Tiffany Extra Hot & Sexy Band 67

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SINNLICH HEIßE BACKSTAGE-KÜSSE von TAYLOR, BRYONY
Sie soll für Lee Jarvis arbeiten? Liz ist entsetzt! Denn der heiße Ex-Popstar war nicht nur ihr Schwarm, sondern auch ihr Lover … bis er sie verlassen hat. Diesmal wird sie seinen Sex-Appeal ignorieren, das schwört sie sich! Doch dann macht Lee ihr ein schamloses Angebot …

DIE GEFAHR, DICH ZU LIEBEN … von CHILDS, LISA
Alarmstufe rot! Für Feuerwehr Superintendent Braden steht fest: An Frauen verbrennt er sich nie wieder die Finger. Doch als sexy Ermittlerin Sam in seinem Distrikt einen Brandstifter jagt, entsteht aus dem heißen Knistern zwischen ihnen plötzlich ein Inferno der Leidenschaft …

GROßSTADTNÄCHTE, LIEBESTRÄUME von LEIGH, JO
Für Luca Paladino ist seine neue Untermieterin April die heißeste Frau in ganz New York. Ihre aufregend süßen Küsse lassen ihn nicht nur vor Verlangen vergehen, er verliebt sich auch in sie. Aber als er den sexy Wirbelwind halten will, begeht er einen verhängnisvollen Fehler …

IM ZEICHEN DER SCHWARZEN VENUS von VAN METER, KIMBERLY
Pilot Teagan will mit ihr flirten? Für solche Spielchen hat die schöne Harper keine Zeit! Schließlich ist sie auf dem Luxus-Liner, um sich einen Millionär zu angeln und keinen Mr. Sexy ohne Geld! Warum nur zittern dann ihre Knie, als Teagan sie heißblütig in seine Kabine zieht?


  • Erscheinungstag 11.07.2017
  • Bandnummer 0067
  • ISBN / Artikelnummer 9783733752682
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Bryony Taylor, Lisa Childs, Jo Leigh, Kimberly Van Meter

TIFFANY EXTRA HOT & SEXY BAND 67

BRYONY TAYLOR

Sinnlich heiße Backstage-Küsse

Schöne Frauen, die kann Ex-Popstar Lee Jarvis immer haben. Doch der Charme seiner Assistentin Liz weckt in ihm das gleiche Begehren wie damals – bis er entdeckt, was für ein Spiel sie wirklich treibt …

LISA CHILDS

Die Gefahr, dich zu lieben …

Gefährlich! Um das Leben des umwerfenden Feuerwehrchefs Braden zu schützen, muss Sam sich selbst in Gefahr bringen. Aber für seine brennend heißen Küsse riskiert sie noch viel mehr …

JO LEIGH

Großstadtnächte, Liebesträume

Barfuß und in sexy Jeans wirkt Aprils Vermieter sündhaft heiß. Luca hilft ihr in der Not, weil sie ohne Geld in New York gestrandet ist. Aber nur deshalb? Und warum küsst er sie so unfassbar zärtlich?

KIMBERLY VAN METER

Im Zeichen der schwarzen Venus

Die blauen Augen der schönen Harper bringen Teagan um den Verstand – selbst als er fühlt, dass die schwarzhaarige Schönheit berechnend ist. Wie kann er sie nur fühlen lassen, dass Liebe heißer ist als Geld?

PROLOG

Alice schluckte hart, als Tyler auf sie zutrat – sehr viel dichter, als er es je zuvor getan hatte. Ihr Gesicht war auf einer Höhe mit seinem Schlüsselbein, das durch den tiefen V-Ausschnitt seines eng anliegenden Shirts hervorblitzte. Der Anblick raubte ihr schier den Atem.

Der Bleistift fährt kratzend über das Papier. Aus raschen, routinierten Linien entstehen die Umrisse eines Mannes. Er trägt enge, tief auf den Hüften sitzende schwarze Jeans und ein T-Shirt mit Guns N’ Roses-Tourneeprint. Rechts neben dem Mann – eine Sprechblase: „Ich hab dich vorhin am Bühnenrand stehen sehen.“

Der tiefe, volltönende Klang von Tylers Stimme ließ ihr einen heißen Schauer den Rücken hinunterrieseln.

Ihr Herz hämmerte wie verrückt.

Er trug noch immer dasselbe Outfit, das er zuletzt mit der Band auf der Bühne getragen hatte. Und der Geruch, der davon ausging – eine Mischung aus frischem Schweiß, Moschus und Sandelholz – machte sie ganz schwindelig.

„Hat dir die Show gefallen?“

Alice nickte. Die Zunge klebte ihr am Gaumen. Doch auch so wäre sie wohl kaum in der Lage gewesen, auch nur einen einzigen zusammenhängenden Satz hervorzubringen. Ihr Gehirn schien seine Arbeit auf halbe Leistung heruntergefahren zu haben – vermutlich, um zu verhindern, dass ihr die Leitungen aufgrund von Überlastung gänzlich durchbrannten.

Sie zwang sich, den Blick von Tylers perfektem rechtem Schlüsselbein zu lösen, und schaute auf.

Ein verhängnisvoller Fehler.

Unter Aufbringung ihrer ganzen Willenskraft gelang es ihr, ein Stöhnen zu unterdrücken. Großer Gott, Tyler war ihr so nah! Seit Jahren träumte sie schon von diesem Augenblick. Wie oft hatte sie nachts in ihrem Bett gelegen und darüber fantasiert, wie es wohl sein mochte. Mit ihm. Doch die Hoffnung, dass sich dieser Traum eines Tages tatsächlich erfüllen würde, hatte sie schon lange aufgegeben.

Sie kniff die Augen fest zusammen und öffnete sie wieder. Aber nein. Er war immer noch da. Und als sie nun zu ihm aufschaute und ihre Blicke sich trafen, atmete sie scharf ein.

In seinen graublauen Augen loderte ein Feuer, das sie zu verzehren drohte. So hatte sie noch nie ein Mann angesehen. Und dass es ausgerechnet dieser Mann nun tat … Tyler Kimble, dessen Tausend-Watt-Lächeln einem von den Covern sämtlicher Musikzeitschriften entgegenstrahlte und der mit seiner Stimme und seinen sexy Tanz-Moves allen Frauen zwischen sechzehn und sechzig den Verstand raubte. Wow! Einfach nur wow!

Das nächste Panel zeigt ihn, wie er die Arme im Nacken verschränkt. Die Bewegung hat den Saum seines Shirts ein Stück nach oben rutschen lassen, sodass ein schmales Stück seines flachen Bauchs hervorblitzt. Einen Moment lang verharrt die Stiftspitze über dem Papier, ehe sie sich wieder herabsenkt. Es folgt ein schmaler Streifen Haare, der in gerader Linie vom Nabel hinunterführt, bis er im Bund der schwarzen Skinnyjeans verschwindet.

„Weißt du …“ Als er wieder zu sprechen begann, musste sie blinzeln, um sich in die Gegenwart zurückzuholen. „Ich beobachte dich schon eine ganze Weile …“

„Ja?“

„Allerdings. Ich beobachte dich, wie du mich beobachtest.“

Ihre Wangen brannten, doch sie merkte es kaum, denn ihr ganzer Körper stand in Flammen. „Ich …“

Er legte ihr einen Finger auf die Lippen, ehe sie weitersprechen konnte. „Schhh. Das muss dir nicht peinlich sein, Alice. Es hat mir gefallen. Sehr sogar.“

Die Seite im Skizzenblock wird umgeschlagen und ein jungfräuliches, neues Blatt kommt zum Vorschein, das jedoch schnell gefüllt wird. Oben links erscheint er, wie er ihr tief in die Augen blickt. Sein Zeigefinger liegt auf ihren Lippen. Obwohl es sich nur um eine recht grobe Skizze handelt, wirkt sie wie paralysiert. Im folgenden Panel hat sie dann den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen, während er sie küsst.

In ihrem Kopf drehte sich alles. Tausende von Gedanken flogen umher, doch sie bekam keinen davon zu packen. Keinen, außer einen einzigen: Lieber Gott, wenn das hier ein Traum ist, dann bitte mach, dass ich nicht mittendrin aufwache!

Ihr Körper schien einen vollkommen eigenen Willen entwickelt zu haben. Wie von selbst schlangen ihre Arme sich um seinen Nacken, vergruben ihre Finger sich in seinem schweißnassen dunklen Haar.

Sie war zweiundzwanzig Jahre alt, und abgesehen von Richard Simmons in der siebten Klasse, der wenig begeistert gewesen war, als das Schicksal beim Flaschendrehen ausgerechnet sie zu seiner Partnerin machte, hatte kein Mann sie je geküsst.

Doch das, was Tyler mit ihr anstellte, ließ sich nicht als einfacher Kuss bezeichnen. Er riss ihr förmlich den Boden unter den Füßen weg.

Zuerst war es nur sein Mund, der sich mit sanftem, aber bestimmtem Druck auf ihren presste. Doch schon bald spürte sie seine Zunge, die zwischen ihre Lippen drängte.

Mit einem leisen Seufzen gewährte sie ihr Einlass. Das Gefühl, als ihre Zungenspitzen aufeinandertrafen, war unglaublich. Alice bebte am ganzen Körper, als winzige Wellen aus Elektrizität durch ihre Adern rasten und ihre Nervenenden Funken sprühten.

Seine Hände legten sich auf ihre Hüften, und er zog sie noch näher zu sich heran. Ein heiseres Stöhnen entfuhr ihr, als sie seine Erektion spürte, die sich hart und eindringlich gegen ihren Oberschenkel drückte.

Ihr zitterten die Knie. Sie musste sich an Tylers breiten Schultern festhalten, um nicht zu Boden zu sinken. Dass er ein fantastischer Sänger und Tänzer war, hatte sie bereits gewusst. Sonst wäre die Band wohl kaum so ein großer Erfolg geworden. Aber er konnte auch verdammt gut küssen. Etwas, von dem, wie sie inständig hoffte, all seine weiblichen Groupies nicht aus Erfahrung sprechen konnten.

Sie konnte sich nicht erinnern, in ihrem ganzen Leben je so angeturnt gewesen zu sein. Ihre Brüste – eigentlich eher klein und zierlich wie der Rest von ihr – fühlten sich schwer und unglaublich empfindsam an. Und sie spürte deutlich, wie ihr Höschen, das sie unter ihren schwarzen Leggins trug, langsam feucht wurde.

Die Zeichnung zeigt Alice mit Blick auf die unverschlossene Tür. Ihre Miene drückt Unsicherheit aus. Neben ihr eine Sprechblase mit den Worten: „Tyler … Was ist, wenn jemand reinkommt?“

Die Ansicht wechselt zu Tyler. Er wirkt selbstsicher. „Es wird niemand kommen. Alle wissen, dass ich nach einem Auftritt allein gelassen werden will, um in Ruhe runterkommen zu können.“

Seine Hände liegen an ihren Schenkeln – im nächsten Panel hat er sie hochgehoben, und sie die Beine um seine Taille geschlungen. Immer schneller und schneller fährt der Stift über das Papier. „Aber wenn du dich dann besser fühlst …“

Er durchquerte den Raum mit ihr in seinen Armen so mühelos, als wäre sie so leicht wie eine Feder. Er presste sie gegen die Wand neben der Tür, während er mit einer Hand nach dem Schloss tastete.

Eine zufallende Tür – daneben ein kleiner Soundeffekt. Klick!

Das folgende Panel: Tyler, wie er Alice leidenschaftlich küsst.

Das Pochen zwischen ihren Schenkeln machte sie fast verrückt vor Verlangen. Durch den Stoff ihrer Leggins spürte sie die deutliche Beule in seinem Schritt. Ihre Hüften bewegten sich wie automatisch, versuchten verzweifelt, den Druck an die Stelle zu lenken, an der sie ihn so dringend brauchte.

Ihre Lippen lösten sich von seinen, ihr Rücken bog sich zu einem Hohlkreuz, und ihre Augen weiteten sich, als sie ihn endlich dort spürte. Ein kehliges Keuchen entfuhr ihr, während sie Tyler wie über das laute Tosen des Bluts in ihren Ohren Fluchen hörte.

Tyler, wie er Alice in seinen Armen hält, entsteht auf dem Papier. Eine leichte Schraffur deutet gerötete Wangen an. Helle Lichtreflektionen in den Pupillen erschaffen die Illusion von strahlenden Augen. Neben ihm eine Sprechblase: „Verdammt, Alice!“, steht dort. „Wenn du so weitermachst, explodiere ich in meinen Hosen wie ein gottverdammter Teenager! Und das will ich nicht. Ich will in dir sein, wenn ich komme …“

Sie zappelte in seinen Armen, bis er die Botschaft verstand und sie zu Boden sinken ließ. Er musterte sie irritiert, fast ein bisschen besorgt. Doch als Alice sich sofort des Tour-Shirts entledigte, dessen neongelber Rückenaufdruck sie als Mitglied der Crew auswies, verstand er.

