Kommt das Glück zurück?

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Ein Notfall in der Praxis! Tierarzt Boone Pratt eilt zu seinem Patienten - und steht plötzlich wieder vor der Liebe seines Lebens. Elf Jahre ist es her, dass Faith die Stadt verließ, um woanders ihr Glück zu suchen. Ohne überhaupt wahrzunehmen, wie sehr er sich nach ihr verzehrte! Als sie jetzt verängstigt mit ihrem Hund im Arm vor ihm steht, spürt er erneut ihre magische Anziehungskraft. Am liebsten würde er sie an sich ziehen und leidenschaftlich küssen. Trotzdem wendet sich Boone schweren Herzens von ihr ab: Noch einmal soll Faith seine Liebe nicht mit Füßen treten …


  • Erscheinungstag 28.03.2016
  • Bandnummer 9
  • ISBN / Artikelnummer 9783733773885
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Charlie, wie siehst du denn aus? Hast du wieder mal gebuddelt?“

Faith Perry erwartete nicht wirklich eine Antwort, als sie ihren reinrassigen silbergrauen Zwergschnauzer ins Haus ließ, und zuckte zusammen, als die Hündin leise aufjaulte.

„Was hast du denn? Komm her.“ Besorgt ging sie in die Hocke und schaute sich Charlie genauer an. Die dunklen Flecken an der Schnauze und Brust des Hundes waren nicht, wie erwartet, feuchte Erde, sondern Blut.

„Ach herrje, hast du was gefangen?“

Wieder jaulte Charlie auf und schaute Faith aus ihren dunklen Knopfaugen bittend an. Erschrocken nahm sie die Hündin auf den Arm. Hatte sie sich verletzt?

Faith trug Charlie ins Wohnzimmer, setzte sich mit ihr auf die Couch und untersuchte die Hündin genauer. Das Blut lief aus Charlies Schnauze. Faith verzog das Gesicht und drückte die Kiefer vorsichtig auseinander, darauf gefasst, einen toten Vogel oder die Überreste eines Eichhörnchens zu finden. Doch stattdessen entdeckte sie einen abgebrochenen Zahn, der für die Blutung verantwortlich war.

„Wie ist das denn passiert?“, fragte sie entsetzt.

Und das ausgerechnet an einem Sonntagnachmittag in Northbridge, Montana. Die Stadt war Faiths früherer Heimatort und nicht gerade groß. Da sie erst vor vierundzwanzig Stunden angekommen war, hatte Faith keine Ahnung, ob der örtliche Tierarzt noch praktizierte. Er war schon uralt gewesen, als sie Northbridge vor elf Jahren verlassen hatte. Hoffentlich war die Zivilisation inzwischen selbst hier angekommen, und jemand hatte eine Tierklinik eröffnet.

Jedenfalls musste sie schnellstens Hilfe für Charlie finden.

„Meine arme Kleine“, sagte sie zu ihrer Hündin, trug sie in die Küche zurück und setzte sie auf den gefliesten Boden. „Bleib hier, okay? Ich lasse mir etwas einfallen.“

Zu ihrer Überraschung gehorchte die Hündin ausnahmsweise.

„Oje, dir geht’s wohl wirklich nicht gut, was?“

Bisher hatte sie das Haus nur als Wochenendunterkunft benutzt. Immer, wenn Faith mit ihrem Mann zu Besuch in der Stadt war, hatten sie hier übernachtet. Daher hatte sie auf Dinge wie ein aktuelles Telefonbuch nie Wert gelegt. Jetzt hoffte sie, in der Abstellkammer wenigstens ein altes zu finden – und hatte Glück.

Sie legte das nicht sehr dicke Heft auf den Frühstückstresen in der Küche und suchte zuerst unter C.

„Hm, Doc Chapman gibt es wohl nicht mehr“, murmelte sie. „Ah, aber hier, unter Tierarzt: Boone Pratt. Ach, das hätte ich ja auch wissen können.“

Er war der Bruder ihres Schwagers. Vor Kurzem hatte Faiths Schwester Eden Boones Bruder Cam geheiratet. Auf der Hochzeit hatte Boone allerdings wegen eines Notfalls gefehlt. Und ansonsten hatte Faith während der seltenen Besuche in Northbridge nur ihre engste Familie besucht. Vor allem in letzter Zeit war sie so mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, dass sie für andere Dinge einfach kein Interesse aufbrachte.

