Von Liebe sprach er nie

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Als Barbara auf dem Terminplan ihres Chefs Sam Reed sieht, dass er am 24.12. heiraten will, bleibt ihr fast das Herz stehen. Von heißer Eifersucht wie von Sinnen, stellt sie Sam, den sie schon lange heimlich liebt, zur Rede. Doch seine Antwort bringt sie noch mehr aus der Fassung: Er will sie vor den Traualtar führen ...


  • Erscheinungstag 30.11.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783745753776
  • Seitenanzahl 103
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Barbara Stone zitterten die Hände, und sie ließ den Stift fallen, mit dem sie stets die wöchentlichen Termine in den Schreibtischkalender ihres Chefs eintrug. Im Magen setzte ein flaues Gefühl ein, als sie den Kranz aus Tannenzweigen mit roten Herzen und Bändern betrachtete, den Mr. Reed am 24. Dezember gezeichnet hatte. Ungläubig las sie die goldenen Buchstaben innerhalb des Weihnachtskranzes:

SIR heiratet SEK

Sam Isaiah Reed, ihr Chef, wollte heiraten? In weniger als drei Wochen?

Zuerst wurden ihr die Knie weich, dann gaben sie nach, und sie landete im Ledersessel des Chefs. Mit einem tiefen Atemzug versuchte sie, das innere Gleichgewicht wieder herzustellen.

Wer, zum Teufel, war S.E.K.?

Obwohl Barbara die privaten und geschäftlichen Termine ihres Chefs überwachte, fand sie keine Antwort. Ihres Wissens nach hatte Sam sich seit Monaten mit keiner Frau getroffen.

Verwirrt lenkte sie den Blick vom Kalender zu Sams Telefon. Bestimmt war seine Zukünftige eine der Frauen, die Mr. Reed über die private Nummer anriefen. Süße junge Dinger riefen ihn an. Ständig! Barbara hatte das Telefon so oft klingeln gehört, dass sie allmählich vermutete, ihr Chef wäre nicht nur ein begehrter, sondern der einzige begehrte Junggeselle von Marble Falls, vielleicht sogar von ganz Texas.

Wer sie auch sein mag, dachte Barbara aufgewühlt, ich hasse sie!

Hastig schlug sie die Hand vor den Mund und starrte zur Verbindungstür zwischen ihrem eigenen Arbeitsraum und Sams Büro. Seit fünf Jahren arbeitete sie nun mit ihrem Chef. Das war lange genug, dass er mehr oder weniger ihre Gedanken lesen konnte. Und hätte Sam jetzt eben diesen Gedanken erraten, wäre das Bild geplatzt, das sie sorgfältig von sich geschaffen hatte.

Sie senkte die Lider, bis sie durch die dichten Wimpern kaum noch etwas sehen konnte. Seit Monaten verbarg sie auf diese Weise die geheimsten Gedanken vor ihrem Chef.

„Barbara!“, erklang die Stimme der Empfangsdame aus dem Sprechgerät. „Bist du in Sams Büro?“

„Ja.“

„Nimm bitte das Gespräch auf Leitung drei an. Ich glaube, es ist deine Mutter. Soll ich geschäftliche Anrufe für dich vorerst zurückhalten?“

„Nein, es wird nicht lange dauern. Ich nehme den Anruf hier drinnen an. Danke, Heather.“

Besorgt betrachtete Barbara das blinkende Licht am Telefon. Madeline, wie ihre Mutter angesprochen werden wollte, rief sie selten an. Als Geschäftsfrau verstand Madeline, dass ihre Tochter Privatleben und Arbeit strikt trennte.

