Beim Blick in deine blauen Augen

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Diese blauen Augen, dieses verführerische Lächeln … Seth Camden ist einfach viel zu sexy, um mit ihm Geschäfte zu machen, findet Lacey. Aber sie hat keine Wahl. Wenn sie endlich von ihrem Vater als Unternehmerin ernst genommen werden will, muss sie sich jetzt auf Seth einlassen …


  • Erscheinungstag 30.05.2016
  • Bandnummer 18
  • ISBN / Artikelnummer 9783733774257
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Na toll – ausgerechnet heute muss ich Rock und High Heels anziehen …

Seufzend hielt Lacey Kincaid am Rand des Feldwegs und stellte den Motor ab. Seit einer Stunde irrte sie nun schon durch diese abgelegene Gegend von Montana und suchte Seth Camden. Vor einer Weile hatte sie sein Haus gefunden und erfahren, dass er unterwegs war, um kaputte Zäune zu reparieren. Jetzt sah sie den Mann zwar, doch wenn sie zu ihm wollte, musste sie die Böschung hinabsteigen und einen Graben überqueren. Und das in einem engen Rock und auf fast zehn Zentimeter hohen Absätzen.

Aber es ging nicht anders. Sie musste unbedingt mit ihm reden, und das würde sie jetzt auch tun.

Es wäre das erste Mal, dass sie ihm – oder einem anderen Mitglied der legendären Camden-Familie – begegnete. Weil sie dabei so gut wie möglich aussehen wollte, klappte sie die Sonnenblende herunter und warf einen Blick in den Kosmetikspiegel.

Zur Arbeit trug sie ihr hellblondes schulterlanges Haar immer glatt zurückgebunden, und für die lange Besprechung an ihrem zweiten Tag in Northbridge hatte sie es zu einem lockeren Knoten nach oben gebunden.

Um den Businesslook zu unterstreichen, hielt sie sich beim Make-up zurück. Nur ein Hauch Rouge an den hohen Wangenknochen, etwas Gloss auf den von Natur aus rosigen Lippen und eine Spur Mascara, um die grünen Augen zu betonen, mehr nicht. Auf keinen Fall sollte man sie für eine eitle, unfähige Frau halten, die ihren Job vernachlässigte, weil sie dauernd nach einem potenziellen Ehemann Ausschau hielt.

Zufrieden mit ihrem professionellen, aber nicht zu strengen Aussehen, stieg Lacey aus, überquerte den Feldweg, kletterte die Böschung hinab und sprang über den Graben. Dann atmete sie tief durch und ging so würdevoll wie möglich auf den Mann zu, der sie noch immer nicht bemerkt hatte. Er kehrte ihr den Rücken zu und arbeitete so weit vom Weg entfernt, dass er ihren Wagen vermutlich nicht gehört hatte.

Plötzlich knickte sie mit dem rechten Fuß um und behielt nur mühsam das Gleichgewicht. Mit einem kurzen Blick überzeugte sie sich, dass der Absatz nicht abgebrochen war, und stapfte weiter.

Er trug einen grauen Cowboyhut, ein weißes T-Shirt, Lederhandschuhe, Jeans und Stiefel. Er war groß, mindestens eins neunzig, schätzte sie, und hatte breite, kräftige Schultern, die sich bewegten, wenn er die muskulösen Arme hob, um den Erdlochausheber aus dem Boden zu ziehen, die Erde neben dem Loch deponierte und das Gerät wieder kraftvoll einsetzte.

Die verwaschenen Jeans spannten sich um seine Beine und den aufregendsten Po, den sie jemals gesehen hatte. (Und da Lacey die Montana Monarchs, das neue Footballteam ihres Vaters, beim Training beobachtet hatte, kannte sie sich auf dem Gebiet aus.)

Als sie erneut ausrutschte, wäre sie fast auf dem Boden gelandet, aber irgendwie schaffte sie es, aufrecht zu bleiben und Seth Camden keine Sekunde aus den Augen zu verlieren.

Das weiße T-Shirt war zwar nicht eng, aber in der heißen Augustsonne klebte es an ihm wie eine zweite Haut. Um seine kräftigen Rückenmuskeln hätte ihn jeder Hochleistungssportler beneidet.

Genießerisch ließ Lacey den Blick daran hinabwandern, über die schmale Taille, bis er wieder den Po erfasste … Okay, das reicht! Sie riss sich zusammen. „Hallo!“, rief sie.