Faith griff nach ihrem Handy und wählte die angegebene Nummer. Doch in der Tierarztpraxis meldete sich niemand. Stattdessen sprang ein Anrufbeantworter an, der die Öffnungszeiten und eine Notfallnummer ansagte.

Natürlich hatte sie in der Aufregung nicht daran gedacht, Stift und Papier bereitzulegen. Faith wiederholte die Nummer halblaut und tippte sie dann direkt ins Telefon.

„Geh ran, geh ran, geh ran“, beschwor sie den Tierarzt, als es mehrmals tutete. „Du bist der einzige Tierarzt in der Gegend. Was soll ich denn machen, wenn …“

„Ja?“

Ja?

„Boone Pratt?“, fragte sie.

„Am Apparat. Und wer sind Sie?“

Wie immer fiel ihr der Unterschied zu ihrer jetzigen Heimat Connecticut auf. Hier in Northbridge waren die Umgangsformen viel direkter und unkomplizierter.

„Faith Perry. Mein …“

„Faith“, wiederholte Boone, als kenne er sie. Und das stimmte ja auch. Sie waren zusammen zur Schule gegangen, sogar in dieselbe Klasse. Und nächste Woche heiratete Faiths Cousin Jared Boones Schwester Mara. Also war er nicht wirklich ein Fremder, obwohl Faith ihn seit dem Highschool-Abschluss nicht gesehen hatte.

„Tut mir leid, dass ich am Wochenende störe“, entschuldigte sie sich. „Ich bin erst seit gestern in der Stadt, und mein Hund hat sich gerade einen Zahn abgebrochen. Und Sie … du bist der Tierarzt, oder?“

„Ja, bin ich. Der einzige in der Stadt.“

Seine Stimme klang kühler als vorher, aber vielleicht sprach er jetzt in seiner Funktion als Tierarzt.

„Wie schlimm ist das mit dem Zahn?“, fragte er.

„Er blutet ziemlich stark. Sieht aus, als wäre er in der Mitte auseinandergebrochen.“

„Das muss ich mir in der Praxis anschauen. Weißt du, wo das ist?“

Sie las die Adresse aus dem Telefonbuch vor. Die Praxis lag nur ein paar Straßen von Faiths Haus entfernt.

„Genau“, unterbrach sie der Tierarzt. „Ich bin gerade noch unterwegs. Aber in einer halben Stunde kann ich da sein. Bis gleich.“

Damit legte er auf.

„Na schön …“, murmelte Faith. Ziemlich unhöflich, dieser Kerl. Aber damit musste sie sich im Moment wohl abfinden – Hauptsache, Charlie wurde bald versorgt.

Genau eine halbe Stunde nach dem Anruf stand Faith vor der Praxis, fand die Tür jedoch verschlossen vor. Durch das Fenster konnte sie drinnen niemanden sehen, also setzte sie sich auf die Holzbank neben der Tür und nahm Charlie auf den Schoß.

Um die Hündin nicht noch weiter zu stressen, hatte sie nur das Blut, so gut es ging, abgewaschen, sie aber nicht komplett gebadet, wie sie es normalerweise getan hätte, bevor sie einen Tierarzt aufsuchte. Sie selbst hatte sich allerdings umgezogen. In den Kreisen, in denen sie sich die letzten elf Jahre bewegt hatte, war es undenkbar, sich in T-Shirt und Jogginghose in der Öffentlichkeit zu zeigen. Genau das hatte sie aber angehabt, während sie ihre Umzugskisten auspackte. Für den Notfallbesuch beim Tierarzt trug sie nun einen knöchellangen Rock und eine Seidenbluse. Das schulterlange dunkelbraune Haar hatte sie zu einem eleganten Knoten hochgesteckt.