„Hallo, Madeline?“

„Schatz, wie geht es dir?“

„Gut.“ Bevor Barbara sich danach erkundigte, was ihre Mutter auf dem Herzen hatte, lauschte sie angestrengt auf Anzeichen, dass Heather noch mithörte. Ohne Heather wäre die Gerüchteküche der Firma glatt ausgetrocknet. Erst als Barbara ziemlich sicher war, unbelauscht zu sein, fragte sie: „Was ist denn los?“

Madeline lachte leise. „Bin ich so leicht zu durchschauen?“

„Du führst kein Ferngespräch in der teuersten Zeit, nur um zu plaudern.“

„Es könnte sich um etwas Berufliches handeln. Die verlängerte Garantie an deinem Wagen läuft bald ab.“

Barbara wurde das unangenehme Gefühl nicht los, dass der Wagen, den sie im Autohaus ihrer Mutter gekauft hatte, nichts mit diesem unerwarteten Anruf zu tun hatte.

„Ginge es darum, würdest du Charlie anrufen lassen, damit er mir einen neuen Wagen verkauft“, erwiderte sie nüchtern. „Wie geht es Charlie?“

„Lausig.“

Barbara zupfte am Saum des kurzen Rocks. Der Geschmack ihrer Mutter in Kleidung, Möbeln und Autos war makellos, was Männer betraf jedoch erbärmlich. Barbara seufzte lautlos und hoffte nur, Ehemann Nummer fünf wäre nicht schon so weit, das Zeitliche zu segnen.

„Was hat er denn diesmal angestellt?“

„Er ist eifersüchtig auf Vernon.“

„Auf Vernon?“ Ehemann Nummer drei? Oder Nummer zwei? „Taylor?“

„Natürlich, Schatz. Wie viele Männer namens Vernon kennst du?“

„Keinen. Ich meine – einen.“ Blitzheirat und Blitzscheidung im Las-Vegas-Stil mit einem Elvis-Imitator. „Und den habe ich nur flüchtig kennen gelernt.“

Madeline seufzte. „Charlie hat mir verboten, mit einem meiner Exmänner zu sprechen. Er ist völlig unvernünftig, findest du nicht auch?“

„Du hast doch den Passus ‚wir trennen uns als Freunde‘ in den Ehevertrag schreiben lassen, oder?“

„Natürlich, aber Charlie meint, er fühlt sich wie ein Mitglied des Stones-Fanclubs. Ich dachte, du könntest vielleicht mit ihm sprechen.“

„Mom, ich habe Charlie nur ein einziges Mal getroffen. Das war bei eurer Hochzeit. Weshalb sollte er auf mich hören?“

„Weil du dein Leben lang bei mir warst! Wer sollte mich besser kennen als du?“

„Niemand“, räumte Barbara ein, von der Logik ihrer Mutter aus dem Gleichgewicht gebracht. Es bestand jedoch ein gewaltiger Unterschied darin, ob man Madeline kannte oder verstand.

„Ich sorge dafür, dass Charlie dich in den nächsten Tagen anruft. Vielen Dank, mein Schätzchen. Leb wohl!“

Die Verbindung war unterbrochen, bevor Barbara sich weigern konnte, ihrer Mutter zu helfen. Benommen, als wäre sie von einem Tornado herumgewirbelt worden, legte sie wieder auf.

Wie, um alles in der Welt, sollte sie Charlie die absonderlichen Eigenschaften ihrer Mutter erklären, wenn es ihr nicht einmal gelang, mit ihrer besten Freundin darüber zu sprechen?

Gedankenverloren strich sie mit der Fingerspitze über das rote Herz auf Sams Schreibtischkalender. Es war ein Dilemma. Madeline glaubte an die Ehe. Gemäß den altmodischen Ansichten ihrer Mutter schlief eine Dame mit einem Herrn nur, nachdem sie das Ehegelöbnis abgelegt hatte.

Bewusst ließ Barbara die Wörter ‚heilig‘ und ‚ewig‘ in Verbindung mit ‚Ehegelöbnis‘ weg, weil beides nichts mit den Ehen ihrer Mutter zu tun hatte.

Sie betrachtete das Herz, das Sam gezeichnet hatte. Mit dem Finger hatte sie die Linien des roten Filzstifts verwischt.