Aber entweder war sie noch nicht nahe genug, oder das Timing stimmte nicht, denn Seth Camden reagierte nicht, sondern rammte den wie ein X geformten Ausheber wieder in die Erde.

Lacey blieb stehen, zog die Kostümjacke aus und legte sie sich über den Arm. Ihre Bluse war zum Glück ärmellos.

Wenn die Tochter der Football-Legende Morgan Kincaid sich etwas vornahm, gab sie nicht so schnell auf. Den Blick auf seine breiten Schultern gerichtet, ging sie weiter. Ein Camden, der als Cowboy in der glühenden Hitze schuftete? Das passte nicht zu dem Bild einer Familie, die sich als erfolgreiche Geschäftsleute einen Namen gemacht hatte.

Laceys Vater hatte mit dem Ruhm und dem Vermögen, das ihm seine Karriere im Football eingebracht hatte, ein breit gefächertes Unternehmen aufgebaut, das außer Immobilien, Autohäusern und einer Hotelkette auch ein neu formiertes Profiteam umfasste.

Aber so erfolgreich er auch war, verglichen mit dem riesigen Konzern der Camdens waren Morgan Kincaids Umsätze geradezu bescheiden. Ihre Superstores erfüllten jeden Kundenwunsch und warben damit, dass man ein komplettes Haus bauen, einrichten, mit einem Garten umgeben und ein Leben lang bewohnen konnte, ohne jemals einen Fuß in ein anderes Geschäft setzen zu müssen.

Selbst Bankfilialen, Arztpraxen und Anwaltskanzleien beherbergten die gigantischen Konsumtempel von Camden Incorporated. Und als wäre das nicht genug, stellte die Familie auch noch einen großen Teil der Produkte her, die sie dort verkaufte, sogar die preisgünstigen Medikamente, die sie in ihren eigenen Apotheken und Drugstores anbot.

Es gab kaum etwas, womit die Camdens kein Geld verdienten. Auf dem College hatte Lacey an einem Kursus teilgenommen, der sich mit dem Geschäftsmodell von Camden Incorporated beschäftigte, aber über das Privatleben der Familie war wenig bekannt. Hin und wieder tauchte ein Camden im Zusammenhang mit einer Charity in den Medien auf, aber davon abgesehen hielten sie sich bedeckt und protzten nicht mit ihrem Reichtun.

Dennoch fand Lacey es erstaunlich, dass einer der zehn Enkel, die den Konzern inzwischen lenkten, wie ein Kleinstadtcowboy Löcher aushob und Zaunpfosten setzte.

„Hallo!“, versuchte sie es ein zweites Mal.

Kaum hatte sie den Mann gerufen, hob sie einen Fuß, um den nächsten Schritt zu machen, und verlor erst den Schuh, dann wieder die Balance. Mit rudernden Armen gelang es ihr in letzter Sekunde, nicht auf dem Bauch zu landen.

„Wow! Das war knapp!“

Natürlich, jetzt hatte er sie bemerkt.

Lacey richtete sich auf, klopfte sich den Schmutz von den Händen, zog den Schuh mit einem Ruck aus der weichen Erde und streifte ihn über. Als sie den Kopf hob, sah sie, dass Seth Camden – wenn er es denn wirklich war – sein Arbeitsgerät abgestellt und die Handschuhe ausgezogen hatte, um ihre Jacke aufzuheben.

Ihre Blicke trafen sich, und fasziniert schaute sie in die blauesten Augen, die sie je gesehen hatte. Und da sie zu einem im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubenden Gesicht gehörten, konnte sie nichts anderes tun, als den Mann sprachlos anzustarren. Markante, wie gemeißelt wirkende Züge mit einem energischen Kinn, vollen, aber nicht zu vollen Lippen und einer klassisch geformten Nase, dazu die kobaltblauen Augen unter geraden, dichten Brauen …

„Alles in Ordnung?“, fragte er mit einer tiefen Stimme, die so männlich klang, dass Lacey trotz der Sommerhitze eine Gänsehaut bekam.

„Oh. Ja, es geht mir gut“, erwiderte Lacey. „Sind Sie Seth Camden?“

„Leibhaftig.“

Das ist genau das, woran ich jetzt nicht denken will!

„Haben Sie den beschwerlichen Weg etwa meinetwegen zurückgelegt?“, erkundigte er sich stirnrunzelnd. Er nahm den Hut ab und wischte sich mit dem Handrücken die Stirn ab.