Mit beiden Händen griff er nach dem Saum seines Shirts und zog es sich mit einer hastig und gleichzeitig geschmeidig wirkenden Bewegung über den Kopf. Alices Herz stockte für einen winzigen Moment, nur um dann mit doppelter Geschwindigkeit weiterzuhämmern.

Sie hatte Tyler noch nie mit nacktem Oberkörper gesehen, aber oft genug davon geträumt. Nun konnte sie mit absoluter Sicherheit sagen, dass die Realität jede Fantasie übertraf.

Er besaß eine schmale Taille und ein Sixpack, für das so mancher Mann gemordet hätte. Seine Brust wirkte wie das Werk eines griechischen Bildhauers – jede Rippe, jeder Knochen, jeder Quadratzentimeter Haut war einfach nur perfekt. Kein Wunder, dass sich Frauen auf der ganzen Welt nach ihm verzehrten. Doch er schien entschlossen, ausgerechnet mit ihr zusammen sein zu wollen. Warum, konnte sie sich beim besten Willen nicht erklären.

Doch jetzt war nicht der Augenblick, um darüber nachzudenken.

In ihrem Kopf drehte sich alles. Sie fühlte sich seltsam leicht, so als würde sie schweben. Gleichzeitig waren ihre Glieder schwer wie Blei, und ihre Arme hingen nutzlos an ihren Seiten herunter.

Nahaufnahme Tyler. Er lächelt verschmitzt, ein wenig herausfordernd. Neben seinem Kopf eine weitere Sprechblase. „… mich berühren, oder reicht es dir, mich anzustarren?“

Wechsel zu Alice. Sie blinzelt. Errötet. Neben ihr zwei Buchstaben auf dem hellen Hintergrund: „Oh …“

Eine weitere Sprechblase. „Ich wollte nicht … Ich …“

Eine neue Seite wird aufgeschlagen. Das erste Panel zeigt Tyler, wie er Alice eine Haarsträhne aus dem Gesicht streicht. Abwechselnd entstehen folgende Sprechblasen. Er: „Hilft es dir, wenn ich dir verrate, dass ich ebenso nervös bin wie du?“ Sie: „Du? Nervös?“ Er: „Allerdings. Ich mag dich, Alice. Ich mag dich wirklich sehr, und das setzt mich ganz schön unter Druck. Ich …“

Dieses Mal war sie es, die ihn zuerst küsste. Dabei versuchte sie, ihre Leggins abzustreifen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Dann ging sie auf die Knie, sodass ihr Gesicht genau auf Höhe von Tylers Unterleib war, und öffnete mit bebenden Fingern den obersten Knopf seiner Hose. Sie hörte ihn heiser aufstöhnen, als ihre Hand dabei wie versehentlich über die Beule in seinem Schritt strich.

Ein Gefühl unglaublicher Macht durchfuhr sie wie ein Blitzschlag. Sie wollte mehr hören, wollte, dass Tyler ihren Namen flüsterte und …

Seine Finger gruben sich in ihr Haar. Sie spürte, wie sein ganzer Körper vor mühsam in Zaum gehaltener Erregung bebte. Es konnte kein Zweifel daran bestehen, was er am liebsten tun wollte. Doch er hielt sich zurück, wenn es ihm auch offensichtlich schwerfiel.

Ultra-Nahaufnahme: Alices Finger unter dem Bund von Tylers Jeans, die Hose bereits auf halbem Weg zu seinen Knien, während sie vor ihm kniet und die Konturen seiner Erektion durch die eng anliegenden schwarzen Shorts mit den Lippen liebkost.

Dem Laut nach zu urteilen, den der dabei ausstieß, hatte sie etwas richtig gemacht. Sie schaute nach oben, und ihre Blicke trafen aufeinander. In seinen Augen brannte ein Feuer, das ihr gleichzeitig Angst einjagte und sie erregte. Davon angespornt, zog sie nun auch die Shorts ein Stück nach unten und umschloss die harte Eichel mit ihren Lippen.

Tylers Gesicht, vor Lust verzerrt. „Aaaah! Oh Gott, Alice!“

Das nächste Panel: Er umfasst ihre Schultern, hat sie zu sich hochgezogen, um ihren Mund mit seiner Zunge zu erobern. „Ich halte es keine Sekunde länger aus! Ich will dich! Jetzt!“

Seine Hand, wie er alles, was auf seinem Garderobentisch steht, beiseitefegt.

Dann: Sie vor ihm mit dem Po auf der Tischplatte, er zwischen ihren Beinen. Ihr Blick fällt in den Spiegel, der sie beide zeigt. Ihre Augen blitzen vor Erregung.

Ein besonders großes Panel, das über die Hälfte der gesamten Seite geht: Sie liegt jetzt auf dem Tisch, er nimmt sie. Seufzer und Stöhnen als kleine Soundeffekte rings um sie herum.

Noch immer starrte sie ihre Reflexion an. Es war, als würde sie etwas Verbotenes tun. Und als ihre Augen im Spiegel seine fanden, nahm er sie so fest, dass ihre Hüftknochen aufeinandertrafen und eine Welle der Ekstase ihren ganzen Körper schüttelte.

Der pulsierende Ball aus Feuer, der in ihrem Schoß immer weiter herangewachsen war, entlud sich in einem atemraubenden Orgasmus, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt hatte. Und während sie noch bebte, hörte sie Tyler ihren Namen stöhnen, ehe er völlig erschöpft auf sie niedersank und …

1. KAPITEL

„Verdammt, das ist doch gequirlte Kacke!“

Wütend und frustriert riss Elisabeth ‚Liz‘ Hunnicut die Seiten mit dem Rohentwurf, an dem sie fast den gesamten Flug über gearbeitet hatte, aus dem Skizzenblock, knüllte sie zusammen und warf sie in die Ecke. Sie konnte froh sein, dass der Verlag eine Reise in der ersten Klasse hatte springen lassen. Ansonsten hätte ihr kleiner Ausbruch wohl größeres Aufsehen erregt.

So kam lediglich die Stewardess zu ihr an den Platz und erkundigte sich höflich, ob sie etwas für sie tun könne. Doch bei dem, was sie im Moment am dringendsten brauchte, konnte Liz niemand helfen. Das musste sie irgendwie allein hinkriegen.

Fragte sich nur wie.

Ihr Versuch, in allerletzter Sekunde noch etwas zu reißen, war jedenfalls gründlich in die Hose gegangen. Mit dem Gekritzel, das sie zu Papier gebracht hatte, würde sie jedenfalls weder Eugene, ihren Agenten, noch ihre Lektorin Rachel überzeugen. Und wenn sie ehrlich war, konnte sie das nur zu gut verstehen. Aber es war einfach wie verhext! Die beiden Hauptfiguren ihres Comics Fangirl – Alice und Tyler –, deren Abenteuer ihr im ersten Band so leicht aus der Feder geflossen waren, verweigerten ihr den Gehorsam. Und je mehr sie versuchte, die Geschichte herbeizuzwingen, umso schwieriger wurde es.

Sie war vollkommen blockiert. Seit mehr als anderthalb Jahren versuchte sie nun schon, etwas Annehmbares zu Papier zu bringen. Erfolglos. Nichts funktionierte so, wie sie es sich vorstellte. Der Plot kam einfach nicht voran – und immer wieder stockte sie bei dieser einen, ersten Liebesszene.

Aber es war ja nicht so, als wüsste sie nicht, woran das lag.

Seufzend fuhr sie sich durchs Haar. Abgesehen von Eugene und ihrer besten Freundin Jennifer wusste so gut wie niemand, dass Fangirl, die Geschichte von Alice, die es schafft, in den Dunstkreis ihres großen Idols Tyler einzudringen, keine Erfindung war.

Es war Liz’ eigene Geschichte.

Nun, genau genommen ihre und die von Lee Jarvis, dem Sänger der mittlerweile nicht mehr bestehenden Boyband Revolution. Während die meisten ihrer Freundinnen nach dem Schulabschluss angefangen hatten, zu studieren oder zu arbeiten, war Liz mit dem Erbe ihrer verstorbenen Großmutter durchgebrannt, um ihrer Lieblingsmusikgruppe nachzureisen.

Sie war bei jedem Konzert von Revolution gewesen, hatte nach dem Auftritt am Bühneneingang herumgelungert, stets in der Hoffnung, vielleicht einen Blick auf eines der Bandmitglieder zu erhaschen – in den meisten Fällen ohne Erfolg. Und dann erfuhr sie durch einen Zufall, dass das Management nach einer persönlichen Assistentin mit PR-Erfahrung suchte, und ergriff sofort die Gelegenheit. Für den Lebenslauf übernahm sie kurzerhand die Daten ihrer Freundin Jennifer, die im Gegensatz zu Liz im Bereich Public Relations gearbeitet hatte. Und da sie sich eine gemeinsame Daten-Cloud im Internet teilten, war es auch nicht schwer gewesen, an ihre Zeugnisse heranzukommen und sie mit Photoshop zu manipulieren.

Das Wunder geschah: Liz bekam die Stelle und fing kurz nach ihrem zweiundzwanzigsten Geburtstag an, für ihre Lieblingsband zu arbeiten. Doch rückblickend konnte Liz nicht behaupten, dass es ihr großes Glück gebracht hätte.

Eher im Gegenteil.

Das Flugzeug setzte zur Landung an, und Liz schloss resignierend die Augen. Sie hatte den ersten Teil ihres Comics verfasst, bevor … egal. Jedenfalls kämpfte sie nun schon seit einer kleinen Ewigkeit mit Band zwei. Einen Vertrag und einen beachtlichen Vorschuss hatte sie bereits bekommen, als sich abzeichnete, wie gut Fangirl beim Publikum ankam. Von dem Geld war inzwischen kaum noch etwas übrig – wirklich etwas dafür geleistet hatte sie bisher nicht. Zumindest, wenn man schlaflose Nächte und zahllose frustrierende Stunden am Zeichentisch nicht mitzählte.

Sie hatte ihre Muse verloren. Nein, mehr als das. Ihre Träume. Ihr Selbstbewusstsein.

Ihr Herz.

Mit einem Ruck kam die Maschine auf der Landebahn auf. Der Himmel draußen vor dem Fenster wirkte grau und deprimierend, passend zu ihrer Stimmung.

„… im Namen der Crew herzlich in London willkommen. Wir würden uns freuen, Sie demnächst wieder bei uns an Bord begrüßen zu dürfen.“

Sie nahm ihr Handy aus ihrer Hello-Kitty-Umhängetasche, die so etwas wie ein Talisman war. Oder vielleicht eher eine Erinnerung. Ein Andenken an die beste Zeit ihres Lebens. So hoch war sie geflogen, über den Wolken, der Sonne so nah – doch das hatte ihren Sturz nur umso tiefer gemacht.

Liz gehörte zu den ersten Passagieren, die das Flugzeug verließen. Sie folgte den Hinweisschildern zum Gepäckband und wartete dort auf ihren knallpinken Trolley. Während sie danach Ausschau hielt, wählte sie die Nummer von Eugene – zum einen, um ihn zu informieren, dass sie wohlbehalten angekommen war. Zum anderen aber, weil sie dringend seinen mentalen Beistand benötigte.

„Lizzy?“, erklang die etwas gehetzte Stimme ihres Agenten nach dem dritten Klingeln. „Alles in Ordnung bei dir? Bist du gerade gelandet?“

„Vor knapp einer halben Stunde“, erwiderte sie nach einem kurzen Blick auf ihre Armbanduhr. „Bist du gerade irgendwie im Stress?“

„Ach, halb so wild. Ich habe übrigens eben mit der Plattenfirma telefoniert. Jemand aus dem Dunstkreis der Band wird zum Flughafen kommen, um dich abzuholen.“

Liz startete einen allerletzten verzweifelten Versuch, Eugene zu überzeugen. „Hör mal, ist das wirklich notwendig? Ich könnte meine Zeit sicher besser vor dem Zeichentisch nutzen, als irgendwelchen verwöhnten Bengeln den Hintern abzuwischen.“

Ihr Agent räusperte sich. „Und ich glaube mich zu erinnern, dass du genau diesen Job früher ganz gern gemacht hast“, entgegnete er wenig taktvoll. „Nun finde dich endlich damit ab, Lizzy. Der Verlag hält es für eine gute Idee, wenn du wieder ein bisschen Backstageluft schnuppern kannst. Und ich bin ehrlich gesagt derselben Meinung.“

„Aber …“

„Kein Aber“, fiel er ihr ins Wort. „Es war gar nicht so leicht, dich bei 5EVA unterzubringen, Lizzy. Die Band ist der aufgehende Stern am Pophimmel, und der Produzent soll ein echtes Genie sein, auch wenn er sich bezüglich seiner Identität bedeckt hält. Du könntest doch einfach versuchen, so viel wie möglich von dieser Erfahrung mitzunehmen und es für den zweiten Band deines Comics nutzen.“

„Du weißt genau, dass das nicht so einfach ist“, entgegnete Liz leise.

