusammenhang besteht zwischen meiner Mutter und der Tatsache, dass ich dich gerade nackt in meinem Badezimmer angetroffen habe?«

Ganz klar auf der Hut, musterte Julia ihn eindringlich. Offenbar versuchte sie, seine Laune einzuschätzen. »Äh, da gibt es keinen Zusammenhang. War nur ein Versprecher.«

»Ein Versprecher?«, wiederholte er gedehnt. »Über meine Mutter? Na klar, sehr glaubwürdig.«

Wütend richtete Julia sich auf, wodurch ihre Brüste noch etwas deutlicher unter dem dünnen T-Shirt hervorragten. Ihr feuchtes Haar hatte den zarten Stoff durchnässt, sodass er an ihrem Körper klebte wie eine zweite Haut. Julia schien das im Moment allerdings vollkommen egal zu sein. »Eigentlich solltest du überhaupt nicht hier sein.«

»Du wiederholst dich, und du lenkst vom Thema ab.« Vorsichtig kam er näher, beobachtete dabei aber jede ihrer Gesten. »Und jetzt raus mit der Sprache: Was genau hat meine Mutter zu dir gesagt?«

Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Julia zu ihm hoch. »Nichts. Gar nichts! Vielleicht sollte ich einfach meine Siebensachen packen und verschwinden. Ja, genau, das wäre das Beste.«

»Nicht so schnell«, warf er ein und griff nach ihrem Arm. »Ich will wissen, was meine Mutter mit all dem hier zu tun hat.«

»In Ordnung«, sagte Julia, während sie vergeblich versuchte, sich aus seinem Griff zu winden. »Sally meinte, dass du irgendeine Konferenz hättest und deine Suite währenddessen sowieso nicht benutzen würdest. Und weil es hier so gemütlich ist, meinte sie, dass ich solange hier wohnen könnte.«

Cameron lief es eiskalt den Rücken hinab. Es stimmte, eigentlich hatte er noch zwei Wochen im Norden bleiben wollen. Aber gestern hatte er seine Mutter angerufen und ihr mitgeteilt, dass er seinen Plan geändert hatte.

Also hatte Sally das hier eingefädelt.

Bildete seine Mutter sich wirklich ein, dass ein so durchschaubarer Plan ihn davon überzeugen könnte, doch zu heiraten? Tja, den Gefallen würde er ihr nicht tun.

Als Julia sich erneut in seinem Griff wand, regte sich südlich seines Bauchnabels so einiges. Unwillkürlich fragte sich Cameron, ob es gerade wirklich wichtig war, was seine Mutter getan hatte. Nein, mit Sally würde er sich irgendwann auseinandersetzen. Später.

Denn im Moment stand nur wenige Zentimeter von ihm entfernt eine hinreißende, nur dürftig bekleidete Frau. Eine sinnliche Frau, der er vor einiger Zeit sehr, sehr nahe gewesen war.

Als er sie dichter an sich zog, stieg ihm wieder dieser vertraute Duft nach Orangenblüten in die Nase, in den sich eine dunklere, exotische Note mischte. Trotz redlicher Bemühungen hatte er Julia nie wirklich vergessen können, genauso wenig wie ihren Duft.

An ihre erste Begegnung erinnerte er sich noch so genau, als wäre es gestern gewesen.

Alles hatte begonnen, als seine Mutter Cupcake, Julias Konditorei in der Altstadt von Dunsmuir Bay, entdeckt hatte. Nachdem sie alle Spezialitäten des Hauses durchprobiert hatte, war sie zu dem Entschluss gekommen, dass ihre Söhne auch unbedingt in den Genuss dieser Köstlichkeiten kommen mussten. Tatsächlich waren alle von Julias Backkünsten hin und weg gewesen, und kurz darauf hatte Cupcake alle Duke-Hotels mit Gebäck, Keksen und Brot beliefert.

Nach einer Weile war Julia zu einer eintägigen Informationsveranstaltung für die Lieferanten eingeladen worden, die in einem der Küstenhotels ausgerichtet worden war. Als persönlicher Gast der Dukes hatte man ihr ein Zimmer für ein verlängertes Wochenende reserviert. Und dort in der Hotellobby hatte Cameron sie zum ersten Mal gesehen. Er hatte sie angesprochen. Das Interesse hatte auf Gegenseitigkeit beruht, und am Ende hatten sie das ganze Wochenende miteinander verbracht.

Und damit war die Sache gegessen gewesen. Jedenfalls bis heute.