Lacey wusste nicht, warum, aber sie fand diese Geste unglaublich sexy. Seine Haarfarbe erinnerte sie an Espressobohnen. An den Seiten war es kurz und oben gerade lang genug, um leicht zerzaust zu wirken.

Erst als er den Stetson wieder aufsetzte, fiel ihr ein, dass er sie etwas gefragt hatte. „Ich war zuerst bei Ihnen zu Hause. Jemand hat mir erzählt, wo Sie sind und wie ich herkomme. Ich muss mit Ihnen reden, deshalb …“

„… sind Sie jetzt hier“, beendete er den Satz für sie. „Was kann ich für Sie tun? Oder möchten Sie mir vorher sagen, wer Sie sind?“

Hatte sie das noch nicht getan? Lacey war sonst nie so durcheinander. „Entschuldigung. Ich bin Lacey Kincaid.“

„Ich kenne Morgan Kincaid. Er hat Land von uns gekauft und den Vertrag persönlich unterschrieben. Und Ian und Hutch Kincaid bin ich in der Stadt begegnet.“

„Morgan ist mein Vater, Ian und Hutch sind meine älteren Brüder. Ich weiß nicht, ob mein Vater Ihnen davon erzählt hat, aber auf dem Land, das er Ihnen abgekauft hat, soll das neue Trainingszentrum für die Monarchs entstehen …“

„Richtig, das ist das Footballteam Ihres Vaters.“

„Und das Projekt, dessen Leitung er mir übergeben hat.“ Sie hatte nicht so stolz klingen wollen, aber für sie war es nun mal eine große Sache.

„Und darüber wollen Sie mit mir reden?“, fragte er und reichte ihr die Jacke.

„Ich muss mit Ihnen drei Dinge besprechen“, erwiderte sie in geschäftsmäßigem Ton. „Ich bin erst gestern angekommen und wohne in einem Apartment, das Hutch gehört. Es liegt in Northbridge; ich brauche fünfzehn Minuten zur Baustelle!“

„Fünfzehn Minuten sind für Sie eine Ewigkeit?“

Ja, so hatte es sich wohl angehört. „Ich würde nur gern näher dran wohnen und habe erfahren, dass Sie nicht weit vom Baugelände leben und ein Gästehaus haben. Da habe ich mich gefragt, ob Sie es vielleicht vermieten würden.“

„An Sie?“

„Ja. Aber ich wäre nur selten dort. Ich würde dort nur übernachten, weil ich tagsüber auf der Baustelle bin. Wahrscheinlich würden Sie gar nicht bemerken, dass ich da bin.“

„Oh, ich glaube, das würde ich schon.“

Lacey hatte keine Ahnung, wie er das meinte, aber er hatte dabei den linken Mundwinkel hochgezogen. Obwohl es nicht mehr als ein angedeutetes Lächeln war, erschien es ihr sogar noch attraktiver als die Geste, mit der er sich die Stirn abgewischt hatte. Warum um alles in der Welt bemerkte sie solche Nebensächlichkeiten überhaupt? Sie tat so, als hätte sie seine Antwort überhört.

„Ich brauche nur einen Ort zum Schlafen, Duschen und Umziehen. Und natürlich zahle ich Miete und …“

„Sie brauchen auch eine Küche, oder? Wie wollen Sie sonst Mahlzeiten zubereiten?“

„Eine Küche wäre natürlich schön. Oder eine Kochnische, in der ich Kaffee kochen kann. Meistens esse ich auf der Baustelle. Und wenn Sie das Gästehaus zwischendurch benötigen, könnte ich ein oder zwei Nächte bei einem meiner Brüder verbringen …“

„Und die endlosen fünfzehn Minuten zur Baustelle fahren?“ Sein Lächeln milderte den Spott.