S.I.R. Sogar seine Initialen flößen Respekt ein, dachte sie träumerisch. Ihre Gedanken wanderten von einem Problem zum nächsten und vermischten beide.

Tagträume waren sicherer als die Realität und viel befriedigender.

Aus Mr. Reed wurde Sam, als sie die Augen schloss. Sie sah ihren Chef vor sich: hoch gewachsen, dunkelhaarig, mit grauen Augen, breiten Schultern und schmalen Hüften. Sam Reed entsprach in gewisser Weise den Häusern, die er entwarf – elegant und stabil.

„Mit sagenhaftem Sex-Appeal“, flüsterte sie.

Kein Wunder, dass Frauen hinter ihm her waren. Sam wirkte nicht nur körperlich attraktiv. Er widmete seinem Aussehen und der Gestaltung der Häuser seiner Klienten die gleiche Sorgfalt. Und er gehörte zu den wenigen Menschen, die wie ein Berserker arbeiten konnten, ohne ihre Kleidung mit einem Tropfen Schweiß oder Schmutz zu beflecken.

Barbara gestand sich nur ungern ein, dass sie sich an der Jagd nach Sam sofort selbst beteiligt hätte, wäre sie überzeugt gewesen, dass eine romantische Komponente ihre gegenwärtige Beziehung verbessern konnte.

Doch sie war klug genug, um das gar nicht erst zu versuchen. Ihre Mutter, die reizendste Frau auf der ganzen weiten Welt, hatte ihr vorgelebt, wie eine attraktive Frau nette Kerle in Ex-Ehemänner verwandeln konnte.

Fünf Mal verheiratet, und noch immer jagt sie hinter Mr. Perfect her, dachte Barbara seufzend. Ihrer Mutter wegen war sie überzeugt, dass Frauen mehr Chancen hatten, wenn sie hinter dem Heiligen Gral herjagten!

Schon in sehr jungen Jahren hatte sie sich geschworen, niemals in Madelines Spuren zu treten. Babyspeck hatte sie vor unerwünschten Annäherungsversuchen scharfer Jungen bewahrt. Unglücklicherweise hatte Mutter Natur während der Zeit am Norton’s Business College in Springfield ihren Körper gründlich umgeformt. Jedes überschüssige Pfund war verschwunden.

Damals war aus dem „dicken Mädchen mit dem hübschen Gesicht“ eine „heiße Nummer“ geworden.

Barbara blickte auf die zu enge hellgrüne Bluse mit dem tiefen Ausschnitt und den zu kurzen Rock hinunter. Hohe dünne Absätze, große Ohrringe und ein klimperndes Glücksbringer-Armband gehörten zur Bürogarderobe.

Höchst unpassend, hätte Madeline getadelt.

Doch gleichzeitig höchst wirkungsvoll.

Sicher, die Männer, die ins Büro kamen, starrten sie fasziniert an. Doch sie war keine Frau, die ein netter Junge zu seiner Mama mitnahm. Und falls ein Vertreter wagte, nach seinen Hormonen zu handeln, genügte ein scharfer Blick, um die Luft rauszulassen. Es gelang Barbara stets, aufdringliche Kerle wie verschreckt jaulende Welpen weglaufen zu lassen.

Heirat kam für sie keinesfalls infrage. Gingen ein Mann und eine Frau erst einmal eine gefühlsmäßige Bindung ein, folgten Enttäuschung und ein gebrochenes Herz.

Barbara öffnete wieder die Augen. Sams Bild verschwand ebenso wie ihre zynischen Gedanken. Bestimmt beeinflussten derartig negative Überlegungen ihr Aussehen. Sie lockerte das lange, naturblonde Haar auf. Das Klingeln der goldenen Glöckchen, die am Armband befestigt waren, beruhigte sie diesmal nicht. Dafür machte sie sich zu große Sorgen.