Selbst wenn sie den ganzen Tag zu Hause verbrachte, schminkte sie sich immer, sodass sie sich nur noch einmal die Nase hatte pudern müssen, bevor sie das Haus verließ. Ihre blau-violetten Augen wurden von schwarzem Mascara betont, ihre hohen Wangenknochen von einem Hauch Rouge. Nach kurzer Überlegung hatte sie noch Lipgloss aufgelegt.

Ihre frühere Schwiegermutter hätte diesen Aufzug gerade einmal für einen Besuch beim Friseur oder bei der Kosmetikerin toleriert, aber mehr hatte sich in der Eile einfach nicht bewerkstelligen lassen.

Nachdem Faith ein paar Minuten vor der Praxis gewartet hatte, bog ein schlammbespritzter roter Landrover in die Einfahrt ein. Weil sie den Tierarzt so dringend erwartete, fiel ihr jedes Detail auf, als er endlich ausstieg. Zuerst sah sie abgewetzte Cowboystiefel, dann lange Beine in verwaschenen, ausgefransten Jeans. Das dazu passende Hemd war so fadenscheinig, dass die breiten Schultern es fast sprengten. Und alles war staubbedeckt.

Das galt leider auch für sein Gesicht und seine Haare. Der Mann sah zweifellos gut aus, war aber unglaublich schmutzig.

Und ich mache mir Sorgen, weil ich Charlie nicht mehr gebadet habe, dachte Faith.

„Boone?“, fragte sie, und es gelang ihr nicht ganz, ihre Missbilligung zu verbergen.

„Faith?“, gab er in demselben Tonfall zurück.

Hatte er bemerkt, wie entsetzt sie über sein Aussehen war? Wie peinlich!

„Es tut mir wirklich leid, dich am Sonntag stören zu müssen“, beeilte sie sich zu sagen und gab sich Mühe, diesmal wirklich dankbar zu klingen.

„Gehört zum Job“, erwiderte er nur knapp.

Als sie aufstand, betrachtete er sie von oben bis unten, und sie fragte sich, ob das die Retourkutsche für eben war. Oder fand er ihre Kleidung unangebracht?

Er hatte durchdringend blaue Augen, eine markante, gerade Nase und einen sexy Mund, den er jetzt geringschätzig verzog. Damit war wohl klar, was er dachte: Ihm gefiel das, was er sah, genauso wenig wie umgekehrt.

Ohne weitere Worte zu verlieren, ging Boone mit großen Schritten zur Tür, schloss auf und winkte sie und Charlie dann herein. Er gab sich keine Mühe zu verbergen, dass er sie nicht mochte. Und das anscheinend schon länger, denn er war ja am Telefon schon so kurz angebunden gewesen, als er ihren Namen gehört hatte. Allerdings wusste sie nicht, warum. Sie waren zwar in dieselbe Klasse gegangen, hatten aber in der ganzen Zeit kaum mehr als zehn Worte miteinander gewechselt. Warum also behandelte er sie so feindselig?

„Hier hinein“, sagte er und deutete auf einen Behandlungsraum schräg gegenüber des Empfangstresens.

Faith trug Charlie hinein und setzte sie auf dem Untersuchungstisch ab. Boone folgte ihr und schloss die Tür. Als er wieder vor ihr stand, strich er sich mit beiden Händen die dunkelbraunen Haare aus der Stirn.

Er braucht dringend einen Haarschnitt, dachte Faith unwillkürlich. Das leicht wellige, dunkle Haar reichte ihm bis zum Hemdkragen und betonte seine markanten Gesichtszüge. Der Fotograf, der für die jährlichen Porträts ihrer früheren Familie zuständig war, wäre begeistert gewesen. Er hatte sich immer redlich bemüht, die rundlichen Gesichter ihres Exmannes und Exschwiegervaters vorteilhaft wirken zu lassen. Boones hohe Wangenknochen und sein kantiges Kinn strahlten dagegen Durchsetzungskraft und Männlichkeit aus.

Nachdem er seine Haare etwas geglättet hatte, wusch er sich betont lange und gründlich die Hände. Dabei wandte er Faith den Rücken zu. Nun gut, seine Jeans mochten alt sein, aber er füllte sie äußerst vorteilhaft aus.