Aber es war unerträglich heiß, und Lacey hatte keine Zeit, um sein Lächeln zu bewundern. „Ja“, sagte sie, als hätte er die Frage ernst gemeint. „Außerdem möchte ich mit Ihnen über das Haus und die Scheune reden, die auf dem Land stehen, das wir Ihnen abgekauft haben.“

„Darüber haben wir lange nachgedacht. Mein Urgroßvater ist in dem Haus geboren, sein Vater hat die Scheune als Sägewerk genutzt, und mein Urgroßvater hat dort unser Unternehmen gegründet. Als Kinder haben wir oft in dem alten Kasten übernachtet. Aber seitdem stehen die Gebäude leer, deshalb haben wir das Land dann doch verkauft.“

„Ja, das verstehe ich“, antwortete Lacey ungeduldig. Seine Familiengeschichte interessierte sie nicht. „Auf dem Dachboden im Haus und in der Scheune stehen noch ein paar Sachen.“

„Tatsächlich? Ich dachte, wir hätten alles ausgeräumt.“

„Offenbar nicht. Da die Sachen Ihnen gehören, sollten Sie auch entscheiden, was Sie behalten möchten und was weggeworfen werden kann. Und dann ist da noch der dritte Punkt, den ich mit Ihnen besprechen muss: Mein Vater war … nicht glücklich darüber, wie es gelaufen ist, als er das Land gekauft hat.“

„Ihr Bruder sollte die Bowen-Farm für das Trainingszentrum bekommen, hat aber das Mädchen bekommen und geheiratet“, sagte Seth Camden belustigt. „Northbridge ist eine kleine Stadt.“

„Stimmt. Jedenfalls dachte Ian, er könnte stattdessen den Besitz der McDoogals kaufen, aber …“

„Den hatte ich bereits erworben.“

„Ja, das hatten Sie.“ Und deshalb hatten die Kincaids statt mit den McDoogals, die dringend Geld brauchten, mit den Camdens verhandeln und für weniger Land einen höheren Preis zahlen müssen.

Lacey hielt sich eine Hand vor die Stirn. „Jedenfalls handelt mein Vater manchmal vorschnell. Weil er es so eilig hatte, das Trainingszentrum zu bauen, hat er nicht bedacht, dass die Zufahrtsstraße über ein Gelände führt, das noch Ihnen gehört.“

„Und Sie sind hier, um mit mir zu verhandeln?“

„Es geht nur um Wegerechte. Mehr brauchen wir nicht. Wir könnten Ihnen den Streifen Land abkaufen.“

„Oder ihn pachten und dauerhaft dafür bezahlen.“

Wieder musste sie an die wenig schmeichelhaften Dinge denken, die man sich über die Geschäftspraktiken der Camdens erzählte.

„Es ist heiß hier draußen, und Sie müssen in den Schatten“, fuhr er fort. „Mal sehen, ob ich alles richtig verstanden habe. Sie möchten in meinem Gästehaus wohnen, ich soll den Dachboden und die Scheune ausräumen, und Sie wollen die Zufahrt zu Ihrem Trainingszentrum auf Camden-Land bauen.“

„Ja.“

„Ja, ja und nein.“

„Ja, ja und nein?“

„Ja, natürlich können Sie mein Gästehaus benutzen, das übrigens über eine Küche verfügt. Ja, ich räume den Dachboden und die Scheune aus. Aber auf gar keinen Fall lasse ich jemanden auf meinem Grund und Boden eine Straße bauen, wenn ich nicht mehr Informationen bekomme und mir nicht sicher sein kann, dass …“

„… die Camdens einen Vorteil davon haben“, murmelte Lacey.

„Dass ich alles weiß, was ich wissen muss“, korrigierte er. „Als Ihr Vater das Land gekauft hat, ging er davon aus, dass die existierenden Wege und Straßen zum Haus und zur Scheune ausreichen. Ich kann nichts dafür, dass er sich getäuscht hat.“

„Aber Sie können etwas dafür, dass Sie den Besitz der McDoogals gekauft haben und wir deshalb unsere Pläne ändern mussten.“

Seth Camden zuckte mit den Schultern. „Der McDoogal-Besitz stand zum Verkauf und grenzt an mein Land. Ich habe ihn gekauft. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.“

Und sich unschuldig zu geben, obwohl sie es nicht waren, war typisch für seinen Urgroßvater und seinen Großvater gewesen. Aber es wäre sinnlos, ihn zu bedrängen, daher wechselte Lacey das Thema und konzentrierte sich auf ihr akutes Problem. „Aber ich kann Ihr Gästehaus mieten, und Sie räumen den Dachboden und die Scheune aus?“

„Ganz richtig.“

„Dann sollten wir wohl über die Miete sprechen“, schlug sie vor.