Sie konnte Sams Heiratspläne in keiner Weise aufhalten. Sein Privatleben ging sie nichts an. Mr. Reed war ihr Chef – nicht mehr und nicht weniger. Wenn er seine fest gefügte, sichere Welt in ein einziges Chaos verwandeln wollte, war das sein Problem und nicht ihres.

Ganz sicher stand es nicht ihr zu, ihren Arbeitgeber darauf hinzuweisen, dass er viel zu viel damit zu tun hatte, schöne Häuser zu entwerfen, um im Leben einer Frau die Rolle des Ehemannes und Vaters einzunehmen. Sie ging jede Wette ein, dass Mr. Reed in spätestens sechs Monaten unglücklich sein würde. Und ihr eigener Job als Assistentin stand auf der Kippe.

Diesbezüglich wusste sie Bescheid. Den letzten Job hatte sie kündigen müssen, weil ihr damaliger Chef sich bei ihr ausgeweint hatte. Nach der Scheidung war es ihm peinlich gewesen, dass er intime Details der Ehe enthüllt hatte. Und diese Peinlichkeit hatte zu einer angespannten und sehr unangenehmen Atmosphäre bei der Arbeit geführt. Bevor er sie hinauswerfen konnte, hatte sie gekündigt.

Lieber Himmel, wie sehr sie Veränderungen hasste!

Warum konnte nicht alles so bleiben, wie es war? Was war gegen Stabilität einzuwenden? Wieso konnten Menschen nicht mit dem gegenwärtigen Stand der Dinge glücklich sein?

Ob sich hier alles wiederholen würde?

Sie ballte die Hände zu Fäusten und schwor sich, nicht zuzulassen, dass Mr. Reed sich selbst zerstörte. Er war ein viel zu guter Arbeitgeber, um von einer … einer Unruhestifterin gequält zu werden!

Wie sie allerdings seine Heiratspläne sabotieren sollte, wusste sie nicht. Es würde ihr schon etwas einfallen. Bisher hatte sie noch immer gute Ideen gehabt.

„Vielleicht hilft Sam ein kräftiger Schlag auf den Hinterkopf“, murmelte sie.

Barbara warf noch einen letzten Blick auf das abscheuliche Gekritzel. Am liebsten hätte sie mit einem Radiergummi diese krummen und schiefen Herzen vom Kalender getilgt. Nur mit Mühe hielt sie sich zurück. Allerdings war sie gut darin, spontane Ideen zu unterdrücken.

Ich muss mich durch ganz einfache Tätigkeiten ablenken, dachte sie. Vielleicht sollte sie Bleistifte anspitzen oder Büroklammern zählen. Sie konnte sich auch ganz darauf konzentrieren, dieses Büro zu verlassen. Hauptsache, sie ging es Schritt um Schritt an.

Unsicher erhob Barbara sich aus Mr. Reeds Sessel und ging etwas wackelig durch ihr Büro zum „Wasserloch“, wie die Angestellten ihren Aufenthaltsraum nannten. Jetzt brauchte sie dringend eine Tasse starken schwarzen Kaffees, um ihre kreativen Fähigkeiten anzuregen.

Der Duft von frischem Kaffee empfing Barbara, als sie eintrat. Sie wusste genau, wo sich hier alles befand. Ihre Henkeltasse hing an einem Haken am Schrank über der Kaffeemaschine aus rostfreiem Stahl. Die Päckchen mit Sahnepulver für Alexia und Süßstoff für Heather steckten in einem Behälter mit der Aufschrift „In dieser Küche herrscht Gleichberechtigung“.

Es war stets das gleiche Bild. Alexia Potter, die Buchhalterin der Firma, hatte es sich in dem grünen Ledersessel bequem gemacht. Das eine lange Bein hatte sie untergeschlagen, das andere schwang rhythmisch zur Musik aus dem Lautsprecher.

Alexia war groß, hager, über dreißig. Ihr Haar war schulterlang und hellrot. In diesem Monat, dachte Barbara, weil Alexia die Haarfarbe auf den Geschmack des Mannes einstellte, mit dem sie zurzeit ausging.