Cameron hatte zwar immer wieder von Julia geträumt, doch Kontakt zu ihr aufzunehmen war nicht in Frage gekommen. Was Frauen betraf, hatte er eine Regel, an die er sich konsequent hielt: Ein klarer Schlussstrich erspart Kummer und Sorgen. Cameron Duke kehrte nie zu einer Frau zurück. Er blickte nicht einmal zurück. So war das Leben weitaus einfacher, und zwar für beide Seiten. Cameron wollte nicht, dass sich die Frauen, mit denen er Affären hatte, falsche Hoffnungen machten und sich einbildeten, dass aus einer Liebelei eine ernsthafte Beziehung werden könnte. Also hielt er es bei kurzen Affären. Und er machte nie einen Hehl daraus, dass bei ihm nicht mehr zu holen war.

Nach ihrem leidenschaftlichen Wochenende hatte er noch ein paar E-Mails von Julia erhalten, in denen sie ihn um einen Anruf gebeten hatte. Und tatsächlich hatte er in schwachen Momenten daran gedacht, sich wieder bei ihr zu melden. Doch die Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass eine Affäre, die zu lange lief, immer ein schlimmes Ende nahm. Also hatte er, auch Julia zuliebe, ihre Bitte ignoriert, und schließlich hatte sie aufgehört, sich zu melden.

Und hier stand sie nun, über eineinhalb Jahre später, in seiner Hotelsuite. In ihren sexy Shorts und einem praktisch durchsichtigen Top, durch das ihr Bauchnabelpiercing glitzerte. Als sie mit ihren leuchtend blauen Augen zu ihm hochsah, gab es in seinem Kopf nur noch einen Gedanken: Er wollte noch einmal sehen, wie sich diese Augen vor Lust dunkel färbten. Er wollte noch einmal diese sinnlichen Lippen schmecken, noch einmal diesen weichen, geschmeidigen Körper eng an seinem spüren. Hatte er vor ein paar Sekunden tatsächlich noch ernsthaft darüber nachgedacht, Julia aus der Suite zu werfen?

Was war das denn für eine bescheuerte Idee gewesen?

»Okay, es tut mir leid«, lenkte er in einem wesentlich sanfteren Tonfall ein und strich über ihre Arme. »Sally muss vergessen haben, dass ich schon heute zurückkomme. Am besten bleibst du diese Nacht einfach hier, und morgen suchen wir dir ein anderes Zimmer.«

Plötzlich lag in ihrem Blick eine Besorgnis, die er sich nicht erklären konnte. »Ich könnte ja auf der Couch schlafen«, schlug sie vor.

»Lass uns später darüber reden, wer wo schläft.« Er trat noch einen halben Schritt näher. »Ich freue mich sehr, dich zu sehen, Julia.«

Zaghaft lächelnd erwiderte sie: »Wirklich?«

Cameron senkte den Kopf und fuhr mit den Lippen durch ihr duftendes Haar. »Ja.«

Seufzend schloss sie die Augen. Offenbar war sie doch nicht ganz immun gegen ihn. »Und was ist mit deiner Regel?«, flüsterte sie.

Cameron hob sanft ihr Kinn. »Welche Regel?«

Sie schlug die Augen wieder auf und flüsterte: »Die ›Einmal vorbei, immer vorbei‹-Regel.«

Irritiert runzelte er die Stirn. »Davon habe ich dir erzählt?«

Mit einem feierlichen Nicken erwiderte sie: »Als wir uns das letzte Mal gesehen haben. Du hast erklärt, dass es eine tolle Zeit war, du dich aber nie wieder bei mir melden würdest. Damit ich mir keine falschen Hoffnungen mache.« Als seine Lippen nur noch wenige Millimeter von ihren entfernt waren, begann ihre Stimme zu beben.

»Manchmal bin ich echt ein Idiot«, flüsterte er und legte eine Hand in ihren Nacken.

Lächelnd sah sie ihm in die Augen. »Du meintest, das wäre die einzige Regel, bei der du keine Ausnahme machst.«

»Regeln sind dazu da, gebrochen zu werden«, murmelte er und küsste sie.

Unwillkürlich drängte Julia sich an ihn. Aus ihrer Kehle drang ein leises Stöhnen. In diesem Moment schob er sanft die Zunge zwischen ihre weichen, feuchten Lippen, die sich so vertraut anfühlten, als hätte er nie aufgehört, sie zu liebkosen. All seine Probleme schienen sich plötzlich in Luft aufzulösen. Jetzt zählten nur noch Julias berauschender Geschmack und seine Lust auf mehr.

Sie schlang ihm die Arme um den Hals und drängte sich an ihn. Die Süße ihres Atems, ihre Wärme und ihre Leidenschaft benebelten seine Sinne und schalteten seinen Verstand ab. Erst jetzt wurde Cameron klar, dass er sie tatsächlich vermisst hatte. Doch als sie begann, seine Zunge mit ihrer zu umspielen, verblasste auch dieser Gedanke.

