Tiffany Extra Hot & Sexy Band 78

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SO SEXY - UND SO UNERREICHBAR von ROCHON, FARRAH
April soll ihm als seine Begleitung nur helfen, die Sponsoren zu umwerben - doch dann bemerkt Damien, wie sexy seine alte Schulfreundin mittlerweile ist. Sie kommen sich gefährlich nah - bis April herausfindet, dass Damien vorhat, mit seinen Bauprojekten ihr altes Viertel zu zerstören …

EINE WOCHE GEHÖRST DU MIR von JACKSON, BRENDA
Damals hat er sie abserviert, weil sie keinen Sex mit ihm wollte. Jetzt steht Highschoolflirt Tyson plötzlich vor ihr - immer noch so unverschämt attraktiv wie früher. Ein heißes Abenteuer mit dem Playboy scheint Hunter verlockend. Aber diesmal will sie das Spiel nach ihren Regeln spielen …

DUNKLE GEHEIMNISSE - UND BRENNENDES VERLANGEN von HOFFMANN, KATE
Er findet sie bewusstlos am Strand, wunderschön wie eine Meerjungfrau, und rettet ihr das Leben. Die schöne Gelsey weckt bei Architekt Kellan ein unbändiges Verlangen, und die beiden beginnen eine leidenschaftliche Affäre. Aber Meerjungfrauen kann man nicht für immer halten …

SINNLICHE VERSCHWÖRUNG IN MIAMI von EVANS, LINDSAY
Seit sie vor dem Altar stehen gelassen wurde, geht Noelle Männern aus dem Weg - bis sie Alexander Diallo kennenlernt. Ihn begehrt sie, wie noch nie einen Mann zuvor und verbringt mit ihm wilde Nächte voller Leidenschaft. Doch dann erfährt sie sein dunkelstes Geheimnis …


  • Erscheinungstag 05.06.2018
  • Bandnummer 0078
  • ISBN / Artikelnummer 9783733752910
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Farrah Rochon, Brenda Jackson, Kate Hoffmann, Lindsay Evans

TIFFANY EXTRA HOT & SEXY BAND 78

FARRAH ROCHON

So sexy – und so unerreichbar

Früher ist ihr nie aufgefallen, wie sexy er ist. Jetzt verbringt April mit Damien aufregend lustvolle Stunden. Bis sie entdeckt, dass er dabei ist, ihren größten Traum zu zerstören …

BRENDA JACKSON

Eine Woche gehörst du mir

Damals auf der Highschool hat sie Nein gesagt – doch jetzt macht die sinnliche Hunter ihm plötzlich diesen Vorschlag: Eine Woche Sex ohne Verpflichtungen. Genug, um Tysons Verlangen nach ihr für immer zu stillen?

KATE HOFFMANN

Dunkle Geheimnisse – und brennendes Verlangen

Erst hat er ihr das Leben gerettet – und jetzt findet Gelsey Nacht für Nacht erotische Erfüllung in seinen Armen. Doch was, wenn Architekt Kellan erfährt, wer sie wirklich ist?

LINDSAY EVANS

Sinnliche Verschwörung in Miami

Alexander Diallo hat sein dunkles Geheimnis bislang erfolgreich verborgen, doch jetzt wird er erpresst. Er soll eine Unbekannte verführen. Leichtes Spiel für den Playboy – bis er sich in Noelle verliebt …

1. KAPITEL

„Dieser Abend schreit nach einem guten Glas Wein!“

April Knight blickte sich in ihrem Wohnzimmer um. Der Boden war überhäuft von Zetteln, Notizen und kreischend bunten Textmarkern. Und sie war noch lange nicht fertig. Es gab so viel zu tun, dass sie sich am liebsten in ihr Bett verkrochen und die Decke über den Kopf gezogen hätte. Aber das war natürlich keine Lösung.

Sie seufzte. „Vielleicht werden es auch zwei Gläser Wein.“

Simeon Wilkes, der gemeinsam mit ihr für A Fresh Start arbeitete, verzog skeptisch die Mundwinkel. Auch er investierte viel Zeit in das Sommerprogramm, das sie hier in ihrer Heimatstadt New Orleans für Teenager anboten. „Ich bin nicht sicher, ob Alkohol eine wirklich gute Idee ist“, sagte er. „Aber was soll’s. Ich nehme ein Bier.“

„Ich nehme heute auch gerne ein Glas Wein. Und das, wo ich normalerweise überhaupt nicht trinke“, ergänzte LaDonna Miller, die Chefin von A Fresh Start, und seufzte leise.

April erhob sich lachend. „Alles klar. Ich bin gleich wieder da. Die Pizza müsste auch jederzeit kommen.“

Genau in diesem Moment klingelte es an der Tür.

Simeon sprang auf. „Ich kümmere mich um die Pizza, du um die Getränke“, sagte er zu April.

Leichtfüßig wie eine Katze ging er zur Tür. April blickte ihm nach und fühlte sich einmal mehr daran erinnert, dass sie deutlich älter war als Simeon. Mit fünfunddreißig Jahren spürte sie gelegentlich ihre Knie beim Aufstehen …

Über sich selbst fast unmerklich den Kopf schüttelnd ging sie in ihre Küche. Vor zwei Jahren, als sie beschlossen hatte, als Solocellistin ein wenig kürzer zu treten und nach New Orleans zurückgekehrt war, hatte sie dieses Haus gekauft. Es war perfekt für sie, und sie fühlte sich wohl hier. Außer an Abenden wie diesen, die viel zu viel Arbeit mit sich brachten.

April zog eine Flasche Rotwein aus dem Weinregal und unterdrückte ein Seufzen. Sie würden heute noch Lösungen finden müssen. Ihnen lief die Zeit davon …

Gerade, als sie mit dem Wein, zwei Gläsern und einer Flasche Bier für Simeon ins Wohnzimmer zurückkehren wollte, summte ihr Handy.

April erwartete eigentlich eine Nachricht von ihrem ehemaligen Künstleragenten Carlos Munoz, der gerade noch eine ausstehende Zahlung von einer Produktionsfirma eintreiben wollte, für die April zuletzt gearbeitet hatte. Doch stattdessen sah April einen anderen Namen auf dem Display.

Damien Alexander.

Ihr Herz machte einen Sprung und begann dann wie rasend zu schlagen. Dummes Herz … Mit zittrigen Fingern öffnete April die Textnachricht.

Hi. Ich würde gerne mir dir reden. Können wir uns morgen treffen?

April versuchte, möglichst unverfänglich zu antworten.

Hallo, Fremder. Klar. Komm zu A Fresh Start. Das Gebäude gegenüber der Katharinenkirche.

Nur wenige Sekunden später kam bereits die Antwort.

Ich bin um 11 Uhr da. Bis morgen.

April starrte für einen Moment auf ihr Telefon, unsicher, ob sie nochmals schreiben sollte. Wirkte das vielleicht zu engagiert? Oder würde Damien sie für unhöflich halten, wenn sie jetzt nicht mehr antwortete?

„Was solls!“ April steckte das Handy in die Tasche zurück und ging mit den Getränken zurück ins Wohnzimmer.

Zu ihrer Überraschung war auch Nicole Russell jetzt da, eine der Tanzlehrerinnen bei A Fresh Start. „Was machst du denn hier? Ich dachte, du hast einen Auftritt in Mandeville?“

„Das wurde abgesagt“, antwortete Nicole.

„Oh, das tut mir leid!“, sagte April. „Ich weiß, dass du dich darauf gefreut hast. Soll ich dir auch ein Glas für den Wein holen?“

Nicole schüttelte den Kopf. „Danke, nein. Ich brauche nichts.“

Alle bedienten sich an Pizza und Getränken, dann brachte LaDonna den Grund ihres Treffens zur Sprache. „Wir müssen uns schnellstens etwas überlegen, sonst ist A Fresh Start erledigt“, sagte sie.

„Sieht es wirklich so schlimm aus?“, fragte Nicole.

„Allerdings. Wir haben mehr als ein Dutzend Kinder weniger als noch im letzten Sommer und müssen wirklich etwas tun, um das Angebot wieder attraktiver zu machen. Die Kids hängen auf der Straße herum. Das ist keine gute Entwicklung.“

April runzelte die Stirn. „Wir können natürlich niemanden zwingen, bei unserem Sommerprogramm mitzumachen“, wandte sie ein. „Aber es ist wichtig, dass wir die Kinder davor bewahren, auf der Straße rumzuhängen. Dann geraten sie wenigstens nicht auf die schiefe Bahn.“

„Richtig“, sagte LaDonna. „Leider verlieren wir die meisten Teilnehmer deshalb, weil wir nur im Sommer das Programm anbieten. Alles andere ist aber utopisch, das können wir als Freiwillige nicht leisten. Wir haben viel zu wenig Mitarbeiter.“

„Und zu wenig Geld“, warf Simeon ein.

Alle in der Gruppe nickten. Sie kannten die Probleme mit den Finanzen. Das Programm basierte auf Spenden und ehrenamtlichen Mitarbeitern. Sie konnten sich keine großen Sprünge erlauben.

„Wir müssen einen Weg finden“, sagte April entschlossen. „Es gibt so begabte Kinder dort draußen. Sie brauchen Förderung. Ich bin nicht dazu bereit, auch nur eines dieser Kinder seiner Chancen zu berauben, nur weil wie die Finanzen nicht geregelt kriegen. Es muss eine Möglichkeit geben! Und wir werden sie auch finden!“

Sie stand auf und ging zum Whiteboard, das LaDonna mitgebracht hatte. „Los“, sagte sie und zückte einen Stift. „Was können wir tun, um Geld aufzutreiben?“

LaDonna erhob sich ebenfalls und hielt einige Blätter Papier in die Höhe. „Wir brauchen nur das hier“, sagte sie. „Das könnte die Lösung sein.“

Alle blickten die Chefin des Projektes an.

„Was ist das?“, fragte Simeon.

„Formulare, um eine staatliche Förderung zu beantragen. Es werden Projekte unterstützt, die Kindern und Jugendlichen nach der Schule oder in den Ferien ein Programm bieten.“

„Klingt nach der perfekten Lösung“, sagte Simeon.

„Ja. Aber sie sind sehr wählerisch. Wir müssen dafür sorgen, dass sie A Fresh Start für förderungswürdig halten.“

April legte den Kopf schief. „Okay. Was sind die Kriterien?“

„Steht alles hier in den Unterlagen. Ich schlage vor, wir gehen alles gemeinsam durch und erstellen dann einen Plan. A Fresh Start soll so attraktiv für die Geldgeber wirken, dass sie gar nicht anders können, als uns in die Förderung aufzunehmen.“

April grinste. Sie spürte Tatendrang in sich aufsteigen. Die Chance auf ein Förderprogramm gab ihr neue Motivation. Den Kindern im Viertel wirklich helfen zu können, lag ihr am Herzen. „Dann lasst uns anfangen“, sagte sie und klatschte in die Hände. „Das wird viel Arbeit, aber das schaffen wir!“

Damien Alexander fluchte, als sein neuer Mercedes über ein Schlagloch fuhr und schmutziges Regenwasser über die Fahrerseite des Wagens spritzte.

In diesem Teil der Stadt reihte sich eine schlechte Straße an die andere, und es war nicht zu vermeiden, sich das Auto zu ruinieren.