Sie schluckte trocken. Wie kam sie jetzt auf so etwas? Sie hatte wirklich andere Sorgen.

Boone trocknete sich die Hände mit Papiertüchern ab und trat dann an den Behandlungstisch, sodass er Faith gegenüberstand. Sie musste zu ihm aufschauen, denn er überragte sie mit seinen mindestens eins neunzig um anderthalb Köpfe.

„Na, wen haben wir denn hier?“, fragte er freundlich an Charlie gewandt und streckte eine Hand aus, damit sie ihn beschnüffeln konnte.

„Das ist Charlie“, erwiderte Faith.

„Hallo, Charlie“, fuhr Boone mit beruhigender Stimme fort, ohne Faith auch nur eines Blickes zu würdigen. „Was hast du denn angestellt, Junge?“

„Er ist eine sie. Ich meine, Charlie ist eine Hündin. Sie hieß schon so, als ich sie bekommen habe, und da der Name zu ihr passt, habe ich ihn beibehalten. Sie hat es nämlich faustdick hinter den Ohren und benimmt sich meistens nicht sehr damenhaft.“

Wieso erzählte sie ihm das alles? Der Tierarzt hatte längst das Geschlecht selbst festgestellt und schien überhaupt nicht darauf zu achten, was Faith sagte.

Er streichelte Charlie sanft und beruhigend über den Kopf. Sofort schob die Hündin die Schnauze in seine große, kräftige Hand, um nach mehr zu betteln.

„Sie beißt Tierärzte immer“, warnte Faith ihn trotzdem vorsichtshalber. „Beim Krallenschneiden muss ich ihr sonst immer einen Maulkorb anlegen.“

„Tja, dann haben wir wohl Glück, dass du heute keine Pediküre brauchst, was, mein Mädchen?“, sagte Boone lächelnd zu Charlie, als wäre Faith nur eine unbeteiligte Zuhörerin. „Lässt du mich denn mal nach deinem Zahn schauen?“

Seine Stimme war tief und warm. Beinahe hätte Faith selbst den Mund aufgemacht. Und auch Charlie, die sonst bellte, schnappte und jeden Tierarztbesuch zu einem Albtraum machte, rückte näher an Boone heran.

„Dann schauen wir doch mal, was wir hier haben“, murmelte er und öffnete vorsichtig Charlies Schnauze, was sie sich widerstandslos gefallen ließ.

„Ja, der Zahn ist durchgebrochen“, bestätigte er nach einem kurzen Blick, untersuchte dann die restlichen Zähne. Erst danach schien er Faiths Anwesenheit wahrzunehmen.

Allerdings streichelte er dabei weiter Charlie, die jetzt ganz auf seine Seite gerückt war und sich zufrieden zwischen seinen gebräunten und bemerkenswert muskulösen Unterarmen zusammengerollt hatte.

„Der rechte obere Backenzahn ist fast völlig herausgebrochen. Es ist der größte Zahn beim Hund, aber es ist nicht genug davon übrig, um ihn zu retten. Ich muss ihn ziehen.“

„Wie kann so etwas denn passieren?“

„Keine Ahnung. Sie kann ja nicht reden.“

„Nein, ich meine – haben Hunde nicht besonders starke Zähne?“, verbesserte sich Faith. Warum konnte er zu ihr nicht auch so nett sein wie zu Charlie?

„Ja, Hundezähne sind sehr robust“, bestätigte er. „Aber wenn sie auf etwas noch Härteres beißen, können sie brechen. Genau wie beim Menschen.“

„Und dann müssen sie gezogen werden?“

„Nicht immer. Manchmal lässt sich – auch wie beim Menschen – noch was machen. Aber in diesem Fall leider nicht.“

„Kommt sie denn ohne den Zahn aus?“

„Sie wird sich dran gewöhnen.“

„Und wie geht das Ziehen vor sich? Ich bin nicht sicher, ob ich sie dabei festhalten kann.“

Boone Pratt runzelte die Stirn, als wäre sie völlig verrückt. „Ich werde meine Sprechstundenhilfe herbitten. Wir untersuchen Charlie gründlich, um sicherzustellen, dass sie bis auf den Zahn gesund ist …“

„Ist sie. Sie wurde erst vor einem Monat geimpft.“

Wieder ignorierte Boone ihren Einwurf und fuhr fort: „Dann geben wir ihr eine Narkose und ziehen den Zahn. Anders geht es nicht.“

„Sie braucht eine Vollnarkose?“ Das war ja doch eine größere Sache.

