Verbotenes Verlangen nach dir

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Als Grace nach Jahren ihre Jugendliebe Kyle wiedersieht, sind alle Gefühle sofort zurück: heiße Wut - und brennendes Verlangen nach seinen leidenschaftlichen Küssen. Aber sie sollte ihm besser aus dem Weg gehen, wenn sie sich nicht erneut das Herz brechen lassen will. Nur leider ist sie als Sozialarbeiterin für seine kleinen Zwillingstöchter zuständig. Und als sein Babysitter ausfällt, muss Grace den sexy Singledad auch noch zu Hause unterstützen. Gegen jede Vernunft knistert es zwischen ihnen bald erregender denn je …


  • Erscheinungstag 23.01.2018
  • Bandnummer 5
  • ISBN / Artikelnummer 9783733720117
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die kleine texanische Stadt Royal war der ideale Ort zum Sterben. Was sollte man hier sonst auch tun?

Kyle Wade fiel jedenfalls nichts anderes ein, nachdem er von der Navy mit den höchsten Ehren entlassen worden war. In Royal würde er sich langsam, aber sicher zu Tode langweilen. Obwohl die Wades seit Urzeiten hier ansässig waren und die Stadt liebten, hatte er sich in Royal nie wohlgefühlt. Erst kürzlich hatte er erfahren, dass der Ort vor etwas mehr als einem Jahr von einem Tornado heimgesucht und fast dem Erdboden gleichgemacht worden war.

Inzwischen war viel wieder aufgebaut worden. Hatte es diese Häuser schon gegeben, als er Royal damals fluchtartig verlassen hatte? In seinen Jahren als Navy SEAL in einer Eliteeinheit der Marine war er nie in seinen Heimatort zurückgekehrt.

Kyle bremste ab, als er an der Stelle vorbeikam, wo er Grace Haines das erste Mal geküsst hatte. Das war genau dort gewesen, auf dem Parkplatz von Dairy Queen, dem Lokal, in dem es so gute Milchshakes gab. Er fuhr noch langsamer und sah sich verblüfft um. Das Lokal war nicht mehr da, stattdessen sah er ein rosa Gebäude, in dem Mimis Nagelstudio untergebracht war.

Das passte. Denn die Beziehung zu seiner großen Liebe von damals gab es ja auch nicht mehr. Kopfschüttelnd gab Kyle wieder Gas. Später hatte er noch genug, ja, viel zu viel Zeit, sich die Stadt anzusehen. Und an Grace sollte er lieber gar nicht denken. Wegen ihr war er damals zum Militär gegangen. Außerdem tat sein kaputtes Bein verdammt weh, nachdem er drei Tage fast nur im Auto gesessen hatte. Er sollte nach Hause fahren.

Ob sich auf der Ranch auch so viel verändert hatte wie in der Stadt? Wenn ja, dann sicher nicht zum Besseren, dachte er pessimistisch. Sein Zwillingsbruder Liam würde ihn nicht mit offenen Armen empfangen, nach dem, was damals passiert war. Ach, er sollte die Begegnung einfach möglichst schnell hinter sich bringen.

Als er das Land der Wade-Ranch vor sich liegen sah, das genau zehn Meilen hinter der Stadt begann, atmete er erleichtert auf. Daran zumindest hatte sich nichts geändert. Soweit das Auge reichte, erstreckte sich die leicht hügelige Landschaft vor ihm.

Das Tor zur Ranch war nicht verschlossen. Sein Bruder Liam hieß offenbar jeden willkommen. Ihr Großvater war vor einigen Jahren gestorben und hatte die Ranch natürlich ihnen beiden hinterlassen. Aber Kyle hatte bisher nie daran gedacht, auf sein Erbe zu pochen. Sicher, die Ranch war bestimmt viel wert, aber er war nicht an ihr interessiert. Er wollte sein früheres Leben zurück, sein Leben als SEAL mit seinem eingeschworenen Team. Aber seit in Afghanistan bei einem Überfall der Taliban sein Bein schwer verletzt worden war, konnte er sich das abschminken.