Ihr Agent seufzte. „Wenn du meine Meinung hören willst: Du musst endlich versuchen, dir den Typen aus dem Kopf zu schlagen. Das ist damals alles nicht besonders gut gelaufen zwischen euch, zugegeben. Und dein Verhalten war auch sicher nicht astrein. Aber das ist jetzt zwei Jahre her. Revolution hat sich zwischenzeitlich aufgelöst, und kein Hahn kräht mehr nach einem mittelmäßigen Sänger namens Lee Jarvis.“

„Er ist nicht mittelmäßig“, protestierte Liz ganz automatisch, nur um sich im nächsten Moment stöhnend mit dem Handrücken über die Augen zu fahren. „Nicht, dass mich das interessieren würde …“

Aber natürlich interessierte es sie. Und es machte sie vollkommen verrückt, dass Lee sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückgezogen zu haben schien. Aber fest stand, dass er sich, seit ihr kleiner Identitätsschwindel damals aufgeflogen war, nicht ein einziges Mal bei ihr gemeldet hatte. Dabei waren sie einander so nah gewesen.

So nah wie Alice und Tyler …

Natürlich wusste sie genau, warum sie es einfach nicht schaffte, ihren Charakteren für den zweiten Band ihres Comics Leben einzuhauchen. Es lag schlicht und ergreifend daran, dass sich für die beiden Menschen, die die Vorbilder für ihre Figuren gewesen waren, alles völlig anders entwickelt hatte als gewünscht.

Liz hatte gehofft, dass sie einfach nur Zeit brauchte, um sich an die neuen Gegebenheiten zu gewöhnen. Doch inzwischen waren anderthalb Jahre vergangen, und nichts – rein gar nichts – hatte sich verändert. Sie war noch immer nicht in der Lage, auch nur einen vernünftigen Entwurf zu Papier zu bringen – geschweige denn ein richtiges Script zu verfassen.

„Glaub mir, Liebes, du brauchst das jetzt einfach. Versuch, den Kopf frei zu bekommen, und mach das Beste aus der Situation. Ich weiß, du bist nicht gerade begeistert darüber, dass du die nächsten acht Wochen mit der Band auf Tour gehen sollst. Aber du hast dich wirklich lange genug in deinem stillen Kämmerlein verkrochen. Es mag abgedroschen klingen, aber wenn man vom Pferd fällt, sollte man wirklich so bald wie möglich wieder aufsteigen.“

Vom Pferd fallen? Um ein Haar hätte Liz laut aufgelacht. Wäre es doch nur so gewesen!

Genau in dem Moment holperte ihr Trolley, der sich deutlich von allen anderen abhob, über das Band. „Ich ruf dich nachher zurück, Eugene“, sagte sie und beendete hastig das Gespräch, damit sie ihren Koffer noch erwischte, ehe er wieder in den Eingeweiden des Flughafens verschwand.

Sie steckte ihr Handy in die Hosentasche und zog den Trolley in Richtung Ausgang hinter sich her. Was hatte Eugene gesagt? Jemand von der Band würde sie abholen?

Ein Praktikum als persönliche Assistentin bei einer angesagten Boyband … Nicht wenige Frauen und Mädchen jedes Alters würden für eine solche Chance vermutlich einen Mord begehen. Sie sollte wirklich versuchen, die Sache positiv zu sehen. Und vielleicht hatte Eugene ja recht, und es würde gar nicht so schlimm werden …

Sie trat durch die Zollabfertigung, vorbei an einem Shop in die Empfangshalle hinaus und bemerkte beinahe sofort ein Schild, auf dem in fetten Lettern der Name ihres Verlags stand.

Doch das war es nicht, was ihre Aufmerksamkeit fesselte. Stattdessen starrte sie den Mann an, der das Schild in den Händen hielt. Seine graublauen Augen wurden hart, als er sie bemerkte, und seine gesamte Haltung wurde stocksteif.

Nein, dachte Liz entsetzt. Das kann nicht sein. Nicht er!

Doch es konnte kein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei dem Mann, der geschickt worden war, sie abzuholen, um niemand anderen handelte als ihn …

„Lee Jarvis“, stieß sie heiser hervor und fühlte, wie ihre Knie weich wurden.

Nein, Eugene hatte sich getäuscht. Es würde schlimm werden.

Sehr schlimm sogar.

„Das ist hoffentlich ein gottverdammter Scherz!“, stieß Lee fassungslos hervor, während er aus weit aufgerissenen Augen die Frau anstarrte, die ihn nun auch entdeckt hatte.

Liz Hunnicut …

Ihre Miene wechselte innerhalb von Sekunden von Überraschung zu Entsetzen und schließlich zu Panik. Nun, er konnte diese Reaktion nur zu gut nachvollziehen. Seine Finger hielten das Pappschild, auf dem der Name des Verlags stand, den der Boss des Plattenlabels ihm genannt hatte, so fest umklammert, dass er es zu zerreißen drohte.

Er trat auf sie zu. Sie hatte sich in den vergangenen anderthalb Jahren kaum verändert. Ihr Haar war ein bisschen länger geworden und reichte ihr jetzt bis über den halben Rücken. Sie schien einen Hauch mehr Make-up zu tragen, davon abgesehen sah sie noch genauso aus wie damals. Teufel auch, sie hatte sogar das verdammte verwaschene Nirvana-Bandshirt an, in dem sie ständig herumgelaufen war. Der einzige Unterschied war, dass sie statt der üblichen schwarzen Leggins eng anliegende Bluejeans trug.

Nervös fuhr sie sich mit einer Hand durchs Haar – ein Tick, an den er sich nur allzu gut erinnerte. Ebenso wie an viele andere Dinge, die er am liebsten vergessen wollte, aber einfach nicht konnte.

„Was, zum Teufel, willst du hier?“, fuhr er sie an. „Bitte sag mir, dass du nicht die Praktikantin bist, die mir die Plattenfirma aufs Auge gedrückt hat!“

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. Dabei fiel ihm ihre Handtasche auf, und für den Bruchteil einer Sekunde sah er wortwörtlich rot.

Er hatte sie ihr geschenkt. Oder vielmehr der Frau, für die er sie gehalten hatte. Doch Liz Hunnicut war nur eine Hochstaplerin und Lügnerin. Alles, was sie gesagt oder getan hatte, war reine Berechnung gewesen. Er war ihr einmal auf den Leim gegangen, und er gedachte nicht, diesen Fehler zu wiederholen.

„Glaub mir, ich habe es mir nicht so ausgesucht. Und hätte ich gewusst, dass du hier sein würdest …“

„Ja, das kann ich mir vorstellen. Meine Anwesenheit muss dir ganz schön gegen den Strich gehen. Immerhin weiß ich, was für ein Mensch du bist. Und du kannst dich darauf verlassen, dass ich die Jungs vor dir warnen werde.“

Sie schnaubte empört. „Wofür hältst du mich eigentlich?“

„Für eine Person, der jedes Mittel recht ist, um an ihr Ziel zu gelangen.“

Im ersten Moment schien sie protestieren zu wollen, doch dann presste sie die Lippen aufeinander und senkte den Blick, sodass ihr das Haar wie ein Vorhang aus schwarzer Seide über die Augen fiel.

Seltsam. Nach all den Monaten wusste er noch immer ganz genau, wie es sich angefühlt hatte. Und wenn er die Augen schloss und sich darauf konzentrierte, konnte er sogar den Duft nach frischen grünen Äpfeln riechen, der ihm anhaftete.

Kurz nachdem ihre Lüge aufgeflogen war, hatte er in seinem Badezimmer eine Flasche von ihrem Shampoo gefunden. Anstatt sie sofort wegzuwerfen, hatte er sie geöffnet und sich unter die Nase gehalten. Der Geruch war so vertraut gewesen, dass seine Knie beinahe unter ihm nachgegeben hätten. Aber nur beinahe. Denn die Frau, in die er sich damals verliebt zu haben glaubte, existierte nicht. Sie war nur ein Trugbild, erschaffen von einer Person, die behauptete, sein größter Fan zu sein.

Ein Fan …

Seit damals hatte der Begriff einen schalen Beigeschmack für ihn bekommen. Es lag sicher nicht nur an dem, was zwischen Liz und ihm vorgefallen war, dass er schließlich beschlossen hatte, seine Musikerkarriere an den Nagel zu hängen. Da gab es mindestens noch ein Dutzend andere Gründe, die ihn am Ende zu der Entscheidung hatten gelangen lassen. Doch ganz unschuldig war Liz daran auch nicht gewesen.

„Komm jetzt“, sagte er. „Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit. Ich fahre dich erst mal ins Hotel, danach sehen wir weiter.“

Er warf das Pappschild in den nächsten Papierkorb und ging zum Ausgang, ohne sich zu vergewissern, ob sie ihm folgte. Das war auch gar nicht nötig. Das Rattern der Räder ihres Trolleys war ein beinahe ebenso gutes Indiz dafür wie ihre Blicke, die er wie brennende Pfeile in seinem Rücken fühlte.

Sie erreichten den Wagen. Lee öffnete den Kofferraum, nahm ihr den Trolley aus der Hand und warf ihn hinein. Er war nicht gut auf Liz zu sprechen, aber seine Mutter hatte ihn zur Höflichkeit erzogen, und dieses Erbe konnte er nicht einfach so abschütteln.

Schweigend nahmen sie nebeneinander im Wagen Platz. Lee gestattete sich einen kurzen Seitenblick, schaute aber sofort wieder weg. Verdammt, sie ließ ihn noch immer nicht kalt. Und das nach allem, was geschehen war.

Wütend über sich selbst und das Schicksal, welches dafür gesorgt hatte, dass sich ihre Wege erneut kreuzten, rammte er den Schlüssel ins Zündschloss seines Wagens. Es war ein unauffälliger alter Kombi, der schon bessere Tage gesehen hatte. Doch genau so war es ihm am liebsten. Er wollte keine Aufmerksamkeit. Davon hatte er während seiner Zeit bei Revolution für den Rest seines Lebens genug bekommen.

Er steckte sein iPhone in die Freisprecheinrichtung und wählte die Nummer seines Kontakts bei der Plattenfirma. Es klingelte mehrfach, ehe sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete. Doch zu Lees Enttäuschung handelte es sich nicht um Rod Buchanan, sondern um dessen Sekretärin, die ihm mitteilte, dass ihr Chef sich in einer Besprechung befand.

„Möchten Sie eine Nachricht hinterlassen?“

Lee lag da so einiges auf der Zunge, doch er schluckte die scharfen Worte herunter und beendete leise vor sich hin fluchend das Gespräch.

„Nur dass wir uns richtig verstehen“, wandte er sich an Liz, als sie an einer roten Ampel halten mussten. „Ich bin der Produzent von 5EVA und absolut nicht damit einverstanden, dass du mit uns auf Tour gehst, und ich werde alles versuchen, damit es nicht so weit kommt. Aber sollte ich am Ende in den sauren Apfel beißen müssen, dann versichere ich dir eines: Schaust du einen meiner Jungs auch nur schief an, wirst du dein blaues Wunder erleben!“

Sie drehte sich halb zu ihm um. Ihre Augen sprühten Funken, und er musste erneut feststellen, dass sie noch immer eine gewisse Wirkung auf ihn hatte. Er zwang sich, still sitzen zu bleiben.

„Du bist verrückt, wenn du denkst, dass ich deswegen hier bin.“

„Ach ja?“ Er musterte sie eindringlich. „Und was dann? Du kennst doch das Sprichwort, oder? Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht.“

Liz verzog das Gesicht, verschränkte die Arme vor der Brust und blickte starr zum Fenster hinaus.

Diesen Schlagabtausch hatte er ohne jeden Zweifel gewonnen. Aber warum, verdammt noch mal, fühlte es sich dann wie eine Niederlage an?

2. KAPITEL

Lee hatte sie am Hotel abgesetzt und war mit quietschenden Reifen davongebraust, kaum dass sie die Wagentür hinter sich zugeworfen hatte. Es kümmerte ihn ganz offensichtlich nicht, ob Liz allein zurechtkam. Und im Grunde wunderte sie das auch nicht sonderlich.

Die ganze Fahrt über hatte er kein einziges Wort mit ihr gewechselt. Das Radio war ausgeschaltet und die Stille im Inneren des Fahrzeugs so durchdringend gewesen, dass man sie mit einem Messer hätte schneiden können. Unruhig war Liz auf dem Beifahrersitz hin und her gerutscht, so als hätte sie Ameisen in der Hose. Und das wäre ihr tatsächlich lieber gewesen als die Realität.

Lee Jarvis …

Sie konnte es noch immer nicht fassen. Als sie jetzt mit ihrem Trolley das Zimmer betrat, das der Verlag für sie gebucht hatte, nahm sie ihr Handy aus der Handtasche und ließ sich dann mit einem Ächzen aufs Bett fallen. Die Nummer, die sie wählte, stand ganz oben in ihrer Anrufliste, und als Eugene sich am anderen Ende meldete, hatte sie nur eine Frage an ihren Agenten.