„Ich würde es nicht machen, wenn es sich vermeiden ließe. Aber wenn du eine zweite Meinung einholen möchtest, kann ich dir einen Tierarzt in Billings empfehlen.“

„Ich zweifle nicht an dir, ich habe nur keinerlei Erfahrung mit diesen Dingen. Normalerweise denkt man ja auch nicht darüber nach, wie eine Zahnbehandlung bei Hunden aussieht. Menschen bekommen zum Zähneziehen auch keine Vollnarkose.“

Boone Pratt sagte dazu nichts.

Zu schade, dass er mit Menschen offenbar nicht so gut umgehen konnte wie mit Tieren.

„Und soll das jetzt gleich passieren?“, fragte sie.

Unwillkürlich hatte sie dabei wieder seine schmutzige Kleidung betrachtet. Ein Reflex, denn während die Praxis blitzsauber aussah, traf das auf Boone Pratt einfach nicht zu.

Diesmal hatte er den Blick auf jeden Fall bemerkt.

„Die gute alte Faith“, murmelte er.

Was sollte das jetzt wieder heißen? Aus seinem Tonfall zu schließen, musste es eine Beleidigung sein.

„Wie bitte?“

Doch er schüttelte nur den Kopf und tat so, als hätte er nie etwas gesagt.

„Ich war gerade dabei, ein Pferd zuzureiten, als du angerufen hast“, erklärte er widerwillig. „Während meine Sprechstundenhilfe Charlie vorbereitet, werde ich nach Hause fahren und duschen. Und wenn ich wieder hier bin, werde ich garantiert sauber sein. Vielleicht wasche ich mir sogar noch einmal die Hände, bevor ich anfange. Und ziehe Handschuhe an. Solche grundsätzlichen Hygienevorschriften beachten wir nämlich sogar hier in der Pampa.“

„In der Pampa?“, wiederholte sie verständnislos.

„So hast du Northbridge doch immer genannt, oder? Die Pampa, wo nur Hinterwäldler wohnen. Und deshalb konntest du nicht schnell genug von hier wegkommen. Und jetzt bist du wieder da und beehrst uns mit deiner hochwohlgeborenen, hochnäsigen Gegenwart. Wir Glückspilze.“

Mit großen Augen starrte Faith ihn an. Hochwohlgeboren? Hochnäsig? So dachte er also über sie?

„Habe ich das wirklich gesagt?“, fragte sie zweifelnd.

„Hast du.“

„Wann?“

„In der Highschool.“

„In der Highschool“, wiederholte sie fassungslos. „Du bist beleidigt wegen etwas, das ich vor über zehn Jahren gesagt habe – über Northbridge – und an das ich mich nicht mal erinnere?“

„Ich bin doch nicht beleidigt“, antwortete er lässig. „Du oder das, was du gesagt hast, sind mir völlig egal. Ich wollte dir nur klarmachen, dass die Dinge in meiner Praxis genauso gehandhabt werden wie in einer Großstadt, auch wenn wir hier nur in Northbridge sind. Alle Instrumente sind sterilisiert, und wir tun alles Nötige, um Infektionen zu vermeiden.“

Auch wenn er es abstritt, er klang eindeutig beleidigt. Jedenfalls wollte Faith das nicht einfach so stehen lassen.

„Habe ich dir auch irgendetwas angetan, an das ich mich nicht erinnere?“

„Nein, Ma’am, haben Sie nicht.“ Es klang, als wäre er stolz darauf. „Also, willst du jetzt, dass ich den Zahn ziehe, oder nicht?“ Sicher war Charlie bei ihm in den besten Händen. Die Hündin lag jetzt ganz in Boones Armen und kuschelte sich vertrauensvoll an ihn. In Charlies Interesse beschloss Faith, Boones Abneigung gegen sie selbst zu ignorieren.