Wieder zuckte er mit den Achseln, und ihr entging nicht, was für breite Schultern er hatte …

„Sie können gratis dort wohnen. Als mein Gast – schließlich ist es ein Gästehaus. Nennen wir es einfach gute Geschäftsbeziehungen.“

Wo war der Haken? So viel wusste Lacey über die Camdens – wenn seine Vorfahren etwas taten, gab es immer einen Haken. Sie wollte nicht riskieren, dass Seth Camden die Tradition auf ihre Kosten fortsetzte. „Ich würde lieber dafür bezahlen.“

„Okay, dann zahlen Sie mir, was Sie für fair halten. Sagen Sie mir einfach, wann Sie einziehen wollen.“

„Morgen Abend?“

„Einverstanden. Dann vereinbaren wir einen Termin, an dem ich mir ansehe, was ich noch herausholen muss. Und jetzt sollten Sie in den Schatten gehen oder meinen Sunblocker benutzen.“ Er zeigte auf seinen Werkzeugkasten.

„Ich gehe aus der Sonne“, erwiderte sie. „Aber wir müssen noch über die Straße reden.“

„Bestimmt finden wir eine Lösung“, antwortete er, als wäre es ihm nicht wichtig.

Lacey schwieg. Eine Hand wäscht die andere. An die Devise hatten H. J. und Hank Camden sich immer gehalten.

Sie verabschiedete sich und machte sich auf den Rückweg zum Wagen.

„Vorsicht!“, rief er, als sie fast wieder hingefallen wäre.

Sie warf einen Blick über die Schulter. Er beobachtete sie aufmerksam.

„Alles gut!“, rief sie und ging weiter.

Erst an der Straße riskierte sie einen weiteren Blick in Seth Camdens Richtung. Er schaute noch immer herüber, daher winkte sie ihm zu. Als er sich endlich wieder an die Arbeit machte, starrte sie unwillkürlich erneut auf seinen knackigen Po.

Hör auf damit, befahl sie sich, bevor sie einstieg und den Motor startete.

Doch als sie davonfuhr, musste sie an das Geschäftsmotto seiner Vorfahren denken und malte sich aus, wie Seth ihre Hand wusch. Und sie seine.

Unter der Dusche …

2. KAPITEL

„Hey, Cade, hier ist Seth.“

„Oh, Mann, du hast schon wieder vergessen, dass ich nicht so früh aufstehe wie ihr Farmer“, beschwerte sich Cade mit belegter Stimme.

Seth lachte. „Ich dachte, im Big Business wird man wach, wenn die Sonne aufgeht.“

„Heute habe ich keine Besprechungen. Deshalb wollte ich bis halb acht schlafen.“

Es war erst sieben. „Ich bin seit Stunden wach, weil ich mit unserem Verwalter auf der Farm in Kentucky reden musste, und jetzt muss ich gleich los, um einen Zaun zu Ende zu reparieren. Deshalb rufe ich dich an, solange du noch zu Hause bist.“

Obwohl Seth als ältester Enkel der Camdens die Möglichkeit gehabt hätte, den Familienkonzern zu leiten, hatte er sich entschieden, sich um die Farm in Northbridge und sämtliche anderen landwirtschaftlichen Aktivitäten von Camden Incorporated zu kümmern. Seitdem führte sein ein Jahr jüngerer Bruder Cade als Vorstandschef die Geschäfte.

Außer Seth lebten alle Camdens vorzugsweise in Denver, wo sie aufgewachsen waren. Er dagegen liebte das Land und machte sich gern die Hände schmutzig.

„Haben wir in Kentucky noch mehr Rinder verloren?“, fragte Cade.

„Nein, und wir haben die Übeltäter geschnappt. Es waren Kinder, deren Familie vor Generationen das Land besessen hat. Du kennst die Geschichte.“

„Jemand hat seinen Groll auf uns vererbt.“

„Genau die meine ich.“

„Was willst du unternehmen?“

„Die Kinder kommen aus der Nachbarschaft. Es ist eine Kleinstadt wie Northbridge, und ich will böses Blut vermeiden. Wenn sie den Schaden abarbeiten, verzichte ich auf eine Anzeige. Der Verwalter kennt sie und kümmert sich darum.“

„Klingt gut“, sagte Cade.

Seth hörte, dass sein Bruder aufgestanden war und Kaffee kochte. „Du kommst doch in drei Wochen zu GiGis Geburtstag, oder?“

GiGi war der Kosename ihrer Großmutter, kurz für Grandma Georgianna. Nach dem Tod ihrer Eltern waren die Brüder und ihre Cousins bei ihr aufgewachsen. Sie wurde fünfundsiebzig.