„Hast du davon gewusst?“

Es dauerte einen Moment, ehe er etwas erwiderte, und die Verwirrung war seiner Stimme deutlich anzuhören. „Gewusst – was? Wovon sprichst du, Liz?“

„Lee ist hier, Eugene!“ Sie vermutete, dass sie wie ein hysterischer Teenager klang, aber das ließ sich nicht ändern. Und es passte im Grunde auch ziemlich gut zu ihrer derzeitigen Gefühlslage. „Lee Jarvis.“

Einen Moment lang herrschte am anderen Ende der Leitung betroffenes Schweigen. Als Eugene dann endlich etwas sagte, hörte man ihm seine Überraschung deutlich an. „Ist nicht dein Ernst!“

„Glaubst du wirklich, ich würde, was dieses Thema betrifft, Witze machen?“

„Aber ich verstehe das nicht. Ich meine, er ist ganz offensichtlich kein Mitglied von 5EVA – nichts für ungut, aber aus dem Alter dürfte er inzwischen raus sein. Was hat er mit der Band zu tun?“

„Er ist der Produzent, wenn ich das richtig verstanden habe.“

„Oh …“

„Ja.“ Sie lachte bitter auf. „Das kannst du laut sagen.“ Sie machte eine kurze Pause. „Du hast also wirklich nichts davon gewusst?“

„Um Himmels willen, nein! Ich kenne doch eure gemeinsame Geschichte. Glaubst du wirklich, ich würde dir so etwas antun?“

Eugene hatte recht. Sie traute ihm einen solchen Verrat tatsächlich nicht zu. Er mochte sonst bereit sein, so ziemlich alles zu tun, damit sie endlich den zweiten Band von Fangirl fertigstellte. Aber er kannte auch seine Grenzen – und ihre. So weit, Lee mit in die Sache hineinzuziehen, würde selbst er nicht gehen.

Dummerweise machte das die Situation für sie auch nicht leichter. Ganz im Gegenteil. So hatte sie nicht einmal jemanden, auf den sie sauer sein konnte.

Abgesehen von sich selbst vielleicht.

Letztendlich lief es doch immer wieder darauf hinaus. Diese alte Geschichte würde sie vermutlich für den Rest ihres Lebens begleiten. Sie konnte nur hoffen, dass sie irgendwann verblasste und ein wenig in den Hintergrund trat. Doch in den vergangenen anderthalb Jahren hatte sich in der Hinsicht überhaupt nichts getan.

Und nachdem sie Lee nun wiedergesehen hatte, würde sich daran wohl vorerst auch nichts ändern …

Seufzend fuhr sie sich mit der freien Hand durchs Haar und zerwühlte es vollkommen. Nicht, dass das irgendetwas ausmachte. Sie hatte nicht vor, ihr Zimmer heute noch zu verlassen. Oder morgen. Oder sonst irgendwann.

Vielleicht konnte sie sich ja hier einschließen und sich weigern, überhaupt jemals wieder durch diese Tür zu treten. Wer sollte sie schon zwingen – gut, abgesehen von der Hotel-Security. Aber darüber konnte sie sich immer noch Sorgen machen, wenn es so weit war.

Ja, das war ein guter Plan. Ein exzellenter Plan sogar. Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass sie sich eigentlich gar nicht wie ein jämmerlicher Feigling aufführen wollte. Schon gar nicht vor Lee. Er sollte bloß nicht denken, dass sie sich von ihm verjagen ließ.

Wie sie die gemeinsame Zeit durchstehen sollte, war ihr allerdings ein echtes Rätsel.

„Bist du noch dran?“, fragte Eugene und riss sie damit aus ihren Grübeleien.

„Natürlich.“ Sie seufzte. „Wo soll ich denn sonst sein? Hast du irgendeinen Tipp für mich, wie ich mit der Situation umgehen soll? Ich habe da nämlich keinen blassen Schimmer.“

„Ich würde ja vorschlagen, dass du ihm so weit wie irgend möglich aus dem Weg gehst, aber das wird nur schwer gehen. Und ich kann dir nicht raten, das ganze Praktikum seinetwegen hinzuwerfen. Dir wird klar sein, dass der Verlag dich jederzeit wegen Vertragsbruch belangen kann, oder? Du bist schon so weit über deinen ursprünglichen Abgabetermin hinaus, dass es nicht mehr feierlich ist. Wir können froh sein, dass man sich bisher so geduldig gezeigt hat. Aber ich fürchte, dass sich das ändern könnte, solltest du dich weigern, mit der Band auf Tour zu gehen.“

Es war nicht so, dass ihr der Gedanke nicht schon selbst gekommen wäre. Sie war nicht dumm – nur verzweifelt. Und sie wusste, dass ihr keine andere Wahl blieb, als die Zähne zusammenzubeißen und gute Miene zum bösen Spiel zu machen. So wenig ihr das auch gefallen mochte.

„Erzähl mir was, was ich noch nicht weiß“, stöhnte sie.

„Okay, folgender Vorschlag: Du gehst jetzt runter in die Hotelbar und genehmigst dir einen Drink – auf meine Kosten. Versuch erst mal, wieder einen klaren Kopf zu bekommen. Ich überleg mir unterdessen, was ich tun kann, um dir zu helfen.“

Zwar hatte Liz keine Ahnung, was das sein sollte, trotzdem wusste sie die guten Absichten ihres Agenten zu schätzen. Und vielleicht war ein Drink, um ihre Nerven zu beruhigen, gar keine so schlechte Idee. Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, einfach die Minibar zu plündern. Doch sie hatte sich vorgenommen, nicht Verstecken mit Lee zu spielen. Also konnte sie auch gleich damit anfangen, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Sie stand auf und öffnete ihren Trolley. Wenn sie sich schon in der Öffentlichkeit blicken ließ, dann wollte sie wenigstens nicht so aussehen, wie sie sich im Augenblick fühlte – mies. Ihre Garderobe war zum größten Teil einfach und praktisch gehalten, weil es ihr so am besten gefiel. Und so trug sie, als sie knapp zwanzig Minuten später die kleine Bar betrat, die über die Lobby erreichbar war, auch nur Bluejeans und ein einfaches marineblaues T-Shirt. Das änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass der einzige andere Gast – ein Mann Mitte bis Ende vierzig, mit dünnem Haar und hoher Stirn – sich beinahe den Hals verrenkte, nur um sie von seinem Platz an der Theke besser sehen zu können.

Ganz automatisch suchte sie sich eine Sitzgelegenheit möglichst weit von dem Typen entfernt; eine kleine, eher dunkle Nische ganz am Ende des Raumes. Und zunächst glaubte sie auch, mit dieser Strategie gut gefahren zu sein. Zumindest bis kurz nachdem der Kellner ihr ihre Bestellung – einen Wodka Cranberry – gebracht hatte.

Sie brauchte gar nicht aufzublicken, als plötzlich ein Schatten über sie fiel. Na wunderbar, dachte sie, tat aber, als hätte sie ihn gar nicht bemerkt. Jeder, der auch nur ein bisschen etwas von Körpersprache verstand, hätte sicher gemerkt, dass sie absolut nicht an Gesellschaft interessiert war. Das bedeutete, der Typ hatte entweder absolut kein Gespür für andere Menschen, oder er ignorierte die Signale, die sie aussandte, einfach. Jedenfalls ließ er sich mit einem leisen Seufzen ihr gegenüber auf die Sitzbank fallen und stützte sich mit den Ellenbogen auf der Tischplatte ab.

Jetzt konnte Liz ihn wirklich nicht mehr länger ignorieren. Sie schaute auf. Der durchdringende Blick, mit dem er sie musterte, verursachte ihr eine Gänsehaut. Und sein Lächeln, das vermutlich verführerisch sein sollte, wirkte auf sie alles andere als einnehmend.

Sie begegnete seinem Blick. „Kann ich irgendetwas für Sie tun?“

„Das würde ich schon sagen, meine Schöne“, säuselte er, und sein Lächeln wurde noch eine Spur süßlicher. Liz hatte schon immer herzhafte Sachen bevorzugt. Na gut, das war gelogen. Sie liebte Schokolade und brauchte mindestens eine Tafel alle zwei Tage, wenn sie sich irgendwie über Wasser halten wollte. Aber dieser Typ war mit Schokolade nicht zu vergleichen. Nicht einmal mit neunzigprozentiger Bitterschokolade. Wenn sie schon Lebensmittel heranzog, um ihn zu beschreiben, dann erinnerte er sie am ehesten an diese widerlichen rosa Softmarshmallows mit Kokosflocken, die so klebrig süß waren, dass einem davon ganz übel werden konnte.

Sie seufzte. „Hören Sie, ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber ich wäre wirklich lieber allein.“

„Ach, komm schon, Schätzchen“, sagte er, erhob sich und setzte sich unmittelbar neben Liz. Der säuerliche Geruch von altem Schweiß, den er verströmte, drehte ihr den Magen um. Jetzt wollte sie wirklich nur noch weg. Doch dazu musste sie erst einmal an ihrem Kavalier vorbei – und der machte nicht den Eindruck, als wolle er sich allzu schnell wegbewegen. „Ich lade dich auf einen Drink ein, und wir unterhalten uns ein bisschen. Schau dich doch mal um, wir sind ganz allein hier – und in Gesellschaft trinkt es sich doch gleich viel besser, findest du nicht?“

Inzwischen bereute sie es, auf Eugenes Vorschlag gehört und ihr Zimmer verlassen zu haben.

Sie hob die Hand, um die Aufmerksamkeit des Kellners zu erregen. Doch sie erstarrte in der Bewegung, als sie sah, wer eben in diesem Moment die Bar betrat.

Oh nein, das kann doch wohl nicht wahr sein …

Warum sollte sie auch wenigstens dieses eine Mal Glück haben? Von dem Neuankömmling konnte sie jedenfalls keine Hilfe erwarten. Denn es handelte sich – natürlich! – um niemand anderen als Lee.

Verdammt!

Lee hatte den Abend damit verbracht, dem Chef des Plattenlabels hinterherzutelefonieren, bei dem seine Jungs unter Vertrag waren. Erst gegen neun hatte er ihn endlich erreicht, und das Gespräch dauerte dann noch einmal gut eine halbe Stunde. Jetzt war es zehn, und Lee war so frustriert wie selten zuvor in seinem Leben.

Craig Bartholomew, der Plattenboss, war in einem Punkt absolut deutlich gewesen: Wenn die Tournee von 5EVA stattfinden sollte, dann nur wenn Lee die Füße stillhielt und akzeptierte, dass Liz mit von der Partie sein würde.

Ausgerechnet Liz!

Natürlich hatte er Bartholomew nicht erklärt, warum er sich so dagegen sträubte. Irgendwie war es seinem Management damals gelungen, die ganze Geschichte unter Verschluss zu halten, wofür er ewig dankbar sein würde. Schlimm genug, dass er sich detailliert an alles erinnerte, was vor anderthalb Jahren passiert war. Es musste nicht unbedingt sein, dass auch der Rest der Welt darüber Bescheid wusste, ließ es ihn doch wie einen naiven Idioten dastehen.

Und wenn er ehrlich sein wollte, dann war er auch genau das gewesen: ein naiver Idiot.

Als er damals für Revolution gecastet worden war, hatte er einen Vertrag unterschrieben, in dem er zusicherte, für die Dauer seiner Mitgliedschaft in der Band – zumindest nach außen hin – Single zu bleiben. Von daher war bereits die Tatsache, dass er sich überhaupt auf irgendeine Art von Beziehung eingelassen hatte, eine große Dummheit gewesen. Noch dazu etwas mit einem weiblichen Fan anzufangen, war der absolute Supergau.

Nicht, dass er sich damals darüber im Klaren gewesen war. Für ihn war Liz – oder Jessie, wie sie sich damals nannte – ein Mitglied der Crew gewesen. Mädchen für alles. Bei seinen Bandkollegen und allen anderen gleichermaßen beliebt, ganz einfach, weil sie unglaublich freundlich und zuvorkommend war.

Am Anfang war sie ihm gar nicht groß aufgefallen. In seiner direkten Umgebung gab es ständig neue Gesichter, und nur selten blieb jemand lange dabei. So war das Musikbusiness nun mal: schnelllebig und gleichgültig. Um einen prägenden Eindruck zu hinterlassen, musste schon einiges passieren.

Nun, dachte er ironisch – immerhin das hatte Liz wirklich ohne jeden Zweifel geschafft …

Er atmete tief durch und schüttelte den Kopf, als unwillkommene Erinnerungen über ihn hereinzubrechen drohten. Er würde sich wohl an die Vorstellung gewöhnen müssen, Liz jetzt eine ganze Weile lang öfter zu sehen. Diese Tournee war für seine Jungs die Gelegenheit, wirklich ganz groß rauszukommen. Und er als ihr Produzent und Gründer konnte ihnen diese einmalige Chance nicht einfach so nehmen. Zumindest nicht, weil er noch immer nicht mit seinem Fehltritt von vor anderthalb Jahren klarkam.

Dem Fehltritt namens Liz Hunnicut.

Er musste endlich vergessen, was sie getan hatte. Oder wenigstens halbwegs professionell damit umgehen. Das konnte doch so schwer nicht sein!