Langsam fuhr er die gewundene Einfahrt zum Haupthaus hinauf.

Aha, das große alte Haus, das seit über hundert Jahren das Zuhause verschiedener Wade-Generationen war, hatte einen neuen Anstrich bekommen. Den großen Autoreifen, der früher an der riesigen alten Eiche hing und als Schaukel benutzt worden war, gab es nicht mehr. Dafür stand eine neue Hollywoodschaukel neben der Haustür.

Na wunderbar, die war wie für ihn gemacht. Er konnte dort sitzen und jammern, wie sehr die feuchte Witterung seinen Knochen zusetzte. Später konnte er vielleicht in das Seniorenzentrum gehen und Domino mit den anderen pensionierten Soldaten spielen.

Pensioniert. Das war so gut wie tot.

Den Pick-up hatte Kyle in Kalifornien gekauft, als herauskam, dass die Navy ihn nicht mehr haben wollte. Abserviert. Er presste die Lippen zusammen, öffnete die Fahrertür und rutschte vom Sitz. Dabei kam er in einem ungünstigen Winkel auf.

Er verzog das Gesicht. Kurz blieb ihm vor Schmerz der Atem weg. Verdammt. Wenn er noch nicht mal ohne Probleme aus seinem Auto aussteigen konnte, war mit ihm wirklich nicht mehr viel los. Leicht hinkend ging er die Stufen zur mächtigen Haustür hoch und klopfte.

Sofort wurde die Tür aufgerissen. Kyle trat über die Schwelle ins Haus, und da war sein Bruder.

Liam stand vor ihm in der Eingangshalle und blickte ihn finster an. Zehn Jahre hatte Kyle ihn nicht gesehen, und er war überrascht, wie groß und erwachsen Liam plötzlich wirkte. Das war natürlich albern, denn er selbst hatte sich ja genauso verändert.

„Was willst du hier?“ Liam verschränkte die Arme.

„Ja, ich freue mich auch, dich zu sehen.“

„Du hast vielleicht Nerven, jetzt erst aufzutauchen! Hau ab, wir können dich hier nicht mehr gebrauchen!“

„Willst du wirklich, dass ich gehe?“

Liam schüttelte langsam den Kopf. „Warum bist du gekommen? Nach all der Zeit?“

„Was soll das?“ Kyle musterte seinen Bruder aus zusammengekniffenen Augen. Er und nicht Liam hatte allen Grund, wütend zu sein. Wegen Liam hatte er die Stadt verlassen. Denn sein Zwillingsbruder hatte etwas mit dem Mädchen angefangen, in das Kyle verliebt gewesen war. Daraufhin war er zum Militär gegangen und nach der Ausbildung in der Eliteeinheit der SEALs sofort nach Afghanistan geschickt worden.

Doch er hatte weder Grace vergessen noch seinem Bruder verziehen.

„Ich habe versucht, dich auf deinem Handy zu erreichen. Dann habe ich zwei Monate lang jede Navy-Station auf der ganzen Welt mit Anrufen und E-Mails bombardiert. Aber du hast dich nie gemeldet.“ Liam sah ihn grimmig an. „Mir blieb nichts anderes übrig, als mich um das zu kümmern, was du mir freundlicherweise hinterlassen hast.“

Kyle verstand überhaupt nichts mehr. Liam war sauer auf ihn, weil er sich um die Wade-Ranch kümmern musste? Das konnte ja wohl nicht stimmen. Liam liebte den Besitz und hatte nie etwas anderes als Rancher sein wollen. Wahrscheinlich bereits von dem Tag an, als ihre Mutter ihre Zwillinge auf der Ranch abgegeben hatte, damit der Großvater sie aufzog. Sie selbst hatte andere Pläne gehabt.