Freiwillig hätte er sich diesen Treffpunkt auch niemals ausgesucht, aber er hatte April nichts anderes vorschlagen wollen. Er hatte schließlich mit ihr reden wollen, da war es nur fair, dass er auch zu ihrem Arbeitsplatz fuhr. Auch, wenn er mit diesem Viertel keine guten Gefühle verknüpfte.

Als Damien die Katharinenkirche erreichte, suchte er sich einen Parkplatz. Vor dem Aussteigen schaltete er vorsorglich die Alarmanlage ein, dann ging er zu dem Gebäude, in dem sich A Fresh Start befand. Früher hatte es zur Kirche gehört, nun hatten April und ihre Kollegen dort die Möglichkeit, Kindern aus dem Viertel zu helfen. Damien bewunderte sie für ihren Einsatz. Als er in dieser Gegend aufgewachsen war, hatte es niemanden gegeben, der sich um die Kids kümmerte. Diese Arbeit war so wichtig.

Ohrenbetäubender Lärm hallte ihm entgegen, als er die Tür öffnete. Er trat ein und fand April in einem Raum mit einer Horde von Schülern, die Musikinstrumente in den Händen hielten.

April war gerade damit beschäftigt, einem Mädchen mit einem Cello zu helfen. Damien sah, wie sie geduldig erklärte, was die Schülerin besser machen konnte, bis der richtige Ton voll durch den Raum klang.

April nickte zufrieden, dann wandte sie sich um und erblickte Damien an der Tür. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht.

„Noch 5 Minuten“, sagte sie und bedeutete ihm zu warten.

Damien nickte, lehnte sich gegen den Türrahmen und kreuzte die Arme vor der Brust. Er konnte warten. Und dabei April beim Unterrichten beobachten.

Wie lange war es her, dass sie sich gesehen hatten? Sicher ein halbes Jahr. Sie waren sich auf einer Weihnachtsparty bei Freunden über den Weg gelaufen. Damien hatte damals gerade einen stattlichen Geldbetrag für A Fresh Start gespendet, und April hatte ihm dafür gedankt. Sie hatten ausgemacht, sich möglichst bald auf einen Kaffee zu treffen und über alte Zeiten zu plaudern, doch es war nie etwas daraus geworden.

Damien betrachtete April und merkte irritiert, dass er sie heute anders wahrnahm als früher. Sie waren immer nur Freunde gewesen. Jetzt aber sah er zum ersten Mal, wie bildschön April war, wie grazil sie sich bewegte und mit welchem Elan sie die Schüler unterrichtete.

Er mochte ihre sanfte und dennoch bestimmte Art, das Funkeln in ihren Augen und die Wärme ihres Lächelns.

Damien schluckte schwer. Was war denn nur plötzlich los mit ihm? April war … eben April! Hatte er nie zuvor bemerkt, was für eine anziehende Frau sie war?

Der Unterricht endete, und April kam zu ihm herüber.

Damien lächelte ihr zu. „Danke, dass du dir Zeit für mich nimmst“, sagte er.

April erwiderte das Lächeln. „Wie könnte ich nicht? Schließlich bist du einer der begehrtesten Junggesellen der Stadt.“

„Oh, fang bitte nicht damit an!“ Damien schloss genervt die Augen. „Ich komme mir langsam vor wie auf einer Treibjagd.“

April lachte. „Okay, keine weiteren Junggesellenwitze für die nächste Stunde. Versprochen.“

„Eine ganze Stunde bekomme ich mit dir? Ich fühle mich geehrt.“

April prustete los. „Komm, lass uns gehen. Ich brauche einen Kaffee.“ Bevor sie den Raum verließen, deutete sie noch auf die Instrumente. „Siehst du das? Die ganzen Instrumente haben wir von deiner Spende für die Kinder kaufen können. Sie lieben den Musikunterricht. Ich kann dir nicht genug dafür danken, Damien.“

Damien hoffte inständig, dass April nicht ihre Meinung ändern würde, sobald sie den wahren Grund für seinen Besuch erfuhr …

Sie gingen zum frisch renovierten Café nebenan und setzten sich an einen Tisch. Damien ließ den Blick schweifen. Es war wirklich schön geworden, gemütlich und trotzdem hell, mit einer angenehmen Atmosphäre. Ein Ort, den er so in diesem Viertel nicht erwartet hatte. Durch die bodentiefen Fenster sah man sogar einen im Hinterhof angelegten Garten.

„Ich bin beeindruckt“, sagte er zu April. „Ihr stellt hier wirklich etwas auf die Beine. Aber davon hätte ich eigentlich ausgehen müssen. Du machst keine halben Sachen.“

„Allerdings“, erwiderte April und musste erneut lächeln.

Das Café war eine der Neuerungen im Gebäude. Hier konnten Teenager nicht nur ein Praktikum in der Gastronomie machen, was ihre späteren Jobchancen erhöhte. Die Einnahmen aus dem Café flossen auch direkt wieder in neue Projekte.

Das Café wurde von den Anwohnern gut angenommen, meistens gab es kaum einen freien Tisch.

Damien holte am Tresen zwei Tassen Kaffee. Gerade, als er sie auf den Tisch stellte, steuerte ein junger Mann auf ihn und April zu. Er war Mitte zwanzig und sehr attraktiv.

„Entschuldigt die Störung“, sagte er, als er neben April stehen blieb. „Ich wollte nur fragen, wann ich heute Abend bei dir sein soll?“

Damien spürte einen Druck auf der Brust. Konnte es sein, dass April mit diesem Typen ausging? Wieso hatte er nicht darüber nachgedacht, dass es vielleicht einen Mann in ihrem Leben gab?

„Komm einfach um sieben vorbei“, sagte April.

„Alles klar. Bis später.“ Der Mann lächelte und ging wieder.

April blickte Damien an. „Also – was ist so dringend, dass du den Weg hierher auf dich nimmst?“

„Ich bin nicht gerade oft in der Gegend, das stimmt“, erwiderte Damien. „Aber zuerst etwas Grundsätzliches: Datest du gerade jemanden?“

April starrte ihn ungläubig an. „Wie bitte?“

„Dates. Verabredungen. Romantik, Liebe, eine Beziehung? Gibt es da etwas, was ich wissen sollte?“

April atmete tief durch, und Damien verstand auch, warum. Sie beide kannten sich seit der Highschool, und sie waren immer Freunde gewesen. Über ihr Liebesleben hatten sie in all der Zeit eigentlich nie gesprochen. Es war einfach nicht von Interesse gewesen. Natürlich war April jetzt überrascht.

April straffte die Schultern. „Wenn du so direkt fragst … Nein. Es gibt niemanden.“

Erleichterung durchflutete Damien. „Gut“, sagte er und lehnte sich zurück. „Ich möchte dich nämlich um einen Gefallen bitten. Und es ist eine ziemlich große Sache.“

April wusste nicht, was sie von Damien halten sollte. Normalerweise hatte er immer alles unter Kontrolle. Doch heute war irgendetwas anders als sonst. Er wirkte unsicher und nervös. Das war so ungewöhnlich, dass sie es fast ein wenig beängstigend fand.

Damien trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum. „Der Grund, weshalb ich dich treffen wollte, ist …“

„Kann ich euch noch etwas bringen?“

April wandte den Kopf. Neben ihrem Tisch stand Jessica, eine Teenagerin, die im Café aushalf. Und wie so gut wie jede Frau auf diesem Planeten, schien sie innerhalb von Sekunden in Damien verliebt zu sein. Er hatte einfach eine unglaublich anziehende Aura …

„Danke, wir sind bereits versorgt“, sagte April und deutete auf die Kaffeetassen auf dem Tisch.

Jessicas Lächeln erstarb. „Oh. Okay. Wollt ihr gar nichts essen?“

„Nein, danke. Ich melde mich, wenn wir etwas brauchen.“

Jessica schluckte schwer, doch ihr Gesicht hellte sich deutlich auf, als Damien ihr sein schönstes Lächeln schenkte. „Vielen Dank für deine Mühe“, sagte er.

Jessica lief knallrot an und eilte kichernd an den Tresen zurück.

April seufzte leise. Teenager konnten wirklich anstrengend sein …

Erst jetzt bemerkte sie, dass Jessica nicht die Einzige im Raum war, die von Damien beeindruckt war. Alle Frauen im Café musterten ihn mehr oder weniger unverhohlen.

Ich kann es ihnen nicht verdenken. Ich kann ja auch kaum die Augen von ihm abwenden …

Damien Alexander war schon immer sehr attraktiv gewesen. Dunkle Augen, ein markantes Gesicht mit deutlichen Wangenknochen und sinnlichen Lippen – wie konnte man diesen Mann nicht interessant finden? Außerdem war er groß, mit breiten Schultern und schmalen Hüften. April hatte sich schon vor vielen Jahren in ihn verliebt. Und sich schnell eingestanden, dass sie bei Damien niemals eine Chance haben würde. Und genau deshalb behielt sie ihre Gefühle für sich.

Es genügte, dass andere Frauen sich für Damien zum Affen machten. Sie würde ganz sicher niemals eine von diesen werden. Für niemanden.

Es hatte lange gedauert, bis sie akzeptiert hatte, dass sie und Damien niemals ein Paar werden würden. Aber eine gute Freundschaft war doch auch viel mehr wert, oder? Wenn sie nur endlich ihre Gefühle für ihn endgültig loslassen könnte …

„Bevor du mir sagst, warum du hier bist, muss ich doch noch einmal auf diese Junggesellensache zurückkommen“, sagte April. „Wie kam es dazu? Du, einer der Top-Ten-Bachelors?“

„Müssen wir wirklich darüber reden?“

„Ja. Wir müssen.“

April war fast vom Stuhl gefallen, als sie vor Kurzem im New Orleans Stadtmagazin geblättert und dort einen Bericht über Damien gefunden hatte. Gut hatte er ausgesehen auf dem Foto. Maßgeschneiderter Anzug, lässig … Ein Traummann eben.

Damien räusperte sich. „Ich nehme an, ich entkomme diesem Verhör nicht?“

„Nein. Vergiss es.“

Damien seufzte. „Okay. Also gut. Vor einigen Monaten rief mich einer der Journalisten vom NOLA-Magazin an und fragte, ob sie einen Bericht über mich veröffentlichen dürften. Du kennst mich, ich lasse mir nie eine Chance auf kostenlose Werbung entgehen. Also habe ich zugesagt. Ich hätte niemals gedacht, dass die Sache solche Wellen schlagen würde. Mal ehrlich, wer liest denn dieses Käseblatt?“

April lachte. „Ich zum Beispiel. Und seitdem diese Top-Junggesellen-der-Stadt-Serie gedruckt wird, haben sie ganz sicher noch jede Menge andere Leser gewonnen. Die Idee war genial. Freu dich doch, du hast jede Menge Werbung bekommen.“

„Das ist aber nicht die Werbung, die ich mir erhofft hatte! Ich wollte meine Firma in den Fokus rücken, nicht mich! Ich verkaufe Immobilien, April. Jetzt stehe ich auf der Freiwildliste für alle möglichen Frauen!“

„Nicht, dass das etwas Neues für dich wäre, oder?“ Damien war nie ein Kind von Traurigkeit gewesen und umgab sich gerne mit schönen Frauen.