„Ich wäre sehr dankbar, wenn du das machen könntest.“

Er trat vom Behandlungstisch zurück. „Ich werde mich gut um Charlie kümmern. Meine Sprechstundenhilfe wird dich anrufen, wenn wir fertig sind, und dir sagen, wie alles verlaufen ist.“

„Und danach kann ich sie abholen?“, fragte sie.

„Sie wird Nachsorge brauchen, also behalte ich sie lieber bei mir. Zumindest über Nacht.“

„Das kann ich auch machen. Ich kümmere mich ja sonst auch um sie.“

„Als ob du dir die Hände schmutzig machen würdest“, erwiderte er kühl. Dann hob er eine Augenbraue und fuhr fort. „Das überlasse ich dir. Wenn du dir die Nachsorge zutraust …“

Faith hatte durchaus keine Probleme damit, auch wenn sie nicht wusste, was die Nachsorge alles beinhaltete. Doch Charlie sollte so professionell wie möglich betreut werden, und sie selbst hatte nun mal keinerlei Erfahrung damit, ein Tier nach einer Operation zu pflegen. Sicher war ihre Hündin beim Tierarzt in besseren Händen.

Obwohl sie damit Boones schlechte Meinung von ihr bestätigte, sagte Faith: „Sie ist bei dir wahrscheinlich besser aufgehoben.“

„Wahrscheinlich“, erwiderte er sarkastisch.

Dann nahm er Charlie auf den Arm und verschwand mit ihr durch eine Tür an der Rückwand des Behandlungsraumes. Mit offenem Mund blickte Faith ihm nach, als er die Tür ohne weiteres Wort hinter sich schloss.

„Das Einzige, was noch schlimmer ist als ein Hinterwäldler, ist ein unhöflicher, ungehobelter Hinterwälder“, murmelte sie halblaut.

„Das habe ich gehört“, erklang Boones tiefe Stimme von hinter der Tür.

Beabsichtigt hatte sie das nicht, trotzdem rief sie laut: „Gut!“

Dann drehte sie sich auf dem Absatz um und verließ die Praxis des Mannes, der zwar aussah wie ein besonders männliches und attraktives Mens’-Health-Model, der aber ihretwegen dennoch ruhig tot umfallen konnte.

Aber natürlich erst, wenn er Charlies Zahn in Ordnung gebracht hatte.

2. KAPITEL

„Ähem, Miss Charlie, in diesem Haus dürfen Hunde nichts ins Bett. Deshalb hast du ja auch dein eigenes Kissen auf dem Boden“, erklärte Boone dem Zwergschnauzer am Montagmorgen, als seine Patientin ihn weckte, weil sie neben ihm ins Doppelbett sprang und ihn mitleidheischend anblickte.

Seine eigenen fünf Hunde, alle mindestens viermal so groß wie Charlie, betrachteten die Angelegenheit von ihren jeweiligen Kissen aus und wunderten sich wahrscheinlich über Charlies Unverfrorenheit.

Doch trotz der Rüge rollte sich die Hündin neben Boone zusammen. Ihr leises Winseln zeigte ihm, dass sie sich immer noch nicht wohlfühlte.

„Ich weiß, krank sein ist blöd“, tröstete er sie und legte den Arm um sie, damit er sie ohne großen Aufwand streicheln konnte.

Sein Wecker hatte noch nicht geklingelt, und er machte die Augen wieder zu. Mit etwas Glück konnte er noch ein wenig schlafen. Die halbe Nacht war er wegen Charlie wach gewesen. Wie bei vielen Tieren verursachte das Narkosemittel Übelkeit. Und das Schmerzmittel, das er der Hündin verabreicht hatte, entspannte auch die Stimmbänder, sodass sie bei jedem Atemzug leise winselte. Er wusste genau, dass sie keine Schmerzen hatte, aber genau diese Reaktion regte die meisten Tierbesitzer furchtbar auf. Deshalb – und wegen der Übelkeit – hatte er vorgeschlagen, Charlie bei sich zu behalten, statt sie direkt nach der Operation nach Hause zu schicken. Zumal die Besitzerin Faith Perry hieß.