„Wie meinst du das?“ Kyle runzelte die Stirn. „Du wolltest doch immer die Ranch übernehmen. Ich habe dir geradezu einen Gefallen getan.“

Liam schnaubte verächtlich. „Tu nicht so begriffsstutzig. Darum geht es doch gar nicht. Ich rede von deinen Kindern.“

Kyle starrte ihn entgeistert an. „Meinen … was?“

„Deinen Kindern. Töchtern, um genau zu sein. Zwillingen. Ich begreife nicht, warum du erst jetzt hier bist. Ich hatte angenommen, du kommst sofort, wenn du davon erfährst.“

„Also mal langsam. Was ist los? Töchter? Zwillinge?“ Kyle schüttelte fassungslos den Kopf. Er hatte keine Kinder. Und er wollte keine Kinder.

Verblüfft sah Liam ihn an. „Dann hast du keine meiner Nachrichten bekommen?“

„Wie sollte ich? Ich war sechs Monate in … in einer der elendsten Gegenden der Welt, und danach wurde es auch nicht viel besser.“

Von der afghanischen Stadt Kunduz war er nach Landstuhl in Deutschland geflogen worden, wo das US-Militär ein Krankenhaus unterhielt. Von dem Aufenthalt wusste er nicht viel, nur dass er unter entsetzlichen Schmerzen gelitten hatte, während die Ärzte versuchten, sein zerschmettertes Bein durch ein Knochentransplantat zu retten. Immerhin war er einer der wenigen, die ihre schweren Verletzungen überlebt hatten.

„Das ist alles, was du mir zu sagen hast? Na, früher warst du ja auch nicht gerade gesprächig.“ Liam strich sich seufzend das Haar zurück. „Aber wie du willst. Wir müssen unbedingt miteinander reden.“

Dabei sah sein Bruder ihn aus müden Augen an, was Kyle nun wiederum erstaunte. Der Liam, an den er sich erinnerte, war ein Frauenheld gewesen, ein Betrüger und sonst noch so einiges, aber nie erschöpft oder müde.

„Gut, dann reden wir.“ Kyle warf einen Blick in Richtung Küche. „Wie wäre es mit einem Eistee?“ Es war zu früh für einen Whiskey, aber womöglich konnte er später einen gebrauchen.

Liam nickte und ging vor in die Küche. Er holte einen Krug aus dem Kühlschrank, goss zwei Gläser Eistee ein und schob ihm eins zu. „Hier. Und nun erzähl mir von Margaret Garner.“

Sexy. Blond. Endlose Beine. Kyle hatte sie sofort wieder vor Augen, obwohl er seit beinahe einem Jahr nicht mehr an sie gedacht hatte. „Margaret Garner? Was hat sie denn mit irgendwelchen …“ Das Wort blieb ihm im Hals stecken. Beinahe ein Jahr? Zeit genug für ein Baby? Oder zwei?

Und wenn schon, das musste ja nicht stimmen. Zumindest mussten es nicht seine Kinder sein.

Schwer ließ er sich auf einen der Barhocker vor dem Küchentresen sinken. „Das war in San Antonio. Sie war mit Freundinnen in der Cantina Juarez, wo auch viele Soldaten hingehen.“

„Hast du mit ihr geschlafen?“

„Das geht dich gar nichts an.“ Liam und er hatten sich nie oder nur sehr selten ihre Geheimnisse anvertraut. Und als Liam ihm dann vor zehn Jahren noch Grace ausspannte, war jede brüderliche Liebe gestorben.

„Oh, doch“, entgegnete sein Bruder. „Weil du nämlich nicht nach Hause gekommen bist, um dich um deine Töchter zu kümmern.“

Kyle betrachtete Liam kopfschüttelnd. Die ganze Situation war absurd. „So, diese Margaret kam also zu dir und drückte dir ihre beiden Säuglinge in den Arm? Ich hoffe, du hast auf einem Vaterschaftstest bestanden, bevor du dein Scheckbuch gezückt hast.“

Liam hob abwehrend beide Hände. „Kein Mensch hat hier irgendeinen Scheck ausgeschrieben. Aber du bist der Vater, daran ist nicht zu rütteln.“

Selbst wenn, war da noch einiges zu klären. Zum Beispiel, warum Margaret sich nicht bei ihm gemeldet hatte. Sie wusste, wie er zu erreichen war. Denn ihre Freundin war in einen seiner Kameraden verliebt und hatte ihn dauernd angerufen. „Wo ist Margaret?“, knurrte Kyle.