Damien seufzte. „Ich habe aber weder Zeit noch Lust darauf, mich jagen zu lassen! Ich bin kein Heiratskandidat. Ich will keine Beziehung. Und deshalb wollte ich dich treffen.“

„Oh. Ich versuche, das nicht als Beleidigung zu verstehen“, sagte April.

Damien grinste schief. „Okay, das klang jetzt falsch. So war es nicht gemeint.“

„Schon okay. Worum geht es denn jetzt genau?“

Damien schluckte schwer. „Also … Du weißt ja, dass ich mit Immobilien handle. Und jetzt habe ich einen sehr interessanten Deal in Aussicht. Es geht um die Brache rund um North Galvez und die Kentucky Street.“

„Das Gelände kenne ich“, sagte April. „Alles abrissreif. Was willst du damit, das ist nicht gerade in der Innenstadt?“

„Glaube mir, ich habe Großes damit vor. Und wenn das alles funktioniert, bin ich ein gemachter Mann. Aber leider kann ich die finanziellen Mittel nicht alleine aufbringen. Da kommst du ins Spiel.“

April hob die Augenbrauen. „Normalerweise komme ich auf dich zu, wenn Geld fehlt. Zum Beispiel für A Fresh Start. Ich bin Cellistin, keine Bank. Ich fürchte, ich kann dir da nicht helfen, so gerne ich es würde.“

Damien nickte. „Das ist mir bewusst. Und Geld ist auch nicht die Hilfe, die ich von dir brauche.“

April merkte, wie sich ein flaues Gefühl in ihrem Magen ausbreitete. „Sondern?“

Damien blickte ihr fest in die Augen. „Ich möchte, dass du meine Liebste wirst.“

2. KAPITEL

April starrte Damien mit offenem Mund an. Hatte sie das gerade richtig verstanden? Damien wollte sie als Freundin? Das musste ein Missverständnis sein!

„Lass mich erklären, worum es geht“, sagte Damien jetzt.

„Ich bitte darum“, murmelte April.

In diesem Moment ertönte ein lauter Knall am anderen Ende des Cafés. Ein Tisch fiel um, und zwei Mädchen im Teenageralter gerieten lautstark aneinander.

April war sofort voll im Bilde. Sie sprang auf und hastete auf die beiden zu. „Auseinander!“, rief sie und zog eines der Mädchen vom anderen weg, bevor der Kampf ernsthafte Folgen haben konnte.

„Seid ihr verrückt geworden? Was ist hier los?“

Die beiden Mädchen starrten finster auf den Boden. Niemand antwortete.

April wandte sich an die restlichen Gäste des Cafés, die sich inzwischen um sie versammelt hatten. „Alle setzen sich bitte wieder hin. Es ist nichts geschehen. Keine Sorge. Manchmal muss man hier die Hitzköpfe wieder auf den Boden der Tatsachen zurückbringen, aber ich habe das im Griff.“

Erleichtert sah sie, dass alle Gäste wieder Platz nahmen. Zumindest dem Café schien diese Eskalation gerade nicht direkt geschadet zu haben.

„Also?“, wandte sie sich erneut an die Mädchen. „Ich würde jetzt mal den Mund aufmachen an eurer Stelle.“

Erneutes Schweigen.

April seufzte. „Ihr wisst doch, dass wir hier klare Regeln haben. Es wird nicht gekämpft. Egal, was vorgefallen ist. Es tut mir leid, aber ich muss euch rauswerfen.“

„Wie bitte?“ Die Mädchen starrten sie an. „Du setzt uns vor die Tür?“

„So sind die Regeln. Und ihr kennt sie.“

„Aber wir haben doch gar nicht …“

April hob beschwichtigend die Hand. „Ich kann das nicht endgültig entscheiden. Ms. LaDonna wird sich darum kümmern. Ihr geht jetzt in ihr Büro und erzählt ihr alles. Sie entscheidet dann. Klar?“

Die Teenager schlichen mit gesenkten Köpfen davon, und April wandte sich tief durchatmend zu Damien um. „Du meine Güte … Ich hasse es, wenn so etwas passiert.“

„Wie oft kommt das vor?“, fragte er.

„Zum Glück nicht sehr häufig. Das hier war die zweite brenzlige Situation in diesem Jahr. Ich bin immer froh, wenn wir Schlimmeres abwenden können.“

„Du machst das sehr gut“, sagte Damien. „Das weiß ich ja noch aus eigener Erfahrung.“

„Richtig, ich erinnere mich.“

April war zu ihrer Schulzeit mehr als einmal die Schlichterin gewesen, wenn Damien in Streitigkeiten hineingeraten war. Nicht immer erfolgreich, und dann hatte sie hinterher seine Wunden mit Pflaster versorgt. Niemals, ohne ihn wissen zu lassen, wie enttäuscht sie von ihm war, dass er sich auf solche sinnlosen Kämpfe überhaupt einließ.

Damien hatte schon damals das Gefühl gehabt, dass er in Aprils Gegenwart ein besserer Mensch war. Und ein besserer Mensch sein wollte. Das hatte sich niemals geändert, und wahrscheinlich wäre er heute nicht da, wo er war, hätte es April in seinem Leben nicht gegeben.

„Und? Fliegen die Mädchen raus?“, fragte er.

April nickte. „Für diesen Sommer ganz sicher. Sie können dann nächstes Jahr wieder mitmachen.“

„Ihr habt also wirklich strikte Regeln.“

„Ja. Sonst funktioniert es nicht.“

Sie setzten sich wieder, und April blickte Damien an. „Wo waren wir vorhin stehen geblieben?“

Damien atmete erneut tief durch. „Also … Ich muss Investoren finden, um das neue Projekt verwirklichen zu können. Und dafür muss ich mich auf allen möglichen Veranstaltungen hier in der Stadt herumtreiben und diese Menschen für mich und meine Ideen gewinnen. Das kann ich nur, wenn ich jemanden an meiner Seite habe, der mich begleitet. Ich möchte aber keine Beziehung eingehen, und mich auch noch auf eine Frau konzentrieren müssen. Mein Fokus muss völlig auf dem Business liegen, verstehst du? Ich brauche jemanden an meiner Seite, um den ich mich nicht kümmern muss, und auf den ich mich in so einer Gesellschaft verlassen kann.“

April lehnte sich zurück und kreuzte die Arme vor der Brust. „Verstehe ich das richtig? Ich soll an deiner Seite hübsch aussehen und dafür sorgen, dass andere Frauen denken, du wärst vom Markt? Damit du dich in Ruhe um deine Geschäfte kümmern kannst?“

Damien zögerte kurz, dann zuckte er mit den Schultern. „Ja. Genau genommen geht es darum.“

April runzelte die Stirn. „Warum ausgerechnet ich? Du hast jede Menge Exfreundinnen, die du fragen könntest. Oder hassen die dich alle?“

Damien seufzte leise. „Natürlich könnte ich eine Exfreundin fragen. Aber ich möchte nicht, dass sich diese dann vielleicht wieder Hoffnungen macht.“ Er beugte sich vor und blickte April eindringlich an. „Bitte, April. Ich verspreche dir, dass es für dich kein großer Aufwand wird. Drei oder vier Events, auf die du mich begleiten musst, das ist alles. Gut, vielleicht fünf. Aber mehr ganz sicher nicht.“

„Ich muss nicht sofort zusagen, oder?“

Eigentlich hatte Damien darauf gehofft, aber wenn April Zeit zum Überlegen brauchte, musste er ihr diese zugestehen.

„Natürlich nicht“, sagte er. „Allerdings ist die erste Veranstaltung bereits am Freitagabend. Ich müsste also bald Bescheid wissen, ob du mir den Gefallen tun möchtest.“

Er legte eine Hand auf Aprils. „Bitte. Denk darüber nach. Und dann sag zu.“

Einen Moment war es still. Dann nickte April. „Ich denke darüber nach. Jetzt muss ich los, meine nächste Unterrichtsstunde beginnt gleich. Ich melde mich später bei dir.“

Damien erhob sich gemeinsam mit ihr, küsste sie auf die Wange und lächelte. „Danke, dass du nicht sofort abgelehnt hast. Ich hoffe das Beste. Bis später.“

Er winkte April noch einmal zu und verließ das Gebäude.

Ich möchte, dass du meine Liebste wirst.

April atmete tief durch. Die Erinnerung an Damiens Worte brachte ihr Herz noch immer dazu, schneller zu schlagen.

Dabei war alles nur Show. Er wollte sie nicht als Freundin, sondern als Fassade. Wie dumm, dass April tatsächlich für wenige Sekunden gehofft hatte, er könnte mehr von ihr wollen.

„Du bist eben dämlich“, murmelte April und schloss den Geigenkoffer ein wenig ruppiger als nötig. „Aber immerhin hast du dich nicht wie eine Idiotin verhalten.“

„Führst du mal wieder Selbstgespräche?“

April wirbelte herum und sah Nicole an der Tür zum Musikzimmer stehen. Sie musste lachen. „Hast du mich erschreckt! Ich dachte, es sind schon alle gegangen!“

Nicole lachte ebenfalls. „Ich konnte mir das nicht verkneifen, entschuldige.“ Sie kreuzte die Arme vor der Brust und grinste breit. „Wie ich hörte, hast du dich heute mit Damien Alexander getroffen. Ich wusste nicht, dass ihr euch kennt.“

April legte einen Finger an ihr Kinn. „Lass mich überlegen … Ich glaube, ich habe dir noch von einer Menge anderer Menschen, die ich kenne, nichts erzählt. Wo soll ich anfangen?“

„Scherzkeks. Wie vertraut seid ihr beide denn? Wenn du verstehst, was ich meine?“

„Neugierig bist du gar nicht, oder?“ April musste erneut lachen. „Damien und ich sind zusammen zur Schule gegangen. Wir kennen uns schon ewig.“

„Ihr seid also nur Freunde?“

„Ja. Nur Freunde.“ Warum kroch ihr Enttäuschung bei dieser Antwort in Mark und Bein?

„Wundervoll!“ Nicole strahlte. „Dann hast du sicher nichts dagegen, mich ihm vorzustellen?“

April räusperte sich. „Glaub mir, Damien sucht definitiv nicht nach einer Frau.“

Nicole starrte sie an. „Sag jetzt bitte nicht, dass er schwul ist!“

„Was? Nein. Er hat nur gerade kein Interesse an Dates. Zu viel zu tun, beruflich.“

„Und trotzdem hat er die Zeit gefunden, um dich hier zu treffen? Das finde ich bemerkenswert.“

April seufzte leise. „Wie gesagt, wir sind nur Freunde.“

Kein Grund auszuflippen, nur weil ein attraktiver und erfolgreicher Junggeselle hier auftauchte. Um sie zu sprechen. Oder?