„Auf jeden Fall.“

„Ist sonst noch was los bei euch?“, erkundigte sich Cade.

Von einer Sekunde zur anderen sah Seth die junge Frau vor sich, die ihn gestern auf dem Feld aufgespürt hatte. „Ich habe Morgan Kincaids Tochter kennengelernt und glaube, sie ist überzeugt, dass wir ihren Vater hereingelegt haben.“

„Dieselbe Geschichte, ein anderes Kapitel.“

„Genau.“

Sie hatten sich daran gewöhnt, dass ihr Nachname die Leute misstrauisch machte.

„Hast du ihr erklärt, dass es dir nur um den Besitz ging?“

„Nein, sie hat es nicht ausgesprochen, nur gedacht.“

„Kenne ich.“

„Jetzt wollen sie eine Straße bauen, die über unser Land führt. Dass ich nicht sofort nachgegeben habe, hat sie noch misstrauischer gemacht“, erzählte Seth. „Als hätte ich geahnt, dass sie eine Zufahrtsstraße brauchen, und das Land nur deshalb gekauft.“

„Wir Camdens sind schon ein gerissener Haufen, was?“, scherzte Cade. „Diese Lacey Kincaid ist also ein echter Drachen?“

Seth lachte. „Nein, das glaube ich nicht.“ Aus irgendeinem Grund gefiel es ihm nicht, wenn jemand sie so nannte. „Aber wahrscheinlich wäre sie dem alten H. J. und Grandpa eine würdige Gegnerin gewesen. Sie weiß, was sie will, und gibt nicht so schnell auf. Sie hat mich mitten in der Einöde aufgespürt und ist eine Viertelmeile über ein Feld marschiert. In der Hitze, im Kostüm und auf High Heels.“

„Nur um über eine Zufahrtsstraße zu reden?“

„Und um mir zu sagen, dass wir noch Sachen auf ihrem Dachboden und in der Scheune haben. Außerdem hat sie gefragt, ob sie in meinem Gästehaus wohnen kann, weil sie sonst eine Viertelstunde zur Baustelle braucht.“

„Fünfzehn Minuten Fahrzeit sind ihr zu viel?“

„Sieht so aus. Aber sie hat nicht versucht, mich unter Druck zu setzen. Ehrlich gesagt kam es mir eher vor wie damals, als die Mädchen noch klein waren, sich verkleidet haben und in GiGis Schuhen herumstolziert sind. Ich glaube, Lacey Kincaid probiert gerade Schuhe aus, die ihr ein paar Nummern zu groß sind.“

Trotzdem hatte sie einen spektakulären Anblick abgegeben, als sie zum Wagen zurückgegangen war. Zuerst hatte Seth ihr nur nachgeschaut, weil er nicht wollte, dass sie sich den Hals brach, aber dann hatte sein Blick sich förmlich an ihrem runden Po festgesogen. Natürlich war die Vorderansicht auch nicht zu verachten gewesen …

„Wir haben noch Sachen auf der alten Farm?“, holte Cade ihn in die Gegenwart zurück.

„Das behauptet sie jedenfalls. Ich dachte, wir hätten alles ausgeräumt, aber offenbar nicht. Viel kann es nicht sein. Ich erledige das.“

„Und sie will im Gästehaus wohnen?“

„Sie will es mieten. Ich habe ihr gesagt, sie kann es gratis nutzen, aber sie besteht darauf, uns etwas zu zahlen.“

„Stört es dich nicht, wenn sie dort absteigt?“, fragte Cade neugierig. „Also irgendwo zwischen dem männermordendem Drachen und dem kleinen Mädchen in zu großen Schuhen ist Lacey Kincaid … Wie ist sie denn nun wirklich?“

„Ich habe mich höchstens fünf Minuten mit ihr unterhalten. Und wie gesagt, sie war äußerst geschäftsmäßig.“

„Wie sieht sie aus?“

Autor

Victoria Pade
Victoria Pade ist Autorin zahlreicher zeitgenössischer Romane aber auch historische und Krimi-Geschichten entflossen ihrer Feder. Dabei lief ihre Karriere zunächst gar nicht so gut an. Als sie das College verließ und ihre erste Tochter bekam, machte sie auch die ersten schriftstellerischen Gehversuche, doch es sollte sieben Jahre dauern, bis ihr...
Mehr erfahren