„Sie ist tot“, sagte Liam knapp. „Sie starb bei der Geburt der Zwillinge. Aber das ist eine lange Geschichte.“

Margaret ist tot? Das konnte Kyle nur schwer akzeptieren. Sie war so voller Leben gewesen und eine sehr leidenschaftliche Geliebte.

Am anderen Ende der Welt hatte er häufiger an sie gedacht. Aber da sie nur knapp zwei Tage zusammen gewesen waren, kannten sie sich kaum, und es wäre übertrieben zu sagen, dass er untröstlich war. Es war nicht so wie damals mit Grace, als er sie und damit die Liebe seines Lebens verloren hatte.

„Aber wir haben verhütet“, sagte er langsam und schüttelte den Kopf. „Wie konnte sie da schwanger werden?“

„Es gibt eben keine totale Sicherheit, das solltest du wissen.“ Liam verdrehte die Augen wie früher, wenn er ihn zurechtwies. „Wie ist es, willst du nicht endlich deine Töchter kennenlernen?“

„Äh, ja … natürlich. Wo hat man sie denn untergebracht, als Margaret starb? Wer kümmert sich um sie?“

„Ich, besser gesagt, Hadley und ich. Hadley ist eine wunderbare Frau. Ich hatte sie als Nanny engagiert, als ich von dir nichts hörte.“

Hadley, Liam, zwei kleine Mädchen … Kyle schwirrte der Kopf. „Danke … das ist ganz super … Aber das hättest du nicht tun müssen.“

„Ich habe es auch nicht für dich getan, sondern für die Mädchen. Sie sind sehr süß und mir schon richtig ans Herz gewachsen. Wir haben vor, uns weiter um sie zu kümmern.“

„Das kommt nicht infrage. Die letzten zehn Minuten hast du mir Vorwürfe gemacht, dass ich nicht nach Hause gekommen bin, um Verantwortung zu übernehmen. Aber jetzt bin ich da. Und natürlich kenne ich meine Pflichten.“ Kyle blickte sich um. „Wo sind sie denn? Ich will sie sehen.“

„Okay.“ Liam verließ die Küche und trat an die Treppe, die nach oben führte. „Hadley, kommst du mal?“

Nach ein paar Minuten, die Kyle endlos erschienen, kam eine hübsche blonde Frau die Treppe herunter und trat in die Küche. Auf jedem Arm trug sie ein rosa Bündel.

Zögernd trat Kyle näher. Tatsächlich, das waren richtige kleine Menschen, und so winzig! Sie sahen sich sehr ähnlich, waren also wirklich eineiige Zwillinge wie er und Liam. „Wie heißen sie denn?“, fragte er flüsternd.

„Madeline und Margaret Wade“, sagte die junge Frau, und beim Ton ihrer Stimme wandten die beiden den Kopf und sahen sie an. Klar, als Nanny verbrachte sie viel Zeit mit den Kleinen. „Wir nennen sie Maddie und Maggie.“

„Kann ich sie mal nehmen?“

„Aber gern.“ Sie reichte ihm Maggie und half ihm lächelnd, die Kleine in seine Armbeuge zu betten. Dafür war Kyle sehr dankbar, denn er fühlte sich plötzlich viel zu grob und ungeschickt, als dass er so etwas Zerbrechliches handhaben könnte.

Hallo, kleines Mädchen … Er brachte kein Wort heraus, sondern sah sie nur an. Das Herz pochte ihm im Hals, und er spürte so etwas wie ein süßes Sehnen. War das bereits Liebe? Nie hätte er geglaubt, dass so etwas so schnell gehen konnte.

Und was jetzt? Was, wenn sie anfing zu weinen? Oder er? Wie sollte er damit umgehen? Würde er plötzlich wie durch ein Wunder wissen, was zu tun war?