Heather Webster, die junge Empfangsdame, saß am runden Holztisch, spielte nervös mit einer Strähne des langen, dunkelbraunen Haars, schielte mit einem Auge zur Tür und lauschte mit einem Ohr auf das Telefon, während sie in der neuesten Frauenzeitschrift blätterte.

In der vertrauten Atmosphäre entspannte Barbara sich allmählich. Sie ließ den Blick aus ihren dunklen Augen durch den Raum und über die gerahmten Fotos wandern. Die Bilder zeigten Häuser, die Sam Reed entworfen hatte. Frank Lloyd Wrights Einfluss war deutlich daran zu erkennen, wie gut die Gebäude sich der natürlichen Umgebung anpassten. Barbara liebte jedes dieser Häuser, als wären sie eigens für sie gebaut worden.

Zweifellos würde eine Mrs. Reed hier alles umändern.

Barbara hielt ihre Tasse fest, pustete leicht auf den Kaffee und nahm einen kleinen Schluck. Ihr gefiel alles, wie es war. Und nach dem Kalender ihres Chefs hatte sie noch drei Wochen, um dafür zu sorgen, dass auch alles so blieb. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun konnte oder wie sie es anstellen sollte, doch sie sah bestimmt nicht untätig zu, wie ihre kleine Welt um sie herum einstürzte.

Sie musste sich etwas ausdenken, wie die drohende Heirat zu verhindern war!

Barbara nahm einen größeren Schluck und hoffte, das Koffein würde ihr helfen.

„Hast du einen Knoten in der Zunge?“, erkundigte sich Alexia.

Am liebsten hätte Barbara tief geseufzt, den anderen ihre Sorgen offenbart und um Vorschläge gebeten. Stattdessen ließ sie sich auf das Zweiersofa sinken, trank Kaffee und erwiderte nur: „Nein, wieso?“

„Du bist nicht so fröhlich wie sonst. Für gewöhnlich heißt es ‚Guten Morgen, meine Damen. Was für ein herrlicher Tag!‘“ Alexia lächelte. „Das gilt nur, sofern die Sonne scheint. Regnet oder schneit es, heißt es ‚Wie lautet die Wettervorhersage?‘“

Barbara lächelte schwach. Im Gegensatz zum texanischen Wetter war ihr Verhalten stets vorhersehbar.

„Was ist denn los?“, fuhr Alexia fort. „Hat dir der Chef gestern Abend während der Überstunden einen Tritt versetzt?“

„Bestimmt hat sie es gesehen“, warf Heather ein, bevor Barbara antworten konnte, und blickte dabei nicht einmal von der Zeitschrift auf. „Ich wette, sie weiß, wer S.E.K. ist.“

„S.E.K.?“, fragte Barbara völlig gleichgültig.

Heather stöhnte. Alexia hörte auf, mit dem Bein zu wackeln, und beugte sich vor. „Sams zukünftige Frau!“

Barbara schwieg eisern und verzog keine Miene, um weder zu bestätigen noch abzustreiten, dass sie Mr. Reeds Zeichnung gesehen hatte.

„Meinst du, es könnte Sara Kaldwell sein?“, erkundigte sich Heather. „Du weißt schon, die Holzbaronin, die aus Oregon hergekommen ist.“

„Sie klebte an Sam wie Fliegen an einer Honigmelone“, bestätigte Alexia. „Ich glaube aber nicht, dass sie es ist. Ich habe mir seine Reiseunterlagen angesehen. Auf der Kreditkartenrechnung finden sich keine Flüge nach Portland.“ Alexia überlegte, welche Namen noch zu den Initialen passten. „Wie wäre es mit Samantha in der Kachelhandlung? Wie ist ihr Familienname?“

„Schlansky“, erwiderte Barbara und beteiligte sich an den Spekulationen ihrer Kollegen. „Die kann es nicht sein. Sie ist verheiratet und hat fünf Kinder.“