Trotzdem war er so unruhig, dass er nach dem Gespräch mit Bartholomew beschlossen hatte, noch einmal in die Hotelbar hinunterzugehen, um sich einen Drink zu genehmigen. In seinem Zimmer würde er über kurz oder lang die Wände hochgehen, und auch wenn Alkohol keine Lösung war, würde er zumindest dabei helfen, seine Nerven ein wenig zu beruhigen.

Das hatte er zumindest gehofft. Doch ganz offensichtlich meinte es das Schicksal nicht gut mit ihm, denn Liz saß in einer Nische im hinteren Bereich der Bar. Zusammen mit einem Mann – natürlich. Noch dazu einem, der ganz eindeutig nicht in ihrer Liga spielte. Aber vermutlich legte sie es ohnehin nur darauf an, sich ihre Drinks von ihm bezahlen zu lassen. Der arme Kerl konnte einem echt leidtun. Er ahnte ja nicht, was für eine durchtriebene Person sich hinter ihrem engelsgleichen, unschuldigen Äußeren verbarg.

Bemüht, sich nicht anmerken zu lassen, dass er sie gesehen hatte, trat er an den Bartresen und bestellte sich einen Bourbon. Doch obwohl er mit dem Rücken zu Liz saß, entkam er ihr auch hier nicht. Die Wand hinter dem Barkeeper war verspiegelt, sodass er zwischen den verschiedenen Flaschen hindurch genau verfolgen konnte, was sich hinter ihm abspielte.

Er wollte nicht hinsehen. Ja, er zwang sich sogar, den Blick auf sein Glas zu richten, so als sei die goldfarbene Flüssigkeit darin eine Offenbarung für ihn. Doch sosehr er sich auch bemühte, er ertappte sich immer wieder dabei, wie er unwillkürlich in ihre Richtung sah. Und je öfter er das tat, umso klarer wurde ihm, dass er die Situation falsch eingeschätzt hatte. Es war nämlich ganz offensichtlich, dass Liz nicht glücklich über die Aufmerksamkeit war, die der Fremde ihr zuteilwerden ließ.

„Ich sage es Ihnen jetzt zum allerletzten Mal“, hörte er sie plötzlich so laut sagen, dass es durch den ganzen Raum schallte. „Lassen Sie mich in Ruhe! Ich will nicht, dass Sie mir einen Drink ausgeben, ich will auch nicht mit Ihnen ausgehen, und ganz bestimmt will ich nicht, dass Sie Ihre verschwitzten Griffel auf meine Oberschenkel legen!“

Der letzte Teil ließ Lee zusammenzucken. Er erinnerte sich noch gut an Liz’ Oberschenkel. Verdammt gut sogar. Und er konnte den Wunsch, sie zu berühren, in gewisser Weise auch nachvollziehen. Aber was er da hörte, ging nun wirklich zu weit.

Er war weiß Gott kein großer Freund von Liz Hunnicut, und bei mehr als einer Gelegenheit hatte er ihr die Pest an den Hals gewünscht. Auf der anderen Seite aber war er zu gut erzogen, um bei so etwas einfach wegzusehen – oder zu hören.

Langsam setzte er seinen Drink auf dem Untersetzer ab, stand auf und ging auf die Nische zu, in der Liz und der aufdringliche Unbekannte saßen. Sie bemerkten ihn zunächst nicht, doch als er sich räusperte, blickte Liz auf, und ihre Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Lee …“

„Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Das Telefonat mit meinem Boss hat sich ewig hingezogen, aber das kennst du ja, Darling.“ Er wandte sich mit einem gezwungenen Lächeln an den Mann, der neben ihr saß. „Aber wie ich sehe, haben Sie meiner Verlobten Gesellschaft geleistet, während ich beschäftigt war. Nett von Ihnen – stimmt doch, mein Engel?“

Einen Moment lang war er nicht sicher, ob Liz schnell genug schalten würde, um auf sein kleines Spielchen einzugehen. Doch nachdem ihre Miene zunächst pure Verwirrung widergespiegelt hatte, sah er nun vor allem eines – Erleichterung.

„Ja“, sagte sie und bedachte den Mann neben sich, der sich ganz offensichtlich alles andere als wohl in seiner Haut fühlte, mit einem kühlen Blick. „Wirklich unglaublich nett. Wenn ich dann bitten dürfte …“

„Ich … also …“, stammelte der Typ und beeilte sich, den Platz neben Liz freizugeben. Sie nutzte die Gelegenheit, um sofort aus der Nische zu flüchten und sich bei Lee unterzuhaken – was sich, sehr zu seinem Leidwesen, alles andere als unangenehm anfühlte. Für einen winzigen Augenblick vergaß er sogar tatsächlich, dass das alles nur Show war, um ihren aufdringlichen Verehrer loszuwerden. Stattdessen fühlte er sich anderthalb Jahre in die Vergangenheit zurückversetzt, in eine Zeit, in der zwischen Liz und ihm noch alles in Ordnung gewesen war.

Oder wo er das zumindest geglaubt hatte, als naiver Idiot, der er damals gewesen war.

Er schüttelte den Kopf, um sich wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzuholen. Im Gegensatz zu ihm hatte Liz sich garantiert kein Stück verändert, und er war ganz gewiss nicht so dämlich, ein zweites Mal auf ihre Masche hereinzufallen.

Nein, auf gar keinen Fall!

Seite an Seite verließen sie die Bar. Die Flügeltür war kaum hinter ihnen zugefallen, da machte Lee sich auch schon von Liz los. Er kam nicht umhin festzustellen, dass ihre Nähe ihm schon jetzt fehlte – und das war auch nur ein weiterer Grund, sich, so gut es eben ging, von ihr fernzuhalten. So ungern er es zugab, sie hatte noch immer eine gewisse Wirkung auf ihn. Und zwar eine, auf die er ganz und gar nicht stolz war.

Er hatte eigentlich gedacht, dass er endlich über diese Geschichte hinweg war. Doch Liz nun so nah zu sein, ließ unliebsame Erinnerungen in ihm aufsteigen. Wobei, die meisten Erinnerungen waren für sich genommen eigentlich gar nicht so unangenehm, sondern wurden es erst rückblickend durch das, was später geschehen war. Wie Liz …

Nein.

Hastig schob er den Gedanken beiseite. Er würde jetzt nicht darüber nachgrübeln. Dies war weder der richtige Ort noch der richtige Zeitpunkt – sofern es so etwas überhaupt gab.

Liz öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch er wollte es gar nicht hören. Auf ihren Dank konnte er verzichten. Er hatte das nicht für sie getan. Für jede andere Frau wäre er ebenso in die Bresche gesprungen. Sie brauchte sich nicht einzubilden, dass es irgendetwas mit ihr persönlich zu tun hatte. Denn dem war nicht so.

Ganz bestimmt nicht.

Er wandte sich ab, ehe sie auch nur einen Laut hervorbringen konnte, und ging zielstrebig auf die Aufzüge am anderen Ende der Lobby zu. Sehr zu seinem Verdruss folgte Liz ihm. Und sie ließ sich auch nicht davon abschrecken, dass er ihr, während er auf seinen Lift wartete, die kalte Schulter zeigte. Sie wirkte ein wenig nervös, aber nicht so sehr, wie er angesichts der Umstände vermutet hätte.

Wobei er nicht vergessen durfte, dass sie nicht die schüchterne und sanftmütige Person war, als die er sie kennengelernt hatte. Nein, die Person, die sich hinter dieser Maske verbarg, war berechnend und kaltschnäuzig. Vermutlich wäre sie auch ganz allein mit dem angetrunkenen Typen in der Bar klargekommen.

Begleitet von einem leisen Ping öffneten sich die Fahrstuhltüren. Die Kabine war leer, und als er hineintrat, folgte Liz ihm sofort.

Mit einem Laut der Frustration drehte er sich zu ihr um und verschränkte die Arme vor der Brust. „Willst du mir jetzt die ganze Zeit hinterherlaufen wie ein verlorenes Hündchen?“

Die Türen schlossen sich hinter ihnen. Liz hielt den Blick, in einem plötzlichen Anflug von Keuschheit, den er ihr nicht zutraute, gesenkt. „Ich … Danke …“

Ärger stieg in ihm auf. „Das kannst du dir schenken, Liz“, entgegnete er scharf. „Ich lege keinen Wert auf deinen Dank. Und bilde dir nur nichts darauf ein. Ich hätte das für jede andere Frau auch getan.“

Sie schaute auf und begegnete seinem Blick erstaunlich trotzig. „Ich weiß. Und ob du es glaubst oder nicht, ich hätte von dir auch nichts anderes erwartet.“

Er hob eine Braue. „Was genau möchtest du damit zum Ausdruck bringen?“

„Dass ich die Nase voll davon habe, mich von dir so herablassend behandeln zu lassen. Du bist nicht begeistert darüber, dass ich die Band während der Tour begleiten werde. Stell dir vor, ich ebenso wenig. Wenn du also deinen Einfluss geltend machen kannst, um mich aus dieser Situation zu befreien – herzlich gerne. Ich würde lieber heute als morgen wieder von hier verschwinden. Aber wenn ich deinen Gesichtsausdruck richtig deute, warst du ebenso wenig erfolgreich wie ich. Von daher wäre es am vernünftigsten, wenn wir beide einen Waffenstillstand schließen. Zumindest vorübergehend.“

Mit jedem Wort, das über ihre Lippen drang, steigerte sich seine Wut. Und zwar nicht unbedingt auf sie, sondern vielmehr auf die Situation, in der sie steckten. Denn so ungern er es auch zugeben wollte, Liz hatte recht. Sie saßen beide im selben Boot.

Und diese Tatsache machte ihn fast verrückt.

Er hatte nie wieder etwas mit Liz Hunnicut zu tun haben wollen. Und nun stand sie vor ihm, die Hände in die Seiten gestemmt, und funkelte ihn mit ihren himmelblauen Augen an.

Dreist.

Respektlos.

Mit einem Mal wurde das Bedürfnis, sie auf ihren Platz zu verweisen, beinahe übermächtig.

Er handelte, ohne lange nachzudenken, folgte einfach seinem Instinkt. Und der diktierte ihm etwas, das er vermutlich nie getan hätte, wäre er in diesem Moment bei klarem Verstand gewesen: Er packte Liz bei den Schultern, presste sie gegen die Rückwand des Aufzugs und küsste sie hart.

3. KAPITEL

Ein paar Sekunden lang war Liz wie paralysiert. Ihr Herz hämmerte, und in ihrem Bauch flatterte ein ganzer Schwarm Schmetterlinge auf, als Lee sie küsste.

Es war gleichzeitig fremd und vertraut, neu und doch wieder nicht. Was sie in diesem Augenblick fühlte, ließ sich wirklich nur schwer mit Worten beschreiben. Ganz davon abgesehen, dass sie sich ohnehin nicht imstande glaubte, auch nur einen zusammenhängenden Satz zu formulieren. Oder auch nur einen halben Meter geradeaus zu denken. Wäre sie in diesem Moment nämlich bei klarem Verstand gewesen, hätte sie diesen Irrsinn sicherlich auf der Stelle beendet.

Stattdessen handelte sie instinktiv, schlang die Arme um Lees Nacken und vertiefte den Kuss.

Für einen winzigen Augenblick – wirklich nur den Bruchteil einer Sekunde – hatte sie das Gefühl, dass sie zu weit gegangen war und er sie von sich stoßen würde. Doch das genaue Gegenteil trat ein. Er drängte sie noch weiter gegen die Kabinenwand und schob ihre Schenkel mit seinem Knie auseinander.

Ein Keuchen drang aus ihrer Kehle, als er seine Hand gegen den Schritt ihrer Hose presste.

Es war, als hätte es die vergangenen anderthalb Jahre gar nicht gegeben. Sofort war es wieder da, das Herzklopfen, das Flattern im Bauch und das Feuer in ihrem Schoß, das Hitzewellen durch ihren ganzen Körper pulsieren ließ.

Sie hatte so lange gebraucht, um zu vergessen – zu verdrängen –, wie es zwischen ihnen gewesen war. Und nun das!

Sie stöhnte auf, als er mit seiner Zunge zwischen ihre Lippen drang und damit begann, ihren Mund zu erforschen. Schlagartig waren ihre Knie so weich, dass sie nicht sicher war, ob sie sich noch aus eigener Kraft auf den Beinen halten konnte.

Wahnsinn. Was sie hier taten, war der pure, unverfälschte Wahnsinn. Doch es zu wissen und entsprechend zu handeln waren zwei vollkommen unterschiedliche Dinge.

Ihr war klar, dass sie das hier auf der Stelle beenden sollte. Es war nicht nur unvernünftig, nein: Dieser Weg konnte, wenn sie ihm weiter folgten, nur in einer Katastrophe enden.

Sie hatte es schon einmal erlebt und war wirklich nicht erpicht darauf, diese Erfahrung zu wiederholen. Ganz im Gegensatz zu einer anderen Erfahrung, die im direkten Zusammenhang dazu stand. Einer Erfahrung, die sie nie aus dem Kopf bekommen hatte, sosehr sie es auch versuchte. Die in einsamen Nächten immer wieder vor ihren geschlossenen Augenlidern aufblitzte.