„Hier, nehmen Sie sie wieder“, brummte er, überwältigt von den Gefühlen, die völlig neu für ihn waren. Aber da war ja noch die andere Kleine, noch eine Tochter …

„Und dies ist Maddie.“ Die Blonde nahm ihm Maggie ab und drückte ihm Maddie in den Arm.

Sofort merkte Kyle, dass sie leichter und kleiner als ihre Schwester war. Seltsam. Sie wirkte zerbrechlicher, und Kyle hatte unwillkürlich das Gefühl, er müsse vorsichtiger atmen, um sie nicht umzupusten. Was für ein zartes Wesen. Sie brauchte jemanden, der sie behütete und beschützte.

Nun, das ist jetzt mein Job. Er war der Vater, dies waren seine Kinder. Und plötzlich ergab die Tatsache, dass er nach Royal zurückgekommen war, den allergrößten Sinn.

„Dies ist übrigens Hadley, meine Frau“, bemerkte Liam trocken. „Normalerweise stellt man sich hier einander vor.“

„Lass nur.“ Hadley legte Liam lächelnd die Hand auf den Arm. „Zu viel stürmt auf ihn ein. Er braucht Zeit, um sich zu sammeln.“

„Ist schon in Ordnung.“ Mit der freien Hand strich Kyle sich über seinen Stoppelschnitt, aber das löste seine Verwirrung auch nicht.

Hadley ist also keine Nanny, sondern Liams Frau. Und Grace?

„Aber ich glaube, das sind erst mal genug Überraschungen. Ich danke euch beiden sehr für das, was ihr getan habt. Aber nun bin ich da, und dies sind meine Mädchen. Ich möchte ihr Vater sein, und zwar in jeder Beziehung. Das bedeutet, ich werde hier in Royal bleiben.“

Bisher hatte er sich darüber noch keine Gedanken gemacht. Aber jetzt wusste er, seine Kinder sollten hier aufwachsen.

„So einfach geht das nicht“, meinte Liam. „Die Mutter ist tot, und du warst nicht hier. Ich habe zwar so etwas wie ein begrenztes Sorgerecht, aber eigentlich hat der Staat Texas die Fürsorgepflicht und eine Sozialarbeiterin für beide eingesetzt. Die musst du erst einmal von deinen Vaterqualitäten überzeugen.“

Kyle nickte. „Ach so, verstehe. Was muss ich tun?“

Daraufhin blickten Liam und Hadley sich vielsagend an, und Liam zog sein Handy aus der Tasche. „Ich rufe die zuständige Sozialarbeiterin an. Es ist übrigens Grace Haines.“

Grace … Das war wie ein Schlag in den Magen. Und diesmal konnte er nicht einfach verschwinden.

Grace Haines hatte den ganzen Tag nicht auf den Kalender gesehen. Sie wollte gar nicht wissen, was für ein Datum war. Doch nach dem Lunch setzte sie sich an den Computer, und da war es nicht zu vermeiden.

Der 12. März. Vor genau drei Jahren hatte sie den Traum aufgegeben, jemals eine glückliche Ehefrau zu werden, und sich vorgenommen, sich ganz auf ihren Beruf zu konzentrieren. Sie würde eine erfolgreiche, zufriedene Frau sein. Anstatt ständig mit wechselnden Männern auszugehen, die zwar ganz nett waren, aber ihren Ansprüchen nicht genügten, hatte sie beschlossen, allein zu bleiben und Karriere zu machen.

Dabei erwartete sie gar nicht besonders viel von einem Mann, nur dass er sie liebte wie ihr Vater ihre Mutter. Ihr hin und wieder Blumen schenkte. Ihr mal eine SMS schickte, um ihr zu sagen, dass er an sie dachte. Irgendetwas, das ihr zeigte, wie wichtig sie ihm war.