Wie durch Watte vernahm er ihr Stöhnen, wollte mehr davon hören, wollte hören, wie sie seinen Namen schrie, wie sie ihn anbettelte, bis er …

Schreien?

Cameron erstarrte. Ja, irgendwo schrie tatsächlich jemand! Draußen vor der Suite? Nebenan? Nein, das klang wenig plausibel, schließlich waren die Räume im Hotel bestens isoliert.

Doch da war das Geräusch wieder, unterdrückt, aber deutlich zu hören. Er wich ein wenig zurück und suchte Julias Blick. »Hast du das auch gehört?«

»Ja«, erwiderte sie, löste sich aus seiner Umarmung und sah sich lauschend um. Sie schien darauf zu warten, dass sich das Geräusch wiederholte. Doch als nichts weiter geschah, zog Cameron sie wieder in seine Arme.

»Muss von nebenan gekommen sein«, flüsterte er und begann, erst ihre Lippen und dann ihre Wangen mit Küssen zu übersäen. Langsam tastete er sich zu ihrem Ohr und ihrem erregend zarten Hals vor.

Als er seine Hände ihren Rücken hinabgleiten ließ und ihren festen Po umschloss, stöhnte sie auf. Während er sie hungrig küsste, presste er seine harte Männlichkeit an sie und schob Julia langsam auf das Bett zu. Er war heiß und hart, und er wollte sie, jetzt.

»Oh, Cameron«, flüsterte sie.

»Ja, ich weiß.« Er setzte sich auf den Bettrand und zog sie näher, bis sie zwischen seinen Beinen stand. Dann schob er ihr Zentimeter für Zentimeter das Top hoch – bis plötzlich ein lautes Wimmern durch die Suite hallte.

Julia stöhnte laut auf, während sie sich aus Camerons Armen befreite. Ihre Gedanken rasten. Aber am wichtigsten war jetzt, dass das Baby sie brauchte. Als Cameron überraschend aufgetaucht war, hatte sie dummerweise das Babyfon im Badezimmer vergessen. Doch wenn der kleine Jake etwas wollte, brüllte er so durchdringend, dass man ihn wohl selbst durch Stahlwände hören könnte. Zwar hatte er sich anfangs wieder beruhigt, aber erfahrungsgemäß hielt die Ruhe nie lange an.

Nun war es also so weit: Cameron würde Jake kennenlernen. Früher oder später wäre es sowieso dazu gekommen. Da er das Thema heute Abend nicht angesprochen hatte, ging sie davon aus, dass er keine ihrer E-Mails gelesen hatte. Was hieß, dass er keine Ahnung von dem Baby hatte. Blieb nur zu hoffen, dass er offen für Überraschungen war.

Seufzend ging sie zum anderen Ende des Flurs, wo das zweite Schlafzimmer abging. »Ich muss mich kurz um das hier kümmern.«

»Um was denn genau?«, fragte Cameron, der hinter hier herkam und seine Arme wieder um ihre Taille schlang.

»Um das Geräusch, das du gerade gehört hast. Das Geschrei.«

»Ach, das kam doch bestimmt aus der Suite nebenan. Ich kann jedenfalls nichts mehr hören.« Er führte fort, was er begonnen hatte, indem er sie erst auf den Nacken küsste und gleich darauf den Mund auf die empfindliche kleine Stelle hinter ihrem Ohr presste.

Wo auch immer Camerons Lippen sie berührten, begann ihre Haut auf der Stelle zu kribbeln, und seine Hände schienen ihren ganzen Körper zu elektrisieren. Gott, sie hatte ganz vergessen, wie aufregend, wie überwältigend erregend Cameron Duke war!

Aber warum, zum Teufel, hatte sie darauf vertraut, dass er nicht herkommen würde? Sie hätte sich denken können, dass das verräterische Funkeln in Sallys Augen nichts Gutes verhieß. Schließlich war Camerons Mutter eine berühmt-berüchtigte Kupplerin!

Anfangs hatte Julia ihren Sohn zu Hause bei seiner Nanny lassen wollen, während sie selbst zu der Konferenz reiste. Doch dann hatte das Kindermädchen um Urlaub gebeten. Außerdem hatte sich herausgestellt, dass viele alte Freunde von Julia, die ebenfalls an der Konferenz teilnahmen, ihre Kinder mitbrachten. Alle waren gespannt auf den kleinen Jake. Und Julia wusste nur zu gut, wie schrecklich sie ihren Sohn vermisste, wenn sie länger als ein paar Stunden von ihm getrennt war. Also hatte sie ihn kurz entschlossen mitgebracht.

Und jetzt brachte Cameron all ihre Pläne durcheinander! Nicht, dass sie ihm das Baby hatte vorenthalten wollen. Aber nun würde die erste Begegnung mit Sicherheit anders ausfallen, als sie es sich vorgestellt hatte.