Als ob Charlie wüsste, woran Boone gerade dachte, stupste sie ihn vorwurfsvoll in die Seite.

„Ja, ich weiß, ich habe mich gestern unmöglich benommen“, gab er zu, als er an den Wortwechsel mit Faith dachte. „Normalerweise bin ich ganz nett, weißt du.“

Doch nicht einmal der Hündin gegenüber erwähnte er den wahren Grund für sein Verhalten. Er hatte noch nie jemandem davon erzählt, weder damals noch jetzt. Und noch heute dachte er nur äußerst ungern daran.

Faith Perry war seine erste große Liebe gewesen.

Keine schöne Erinnerung.

Denn er war kein „Komm her, Baby, ich steh auf dich“-Junge gewesen. Dann hätte er bestimmt nicht so darunter gelitten. Aber damals hatte er ganz einfach nicht zu den coolen Jungs gehört.

Ganz im Gegenteil. Er hatte Pickel gehabt und eine Zahnspange getragen, war mit siebzehn nur eins siebzig groß und ziemlich pummelig gewesen. Schüchtern, ungeschickt und einzelgängerisch – schon damals hatte er mehr Zeit mit Tieren als mit Menschen verbracht –, hatte er eines Tages festgestellt, dass ihm Faith Perry nicht mehr aus dem Kopf ging.

Fortan hatte er sie mit großen, verliebten Augen angehimmelt, hatte in ihrer Gegenwart nur noch gestammelt, war über die eigenen Füße gestolpert und knallrot geworden. Wenn irgendjemand von seiner Verliebtheit erfahren hätte, wäre er zum Gespött der ganzen Schule geworden – einschließlich Faiths. Demzufolge wurden seine großen Gefühle von ebenso großer Hoffnungslosigkeit begleitet und ließen sein Selbstbewusstsein nur noch weiter schrumpfen. Denn Faith, das Mädchen seiner Träume, mit dem er in dieselbe Klasse ging, nahm ihn nicht einmal wahr. Für sie existierte er gar nicht. Und sie konnte es gar nicht abwarten, das Nest Northbridge und seine Einwohner – einschließlich Boone – hinter sich zu lassen, um unter kultivierten Menschen in einer richtigen Stadt zu leben. Sie fühlte sich zu den besseren Kreisen hingezogen. Dort sah sie ihren wahren Platz.

Und jedes Mal, wenn er ihr nahe kam, wenn er ihr den Stift reichte, der ihr runtergefallen war, ihr die Mitschrift von Stunden anbot, die sie verpasst hatte, oder sie in irgendeiner anderen Weise ansprach, hatte sie ihn so angeschaut wie gestern vor der Praxis. Als wäre er das beste Beispiel dafür, warum sie Northbridge so schnell wie möglich den Rücken kehren wollte.

Die letzten zwei Jahre an der Highschool waren für ihn daher die Hölle gewesen. Sosehr er Faith bewunderte, so sehr hasste er sie auch wegen ihrer offensichtlichen Zurückweisung.

Und gestern hatte er sich dafür gerächt.

Na ja, vielleicht bin ich wirklich ein Idiot, dachte er reumütig.

Andererseits mochte er Leute nicht, die sich für etwas Besseres hielten. Besonders, wenn sie über seine Heimatstadt, ihre Werte und den ländlichen Lebensstil die Nase rümpften.

Doch das entschuldigte nicht sein Verhalten.

Er hatte wirklich nicht vorgehabt, Faith so geringschätzig zu behandeln, wenn er sie wiedersah. Allerdings war ihm die ganze Sache noch immer peinlich, auch wenn niemand außer ihm davon wusste. Deshalb hatte er die Erinnerung einfach verdrängt und es vermieden, Faith über den Weg zu laufen, wenn sie in der Stadt war.

Bis jetzt war das gut gegangen. Doch als sie ihn am Vortag so unvermutet angerufen hatte, brachte das all die unangenehmen Erinnerungen auf einen Schlag zurück. Und sogar das hatte er auf der Fahrt zur Praxis noch in den Griff bekommen. Bis er aus dem Geländewagen gestiegen war und ihren missbilligenden Blick sah.