Offenbar war es sehr schwierig, einen solchen Mann zu finden. Aber die Entscheidung, nicht mehr zu suchen, sondern lieber allein ins Museum oder Kino zu gehen, war letztlich gar nicht so schwer gewesen. Und manchmal sehr von Vorteil. So brauchte sie sich nicht in irgendeinem Action- oder Science-Fiction-Film zu langweilen, wo die Dialoge in Krach und Gedröhn vollkommen untergingen. Sie konnte an ihren freien Abenden tun, wozu sie Lust hatte.

Genauso wollte sie es. Das zumindest sagte sie sich immer wieder, schon um die leise Stimme zum Schweigen zu bringen, die sich doch hin und wieder meldete: Wenn sie den Männern keine Chance gab, würde sie nie eine Familie haben, nie Kinder …

Und wenn schon. Sie atmete tief durch und wandte sich wieder dem Computer zu. Schließlich lösten sich die Fälle der vernachlässigten Kinder nicht von selbst. Wenn sie schon keine eigenen Kinder haben konnte, wollte sie sich wenigstens mit ganzer Kraft für die anderer Menschen einsetzen.

Das Telefon klingelte, und Grace nahm ab. „Grace Haines.“

„Hallo, Grace, hier ist Liam.“

Das kam so ernst, dass Grace beunruhigt fragte: „Ist alles mit den Mädchen in Ordnung?“ Als Liam nicht gleich antwortete, fuhr sie hastig fort: „Was ist passiert? Geht es Maddie nicht gut? Ich hatte gleich den Eindruck …“

„Keine Sorge, alles okay mit den beiden“, unterbrach er ihren Redeschwall. „Nein, ich rufe wegen Kyle an. Er ist hier.“

Grace erstarrte. „Was? Er ist nach Hause gekommen?“ Kyle … Ihr erster Kuss. Ihre erste Liebe. Der Mann, durch den sie das erste Mal erfahren hatte, wie qualvoll Liebeskummer sein konnte.

Wieso war er hier? Maddie und Maggie hatten keinen richtigen Vater, auch wenn Kyle sie gezeugt hatte, das zumindest hatte sie sich eingeredet. Sonst hätte sie die beiden nie als Pflegefälle übernommen. Erst nachdem Liam sich mit dem Hauptquartier in Verbindung gesetzt und erfahren hatte, dass Kyle in Übersee und nicht herauszubekommen war, wo genau, hatte sie sich dazu bereit erklärt.

„Ja, er ist hier auf der Ranch. Bitte, komm so schnell wie möglich. Wir wissen nicht, wie wir uns jetzt verhalten sollen.“

Das konnte Grace gut verstehen. Liam und Hadley hatten vor, die Mädchen zu adoptieren. Und nun war plötzlich der leibliche Vater aufgetaucht. Ob sie ihn überreden konnte, die Kinder zur Adoption freizugeben? Wenn ihr das nicht gelang, müsste sie offiziell überprüfen, ob Kyle in der Lage war, seinen Vaterpflichten nachzukommen. Sie musste ihm möglicherweise das volle Sorgerecht übertragen, obwohl sie ziemlich sicher war, dass er ein schrecklicher Vater sein würde. Was für eine verfahrene Situation.

Das Beste wäre natürlich, den Fall an jemand anderen abzugeben. Aber so kurzfristig stand wahrscheinlich niemand zur Verfügung. Das Amt war sowieso knapp besetzt. „Ich komme, so schnell ich kann. Danke, Liam. Wir werden schon eine Lösung finden.“

Grace legte auf und ließ sich erschöpft zurücksinken. Sie war vollkommen durcheinander. Aber es half nichts. Irgendwann, und zwar bald, musste sie zur Ranch fahren und würde dem Mann gegenüberstehen, der ihr damals das Herz gebrochen hatte. Danach war er sofort zum Militär gegangen, als sei sie ihm vollkommen egal.

Erst jetzt wurde ihr klar, dass sie damit, besser gesagt, mit ihm, noch längst nicht fertig war.

2. KAPITEL

Grace klopfte an die Haustür. Sie atmete ein paarmal tief durch und nahm die Schultern zurück, um sich gegen das zu wappnen, was gleich auf sie zukam. Schon auf der Fahrt zur Wade-Ranch hatte sie sich ununterbrochen Mut zugesprochen.