Mit Lee zu schlafen war unvergesslich gewesen. Atemberaubend. Unbeschreiblich. Und sie wollte es wieder tun. So irrsinnig es erscheinen mochte, auch nur daran zu denken, sie konnte einfach nicht anders. Und seine Erektion jetzt hart und eindringlich gegen ihre Hüfte gepresst zu fühlen, machte es ihr auch nicht unbedingt leichter, vernünftig zu sein.

Hitzewellen rollten durch ihren Körper, sie brannte regelrecht innerlich. Und Schuld daran trug einzig und allein Lee. Er besaß die Fähigkeit, sie nur mit einem Kuss vollkommen in Ekstase zu versetzen. Ihr Herz hämmerte, und die Welt um sie herum verschwamm. Alles, was zählte, war Lee. Ihm nah zu sein. Ihn zu spüren. Ihn …

Beinahe konnte Liz den Soundeffekt hören, den sie immer gern in ihren Comics benutzte, um einen abrupten Stimmungsumschwung darzustellen.

Screeetch!

Ein Geräusch, wie wenn jemand den Nadelkopf quer über die Schallplatte zog.

Sie legte die Hände flach auf seine Brust und schob ihn von sich weg. „Nein!“

Lee blinzelte. Dann runzelte er die Stirn. „Was soll das werden, wenn es fertig ist?“

Seine Stimme klang so kalt, dass es Liz eisig den Rücken hinunterrieselte. War er immer schon so gewesen? Hatte sie sich so in ihm getäuscht?

„Ich will nicht mit dir ins Bett gehen“, sagte sie mit großem Nachdruck, obwohl sie nicht wusste, wo sie die Entschlossenheit hernahm. Ihre Knie waren noch immer weich wie Gelee, und das Herz hämmerte ihr wie wild gegen die Rippen.

Außerdem fühlte es sich wie eine Lüge an. Denn sie wollte Lee. Sie wollte ihn noch immer so sehr, dass es schon fast wehtat. Aber es durfte nicht sein. Denn eines wusste sie ganz genau: Lee verachtete sie. Und sie konnte nicht mit einem Mann schlafen, der so schlecht von ihr dachte.

Davon abgesehen war sie immer noch enttäuscht darüber, wie er sie damals einfach so fallengelassen hatte, ohne ihr auch nur eine Gelegenheit zu geben, alles zu erklären. Nicht, dass sie irgendwelche guten Gründe für ihr Verhalten damals gehabt hatte. Nein, keineswegs. Aber ihre Gefühle für ihn waren echt gewesen – auch wenn man das von ihren Arbeitszeugnissen und sonstigen Referenzen nicht behaupten konnte.

Anfangs mochte es nur eine alberne Schulmädchenverliebtheit gewesen sein, eine Schwärmerei – zugegebenermaßen etwas extremer, als es üblicherweise der Fall war, aber letztlich doch nichts anderes. Doch daraus war mehr geworden. So viel mehr.

„Wie kommst du auf den Gedanken, dass ich mit dir schlafen will?“, knurrte Lee, obwohl die Antwort auf seine Frage sich als deutlich sichtbare Beule im Schritt seiner Jeans abzeichnete.

Er mochte sie als Person verabscheuen, doch ganz offensichtlich fühlte er sich körperlich noch immer zu ihr hingezogen. Genau wie Liz nicht leugnen konnte, dass sie ihn nach wie vor attraktiv fand.

Ja, verdammt, wem versuchte sie hier eigentlich etwas vorzumachen? Sie wollte durchaus mit ihm schlafen. Es war einzig die Angst, was daraus entstehen würde, die sie zurückgehalten hatte.

Die Trennung von Lee hatte ihr damals das Herz gebrochen. Nein, gebrochen war gar kein Ausdruck! Diese Sache hatte ihr das noch schlagende Herz aus dem Leib gerissen, es in einen Mixer gesteckt und ihn auf höchste Stufe gestellt. Es hatte eine Ewigkeit gedauert, danach wieder auf die Beine zu kommen – wenn davon überhaupt die Rede sein konnte. Denn wirklich über diese Enttäuschung hinweggekommen war sie nie. Warum sonst schaffte sie es wohl nicht, dem zweiten Band ihres Comics Leben einzuhauchen?

Ganz einfach, weil Alice und sie ein und dieselbe Person waren. Als sie am ersten Band gearbeitet hatte, war sie wie auf Wolken geschwebt. All ihre Träume schienen in Erfüllung zu gehen. Jahrelang war sie den Jungs von der Band als Fan nachgereist, ohne ihnen auch nur einmal wirklich nahe zu kommen. Für sie zu arbeiten, mit ihnen sprechen, lachen und interagieren zu können, war für Liz wie ein Wunder gewesen. Und als ausgerechnet Lee Interesse an ihr zeigte …

Sie schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen zu verscheuchen. Das war die Vergangenheit, und die war vorbei. Sie musste an die Zukunft denken – und die hatten Lee und sie zusammen ganz sicher nicht.

Die Fahrstuhlkabine kam zum Stehen, und die Türen öffneten sich mit einem leisen Zischen. Liz quetschte sich hindurch, sobald die Lücke groß genug war, und eilte den Korridor zu ihrem Zimmer hinunter. Fast rechnete sie damit, dass Lee ihr folgen würde. Doch sie hörte keine Schritte, niemand rief ihren Namen. Und niemand hob ihr die Türkarte auf, als diese ihr aus den zitternden Fingern fiel. Doch als sie die Zimmertür öffnete, legte sich ihr von hinten eine Hand auf die Schulter.

Erschrocken zuckte sie zusammen, wandte sich aber nicht um. Das war gar nicht nötig. Sie wusste auch so ganz genau, wer da hinter ihr stand.

„Was willst du denn noch?“, fragte sie, wütend auf sich selbst, weil ihre Stimme so dünn und schwach klang.

Sie drehte sie zu Lee um. Mit dem Rücken gegen die Tür gelehnt stand sie da und blickte zu ihm auf. Seine Augen waren direkt auf sie gerichtet, und es fühlte sich für sie an, als könne er unmittelbar bis auf den Grund ihrer Seele blicken. Es war kein sehr angenehmes Gefühl, denn es gab einfach zu viele Dinge, von denen sie nicht wollte, dass er oder sonst irgendjemand davon wusste.

Dinge, für die sie sich schämte.

Sie schluckte hart. „Was soll das, Lee? Warum lässt du mich nicht einfach in Ruhe? Ich bin sicher, dass wir eine Möglichkeit finden, diese ganze Katastrophe irgendwie durchzustehen.“ Seine Miene war undurchdringlich, und sie zwang sich, sich nicht anmerken zu lassen, wie überwältigend die Wirkung noch immer war, die er auf sie hatte. Ihre Knie waren weich wie Gummi, und mit einem Mal war sie dankbar für die Tür in ihrem Rücken, die sie stützte. „Ich schätze, es ist offensichtlich, dass wir beide über die Situation alles andere als glücklich sind. Lass uns also einfach zusehen, dass wir es uns nicht schwerer machen als unbedingt nötig. Was sagst du?“

Hoffnungsvoll schaute sie ihn an. Es konnte doch nur in seinem Interesse liegen, ihr so wenig wie möglich über den Weg zu laufen. Liz ihrerseits wäre jedenfalls froh darüber, ihn nicht jeden Tag sehen zu müssen. Die Autofahrt zum Hotel und die wenigen Minuten im Lift waren schon schlimm genug gewesen.

Als er keine Anstalten machte, etwas zu erwidern, räusperte sie sich mühsam. „Zum Glück bist du als Produzent der Band ja nicht unbedingt ständig mit von der Partie. Ich meine … das stimmt doch, oder? Du kümmerst dich von deinem Büro aus um die Formalitäten und alles Organisatorische …“

So war es jedenfalls damals bei Revolution gewesen. Den Produzenten hatte Liz, wenn es hochkam, während ihrer Zeit mit der Band zwei oder dreimal zu Gesicht bekommen. Es war der Manager gewesen, mit dem sie zu tun gehabt hatte. Dieser war so etwas wie das Sprachrohr zwischen Produzent und Band gewesen. Sicher verhielt es sich bei 5EVA ganz ähnlich – oder?

„Es tut mir leid, dich enttäuschen zu müssen“, entgegnete Lee und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich bin nicht einer von diesen Produzenten, die alles ihren Angestellten überlassen. Und selbst wenn dies nicht der Fall wäre – glaubst du wirklich, ich würde das Risiko eingehen, dich mit meinen Jungs allein zu lassen?“ Energisch schüttelte er den Kopf. „Kommt überhaupt nicht infrage.“

Ungläubig starrte Liz ihn an. Was dachte er eigentlich, was für ein Mensch sie war? Hielt er sie wirklich für so berechnend und oberflächlich? Offenbar. Und irgendwie konnte sie es ihm nach der Sache damals nicht einmal verübeln.

Aber warum ließ er sie dann nicht einfach in Ruhe? Wieso musste er sie so quälen?

Das war alles einfach nicht fair. Nichts daran. Allem voran ihre eigenen, albernen Gefühle.

Sie wollte über Lee hinweg sein. Wollte stark und selbstbewusst sein, sich von seiner Nähe nicht beeindrucken lassen. Doch daran war nicht einmal zu denken. Nicht, wenn er direkt vor ihr stand und sie auf diese Weise ansah.

So, als wüsste er nicht, ob er sie hassen oder küssen sollte.

Wenn sie ehrlich war, ging es ihr ebenso. Sein männlicher Duft nach Moschus und Sandelholz betörte ihre Sinne, sodass sie nicht mehr klar denken konnte.

Und plötzlich war es wieder da – dieses erwartungsvolle Pochen zwischen ihren Schenkeln.

Am liebsten wäre sie im Boden versunken. Was stimmte bloß nicht mit ihr? Sie hatte sich vor Lee erniedrigt, ihn förmlich angefleht, ihr eine Chance zu geben, ihm alles zu erklären. Doch er war hart und unnachgiebig geblieben.

Sie sollte nach allem, was zwischen ihnen vorgefallen war, nicht mehr so für ihn empfinden. Aber sie tat es. Und es gab nichts, was sie dagegen unternehmen konnte, ganz gleich, wie sehr sie sich auch bemühte.

Wenn es um Lee ging, wurde sie einfach immer schwach.

„Was willst du dann?“, stieß sie heiser hervor – es war kaum mehr als ein Flüstern, doch Lee war ihr so nah, dass kaum die Gefahr bestand, dass er sie nicht verstand. „Ich kann dieses Praktikum nicht abbrechen, wenn es das ist, worauf du es anlegst. Ich kann einfach nicht.“

„Nun, dann haben wir keine andere Wahl …“

Irritiert schaute Liz zu ihm auf. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, worauf er hinauswollte. „Ich … was? Wovon sprichst du?“

„Na, ist das nicht offensichtlich? Wir sind gezwungen, die kommenden Wochen miteinander zu verbringen, ob es uns nun gefällt oder nicht. Und du kannst mir nicht erzählen, dass du dieses lästige Knistern nicht spürst, das zwischen uns in der Luft liegt. Gib es zu, du merkst es auch.“

Liz blinzelte. Sie war versucht zu lügen, aber das würde ihr letztlich auch nicht weiterhelfen. Also krächzte sie: „Ich merke es, aber …“

„Wie schön, zumindest in diesem einen Punkt sind wir uns also einig.“ Er trat noch einen Schritt auf sie zu und verschränkte die Arme vor der Brust. Da Liz nicht weiter zurückweichen konnte, war er ihr jetzt so nahe, dass sie deutlich die Wärme fühlen konnte, die von ihm ausging.

Es machte sie fast verrückt, ließ ihren Puls rasen. Sie konnte nur hoffen, dass man es ihr nicht allzu deutlich ansah. Doch andererseits war sie nach wie vor ziemlich sicher, dass ein Blick für Lee genügte, um sie zu durchschauen.

„Dann ist es, wie ich bereits sagte, ganz einfach: Wir sollten miteinander schlafen.“

Im ersten Moment glaubte Liz, sich verhört zu haben. Oder dass es ihr Wunschdenken war, das ihr diese Worte eingeflüstert hatte. Schließlich wurde ihr aber klar, dass dem nicht so war.

Fassungslos starrte sie Lee an. „Wie bitte? Du willst … mit mir …?“

„Spreche ich Chinesisch? Wir fühlen uns körperlich nach wie vor zueinander hingezogen. Es gefällt mir nicht, aber so ist es nun mal. Und da uns das Schicksal ohnehin wieder zusammengeführt hat, sollten wir die Gelegenheit nutzen.“

Es kam ihr tatsächlich vor, als würde er in einer fremden Sprache zu ihr sprechen. Wie konnte er bei alldem nur so unglaublich ruhig bleiben? „Gelegenheit? Was für eine Gelegenheit?“

Er bedachte sie mit einem höhnischen Blick. „Früher warst du nicht so schwer von Begriff – oder ich habe diese Tatsache verdrängt, wer weiß. Aber schön, ich will es dir mit einfachen Worten erklären: Wir schlafen miteinander und befreien uns damit endlich von dieser unsäglichen Anziehungskraft. Nach zwei Monaten Tour und Nächten voller hemmungslosem Sex dürfte das kein Problem sein – oder wie siehst du das?“

4. KAPITEL

Lee konnte selbst nicht glauben, dass er das gerade tatsächlich vorgeschlagen hatte. Wollte er das wirklich? Mit Liz schlafen und Gefahr laufen, all die Geister der Vergangenheit wieder zum Leben zu erwecken, die er mit Mühe und Not zum Schweigen gebracht hatte?