Immerhin hatte Damien Gründe dafür gehabt, und die waren nicht gerade romantischer Natur gewesen. Das würde ihr ganz sicher heute Abend noch schwer auf der Seele liegen, während sie mit Wein, ihrer Lieblingsserie und einem riesigen Becher Eiscreme auf der Couch saß …

In diesem Moment kam LaDonna herein. „Ich habe gehört, Damien Alexander war heute hier? Ist er noch da?“

April rollte mit den Augen. „Gibt es jemanden in diesem Laden, der es nicht mitbekommen hat? Nein, er ist schon wieder weg. Er hat viel zu tun.“

„Schade. Ich hätte ihm gerne persönlich für seine Spende im letzten Jahr gedankt.“

„Wirklich schade, dass du ihn nicht gesehen hast“, sagte Nicole grinsend. „Er ist mindestens einen Blick wert.“

„Genügt es nicht, dass du ein Auge auf Simeon geworfen hast?“, fragte April.

„Moment mal“, antwortete Nicole. „Wenn, dann hat Simeon ein Auge auf mich geworfen. Und ich habe ihm klar und deutlich zu verstehen gegeben, dass ich kein Interesse habe.“

„Hast du nicht“, sagten April und LaDonna gleichzeitig.

Nicole hob eine Braue. „Wie bitte?“

„Ganz ehrlich, du sendest widersprüchliche Signale. Kein Wunder, dass er sich noch immer Hoffnungen macht“, sagte LaDonna.

Nicole runzelte die Stirn. „Okay. Ich werde darüber nachdenken. Aber ich merke es ehrlich gesagt nicht einmal.“

LaDonna seufzte. „Lassen wir dieses Thema. April, zurück zu Damien Alexander. Wie gut kennst du ihn?“

„Wir sind schon ewig befreundet und sind zusammen zur Schule gegangen.“

„Okay …“ LaDonna straffte die Schultern. „Meinst du, du könntest ihn dazu überreden, hier bei A Fresh Start mitzumachen?“

„Wie, mitmachen?“, fragte April überrascht. „Du meinst als Freiwilliger? Ich denke nicht, dass er Zeit dafür hat. Er muss eine Firma führen und hat sehr viel um die Ohren.“

„Es muss ja auch nicht ständig sein. Vielleicht eine Stunde pro Woche? Samstags? Ich würde hier gerne einen Kurs anbieten, in dem die Kids lernen, wie man mit Geld umgeht. Und Damien Alexander scheint mir dafür der ideale Kursleiter zu sein.“

April dachte einen Moment darüber nach. LaDonna hatte recht, die Kinder und Teenager lernten nirgends, wie man Geld sparte, es anlegte und wie man sich damit ein gutes Leben aufbaute. Das Thema war wichtig, und Damien könnte sicher eine Menge Inspiration bieten.

Aber würde er sich darauf einlassen, einmal in der Woche herzukommen? April hatte sich schon darüber gewundert, dass er zu ihrem Treffen heute hier erschienen war. Sie wusste, dass er das Viertel lieber mied. Und er hatte seine Gründe dafür. Es war seiner Familie hier nicht gerade gut gegangen, als er hier aufgewachsen war.

Aber inzwischen hatte sich auch hier eine Menge getan. Die Lage war viel entspannter als früher. Doch auf diesem Ohr schien Damien taub zu sein. April konnte sich nicht vorstellen, dass er sich wirklich dazu überreden lassen würde, regelmäßig herzukommen.

Obwohl …

April musste lächeln. Warum war ihr diese Idee nicht sofort in die Gedanken gekommen?

„Gebt mir einen Tag“, sagte sie zu LaDonna und Nicole. „Oder zwei. Dann gehört Damien Alexander zum Freiwilligenteam von A Fresh Start.“

April war bisher nicht bewusst gewesen, dass Damiens Büro in einem der teuersten Gebäude der Stadt lag. Doch natürlich passte das zu seiner Immobilienfirma.

April wusste, dass ein guter Eindruck zählte. Während ihrer unzähligen Konzertreisen hatte schließlich auch sie die Erwartungshaltung ihrer Zuhörer erfüllt, und sich den Regeln gefügt. Heute bevorzugte sie ein eher einfaches Leben, aber das war eben ihr persönlicher Stil.

Als April in den Fahrstuhl stieg, fand sie sich inmitten perfekt gekleideter Geschäftsleute wieder. Am liebsten wäre sie wieder ausgestiegen und hätte die Treppe genommen, aber Damiens Büro befand sich im obersten Stockwerk.

Immerhin gab ihr die Fahrt bis in die einunddreißigste Etage Gelegenheit, über das bevorstehende Gespräch nachzudenken. Wie würde Damien reagieren, wenn sie ihm ihre Begleitung anbot, dafür aber seinen Einsatz bei A Fresh Start forderte?

Es war gut möglich, dass er es dann doch vorzog, eine seiner Exfreundinnen als Begleitung mitzunehmen. Aber sie musste es wenigstens versuchen. Außerdem hatte sie das merkwürdige Gefühl, dass Damien wirklich verzweifelt war, und dass es einen Grund gab, weshalb er ausgerechnet sie, April, zu den Empfängen mitnehmen wollte. Wenn ihm wirklich so viel daran lag, spielte ihr dieser Umstand gerade in die Hände …

Im obersten Stockwerk angekommen, verließ sie den Fahrstuhl. Schon von Weitem sah sie das Logo von Damiens Firma Alexander Properties, und Stolz erfasste sie. Vor fünf Jahren, als Damien seine Firma gründete, hatte sie ihn bei der Auswahl dieses Logos beraten.

Als sie am Empfang ankam, blickte ihr eine attraktive Frau mit einer pinkfarbenen Brille entgegen. „Guten Tag“, sagte sie. „Kann ich Ihnen helfen?“

„Ja, ich möchte Damien Alexander sprechen“, sagte April. Die Frau runzelte die Stirn, und April kam der Gedanke, dass seit dem Zeitungsartikel über Damien wahrscheinlich reihenweise Frauen hier auftauchten, die ihn unter fadenscheinigen Gründen sprechen wollten …

Doch dann lächelte die Sekretärin. „Jetzt weiß ich, warum Sie mir bekannt vorkommen. Sie sind die Cellistin! April Knight, richtig?“

„Ja, das stimmt“, erwiderte April verdutzt.

Das Lächeln der Sekretärin wurde breiter. „Ich bin Clarissa. Ich habe ihr Foto auf einem Klassikmagazin gesehen. Damien hat es aufgehoben.“

April merkte, dass ihr Herzschlag für einen Moment aussetzte. Damien bewahrte Zeitschriften mit ihrem Foto darauf auf? Das war … merkwürdig.

„Eine Sekunde, bitte. Hallo, Ryan!“ Clarissa grüßte einen blonden Mann, der gerade an den Empfangstresen trat. Er war in der typischen Kluft der Fahrradkuriere gekleidet und nahm ein kleines Päckchen von ihr entgegen.

„Bis nächste Woche“, sagte sie, als er sich zum Gehen wandte. April sah deutlich, dass Clarissa dem jungen Mann auf den knackigen Hintern blickte, während er zum Fahrstuhl zurückging.

„Ich liebe diese durchtrainierten Typen“, sagte die Sekretärin dann und lachte leise. „Kommen Sie mit, April. Damien hatte gerade noch eine Telefonkonferenz, aber er müsste gleich fertig sein.“

April folgte Clarissa in einen Empfangsraum. Sie hatte dunkle, edle Holzmöbel erwartet, doch Damien hatte das Büro in minimalistischer Eleganz ausgestattet. Glas, Stahl, viel Licht.

Wieder einmal wurde April bewusst, dass sie Damien eigentlich kaum kannte. Sie hatten seit der Schulzeit nicht mehr viele Berührungspunkte gehabt.

Damals hatte sie sich vorgestellt, wie es wäre, mit Damien verheiratet zu sein, Kinder zu haben und in einem schönen Haus zu leben. Sie hatte davon geträumt, in einem Sinfonieorchester eine feste Stelle zu haben, während Damien Profi-Footballer war.

Aber es war gänzlich anders gekommen. Und dieser Gedanke gab April einen Stich ins Herz.

„Ich kann warten, wenn Damien noch zu tun hat“, sagte April. „Ich habe keine weiteren Termine.“

Doch in diesem Moment bog Damien bereits um die Ecke. Clarissa hatte ihn über ihr Headset angerufen und informiert, dass April auf ihn wartete. Offenbar hatte er sofort alles stehen und liegen lassen.

„Hey“, sagte er und lächelte April zu. „Das ist ja eine Überraschung!“

„Ich hätte wohl besser vorher anrufen sollen“, erwiderte April. „Hast du ein paar Minuten Zeit für mich?“

„Geht es um deine Antwort auf meine Frage?“

April nickte und sah zu Clarissa hinüber, die aufmerksam das Gespräch verfolgte. „Können wir unter vier Augen miteinander reden?“, fragte sie Damien dann.

„Natürlich. Gehen wir in mein Büro.“

April folgte ihm in ein Büro, das ebenso geschmackvoll eingerichtet war wie der Rest der Firmenräume.

„Setz dich“, sagte Damien. „Möchtest du etwas trinken?“

April schüttelte den Kopf und ließ sich in einen Sessel sinken. „Danke, nein. Um es kurz zu machen. Ja, ich tue dir den Gefallen. Aber die Sache hat einen Haken.“

Damien hob neugierig eine Augenbraue. „Ach ja? Und der wäre?“

„Du musst auch mir einen Gefallen tun.“

Damien lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Ich bin gespannt.“

April atmete einmal tief durch. Sie merkte, dass sie jetzt doch ein wenig nervös wurde. Wie würde Damien auf ihr Angebot reagieren?

„Du bist natürlich als erfolgreicher Geschäftsmann ein großes Vorbild für alle Jugendlichen im Viertel“, begann sie schließlich. „Und A Fresh Start liegt dir am Herzen, sonst hättest du nicht immer wieder dafür gespendet.“

„Richtig. Können wir jetzt bitte zum Punkt kommen?“

„Geduld ist nicht gerade deine Stärke, oder?“

„Nein. Aber ich lebe ganz gut damit. Also, worum geht es?“

„Okay. Also … Spenden sind großartig und wichtig, aber unser Programm kann nur laufen, wenn sich Menschen beteiligen. Wenn sie da sind, höchstpersönlich. Und die Kinder und Jugendlichen ganz konkret unterstützen.“

Damien runzelte die Stirn. „Du meinst damit aber nicht mich, oder?“

„Doch. Natürlich.“

„Wie bitte? Ich soll mich um einen Haufen Teenager kümmern? Ich kann Kinder nicht leiden, und pubertierende Wahnsinnige noch viel weniger!“

„Das ist mir egal. Für die Kinder und Jugendlichen bist du ein großes Idol. Sie wollen alle so sein wie du. Das müssen wir nutzen.“ Sie legte den Kopf schief. „Erinnere dich doch bitte mal an dich in diesem Alter. Wäre es nicht gut gewesen, einen Mentor zu haben?“

„Oh, guter Schachzug, April …“

April lächelte. „Ich weiß. Ernsthaft, Damien! Es ist wichtig, dass die Kids jemanden erleben, der etwas aus sich gemacht hat. Und dessen Chancen auch nur begrenzt waren. Das wird sie motivieren!“

„Ohne deine Hilfe hätte ich es wahrscheinlich nicht geschafft“, sagte Damien ernst. „Das weißt du, April.“

April merkte, dass ihr warm ums Herz wurde. Sie lächelte. „Trotzdem. Du hast dich darauf eingelassen. Und hart für deinen Erfolg gearbeitet. Die Kids bei A Fresh Start verdienen jetzt ebensolche Hilfe, wie du sie bekommen hast. Findest du nicht auch?“

Damien kreuzte die Arme vor der Brust. „Was genau möchtest du von mir?“

„Ich möchte, dass du einen Kurs bei uns gibst. Darüber, wie man mit Geld umgeht. Die meisten dieser Kinder haben keine Ahnung und auch keine guten Vorbilder.“

Damien stöhnte leise auf. „Du weißt, wie beschäftigt ich bin?“

„Ja. Das weiß ich. Genau wie ich, und trotzdem möchtest du, dass ich dich auf die Veranstaltungen hier in der Stadt begleite. Hast du eine Ahnung, wie viel Aufwand so etwas für eine Frau bedeutet? Haare, Make-up, ganz abgesehen von der schwierigen Wahl der richtigen Kleidung … All das erfordert Stunden!“

Damien hob resignierend die Hände. „Gut, ich habe es verstanden.“

„Wir haben alle viel zu tun, Damien. Ich bitte dich lediglich um eine Stunde Zeit in der Woche. Sechs Termine. Denk bitte darüber nach, wie wertvoll deine Arbeit sein wird!“

Damien seufzte leise, doch er schwieg.