Immer wieder hatte sie darüber nachgedacht, wie sie nachweisen könnte, dass Kyle nicht fähig war, Kinder aufzuziehen. Denn es kam nicht nur auf ihren Eindruck an. Sie musste ihren Vorgesetzten beweisen, dass er dazu nicht in der Lage war. Das bedeutete, dass sie ihn genau beobachten und viele Gespräche mit ihm führen musste. Ausgerechnet mit dem Mann, der sie damals fallen gelassen hatte wie eine heiße Kartoffel und schuld daran war, dass sie seitdem keine ernsthafte Beziehung mehr gehabt hatte.

Vielleicht hatte sie Glück, und er war bereit, seine Vaterrechte aufzugeben.

Die Tür ging auf, und Grace stockte der Atem, als sie plötzlich Kyle gegenüberstand. Oh Mann, er sah immer noch so gut aus wie damals, wenn nicht sogar besser. Jetzt war er ein Mann, und die Falten, die sich in sein sonnengebräuntes Gesicht gegraben hatten, machten deutlich, dass er in den letzten zehn Jahren Dinge erlebt hatte, die alles andere als angenehm gewesen waren. Die sehr kurzen Haare standen ihm gut, die grünen Augen hatten allerdings einen harten Glanz bekommen. Das war neu. Auch früher war er schon ziemlich verschlossen gewesen, aber wenn er sie ansah, hatte sie Liebe und Vertrauen in seinem Blick gelesen.

„Hallo, Grace.“

Diese Stimme … Sofort war alles wieder da, so sehr Grace auch versucht hatte, sich dagegen zu wappnen. „Kyle“, gab sie aus lauter Verwirrung etwas zu scharf zurück. „Ich bin froh, dass du dich endlich zu deinen Kindern bekannt hast.“

Sein Interesse würde hoffentlich nicht lange anhalten. Ganz sicher wurde er bald zum nächsten Einsatz abberufen oder meldete sich freiwillig. Denn er liebte das Abenteuer mehr als alles andere, das hatte sie selbst erfahren. Hier allerdings ging es nicht um sie, sondern um die beiden kleinen Mädchen. Und es war ihre Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sie in gute Hände kamen.

„Ja.“ Er lächelte kurz. „Und ich hoffe, dass du ohne allzu viele Umstände dafür sorgen kannst, dass ich das alleinige Sorgerecht bekomme.“

Was? Meinte er das ernst? Kyle Wade als Vater? Väter waren liebevoll, fürsorglich und selbstlos. Sie wurden nicht plötzlich kalt und abweisend und vergaßen, was sie versprochen hatten.

„Nun, das geht nicht so von heute auf morgen“, sagte Grace ruhig. „Erst muss ich mich davon überzeugen, dass du für die Kinder die Umgebung schaffen kannst, in der sie sicher aufwachsen können. Sie brauchen Liebe und Schutz, und es ist meine Aufgabe, ein solches Zuhause für sie zu finden. Kannst du ihnen das bieten? Da bin ich eher skeptisch.“

Kyle zog die dunklen Brauen zusammen. „Es sind meine Kinder. Ich werde für sie sorgen.“

Er machte Schwierigkeiten, das hatte sie befürchtet. „Vorläufig sind es noch meine, das heißt, ich bin für sie zuständig. Da du unauffindbar warst, hat der Staat erst einmal das Sorgerecht für die beiden übernommen. So läuft das bei Babys, deren Eltern nicht aufzuspüren sind!“

Er musste schlucken, das sah sie ihm an. Vielleicht war das hart, aber es war die Wahrheit. Auch wenn bei ihr eine gewisse Verbitterung darüber mitschwang, was er ihr damals angetan hatte. Egal, sie musste die Zwillinge schützen, um jeden Preis.