Heather hörte auf, im „Cosmopolitan“ zu blättern, und wandte Barbara das sommersprossige Gesicht zu. „Komm schon, Barb, spuck es aus! Die meisten Anrufe für ihn laufen doch über dich. Welche seiner Anruferinnen hat diese Initialen?“

„Keine.“ Um das Thema zu wechseln, richtete Barbara eine Frage an Alexia. „Da wir gerade von Kacheln sprechen – hast du die Bestätigung für die Bestellung für das Randall-Haus bekommen?“

„Schon gestern.“

„In vollem Umfang?“

„Ausgenommen nur die Marmorplatten für das Badezimmer. Die werden nachgeliefert. Wahrscheinlich treffen sie in zehn Tagen auf der Baustelle ein.“

Während Alexia und Barbara übers Geschäft redeten, widmete Heather sich wieder der Zeitschrift, stieß plötzlich einen Schrei aus und rief: „Hier ist der Artikel, von dem ich dir erzählt habe, Alexia!“

Heather hielt das Magazin hoch und zeigte das Foto einer sehr erotischen Frau, die außer einem Brautschleier nicht viel am Leib trug. Sie hatte einen Mann im Frack untergehakt. „,Die wilden Männer über vierzig‘. Sam ist über vierzig, nicht wahr?“

Barbara wollte Heather schon verbessern, biss sich jedoch auf die Zunge, um sich nicht zu verraten.

„Er ist vierunddreißig“, erwiderte Alexia. „Reif genug, um gepflückt zu werden.“

„Sam ist noch so jung?“ Heather riss die Augen weit auf. „Ich hätte ihn auf mindestens vierzig geschätzt.“

Alexia lachte. „Meine Süße, in deinem Alter wirkt jeder Mann über fünfundzwanzig auf dich wie ein Greis.“ Sie warf einen Blick auf den Artikel. „Erinnerst du dich an den Artikel, den du mir vorgelesen hast? Es ging um die drei Dinge, die Frauen an Männern anziehend finden.“

„Ja. Augen, Schultern und Po – nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.“

„Sam kann mit allen drei Punkten Eindruck schinden. Am liebsten würde ich seinetwegen meine Initialen in S.E.K. umändern“, versicherte Alexia schwärmerisch. „Ehrlich, meine lieben Freundinnen, wäre ich zehn Jahre jünger, hätte ich nichts dagegen, wenn Sam seine Schuhe unter mein Brett stellen möchte. Was ist mit dir, Barbara?“

Da Barbara nicht wollte, dass irgendein Mann seine Schuhe für immer unter ihr Bett stellte, unterstützte sie ihren Ruf als Herzensbrecherin, indem sie Alexia zublinzelte. Als sie aufstand und zur Tür ging, wackelte sie mit den Schultern.

„Meine Süße“, sagte sie und ahmte dabei Alexias Tonfall nach, blieb stehen und nahm die Pose einer Kalenderschönheit ein. „Zerbrich dir nicht deinen hübschen Kopf über diese dummen Initialen.“

Alexia stöhnte wie erwartet, wurde so rot wie ihr gefärbtes Haar und legte den Zeigefinger an die Lippen.

Gut, dachte Barbara. Sie freute sich, dass Alexia den Wink verstanden hatte, und wandte sich an Heather. Die junge Frau hielt den Kopf über die Zeitschrift gesenkt, die sie allerdings verkehrt herum hielt.

Eigentlich hätte Barbara gewarnt sein müssen, dass etwas nicht stimmte. Da sie jedoch dieses unangenehme Thema für immer aus dem Wasserloch verbannen wollte, sorgte sie für einen kleinen Schock beim Abgang. „Er gehört mir.“

Nach drei Schritten rückwärts stieß sie mit der Rückseite des hautengen Lederrocks gegen etwas, das so hart war wie ihr Familienname – Stone. Unwillkürlich streckte sie die Arme nach hinten aus und packte an muskulöse Schenkel.