April setzte nach. „Nur eine Stunde in der Woche, Damien. Ich kann dir auch bei der Kursplanung helfen. Alles kein Problem.“

„Moment! Ich habe noch nicht zugesagt!“

„Stimmt. Aber wenn du möchtest, dass ich dich zu diesen Events begleite, dann wirst du den Kurs halten müssen.“

Damien starrte sie an. „Das ist der Deal?“

„Das ist der Deal.“

„Das ist Erpressung!“

„Stimmt. Aber für einen guten Zweck.“

Damien lachte hart. „Jetzt wird meine beste Freundin zu der Frau, die mich in der Hand hat? Großartig!“

„Es ist für einen guten Zweck“, wiederholte April stoisch. „Und wenn ich so dafür sorgen kann, dass die Kids besser zurechtkommen, dann werde ich eben zur Erpresserin.“

Damien strich sich durch die Haare. „Seit wann bist du so? Irgendwie mag ich diese Seite an dir. Abgesehen davon, dass du mich erpresst.“

April merkte, dass sie rot wurde. Glücklicherweise stand Damien gerade auf, um sich ein Glas Wasser einzuschenken.

„Warum soll ausgerechnet ich das machen?“, fragte Damien dann. „Es gibt jede Menge erfolgreiche Geschäftsleute.“

„Du bietest dich geradezu an.“ April zögerte kurz, dann beschloss sie, die Karten offen auf den Tisch zu legen. „Wir bewerben uns mit A Fresh Start für eine Förderung durch öffentliche Gelder“, fuhr sie fort. „Damit wir unser Programm das ganze Jahr über anbieten können, nicht nur im Sommer. Dein Name in unserem Kursleiterteam wird für Eindruck sorgen.“

Damien starrte sie an. „Ich kann auf keinen Fall das ganze Jahr über Kurse bei euch geben!“

„Das musst du auch nicht. Wie gesagt, es geht nur um sechs Wochen. Aber dein Name wird uns Aufmerksamkeit bringen.“

Damien lachte. „Ich fasse es nicht. Und wenn ihr die Fördergelder eingestrichen habt, kann ich wieder gehen? Das klingt nicht nach der ehrlichen April, die ich kenne.“

„Auch in diesem Fall heiligt der Zweck die Mittel“, antwortete April kühl. „Es geht um die Kinder.“

Sie merkte, dass sich die Röte auf ihren Wangen vertiefte. So sehr sie sich auch bemühte, locker zu wirken. Damien wusste immer ganz genau, wie er sie aus dem Konzept bringen konnte.

Er grinste. „Du bist hinreißend.“

„Was meinst du?“

„Wie du dich für A Fresh Start einsetzt. Und alles damit rechtfertigst. Während unserer Schulzeit war für dich nicht mal eine Stunde Schuleschwänzen akzeptabel, und jetzt pokerst du mit Regierungsgeldern.“

„Ich pokere doch nicht!“

Damien lachte erneut. „Es ist okay, April. Manchmal muss man tun, was getan werden muss. Ich mag auch diese neue Seite an dir.“

Verdammt! Warum reagierte sie nur immer so extrem auf Damien? Wieso konnte sie seinem Lächeln nicht widerstehen? Und warum war er so unverschämt attraktiv? Selbst nach all den Jahren fühlte sie sich noch zu ihm hingezogen.

„Und?“, sagte sie schließlich. „Akzeptierst du unseren Deal?“

„Erst, wenn du zusagst, mich gleich morgen zum ersten Empfang zu begleiten.“

April blieb der Mund offen stehen. „Gleich morgen?“

Damien nickte.

„Und das wusstest du schon die ganze Zeit?“

„Ich war nicht sicher, ob ich wirklich in der Stadt sein würde. Aber jetzt bin ich hier und würde gerne mit dir zu der Wohltätigkeitsveranstaltung gehen. Es ist eine Ausstellung, für die Künstler sich mit Autismus beschäftigt haben.“

„Oh, ich habe davon gehört“, sagte April. „Die Kampagne ist sehr interessant, und die Einnahmen gehen an die Autismus-Stiftung. Wenn ich richtig informiert bin, möchten sie, dass man zu dem Event möglichst in Blau erscheint, oder?“

„Richtig. Und es werden jede Menge interessante Leute kommen. Menschen, mit denen ich sehr gerne Geschäfte machen möchte, um ehrlich zu sein. Ich denke, es kann nicht schaden, sich auf dieser Veranstaltung blicken zu lassen und Kontakte zu knüpfen. Michael Berger von der McGowan Group soll zum Beispiel dort auftauchen.“

„Die McGowan Group verfügt über jede Menge Geld“, sagte April ernst. „Und sie sind in sehr viele Unternehmen eingebunden.“

„Du kennst die Firma?“

„Ich arbeite für eine Nonprofit-Organisation, Damien. Ich kenne jeden, der regelmäßig Geld zur Verfügung stellt und ein potenzieller Sponsor ist.“

„Die McGowan Group investiert immer wieder auch in Bauprojekte. Deshalb steht eine Zusammenarbeit mit ihnen ganz oben auf meiner Liste“, sagte Damien. „Um den bestmöglichen Eindruck zu machen, brauche ich dich an meiner Seite, April. So, wie du bist. Intelligent, kultiviert – und vor allem nicht mit mir verbandelt.“

Damien machte einen Schritt auf sie zu und streckte die Hand aus. „Also, schlägst du ein?“

April blickte auf Damiens Hand. Man sah noch ganz fein die Narben auf dem Handrücken. Damien wirkte in seinem maßgeschneiderten Anzug, als wäre er in eine wohlhabende Welt hineingeboren worden, aber April wusste um seine Vergangenheit. Und sie wollte gerne mehr erfahren über den Mann, der er inzwischen geworden war. Damien lieferte ihr den perfekten Anlass dafür.

April nahm Damiens Hand. „Gut. Ich bin dabei.“

3. KAPITEL

Damien las aufmerksam den Vertrag durch, den er mit einer Firma abgeschlossen hatte. Es war einer dieser Deals, die er liebte: unkompliziert, schnell abgewickelt, und alle Seiten waren zufrieden.

Ganz anders also als der Deal, den er April gestern zugesagt hatte …

Damien legte die Unterlagen zur Seite und schloss für einen Moment leise seufzend die Augen. Hatte er sich wirklich überreden lassen, an Samstagen einen Kurs im Lower Ninth Ward-Viertel zu geben? Wie hatte das nur passieren können? Seitdem er vor zwei Jahren in seine Heimatstadt New Orleans zurückgekehrt war, hatte er die Gegend gemieden, in der er aufgewachsen war. Und jetzt sollte er ausgerechnet dort irgendwelche Kids darin unterrichten, besser mit ihrem Geld umzugehen? Er musste vollkommen verrückt sein …

Doch das war nur eines der Probleme, die ihm bewusst geworden waren. Seit gestern sah er April definitiv mit anderen Augen. Sie war nicht mehr nur die gute Freundin aus der Schulzeit, sondern eine erschreckend attraktive Frau. Bisher war ihm das nie so deutlich bewusst geworden, aber sie hatten ja auch kaum miteinander zu tun gehabt.

Das würde sich ändern. Von nun an würde er sie regelmäßig treffen. Konnte er damit umgehen? Es machte ihn nervös, dass die Situation sich mehr und mehr seiner Kontrolle entzog. Und zugleich war es auf eine seltsame Art spannend. Er konnte nicht mehr zurück, selbst, wenn er es gewollt hätte.

Es klopfte an der Tür, und Clarissa steckte ihren Kopf herein. „Bist du bereit für das Meeting?“

Damien wandte sich ihr zu. „Ja. Ich bin in einer Minute da. Ist alles vorbereitet?“

Clarissa nickte. „Wir sind so weit. Mei Lui ist nicht im Büro, er sieht sich das Gebäude an der Ecke Clearview und Veterans an. Aber er hat eben Bescheid gegeben, dass es sehr gut aussieht.“

„Hervorragend“, erwiderte Damien und nickte zufrieden.

Es lief alles wie erhofft. Das Gebäude hatte er seit Monaten auf seiner Wunschliste gehabt, und nun kam endlich die Chance, es zu übernehmen. Das Haus eignete sich aufgrund seiner Architektur hervorragend als Filmset, und Damien hatte bereits eine Produktionsfirma an der Hand, die gerne mit ihm zusammenarbeiten würde. Es konnte eine große Sache daraus werden, wenn er es geschickt anging.

Dass Mei Lui, der früher für Filmproduktionen gearbeitet hatte, das Gebäude nun ebenfalls für gut befand, war eine wunderbare Neuigkeit und bestärkte Damien in seinen Plänen.

Er erhob sich und ging in den Konferenzraum hinüber, wo bereits sein Team aus fünf Immobilienspezialisten, zwei Assistenten und sein Finanzberater auf ihn warteten. Clarissa versorgte alle mit Kaffee.

„Schön, dass ihr alle da seid“, begann Damien sofort. „Ich möchte das Alexander Quarter besprechen.“

Es ging um das noch nicht finanzierte Projekt im Ninth Ward, dem Viertel, in dem er aufgewachsen war. Und wegen dem er sich auf den Deal mit April eingelassen hatte. Er würde dem Gebäudekomplex seinen Familiennamen geben, wenn alles wie erwartet über die Bühne ging. Nicht aus Eitelkeit, sondern um seinen Vater zu ehren, der für das Viertel immer alles gegeben hatte. Zuletzt sogar sein Leben …

„Ich denke, wir müssen vorher unbedingt noch über etwas anderes reden“, sagte Rajesh Singers, der Finanzanalyst.

Damien blickte ihn an. Was konnte jetzt wichtiger sein als dieses Projekt? Und warum sah Rajesh so ernst aus?