Keine sonderlich gute Idee, nein, wirklich nicht. Und doch wusste er schon jetzt, dass er die Sache durchziehen würde. Denn Vernunft war noch nie seine große Stärke gewesen. Und die Versuchung war einfach zu groß.

Es ärgerte ihn, dass er sich noch immer so stark zu Liz hingezogen fühlte. Er sollte es eigentlich besser wissen. Sie war nicht die süße Unschuld vom Lande, die sie nach außen hin gab. Ganz und gar nicht. Er war in seinem ganzen Leben noch nie einer so falschen und berechnenden Frau begegnet – und während seiner Karriere als Mitglied einer gecasteten Boyband hatte er so manchen weiblichen Fan getroffen.

Sie sah aus wie ein personifizierter Engel. Doch ihre Seele war schwarz wie das Gefieder eines Raben.

Eiskalt hatte sie sich als jemand anders ausgegeben, nur um in die Nähe seiner alten Band zu kommen. Er hatte ihr vertraut – ebenso wie seine Bandkollegen. Vermutlich konnten sie von Glück reden, dass sie nicht mit allen möglichen Interna und kleinen privaten Geheimnissen an die Öffentlichkeit gegangen war.

So ganz verstand er immer noch nicht, warum sie sich entschieden hatte zu schweigen. Vermutlich hatte ihr damaliger Manager David ihr ordentlich Feuer unterm Hintern gemacht. Er war von Anfang an misstrauisch ihr gegenüber gewesen, doch niemand hatte etwas davon hören wollen. Das hatte David aber nicht davon abgehalten, weiter zu bohren. Ihm verdankten sie es, dass Liz’ Lügerei am Ende aufgeflogen war.

Wer konnte schon sagen, wie lange sie sonst noch alle an der Nase herumgeführt hätte?

„Du … bist ja verrückt!“, stieß Liz entgeistert hervor und riss ihn damit aus seinen Grübeleien. Ihre himmelblauen Augen waren weit aufgerissen. „Wie kommst du auf den Gedanken, dass ich mich auf so etwas einlassen würde?“

Er zuckte mit den Schultern. „Weil du es ebenso sehr willst wie ich. Du bist nur zu feige, um es dir einzugestehen.“

„Ich bin nicht feige!“, entgegnete sie sofort – und reagierte damit genau so, wie er es vorausgesehen hatte. Es war schon immer leicht gewesen, Liz bei ihrem Stolz zu packen. „Ich halte das einfach für keine besonders gute Idee, das ist alles.“

Er verzog das Gesicht. Das wusste er alles selber. Und dennoch …

Sie so vor sich sehend, mit geröteten Wangen, während sich ihre Brust hastig hob und senkte, konnte er nur mit Mühe und Not dem intensiven Drang widerstehen, sie an sich zu ziehen und zu küssen.

Stattdessen hob er die rechte Hand und strich ihr eine Haarsträhne, die sich aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte, hinters Ohr zurück. Dabei berührte er sie flüchtig und spürte, wie ein Zittern durch ihren Körper lief.

Verdammt, diese Frau würde ihn eines Tages noch um den Verstand bringen!

Anstatt seine Hand sinken zu lassen, ließ er sie ein Stück nach unten und nach hinten wandern, bis sie in ihrem Nacken lag. Aus ihren riesigen Rehaugen blickte Liz zu ihm auf. Sie wirkte so unschuldig, beinahe schüchtern und ein wenig ängstlich. Hätte er es nicht besser gewusst, er wäre glatt noch einmal auf ihre Masche hereingefallen.

Aber nicht mit ihm. Auf gar keinen Fall!

Er musste nur minimale Kraft aufwenden, da sank sie ihm auch schon entgegen. Ihre Brüste pressten sich weich gegen seine Rippen. Wenn er ganz stillhielt, konnte er das aufgeregte Flattern ihres Herzschlags spüren.

Langsam, ganz langsam, beugte er sich zu ihr hinab, bis er ihren warmen Atem auf seinen Lippen spürte. Dann wartete er. Sie sollte am Ende nicht behaupten, dass er sie zu irgendetwas gedrängt hatte. Wenn sie das hier taten, dann mussten die Spielregeln klar sein.

Ein zufriedenes Lächeln ließ seine Mundwinkel zucken, als Liz sich auf die Zehenspitzen stellte, um den letzten Abstand zwischen ihnen zu überbrücken.

Dann trafen ihre Lippen aufeinander, und alles vernünftige Denken war ausgeschaltet.

Lee zu küssen war gleichzeitig das Beste und Schrecklichste, was sie je erlebt hatte. So war es damals gewesen, und – davon war Liz überzeugt – so würde es auch dieses Mal enden.

Doch viel Zeit hatte sie nicht, um über die möglichen (und wahrscheinlichen) Konsequenzen ihres Handelns nachzudenken. Als seine Zunge auf ihre traf, war alles um sie herum vergessen.

Hämmernd ließ ihr Herz siedendes Blut durch ihren Körper pulsieren – so fühlte es sich zumindest an. Hätte sie die Situation von außen betrachtet, wäre ihr vermutlich die Schamesröte ins Gesicht gestiegen. Darüber, dass ein einziger Kuss ausreichte, um alle Mauern, die sie in den vergangenen anderthalb Jahren um sich herum errichtet hatte, zum Einsturz zu bringen. Sie stand lichterloh in Flammen, und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte.

Absolut gar nichts.

Sie legte die Arme um seinen Nacken, und als er ohne Vorwarnung seine großen Hände hinter ihre Schenkel legte und sie hochhob, reagierte sie instinktiv, indem sie die Beine um seine Taille schlang.

„Tür“, stieß er heiser hervor. „Wenn du nicht willst, dass ich dich hier draußen auf dem Hotelkorridor vernasche, wo jeder uns beobachten kann, dann gib mir deine gottverdammte Schlüsselkarte.“

Seine Worte brachte sie zum Erbeben. Mit zitternden Fingern reichte sie ihm die Karte, und er rammte sie mit einem leisen Grollen in den entsprechenden Schlitz über der Türklinke. Dabei hielt er Liz anscheinend vollkommen mühelos mit einer Hand fest.

Wie jedes Hotelschloss dieser Welt zeigte auch dieses zuerst zweimal Rot an, ehe schließlich das grüne Lämpchen aufleuchtete und die Tür aufschwang. Sie stolperten ins dunkle Zimmer. Lediglich das Licht der Straßenlaternen und das Flackern der Werbebeleuchtung des 24/7-Ladens auf der gegenüberliegenden Straßenseite tauchten den Raum in ihren schwachen Schein. Dennoch verschwendeten weder Lee noch Liz auch nur eine Sekunde damit, die Wand nach dem Lichtschalter abzutasten.

Sie taumelten in Richtung Bett, wo Lee sie unsanft, aber weich auf die Matratze fallen ließ. Der Ausdruck seines Gesichts, das abwechselnd grün und blau aus der Dunkelheit gerissen wurde, war undurchdringlich. Doch Liz sah, dass seine Pupillen deutlich geweitet waren. Ihn ließ das hier also keineswegs so kalt, wie er vorgeben wollte.

Sie lag da und starrte zu ihm auf. Ihre Brust hob und senkte sich stoßweise. Und als er seine Arme überkreuzte, den Saum seines Shirts umfasste und es langsam nach oben zog, stockte ihr der Atem. Er war seit über einem Jahr aus dem Musikbusiness heraus, doch sein Körper war noch immer genauso gestählt und durchtrainiert wie damals. Jeder einzelne seiner Bauchmuskeln war klar definiert, und seine Brust war breit und perfekt geformt. Es kribbelte sie in den Fingern, ihn zu berühren, doch etwas an seinem Blick hielt sie zurück.

Es war herausfordernd und bedrohlich zugleich. Und es steigerte ihre Erregung ins Unermessliche.

Wäre sie bei klarem Verstand gewesen, hätte sie sich dafür geschämt, wie sehr sie Lee wollte, und sich zusammengerissen. Doch sie war längst jenseits von Gut und Böse angelangt. Ein Zurück kam für sie nicht mehr infrage.

Lees Blick hielt sie gefangen. Seine Pupillen waren jetzt so groß, dass das Blaugrau seiner Iris fast gänzlich schwarz war. Ihr Herz hämmerte. Ein letztes Mal bäumte sich die Stimme ihrer Vernunft noch auf. Es war Wahnsinn, was sie hier taten.

Wahnsinn!

Doch es zu wissen und entsprechend verantwortungsvoll zu handeln waren zwei komplett verschiedene Paar Schuhe.

Lee ließ sein T-Shirt achtlos zu Boden fallen und trat auf das Bett zu. Mit den Knien hockte er sich auf die Matratze, die sich sofort spürbar unter seinem Gewicht nach unten senkte; ein Bein rechts von ihr, das andere links.

Ohne sie aus den Augen zu lassen, kroch er weiter nach oben. Von ihrer Position auf dem Bett aus sah er aus wie ein Raubtier, bereit, jeden Augenblick anzugreifen. Es ließ ihr das Adrenalin ungebremst ins Blut schießen.

Als er schließlich innehielt, war er nur Zentimeter von der Stelle entfernt, wo sie ihn am meisten ersehnte. Das Pulsieren zwischen ihren Schenkeln war so intensiv, dass es sie fast verrückt machte vor Lust.

„Bitte …!“

Sie schlug die Augen nieder. Hatte sie ihn wirklich gerade angefleht? Ausgerechnet ihn? Den Mann, der ihr seine Liebe gestanden und sie kurz darauf fallengelassen hatte?

Lee schien daran nichts Merkwürdiges zu finden. Er legte ihr einen Finger unters Kinn und hob ihr Gesicht an, sodass sie wieder zu ihm aufblicken musste. „Was willst du?“, fragte er mit einem sadistischen kleinen Lächeln.

Liz wand sich unbehaglich. Als ob er das nicht ganz genau wusste. Doch offensichtlich war er entschlossen, sie nicht vom Haken zu lassen, ehe sie es nicht ausgesprochen hatte. Und ihr Verlangen war stärker als ihre Würde.

„Ich will mit dir schlafen, Lee“, flüsterte sie.

Doch er war offenbar noch immer nicht zufrieden. „Warum?“, fragte er, und sie wollte am liebsten losschreien vor Frustration. „Ich wette, du hattest seit der Sache mit uns Sex mit Dutzenden von Kerlen. Willst du mir erzählen, dass dich keiner davon so befriedigen konnte wie ich?“

Liz verharrte. Sie mochte ihren Stolz heruntergeschluckt und ihn angefleht haben – aber er musste nicht unbedingt wissen, dass sie seit ihm mit keinem anderen Mann mehr geschlafen hatte. Er wollte sie unbedingt für ein Flittchen halten? Schön. Vielleicht machte es die ganze Angelegenheit einfacher.

Es war Sex, nicht mehr und nicht weniger. Je schneller sie sich das hinter die Ohren schrieb, desto besser. Auf diese Weise gab es am Ende keine enttäuschten Erwartungen.

Zumindest hoffte sie das inständig.

„Ja“, stieß sie hervor. „Keiner war so wie du …“

In seinen Augen blitzte es, und er runzelte die Stirn. Ärgerte er sich etwa über ihre Worte? Aber warum?

Sie kam nicht dazu, lange darüber nachzudenken, denn er beugte sich vor und verschloss ihren Mund mit einem Kuss, der das Feuer in ihr noch weiter hochlodern ließ.

Er war nicht sanft oder zärtlich. Ganz im Gegenteil sogar. Ihre Zähne schlugen aufeinander, und es war grob und zornig, aber auch so unfassbar erregend. Liz klammerte sich an Lees Schulter und grub ihre Fingernägel in das harte Fleisch.

Voller Enthusiasmus küsste sie zurück, während sie ihre Hände über seinen Körper wandern ließ, um ihn überall zu berühren, wo sie ihn erreichen konnte. Und – großer Gott! – es war so gut!

Ohne von ihr abzulassen, schob er Liz’ T-Shirt nach oben. Dann zog er sich ganz kurz zurück, damit sie sich das lästige Stück Stoff über den Kopf ziehen konnte. Ihr BH folgte, sodass sie schließlich oben herum unbekleidet vor ihm lag.

Als er sie zuerst mit Blicken verschlang und dann über sie kam und mit den Lippen einen ihrer aufgerichteten Nippel umschloss, entfuhr ihr ein fast klägliches Wimmern.

Wellen aus purem Feuer rollten durch ihren Körper, ihre Nervenenden sprühten Funken. Ihre Hände gruben sich in sein Haar, und sie bäumte sich unter ihm auf wie ein bockendes Fohlen. Das Pulsieren zwischen ihren Schenkeln wurde immer stärker und intensiver, bis sie beinahe sicher war, dass sie jeden Moment kommen würde, ohne dass er das Zentrum ihrer Weiblichkeit auch nur berührt hatte.