„Sir?“, stieß Barbara hervor, als starke Männerhände sie an den Schultern festhielten, damit sie nicht das Gleichgewicht verlor. Wie lange stand er schon da? Wie viel hatte er gehört? Als er mit einem Finger langsam über ihren Arm strich, setzte ein flaues Gefühl im Magen ein.

„Miss Stone?“

Da ihr keine glaubwürdige Erklärung einfiel, nickte sie bloß. Was sollte sie schon sagen? Vielleicht: „Hoppla?“ Oder: „Es war nur ein Scherz.“ Sie schluckte krampfhaft. Wie sollte sie etwas Vernünftiges von sich geben, wenn sie jetzt tatsächlich einen Knoten in der Zunge hatte?

Als Heather aufstand und den Stuhl zurückschob, quietschte er wie Fingernägel auf einer Schiefertafel. „Entschuldigung“, murmelte die Empfangsdame und zwängte sich an ihrem Chef vorbei. „Ich glaube, das Telefon klingelt.“

Lass mich nicht im Stich! Barbara versuchte, Alexia mit Blicken diese Botschaft zu übersenden, damit wenigstens sie sitzen blieb.

„Ich möchte mit Ihnen in meinem Büro sprechen, Miss Stone.“ Sam Reed nahm seiner Sekretärin die leere Tasse aus der Hand. „Sofern Sie nicht die Absicht hatten, noch eine zweite Tasse zu trinken.“

„Ja, Sir. Nein, Sir“, erwiderte Barbara. Obwohl sie sich noch nicht gefasst hatte, klang ihre Stimme klar und fest und für ihr Image viel zu kühl. Sie musste so tun, als wäre gar nichts Ungewöhnliches geschehen. Also entfernte sie sich einen Schritt von ihm, drehte sich um und lächelte ihn sinnlich an. „Soll ich den Stenoblock mitbringen, oder habe ich schon alles, was Sie brauchen?“

Sein spöttisches Lächeln ließ sie ahnen, dass ein Reißverschluss für ihren Mund ideal gewesen wäre. Es half ihr auch nicht, dass Alexia leise lachte, sondern reizte sie nur.

„Die Angebote, die Sie mir gestern Abend diktierten, sind bereit zur Unterschrift“, erklärte sie und imitierte erregend Kathleen Turners heisere Stimme. Zu ihrer Erleichterung hörte Sam zu lächeln auf. „Alexia sagt, dass der Marmor für das Randall-Haus erst in zehn Tagen geliefert werden kann. Soll ich es bei einem anderen Lieferanten versuchen?“

Sam hängte ihre Tasse an den Haken, ließ Barbara vorgehen und sagte so leise, dass nur sie es hörte: „Augen, Schultern und Po? Tatsächlich? Was würden Sie denn an erste Stelle setzen?“

Barbara machte einen Satz vorwärts, als hätte er den sanften Worten einen Klaps auf ihren Po folgen lassen.

„Meines Wissens nach kann Greco Marble das Gewünschte liefern!“ Ihre Stimme klang viel zu schrill.

Es machte sie nervös, wie dicht er hinter ihr ging. Der Korridor zwischen dem Wasserloch und seinem Büro wirkte auf einmal viel zu schmal und endlos lang. Sie fühlte förmlich Sams Blicke auf sich gerichtet und machte bewusst lange Schritte, bei denen ihre Hüften hin und her schwangen.

Ihr Verdacht bestätigte sich, als sie sich auf den Stuhl vor seinem Schreibtisch setzte. Aus seinen grauen Augen traf sie ein verlangender Blick. Diese Augen funkelten genau wie jene des Bräutigams über vierzig, der auf dem Foto seine Braut mit Blicken verschlang.

„Verraten Sie es mir, Miss Stone.“ Sam setzte sich und stützte sich auf den Schreibtisch. „Waren es meine Augen, die Sie angezogen haben?“

Autor

Ann Algermissen
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