Dann glitt ein breites Grinsen über das Gesicht seines Mitarbeiters. „Wir wussten gar nicht, dass du zu den begehrtesten Junggesellen der Stadt gehörst. Darüber musst du uns unbedingt ins Bild setzen.“

Die anderen Mitarbeiter lachten und applaudierten. Damien musste lachen. „Na klasse. Jetzt fangt ihr auch noch damit an.“

„Trotzdem ist es gut zu wissen. Wir arbeiten gerne für jemanden, der so begehrt ist, wie du.“

Clarissa brachte ein paar Muffins, und das Meeting konnte endlich beginnen. Damien war froh, dass sie sich nun wieder den Geschäften widmen konnten.

„Ich möchte, dass wir uns ganz darauf konzentrieren, die McGowan Group als Investor zu gewinnen“, sagte Damien. „Trotzdem sollten wir auch einen Plan B vorbereiten. Und einen Plan C und D. Um sicherzugehen. Ihr wisst, dass ich gerne auf alles eingestellt bin.“

„Warum nur so wenige Alternativen? Das Alphabet hat doch noch so viel mehr Buchstaben“, scherzte Rajesh.

Damien grinste. „Stimmt, aber ich übe mich in Zurückhaltung. Außerdem bin ich ziemlich sicher, dass die McGowan Group genau der richtige Partner für uns ist.“ Er wandte sich an Sheryl Bardel, eine seiner besten Mitarbeiterinnen.

„Sheryl, wann wäre der beste Zeitpunkt, um mit anderen potenziellen Investoren in Kontakt zu treten?“

Sheryl überlegte kurz. „Jetzt. In der Zeit zwischen Mardi Gras und dem Beginn der Football Saison. Dann haben alle die Investitionen aus der Karnevalszeit bereits verrechnet, und die neuen Anfragen sind noch nicht eingegangen. Außerdem finden jede Menge Benefizveranstaltungen statt, bei denen du wertvolle Kontakte knüpfen kannst.“ Sie legte den Kopf schief. „Aber ganz ehrlich, Damien – ich mache mir über etwas anderes Gedanken: Du kannst nicht alleine dort auftauchen. Das wirkt einfach nicht gut. Du brauchst jemanden an deiner Seite, mit dem du zusätzlich Eindruck machen kannst.“

„Oh. Keine Sorge, darum habe ich mich gestern bereits gekümmert.“

Stille legte sich über den Raum.

„Du hast eine neue Freundin? Seit gestern?“, fragte Rajesh schließlich.

„Und bist also nicht mehr auf der Liste der Junggesellen?“, ergänzte Clarissa.

Damien seufzte leise. „Doch. Aber ich habe eine gute Freundin gefragt, ob sie mich begleitet. Es ist keine große Sache.“

„Du bist niedlich, wenn du dich rauszureden versuchst“, sagte Clarissa trocken.

Damien verzog die Mundwinkel. „Können wir zu den wirklich wichtigen Dingen kommen und mein Privatleben einfach mal aus allem herauslassen?“

Bis das Meeting endete, sprachen sie dann wirklich nur noch über das, was für die Firma relevant war. Danach kümmerte Damien sich um die Beantwortung seiner E-Mails. Es war einer der Tage, an denen er vor Arbeit kaum zum Atmen kam.

Clarissa klopfte an seine Tür und betrat das Büro. „Leroy Fairchild hat das Treffen am Montag abgesagt“, sagte sie. „Soll ich mit ihm einen neuen Termin vereinbaren?“

Damien schüttelte den Kopf. „Nein, es war ohnehin nicht so wichtig.“

„Okay. Ansonsten konnte ich Karten für die Charity Veranstaltung von Senator Landry organisieren.“

Damien strahlte. „Wunderbar! Das ist die beste Nachricht des Tages, ich danke dir! Trägst du das Event bitte in meinen Kalender ein?“

„Mache ich. Oh, und Kurt hat angerufen. Er wollte wissen, ob der Lunch mit dir heute steht.“

Damien runzelte die Stirn. „Warum schreibt er mir nicht einfach eine Nachricht?“

Clarissa lachte. „Er sagte, dass er lieber anruft, weil er so gerne meine sexy Stimme hört. Dein Bruder ist wirklich ein charmanter Typ, das muss man ihm lassen.“

Damien rollte die Augen. „Ja, das ist typisch für ihn. Clarissa, könntest du etwas beim Chinesen für den Lunch bestellen?“

„Natürlich. Ich bin hier, um jeden Wunsch zu erfüllen.“

Damien rollte erneut mit den Augen. „Natürlich, wie konnte ich das vergessen.“

Nachdem Clarissa gegangen war, ging Damien weitere Unterlagen durch. Doch schon nach kurzer Zeit wurde er erneut aus der Arbeit gerissen.

„Der Gambit ist für dich am Telefon“, quäkte Clarissa durch die Sprechanlage.

Damiens Herz machte einen Sprung. „Ähm … Ich rufe zurück.“

„Das wirst du nicht machen!“ Nur Sekunden später stand Clarissa in seiner Tür und stemmte die Hände in die Hüften. „Du vertröstest die Journalisten vom Gambit nicht auf später! Nur ein Vollidiot würde so etwas machen!“

Damien seufzte. Manchmal bereute er es, mit seinen Mitarbeiter ein möglichst hierarchiearmes Verhältnis zu pflegen. Dann griff er nach dem Telefon und nahm den Anruf entgegen.

Der Gambit war eines der Top-Magazine der Stadt, und es stellte sich heraus, dass sie gerne ein Interview mit ihm führen würden. Natürlich war man über die Junggesellen-Story auf ihn aufmerksam geworden. Die ganze Sache zog immer weitere Kreise.

Damien war sich nicht sicher, wie er damit umgehen sollte. Auf eine Art und Weise war das alles sehr erfreulich, denn bessere Werbung konnte er sich gar nicht wünschen. Andererseits fürchtete er, dass dieser Hype um ihn potenzielle Investoren eher abschrecken könnte. Büßte er so vielleicht die dringend notwendige Seriosität ein, die er für die Verhandlungen brauchte?

Allerdings hatte er bei den kommenden Events April an seiner Seite – und irgendetwas in ihm sagte ihm, dass er sich damit den allergrößten Gefallen tat. April würde dafür sorgen, dass er mit der nötigen Authentizität auftrat. Und sie würde selbst nur den allerbesten Eindruck machen.

Er musste darauf hoffen, dass alles sich zu seinen Gunsten entwickelte. Es hing einfach zu viel davon ab, er durfte nicht scheitern …

Damien parkte seinen Wagen in der Tiefgarage und machte sich dann auf den Weg zu dem chinesischen Restaurant, bei dem Clarissa Essen vorbestellt hatte. Er kannte das Restaurant gut und aß dort selbst oft, seitdem er zurück in der Stadt war.

Es lag in der Mitte von New Orleans und damit in einem der Viertel, die nach Hurrikan Katrina ihre Identität erst hatten wiederfinden müssen. Inzwischen war der Wiederaufbau geschafft und das Viertel eines der schönsten und begehrtesten der Stadt. Jeder wollte dort wohnen, und auch viele Firmen und Start-ups hatten sich dort angesiedelt.

Genau das hatte Damien auch mit den Alexander Quarters vor. Er wollte aus der Gegend ein Viertel machen, um das sich die Menschen regelrecht rissen. Und er war sich sicher, dass ihm das gelingen konnte. Er brauchte nur die richtigen Investoren für das Projekt …

Nachdem Damien das Essen aus dem Restaurant geholt hatte, fuhr er weiter zum Haus seines Bruders. Er selbst hatte Kurt den Bungalow hier im Viertel besorgt, und deshalb kannte er das Haus gut. Er betrachtete sorgfältig die Rampe, die zur Tür führte. Es hatte in den letzten Tagen stark geregnet und er wollte sichergehen, dass Kurt keine Probleme hatte, das Haus zu verlassen oder zurückzukehren. Doch es sah alles gut aus.

Kurt musste ihn kommen gesehen haben, denn in diesem Moment schwang die Haustür auf, und Kurt fuhr mit seinem Rollstuhl auf die kleine Terrasse heraus.

„Hallo, Bruderherz“, sagte er und lachte breit. „Alles klar bei dir?“

Damien grinste zurück. „Ja. Bis auf die Tatsache, dass du mit meiner Sekretärin flirtest.“ Er umarmte seinen vier Jahre älteren Bruder herzlich.

„Hey, Clarissa flirtet mit mir!“, erwiderte Kurt. „Ich kann gar nichts dafür.“

„Das würde ich an deiner Stelle jetzt auch sagen. Clarissa behauptet etwas anderes. Und ich weiß leider wirklich nicht, wem von euch beiden ich glauben soll.“

Kurt seufzte theatralisch und legte eine Hand auf Herzhöhe. „Mein eigener Bruder zweifelt an meinen Worten. Das schmerzt mich jetzt wirklich.“

Damien lachte. „Komm, lass uns essen, bevor alles kalt wird.“

„Hast du Glückskekse mitgebracht?“

„Natürlich. Habe ich das jemals vergessen?“

„Nein. Stimmt.“

Kurt lenkte den elektrischen Rollstuhl ins Haus zurück, und Damien merkte, dass sich ein Kloß in seinem Hals breitmachte. Das war immer so, wenn er seinen Bruder in diesem Zustand sah.

Niemals würde er den Tag vergessen, an dem ihn der Anruf erreicht hatte. Kurt war auf der Straße niedergeschossen worden. Einfach so, ohne Grund, auf dem Weg zum Supermarkt.

Es grenzte an ein Wunder, dass er nicht wie davor ihr Vater – der Polizist gewesen war – im Kugelhagel gestorben war.

In diesem Moment hatte Damien einfach nur noch Angst gehabt. Nur ein Jahr vorher hatten Kurt und er die Mutter beerdigen müssen. Ein Aneurysma in ihrem Kopf hatte sie innerhalb von Sekunden getötet. Und jetzt sah es so aus, als würde Damien mit seinem Bruder auch noch den letzten nahen Angehörigen verlieren.

So schlimm war es nicht gekommen, aber Kurt würde für den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt bleiben. Ein schweres Schicksal, das er mit bewundernswerter Gelassenheit bewältigte.

Damien hatte diese Stadt damals gehasst. Sie hatte ihm seinen Vater und seine Mutter genommen, und nun auch noch fast seinen geliebten Bruder. Niemals wieder hatte er das Viertel betreten wollen, in dem all das geschehen war. Doch nun – durch April – würde er sich oft dort wiederfinden. Und Gutes tun, um den Kindern und Teenagern zu helfen. Es war alles ein wenig absurd, aber vielleicht hatte es einen tieferen Sinn …

Auch die Alexander-Quarters lagen in dem Bezirk, der ihm so tief verhasst war. Dennoch hatte er sich entschlossen, das Geschäft zu wagen. Die Entwicklungschancen waren einfach zu groß, um sie sich entgehen zu lassen. Und vielleicht würde er mit diesen Neuerungen auch einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, das Viertel sicherer und lebenswerter zu machen. Er konnte es nur versuchen.

„Und?“, fragte Kurt, als sie gemeinsam am Tisch saßen. „Soll ich diese Junggesellensache ansprechen, oder lieber nicht?“

Damien stöhnte leise. „Lass es. Bitte. Ich dachte, wenigstens hier würde mich das Thema nicht verfolgen.“

Kurt lachte. „Da hast du mich aber gründlich falsch eingeschätzt. Du weißt natürlich, dass sie sich nur für dich entschieden haben, weil du bekannter bist als ich? Wüssten sie, was für einen fabelhaften Bruder du hast, wäre die Wahl sofort auf mich gefallen.“

„Dein Selbstbewusstsein ist überragend wie immer“, entgegnete Damien trocken.