Am liebsten hätte er sie sofort darauf angesprochen. „Ganz recht“, hätte er gerne gesagt, „ich bin völlig verdreckt und immer noch ein Hinterwäldler aus der Pampa, aus der du nicht schnell genug wegkommen konntest.“

Und Faith war noch immer das Fräulein Hochwohlgeboren, wie sie da steif und ordentlich auf der Bank saß, gekleidet und frisiert wie eine alte Jungfer.

Trotzdem fand Boone sie jetzt noch hübscher als auf der Highschool, und schon damals war sie für ihn das attraktivste Mädchen in der Stadt gewesen. Heute war sie wunderschön.

Selbst hochgesteckt leuchtete ihr mokkabraunes Haar in der Sonne. Ihre Gesichtszüge wirkten klarer und ausgeprägter als früher, doch ihr Teint war noch immer so zart und hell wie damals. Der violette Schimmer ihrer blauen Augen schien noch intensiver geworden zu sein – und ihr herzförmiger Mund mit den vollen rosafarbenen Lippen lud geradezu zum Küssen ein. Das hatte er zumindest gedacht, bevor er ausgestiegen war. Ehe sie ihm mit ihrem abschätzigen Blick gezeigt hatte, was sie von ihm hielt.

Immerhin war er nicht wieder ins Stolpern geraten oder rot geworden wie mit siebzehn. Ihre eindeutige Ablehnung wirkte wie ein Schwall kaltes Wasser.

Sicher, sie hatte sich schnell gefangen und für die Störung entschuldigt. Aber da war es schon zu spät gewesen. Er wusste einfach, was sie dachte. Danach war es ihm schwergefallen, nett zu sein.

Natürlich war ihm trotzdem aufgefallen, dass sie nach wie vor schlank war und an den richtigen Stellen verführerische Kurven hatte. Was sie durch ihre altmodische Kleidung offenbar zu verbergen versuchte.

Jedenfalls war ich genau der Trampel, für den sie mich hält, dachte er.

Was hatte sie noch gesagt, als sie ihn außer Hörweite glaubte? „Das Einzige, was noch schlimmer ist als ein Hinterwäldler, ist ein unhöflicher, ungehobelter Hinterwälder.“

Also konnte Fräulein Hochwohlgeboren auch austeilen. Hätte er ihr bei ihren feinen Manieren gar nicht zugetraut.

Immerhin steckte noch ein Funken Temperament in ihr. Und das freute ihn, obwohl er die Zielscheibe gewesen war.

Allerdings musste er die Sache bis zur Hochzeit seiner Schwester wohl in Ordnung bringen. An ihrem schönsten Tag durfte kein Streit die Stimmung trüben. Und eigentlich hatte auch Faith Perry ihm keinen Grund gegeben, ihr den Kopf abzureißen. Ihm persönlich hatte sie nie etwas getan. Wenn er und ganz Northbridge ihr nicht gefielen, war das ja ihre Sache. Und ihr Verlust.

Dennoch – nicht einmal jemand, der sich für etwas Besseres hielt, sollte schlecht von ihm denken.

„Was meinst du, wahrscheinlich erwartet dein Frauchen eine dicke Entschuldigung, was?“, fragte er Charlie.

Die Hündin seufzte und schob ihre Schnauze in seine Hand, damit er sie weiter streichelte. Boone tat ihr den Gefallen und fragte sich dabei, ob Charlie es wohl gewohnt war, im Bett zu schlafen. Wenn Faiths langes Haar übers Kopfkissen floss und sie nur ein dünnes, durchscheinendes Nachthemd trug …

Wie bitte? War er etwa jetzt schon auf einen Hund eifersüchtig?

Oh nein, das kam gar nicht infrage.

Faith mochte schön sein, aber das sollte ihm besser egal sein. Auf keinen Fall durfte er noch einmal Gefühle in sie investieren. Ein Mann wie er konnte sie niemals beeindrucken. Er war nun mal ein Hinterwäldler und damit bei ihr automatisch aus dem Rennen.

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