»Mmm, das fühlt sich gut an«, murmelte sie, drehte sich um und küsste ihn mit allem Feuer, das sie aufbringen konnte – was ihr nicht schwerfiel. Schließlich war Cameron unglaublich sexy und schön wie die Sünde selbst. Er wirkte größer und kräftiger, als sie ihn in Erinnerung gehabt hatte, und, falls das möglich war, noch selbstbewusster. Aus seinen dunkelgrünen Augen musterte er sie mit dem Blick einer Raubkatze, was Julia zu ihrer eigenen Überraschung unglaublich erregend fand.

Aber trotzdem: Hatte er ausgerechnet jetzt hier auftauchen müssen, verdammt noch mal?

Tja, was Cameron Duke betrifft, bist du eben nicht unbedingt ein Glückspilz.

Als sie ihn vor über eineinhalb Jahren kennengelernt hatte, war sie sofort seinem bezwingenden Charme verfallen. Ihre Affäre war so intensiv und leidenschaftlich, wie sie gleichzeitig kurz gewesen war. Ein paar Wochen nach ihrem viertägigen Techtelmechtel hatte Julia die Schwangerschaft bemerkt.

Natürlich hatte sie sich korrekt verhalten und Cameron kontaktieren wollen, aber er hatte ja diese dämliche Affärenregel. Also hatte er ihre E-Mails nicht einmal gelesen, geschweige denn beantwortet.

Vielleicht war es aber auch besser so gewesen. Ein Mann, der so penibel darauf achtete, jede engere Beziehung zu vermeiden, hatte wohl auch keinerlei Interesse daran, ein Kind großzuziehen.

Sie konnte sich schon vorstellen, was er davon hielt, dass sie das Baby mitgebracht hatte, besonders, wenn er herausfand, dass Jake sein Sohn war.

»Oh«, flüsterte sie, als er sie kraftvoll an sich zog. Seine Berührungen machten es Julia so gut wie unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hoffte inständig, dass sie Cameron so lange ablenken konnte, bis Jake sich beruhigt hatte. Nachdem sie eine Nacht lang Zeit gehabt hatte, sich eine Strategie zurechtzulegen, könnte sie morgen in Ruhe mit Cameron sprechen. Das mochte zwar feige sein, aber damit konnte sie leben.

Was auch immer sie als Nächstes tat: Es musste schnell passieren, bevor Jake beschloss, die Zukunft in seine Patschehändchen zu nehmen. Als Erstes musste sie Cameron irgendwie aus dem Flur bugsieren.

»Sag mal«, setzte sie an, als sie eine Atempause zwischen seinen leidenschaftlichen Küssen fand. »Was hältst du davon, dir ein frisches Bier zu holen? Und ich ziehe mir währenddessen etwas …«

»Ich will kein Bier, Julia«, unterbrach er sie und strich über ihren Oberschenkel. »Ich will einfach nur dich.«

»Mir geht es doch genauso«, flüsterte sie und streichelte seine angespannten, muskulösen Schultern. »Aber vorher brauche ich eine Minute, um mich frisch zu machen.«

»Du hast doch gerade erst geduscht«, erinnerte er sie und fuhr mit den Lippen über ihren Nacken. »Du bist so frisch wie der Morgentau!«

Stöhnend löste sie sich aus seiner Umarmung. »Aber ich muss mir wirklich die Haare föhnen!«

»Sicher?« Er strich ihr ein paar lockige Strähnen aus der Stirn. »Ich finde, an deinen Haaren ist absolut nichts auszusetzen.«

»Danke, aber ich will mich nicht erkälten.«

Er warf ihr einen skeptischen Blick zu. »Na klar.«

Julia lächelte ihn strahlend an. »Also, was hältst du von dem kühlen Bier?«

»Was?«

»Bier«, wiederholte sie geduldig. »In der Küche. Und meintest du nicht, dass du ein Football-Spiel ansehen wolltest?«

»Ja, aber …«

»Na, dann geh schon mal vor. Ich komme gleich nach.« Sie versuchte, ihn in Richtung Wohnzimmer zu schieben, aber Cameron stand so starr wie eine Mauer.

»Julia, was ist hier eigentlich los?«, fragte er argwöhnisch.

Und genau in dem Moment schrie Jake nach ihr. Laut und vernehmlich.

Cameron riss überrascht die Augen auf.

Autor

Kate Carlisle
New York Times Bestseller-Autorin Kate Carlisle konnte sich nie so richtig entscheiden: Sollte sie die Haare lang oder kurz, glatt oder gelockt tragen? Sollte sie beim Fernsehen arbeiten oder Brathähnchen verkaufen? Jura studieren oder doch lieber Schauspielunterricht nehmen? Nachdem sie alles einmal ausprobiert hatte, besann sie sich schließlich auf das...
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