Kurt lachte erneut. „Wenn es doch stimmt?“

Damien grinste. Es tat gut, Kurt so herzlich lachen zu hören. Es hatte eine Zeit gegeben, in der er befürchtet hatte, dass sein Bruder diese Lebensfreude für immer eingebüßt hatte.

Sie widmeten sich dem chinesischen Essen mit solcher Begeisterung, als würden sie dieses Ritual nicht jede Woche wiederholen. Mit den immergleichen Gerichten. Es war zu einer festen Einrichtung zwischen ihnen beiden geworden.

„Ich war übrigens in der Ecke von St. Claude“, sagte Damien, nachdem sie gegessen hatten. „Gestern.“

Kurz blickte ihn mit großen Augen an. „Ernsthaft? Du warst seit Mamas Beerdigung nicht mehr dort!“

„Na, so lange ist es nicht her … Aber fast. Erinnerst du dich an April Knight, meine Schulfreundin? Sie arbeitet ehrenamtlich für A Fresh Start, dieses Kinder- und Jugendprojekt.“

„Natürlich erinnere ich mich an April! Und von dem Projekt habe ich gehört. Klingt vielversprechend.“

„Ja. Sie haben vor Kurzem ein Café eröffnet; es ist wirklich gut geworden. Ich bin hingefahren, um mir anzusehen, wie sich alles entwickelt.“

„Hmm.“

„Was, hmm?“

Kurt schwieg. Damien hasste es, wenn sein Bruder ihn so auf die Folter spannte.

„Los, spuck es aus. Ich sehe, dass etwas in dir vorgeht!“

Kurt lächelte. „Hast du April getroffen, als du dort warst?“

„Ja, natürlich. Warum?“

„Damien, ich bitte dich! Spielt ihr noch immer dieses lächerliche Wir-sind-nur-gute-Freunde-Spiel?“

„Wir sind nur gute Freunde.“

„Und ich bin der Mann im Mond. Mit Verlaub, du bist ein Vollidiot, Damien.“

„Weil ich mit April befreundet bin?“

„Weil du nicht siehst, was für eine großartige Frau sie ist! Ihr passt perfekt zusammen!“

Damien biss sich auf die Lippen. Als wüsste er all das nicht schon längst selbst … Er hatte lange versucht, die Faszination, die April auf ihn ausübte, zu ignorieren. Aber es war immer schwerer geworden, und jetzt musste er sich seinen Gefühlen für sie stellen. Es brachte nichts mehr, davor wegzulaufen …

„Ich wollte heute eigentlich nur in Ruhe mit dir Mittag essen“, sagte Damien und lehnte sich zurück. „Der Rat von Doktor Love stand nicht auf meiner Liste.“

„April ist attraktiv, intelligent und absolut hinreißend. Ich habe letztens eines ihrer Konzerte im Fernsehen gesehen.“

„Seit wann interessierst du dich für klassische Musik?“

„Das tut nichts zur Sache. Fakt ist, dass du dich beeilen solltest. Eine Frau wie April bleibt nicht lange alleine. Lass sie dir nicht von einem anderen Typen wegschnappen.“

Damien schwieg. Er wusste nichts zu erwidern. Kurt hatte recht, doch das konnte er ihm gegenüber nicht zugeben. Außerdem war die ganze Sache schwierig.

Damien verfügte über viel Erfahrung mit Frauen, und er hatte es immer geliebt, Frauen zu erobern. Bei April allerdings war das anders.

Sie waren schon so lange Freunde, dass er sich nicht einmal traute, ernsthaft darüber nachzudenken, sie zu verführen. April verdiente mehr als nur eine Affäre … Und Damien war sich nicht sicher, ob er der richtige Mann für eine feste Beziehung war.

Doch vielleicht musste er über seinen Schatten springen und es einfach versuchen? April hatte in ihm schon immer den Wunsch geweckt, ein besserer Mensch zu sein. Vielleicht konnte er für sie auch ein treuer, fürsorglicher Partner werden? Das, was ihm bisher niemals bei einer anderen Frau gelungen war?

„Damien? Hallo?“

Damien schreckt aus seinen Gedanken hoch und blickte Kurt an. „Was ist los?“

„Nichts. Außer, dass du so weggetreten warst, dass ich dir fast ein Glas Wasser ins Gesicht gekippt hätte.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hoffe, du bist bei der Arbeit nicht auch so unkonzentriert.“

Damien atmete tief durch und strich sich dann die Haare aus der Stirn. „Entschuldige bitte. Ich habe einfach sehr viel um die Ohren im Moment.“

„Lass mich raten. Du musst dich gegen all die wild gewordenen Frauen wehren, die dich vom ewigen Junggesellen zum Ehemann machen wollen?“

Damien warf seinem Bruder einen Blick zu, der andere Menschen ganz sicher geängstigt hätte. Kurt amüsierte sich allerdings nur noch mehr.

„Okay“, sagte Damien schließlich resigniert. „Ich trolle mich lieber wieder ins Büro, bevor du noch mehr Witze über mich machst. Heute Abend ist eine wichtige geschäftliche Veranstaltung im Warehouse District, und ich muss vorher unbedingt noch ein paar Dinge erledigen.“

Er stand auf und wollte die Reste des Essens zusammenräumen, doch Kurt hielt ihn auf. „Lass das bitte, ich kann das selbst machen.“

„Ich helfe dir aber gerne.“

„Das weiß ich. Aber ich möchte es selbst tun.“

Damien nickte und ließ Kurt gewähren. Er wusste, dass sein Bruder alles daran setzte, trotz seiner Behinderung möglichst unabhängig zu bleiben. Es brachte nichts, darüber zu diskutieren. Und er konnte Kurt auch verstehen. Er selbst hätte es wahrscheinlich ebenso gemacht.

„Gut, ich fahre dann mal wieder zurück ins Büro.“ Er wandte sich zur Tür, Kurt begleitete ihn.

„Denkst du daran, dass diesen Mittwoch der Mitarbeiter von der Firma für elektrische Rollstühle kommt? Und kurz darauf jemand, der die Renovierungsarbeiten für das Haus mit dir plant?“

„Ich habe dir bereits gesagt, dass ich keinen neuen Rollstuhl will, wenn im Zuge dessen auch das Haus umgebaut werden muss“, erwiderte Kurt.

„Und ich habe dir bereits gesagt, dass mich das nicht interessiert. Ich möchte, dass du den bequemsten und besten Rollstuhl bekommst, der zu haben ist. Und wenn ich dafür das Haus umbauen lassen muss, weil er breitere Türrahmen braucht, dann machen wir das so. Ich werde mich davon nicht abbringen lassen, Kurt. Vergiss es.“

„Moment mal. Ich bin der Ältere von uns beiden.“

„Und auch das ist mir in dieser Angelegenheit vollkommen egal.“

„Manchmal bist du wirklich die Pest“, sagte Kurt.

„Ich weiß. Und hier bin ich es gerne.“

Kurt lachte. „Okay, ich sehe, ich habe keine Chance. Danke fürs Essen.“

„Gerne jederzeit wieder.“ Damien beugte sich vor und umarmte seinen Bruder. „Wir sehen uns nächste Woche. Gleiche Zeit, gleicher Ort, gleiches Essen.“

„Ich hasse diese Stelle! Ich kriege es einfach nicht hin!“

April umrundete schnell ihren Tisch und stellte sich an die Seite ihrer Schülerin. Linsey Turner war eine begabte junge Cellistin, aber manchmal fürchtete April, Linsey könnte in ihrer impulsiven Art irgendwann das Cello quer durch den Raum an die Wand schleudern.

„Kein Grund für Frust“, antwortete April der Teenagerin. „Das wird es nicht besser machen. Heb dir deine Konzentration für die Musik auf. Ich weiß, dass du dieses Stück in- und auswendig kennst. Du musst zulassen, dass die Musik dich ergreift.“

Vorsichtig nahm sie die Notenblätter vom Pult. „Schließ die Augen. Und versuche es noch einmal. Dieses Mal auswendig.“

April beobachtete, wie Linsey tief durchatmete, dann die Augen schloss und von vorne begann. Sekunden später drangen die Töne von Carl Philipp Emanuel Bachs zweitem Cellokonzert weich durch den Raum. April merkte, dass Linsey sich anspannte, je näher sie der schwierigen Stelle kam.

„Ganz ruhig bleiben“, warf sie ein. „Du kannst das.“

Und tatsächlich bewältigte Linsey diese Passage nun hervorragend.

April strahlte sie an, als das Stück beendet war und Linsey die Augen wieder öffnete. „Siehst du? Was habe ich gesagt? Du bist super!“

„Noch nicht perfekt, aber auf dem besten Weg dahin“, sagte Linsey und lachte. „Pass auf, wenn ich noch ein bisschen mehr übe, kann ich bald deinen Job übernehmen.“

„Da bin ich gespannt. Und ich finde die Idee gar nicht schlecht. Ich habe überlegt, eine Assistentin einzustellen. Für die Basiskurse der Anfänger. Könntest du dir das vorstellen?“

Linsey starrte sie an. „Ernsthaft? Das wäre klasse!“

April sah die Begeisterung in Linseys Gesicht und wusste in diesem Moment, dass sie die Assistentenstelle tatsächlich beantragen würde. Linsey würde so vieles lernen können, und auf diese Weise konnten sie noch mehr Schüler an die Musik heranführen.

„Ich sehe, was ich tun kann. Okay? Aber das kriegen wir bestimmt hin. Wir sehen uns in der nächsten Stunde.“

Linsey strahlte sie noch einmal an, packte dann ihre Sachen zusammen und verließ pfeifend den Raum.

April musste lächeln, als sie eine Beethovenmelodie erkannte. Es war schön, zu sehen, wie diese Jugendlichen klassische Musik für sich entdeckten. Ohne diese Förderung hier würden die meisten nie damit in Berührung kommen. Und damit sehr viel Schönes nicht kennenlernen.

Viele ihrer Schüler hatte April bereits im letzten Jahr unterrichtet, und sie war stolz darauf, welche Fortschritte sie machten. Linsey war ohne Zweifel die begabteste bei A Fresh Start, aber auch andere waren sehr gute Musiker. Wie würden all diese Kinder und Jugendlichen ihre Talente erst entwickeln, wenn das Angebot nicht nur während des Sommers, sondern das ganze Jahr über zur Verfügung stehen würde?

„Wir werden einen Weg finden. Ganz sicher“, murmelte April vor sich hin, während sie ihre Unterrichtsmaterialien zusammenräumte. Dieses Projekt war wichtig. Sie wollte unbedingt, dass A Fresh Start noch weiter wuchs.

In diesem Moment summte ihr Handy in ihrer Tasche. April zog es heraus und blickte auf das Display. Es war eine Nachricht von Damien.

Ich hole dich heute Abend um sieben ab. Denk daran, etwas Blaues zu tragen.