Sie spürte bereits, wie sich die Hitze in ihrem Schoß zusammenballte. Jeder Muskel in ihrem Körper spannte sich an, sie hielt den Atem an und – stöhnte frustriert auf, als er sich im letzten Augenblick von ihr zurückzog.

„So haben wir nicht gewettet“, murmelte er mit einem süffisanten Grinsen und kroch rückwärts zum Fußende des Bettes zurück. Auf dem Weg öffnete er den Knopf ihrer Hose und streifte sie zusammen mit ihrem dünnen Baumwollslip herunter.

Sie konnte ihn die ganze Zeit nur anstarren. Ihre Brust hob und senkte sich heftig, und zwischen ihren Schläfen hämmerte es. Sie war dem Höhepunkt vorhin so nah gewesen, dass sie das Gefühl hatte, eine einzige flüchtige Berührung würde reichen, um zu beenden, was er angefangen hatte.

Doch als sie schließlich nackt vor ihm lag und er beide Hände ihre Schenkel hinauffahren ließ, war es wie eine süße, quälende Tortur. Sie war sich nicht sicher, wie lange sie es noch aushalten würde, als er schließlich vom Bett stieg und sie an den Knien zum Rand der Matratze zog, sodass ihre Unterschenkel nach unten baumelten.

Neugierig, was als Nächstes passieren würde, stützte sie sich auf ihren Ellenbogen ab und richtete sich halb auf. Genau in dem Moment schob er ihre Beine auseinander und ging zwischen ihnen auf die Knie. Ein gekeuchtes „Oh Gott!“ entfuhr ihr, als seine Zunge ihre empfindsamste Stelle liebkoste.

Es war mit Worten nicht zu beschreiben, was er mit ihr anstellte. Mit einem Mal kraftlos wie ein neugeborenes Kind, fiel sie auf die Matratze zurück und krallte ihre Finger in die kühlen Laken.

Ihr war heiß und kalt zugleich, ihre Muskeln zitterten, und sie fühlte sich wie von Sinnen. Die Zeit schien stillzustehen und im selben Moment doppelt so schnell abzulaufen wie normal.

Lautes Stöhnen und Seufzen erfüllte den Raum. Wie ein unbeteiligter Dritter stellte sie fest, dass sie selbst es war, die diese Laute der Lust ausstieß. Doch sie war längst über den Punkt hinaus, dass sie so etwas gekümmert hätte. Sie dachte nicht mehr, sie fühlte nur noch. Mit jeder Faser ihres Körpers strebte sie auf die Erfüllung zu, die nur Lee ihr zu geben vermochte.

Seine Lippen, seine Zunge – seine Finger – stellten Dinge mit ihr an, die sie niemals für möglich gehalten hätte. Sie war wie Wachs in seinen Händen.

Immer höher und höher schwang sie sich empor in ungeahnte Sphären der Lust. Doch erneut hielt er inne, bevor sie auch die letzte Grenze überwinden konnte.

Er richtete sich auf und legte ihre Beine über seine Schultern, ehe er mit einem kraftvollen Stoß in sie eindrang.

Es war so überwältigend, dass Liz aufschrie. Sterne explodierten vor ihren Augen, und sie konnte nicht anders, als den Kopf hilflos hin und her zu werfen, während er sie vollkommen ausfüllte.

Seine Bewegungen waren hart und grob, doch das war genau das, was Liz jetzt brauchte. Sie passte sich seinen Bewegungen an und bäumte sich ihm entgegen. Ihr war, als würde sie über einen schmalen Grat balancieren. Das Feuer zwischen ihren Schenkeln ballte sich immer mehr und mehr zusammen, bis sie schließlich mit einem heiseren Keuchen einen Höhepunkt erlebte wie noch nie zuvor in ihrem Leben.

Erschöpft sank Lee neben ihr auf die Matratze. Er legte seinen Unterarm über die Augen und wartete darauf, dass sein rasender Puls sich beruhigte. Und mit jeder verstreichenden Sekunde wuchs die Erkenntnis in ihm heran, dass er einen nicht wiedergutzumachenden Fehler begangen hatte.

Was war ihm bloß eingefallen, mit Liz zu schlafen? Was war ihm eingefallen, ihr einen so lächerlichen Vorschlag zu machen?

Er wollte die Zeit, die sie beide gezwungenermaßen miteinander verbringen musste, nutzen, um sie sich aus dem Kopf zu schlagen? Und wie? Indem er so oft mit ihr schlief, bis er ihrer überdrüssig war? Wie naiv konnte man eigentlich sein?

Es war anderthalb Jahre her, dass er sie zuletzt gesehen hatte. Und nichts, rein gar nichts hatte sich verändert. Er wollte sie jetzt noch immer genauso sehr wie damals – wenn nicht noch mehr.

Ganz gleich, was sie auch getan hatte und wie zornig er noch immer sein mochte. Und ja, zornig war er.

Sehr sogar.

Umso schwerer wog sein Fehler, denn er hatte mit seiner Aktion den Geistern der Vergangenheit Tür und Tor geöffnet.

Doch damit würde er nun leben müssen. Mindestens für die Dauer der Tour von 5EVA – und die dauerte acht Wochen.

Acht Wochen, in denen Liz ständig um ihn herumtanzen und ihn mit ihrem unschuldigen Augenaufschlag um den Verstand bringen würde.

Na, das konnte ja heiter werden.

Aber zumindest ein Positives hatte die ganze Sache, dachte er mit einem schiefen Grinsen.

Der Sex mit Liz war unbestreitbar fantastisch.

5. KAPITEL

Dumm. Dumm. Dumm. Dumm. Dumm. Dumm …

Mit geschlossenen Augen stand Liz unter der Dusche und ließ das heiße Wasser auf sich herabregnen. Genau genommen war es sogar etwas zu heiß für ihren Geschmack, doch sie konnte nicht die Energie aufbringen, die Temperatur herunterzudrehen.

Ihre Glieder fühlten sich schwer wie Blei und seltsam taub an. Die Wirkung des aufputschenden Cocktails aus Adrenalin, Dopamin und Endorphin, der beim Sex ausgeschüttet wurde, flaute leider viel zu schnell ab. Und was zurückblieb, war die ernüchternde Realität.

Sie hatte mit Lee geschlafen.

Liz bezweifelte, dass sie in ihrem Leben jemals eine dümmere Entscheidung getroffen hatte. Und das schloss sogar die Lüge ein, die damals den Stein erst ins Rollen gebracht hatte. Die konnte sie, trotz aller Konsequenzen, nicht wirklich bereuen. Ansonsten hätte sie Lee ganz sicher niemals kennengelernt. Und so verkorkst sie manchmal auch sein mochte – würde man sie in eine Zeitmaschine setzen und ihr die Chance geben, die Geschichte zu verändern, sie würde wieder ganz genauso handeln, wie sie es damals getan hatte. Das mochte verrückt sein, aber es entsprach nun mal den Tatsachen.

Lee war gleichzeitig das Beste und Schlimmste, was ihr je im Leben passiert war. Und sich erneut auf ihn einzulassen, war ein Fehler gewesen.

All die Zeit, die sie sich vorgemacht hatte, dass sie über ihn hinweg war … Vergebene Liebesmüh. Sie hatte ihn nie vergessen. Niemals. Nicht eine Sekunde lang. Und erst jetzt wurde ihr wirklich klar, wie verbittert sie eigentlich gewesen war. Sie hatte sich in ihrem Apartment verkrochen und sich selbst leidgetan. Hatte ihre Arbeit vernachlässigt und ihre Freunde vergrault. Am Ende war ihr nur noch Eugene geblieben, und der war ihr Manager und konnte deshalb nicht die Flucht ergreifen.

Was war sie nur für ein jämmerliches Exemplar Mensch? Diese Frage stellte sie sich nicht zum ersten Mal, wahrlich nicht. Und nun war sie drauf und dran, denselben Fehler noch einmal zu begehen und alle kleinen Fortschritte, die sie in den vergangenen Jahren gemacht hatte, zu zerstören.

Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie daran dachte, wie unglaublich gut es sich angefühlt hatte, in Lees Armen zu liegen. Wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, seine Lippen auf ihren zu spüren. Ihm so nah zu sein, wie ein Mensch dem anderen nur nah sein konnte.

Doch das war im Grunde auch nur eine Illusion. Denn obwohl sie körperlich miteinander vereint gewesen waren, hätten sie emotional wohl kaum weiter voneinander entfernt sein können.

Die Wahrheit war so schlicht und einfach wie schmerzhaft: Lee verachtete sie. Und er hatte nur mit ihr geschlafen, weil er sich körperlich immer noch zu ihr hingezogen fühlte – was er vermutlich selbst nicht verstand.

Und sie? Sie musste zugeben, dass sie noch immer etwas für Lee empfand. Und zwar weit mehr, als sie sich bisher hatte eingestehen wollen.

Verdammt!

Wütend drehte sie das Wasser ab und trat aus der Dusche. Der Spiegel, der über dem Waschbecken hing, war beschlagen, und sie konnte sich selbst nur als unförmigen Schatten darin sehen. Aber genauso fühlte sie sich auch. Wie ein Schatten ihrer selbst – und zwar nicht erst seit heute, sondern schon seit einer geraumen Weile. Ach, wem wollte sie hier eigentlich etwas vormachen? Seit ihre Lüge aufgeflogen und ihr von einem Moment auf den anderen der Boden unter den Füßen weggezogen worden war.

Sicher, dafür trug sie selbst die Verantwortung. Leichter machte das die Sache für sie aber auch nicht. Und genau deshalb musste dieses eine Mal auch das letzte Mal gewesen sein – ganz gleich, was für eine Vereinbarung sich Lee auch vorstellen mochte.

Möglich, dass er auf diese Weise in der Lage war, die Vergangenheit zu verarbeiten. Ihr würde es ganz gewiss nicht gelingen. Ganz im Gegenteil sogar. Sie fürchtete, dass es für sie alles nur noch schlimmer machen würde.

Sie durfte sich nicht der Illusion hingeben, dass es zwischen ihnen noch einmal etwas werden konnte. Wie sagte man so schön? Der Drops war gelutscht. Und zwar endgültig. Sie brauchte nur in Lees Augen zu sehen, um zu wissen, dass sie von ihm nichts anderes zu erwarten hatte als Sex. Und so fantastisch der auch sein mochte – großer Gott, war er fantastisch! –, sie gehörte einfach nicht zu den Menschen, die Sex und Liebe besonders gut voneinander trennen konnten.

Nachdem sie sich kurz mit einem der geradezu unwirklich weichen, unwirklich weißen Saunalaken abgetrocknet hatte, die das Hotel zur Verfügung stellte, trat sie in den Hauptraum und ließ sich mit einem Ächzen aufs Bett fallen. Dann legte sie den Unterarm vor die Augen und atmete tief durch.

Dummerweise war es sogleich wieder Lee, der vor ihrem geistigen Auge auftauchte. Ihr Verstand mochte sich darüber im Klaren sein, dass sie ihn vergessen musste – ihr Körper und ihr Herz aber ließen sich davon nicht so einfach überzeugen.

Vor allem ihr Herz.

Irgendwie musste sie es schaffen, die Tournee von 5EVA hinter sich zu bringen. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr das gelingen sollte, aber es ging nicht anders. Danach, das schwor sie sich inbrünstig, würde sie ernsthaft mit der Arbeit an Fangirl 2 beginnen.

Es war an der Zeit, den Kopf aus dem Sand zu ziehen. Immerhin hatte sie es nur ihrer Vogel-Strauß-Taktik zu verdanken, dass sie jetzt in dieser unglücklichen Situation steckte.

Doch es würde noch eine ganze Weile dauern, bis sie daran auch nur denken konnte. Die Tour hatte noch nicht einmal begonnen, und sie wusste jetzt schon nicht mehr, wie sie mit Lee umgehen sollte. Und sie befürchtete, dass das im Laufe er Zeit ganz sicher nicht besser werden würde.

Doch ihr blieb keine Wahl. Die Suppe hatte sie sich selbst eingebrockt, nun musste sie sie auch auslöffeln.

Lee war wütend.

Wütend auf so ziemlich alles und jeden. Auf Gott und die Welt, auf die Plattenfirma und auf Liz – vor allem aber auf sich selbst.

Er lag auf seinem Bett und starrte an die Decke. Eigentlich gab es mindestens tausend Sachen, um die er sich dringend kümmern musste. So eine Bandtournee organisierte sich schließlich nicht von allein. Und morgen im Laufe des Tages würden schon die Jungs eintreffen, und er würde noch mehr zu tun haben. Das Problem war, dass er sich einfach nicht konzentrieren konnte.

Schuld daran war natürlich eine Frau. Dummerweise nicht irgendeine, sondern eine, die schwarzbraunes Haar hatte und mit Vorliebe verwaschene Bandshirts trug.

Autor

Jo Leigh
<p>Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...
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