„Das waren unglückliche Umstände. Liams Nachrichten haben mich nicht erreicht. Sonst wäre ich so schnell wie möglich gekommen. Aber das ist jetzt nicht mehr wichtig. Du kannst mich gern überprüfen, ich habe keine Angst vor deinen Besuchen. Und sag mir, was ich tun soll.“

„Okay.“

Sie folgte ihm in das offizielle Besuchszimmer, das renoviert worden war und in seinem ursprünglichen Glanz erstrahlte. Die alten viktorianischen Möbel waren aufgearbeitet worden, und ein kräftiger Mann wie Kyle wirkte beinahe lächerlich auf dem eleganten Stuhl mit den geschwungenen Stuhlbeinen.

Kyle sah größer und schwerer aus als früher, schien aber ganz aus Muskeln zu bestehen. Er ging langsam und beinahe etwas schleppend, eben wie ein Cowboy, der vollkommen mit sich im Reinen ist.

Grace setzte sich ihm gegenüber, war aber so nervös, dass sie auf die Stuhlkante vorrutschte. „Wir müssen erst einmal ein paar Formulare ausfüllen. Wie sind deine Pläne in Bezug auf einen Job?“

Fragend hob er eine Augenbraue. „Wieso? Ist es nicht ausreichend, Mitbesitzer der Wade-Ranch zu sein?“

Sie sah auf ihre Unterlagen, im Wesentlichen um seinem forschenden Blick zu entgehen. Ihr Herz schlug schneller, und ihr war klar, dass sie keineswegs gegen ihn immun war. „Nein, das reicht nicht. Ein ererbtes Vermögen hat nichts mit guten Vaterqualitäten zu tun. Ich brauche einen Beweis dafür, dass du deine Vaterpflichten ernst nimmst und für Maggie und Maddie dauerhaft ein stabiles Lebensumfeld schaffen kannst.“

„Dann ist es also nicht genug, dass ich den beiden alles kaufen kann, was sie wollen und brauchen?“ Das war keine Frage, sondern eine Provokation.

War er wirklich so naiv? Grace unterdrückte einen gequälten Seufzer und sah hoch. „Nein. Auch Liam und Hadley können das tun und haben es in den letzten zwei Monaten getan. Ist dir klar, dass Maddie eine Spezialbehandlung braucht und regelmäßig zum Arzt muss? Bist du bereit, dich darum zu kümmern?“

Kyle sah sie erschrocken an, und sofort fühlte sie mit ihm. Das sollte sie schleunigst ändern, aber so war nun mal ihre Natur. Sie wollte helfen. Vor allem jemandem, den sie früher geliebt hatte. Aber damit musste Schluss sein. Hier war nur Raum für nüchterne und gezielte Fragen.

Seine grünen Augen blickten weich. „Spezialbehandlung? Regelmäßige Arztbesuche? Was hat Maddie denn?“

„Maddie leidet am Transfusionssyndrom, das manchmal bei eineiigen Zwillingen vorkommt. Dabei wurde der eine Fetus besser mit Blut versorgt als der andere. Deshalb hat sie eine Herzinsuffizienz, die behandelt werden muss.“

„Das wusste ich nicht.“

Das klang so emotionslos, dass in Grace leise Wut hochstieg. Die Zwillinge hatten nach dem Tod ihrer Mutter um ihr Leben kämpfen müssen. Und wo war er gewesen? Der Vater? „Warum bist du eigentlich ausgerechnet jetzt nach Hause gekommen und nicht zwei Monate früher, als Margaret Garner nach dir suchte? Oder vielleicht noch früher, als sie herausfand, dass sie schwanger war?“

Autor

Kat Cantrell
<p><em>USA Today</em>-Bestsellerautorin Kat Cantrell las ihren ersten Harlequin-Roman in der dritten Klasse und füllt ihre Notizbücher, seit sie Schreiben gelernt hat. Sie ist Gewinnerin des <em>So you think you can write</em>-Wettbewerbs und <em>Golden Heart</em>-Finalistin der <em>Romantic Writers Association</em>. Kat, ihr Mann und ihre beiden Jungen leben in Nordtexas.</p>
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