April merkte, wie eine leichte Nervosität sich in ihr ausbreitete. Nicht nur, weil sie nicht genau wusste, was an diesem Abend auf sie zukam. Nein, auch, weil sie Damien wiedersehen würde …

„Jetzt mach dich nicht verrückt. Es ist schließlich kein Date.“ Doch diese Worte, mit denen sie sich selbst daran erinnerte, warum sie Damien heute begleitete, zeigten nicht besonders viel Wirkung. Es fühlte sich an wie ein Date. Auch, wenn sie wusste, dass Damien nicht an einer Frau wie ihr interessiert war.

Sie würde damit umgehen können. Das konnte sie schließlich schon seit vielen Jahren. Ein Abend mehr oder weniger würde daran nichts ändern. Und außerdem hatten sie und Damien einen fairen Deal ausgehandelt. Sie tat ihm einen Gefallen, und er daraufhin ihr. Es gab also klare Grenzen, an denen sie sich orientieren konnte.

April antwortete mit einer kurzen Textnachricht, dass sie Damien um sieben Uhr erwartete, und fügte noch ihre Adresse hinzu.

Damien war seit zwei Jahren wieder in New Orleans, hatte sie aber noch nie zu Hause besucht. Sie ihn allerdings auch nicht.

Früher hatten sie sich viel öfter gesehen, aber ihre Freundschaft war mit den Jahren lockerer geworden. Manchmal hatten sie monatelang nichts voneinander gehört. Das war der Nachteil an einer unverbindlichen Freundschaft …

April seufzte leise. Sie hatten sich beide nicht darum gekümmert, den Kontakt intensiver aufrechtzuerhalten. Man lebte sich eben auseinander. Vielleicht war das auch besser gewesen? Es war ihr immer schwergefallen, damit zu leben, dass sie bei Damien niemals eine Chance haben würde …

April verließ das Gebäude, stieg in ihren Wagen und machte sich auf den Weg nach Hause. Sie lebte im Bywaterviertel, nicht weit entfernt vom legendären French Quarter.

Durch den Hurrikan Katrina war Bywater hart getroffen worden. Es hatte fast vollständig saniert werden müssen und sich seitdem sehr verändert. Mit am stärksten hatte es allerdings Ninth Ward getroffen, das Viertel, in dem A Fresh Start nun den Jugendlichen half.

April hatte schon einige Jahre lang nicht mehr in New Orleans gelebt, als Katrina große Teile der Stadt zerstörte, aber ihre gesamte Familie war noch hier gewesen. Das Elternhaus wurde nahezu dem Erdboden gleichgemacht, sie hatten nur wenige Dinge retten können. Auch die Häuser ihrer drei Brüder waren zerstört worden.

Aprils Brüder waren in New Orleans geblieben und hatten einen Neustart gewagt. Ihre Eltern allerdings hatten die Stadt nach der Naturkatastrophe für immer verlassen und waren nach Albuquerque gezogen. Viele Einwohner von New Orleans hatten an anderer Stelle im Land neu angefangen.

April erlebte ihre Heimatstadt nun seit Jahren in Aufbruchsstimmung. Die Katastrophe hatte auch Gutes mit sich gebracht. Viele Viertel erfanden sich vollkommen neu, und die Menschen waren durch den Hurrikan enger zusammengerückt.

April war sich sicher, dass auch Ninth Ward eine gute Zukunft vor sich hatte. Mit ihrem Musikunterricht für die Schüler trug sie das Ihre dazu bei.

April parkte den Wagen vor dem Haus, in dem sie lebte, schob den Rest des italienischen Essens vom Tag zuvor in die Mikrowelle und griff nach ihrem Tablet, um die E-Mails zu checken. Dazu war sie den ganzen Tag über nicht gekommen.

Ihr Herz begann wie rasend zu schlagen, als sie die Nachricht ihres Agenten sah.

BOSTON und PHILADELPHIA!

Für eine klassische Musikerin wie April waren das nicht nur Städtenamen. Es waren die Bezeichnungen für zwei der besten Orchester der Welt. Was hatte das zu bedeuten? Es war fast unmöglich, als Solist an diese Orchester heranzukommen. Selbst für jemanden, der so gefragt war wie April. Die besten Musiker der Welt wurden im Normalfall vom Orchester angefragt.

Mit zitternden Fingern klickte sie auf die Nachricht.

Tatsächlich. Carlos berichtete, dass er mit den Dirigenten beider Orchester in Verhandlung stand. Das bedeutete natürlich noch nichts, aber es genügte, um Aprils Blutdruck in die Höhe zu jagen.

Sie war eigentlich sehr zufrieden mit ihrem jetzigen Leben. Die einzigen Konzertreisen, die sie für die Zukunft nicht ausgeschlossen hatte, waren Tourneen mit eben diesen beiden Orchestern. Wohlwissend, dass die Chance, jemals an ein solches Engagement zu kommen, mehr als gering war.

Was, wenn ihr Traum jetzt doch noch in Erfüllung ging? Sie hatte sich genau das so viele Jahre lang gewünscht: begleitet von den besten Orchestern der Welt überall Konzerte zu geben!

April schluckte schwer. Was wurde dann aus den Kindern und Jugendlichen bei A Fresh Start? Sie würde ihr Ehrenamt dann aufgeben und ihre Schüler sich selbst überlassen müssen. Würden diese dann vielleicht den Spaß an der Musik wieder verlieren? Und, was noch schlimmer wäre, sich wieder auf den Straßen des Ninth Ward herumtreiben?

Als April nach New Orleans zurückgekehrt war, hatte sie ihre Mitarbeit bei A Fresh Start nur für eine begrenzte Zeit geplant. Sie hatte nicht vorgehabt, dort fest einzusteigen. Es war anders gekommen; das ganze Projekt war ihr ans Herz gewachsen. So sehr, dass sie sich nicht vorstellen konnte, es aufzugeben … Die Arbeit bei A Fresh Start war wichtig!

Wichtiger als Boston und Philly?

Kein klassischer Musiker, der seinen Beruf wirklich liebte, würde ein solches Angebot ausschlagen.

Aber bisher war ja noch gar nichts entschieden. Warum also machte sie sich jetzt schon Gedanken darüber?

April beschloss, diese Angelegenheit erst einmal zur Seite zu schieben. Heute brauchte sie ihre Aufmerksamkeit ohnehin für andere Dinge. Die Veranstaltung am Abend. Und Damien, dessen Freundin sie spielen würde.

Noch etwas, was ihr Herz schneller schlagen ließ …

4. KAPITEL

Damien verfluchte die Hitze. In einem Sakko war es zu dieser Jahreszeit in New Orleans fast unerträglich. Auf gar keinen Fall würde er dieses Ding den ganzen Abend über tragen – egal, wie wichtig diese Veranstaltung war!

Er lenkte seinen Wagen in die Straße, in der April wohnte, und parkte. Überrascht stellte er fest, dass ihr Haus sehr gemütlich aussah. Es war eines der klassischen alten Holzhäuser, für die New Orleans berühmt war. April hatte die Fensterläden in dunklem Lila gestrichen, und in dem kleinen Vorgarten wuchsen bunte Blumen.

Er hatte April nicht als jemanden eingeschätzt, dem ein gemütliches Heim besonders wichtig war. Schließlich war sie als Musikerin viel auf Reisen gewesen. Andererseits hätte er auch nicht gedacht, dass sie zu undurchschaubaren Tricks greifen würde, um etwas durchzusetzen – und genau das passierte ja gerade, um die Fördergelder für A Fresh Start zu bekommen.

Eigentlich wusste er nicht viel über April, obwohl sie sich schon so lange kannten, das fiel Damien immer mehr auf. Zeit, das zu ändern!

Er musste lächeln, als er sich daran erinnerte, wie sehr April ihm damals in der Schule geholfen hatte.

April hatte immer gute Noten gehabt. Sehr still war sie, zurückgezogen und vor allem sehr fleißig. Als sie angeboten hatte, ihm zu helfen, hatte Damien sie natürlich abgewiesen. Er hatte vor allem cool sein wollen. Und seine Freunde in der Schule beeindruckte man nicht mit Fleiß.

April hatte sich aber nicht abschütteln lassen und wochenlang immer wieder auf ihn eingeredet. Ihre Hartnäckigkeit hatte ihn zum Nachdenken gebracht, aber wirklich darauf eingelassen hatte Damien sich erst, als April der Geduldsfaden eines Tages gerissen war.

Du würdest dir einen großen Gefallen tun, wenn du nicht so ein sturer Vollidiot bleibst!

Er hörte die Worte noch immer, die sie ihm damals an den Kopf geworfen hatte, und musste selbst jetzt noch lachen. Die stille, immer etwas schüchterne April war damals vollkommen über sich hinausgewachsen. Weil sie an ihn geglaubt hatte. Und Damien war froh, dass sie ihn damals nicht zu früh aufgegeben hatte. Er wäre heute nicht derjenige, der er war, hätte es April nicht gegeben.

Noch heute wünschte er sich, dass April stolz auf ihn war. Und er tat alles dafür, was nötig war. Erst jetzt wurde Damien bewusst, wie wichtig ihm Aprils Meinung noch immer war.

Er stieg aus, überquerte die Straße und schritt durch den Vorgarten und die Veranda zur Haustür. Er klopfte, und es dauerte einen Moment, dann hörte er Aprils Schritte.

Als sie ihm die Tür öffnete, setzte Damiens Herz für einen Moment aus. Er konnte kaum fassen, was er sah – war das wirklich April? Die April, die er kannte?

Sie trug ein blaues Kleid, das ihre wunderschöne Figur perfekt umschmeichelte, und wirkte darin wie eine Göttin. Damien musste mehrfach durchatmen, um sein rasendes Herz wieder zu beruhigen. „Du siehst umwerfend aus“, sagte er dann.

„Vielen Dank.“ Legte sich da eine leichte Röte auf Aprils Wangen, oder kam auch das von der Sommersonne?

April machte einen Schritt zur Seite. „Komm rein“, sagte sie. „Ich bin fast fertig. Nimm dir etwas zu trinken aus dem Kühlschrank, ich bin gleich wieder da.“

Damien fand April auch so schon perfekt, aber er betrat das Haus, holte sich ein Wasser aus dem Kühlschrank und setzte sich auf das Sofa.

„Es ist wahnsinnig warm draußen“, sagte er laut. „Falls du eine Jacke mitnehmen möchtest – darauf kannst du verzichten.“

April kam ins Wohnzimmer und befestigte im Gehen noch zum Kleid passende Ohrringe an ihren Ohrläppchen. „Keine Sorge, ich bin ja nicht wahnsinnig. Wie lange hast du gebraucht, um dich wieder an die Hitze in New Orleans zu gewöhnen?“

„Ich glaube, ich habe es bis heute nicht wirklich geschafft“, erwiderte Damien. „Ich arbeite noch daran.“ Er legte den Kopf schief. „Schönes Haus, übrigens. Ich wundere mich allerdings ein wenig, dass du ausgerechnet dieses Viertel hier gewählt hast, als du in die Stadt zurückgekommen bist. Oder dass du überhaupt zurückgekommen bist“, sagte er dann.

„Warum wundert dich das?“

„Naja. Du warst überall auf der Welt. Ich hätte gedacht, dass New York, Paris oder San Francisco interessanter sind.“

April zuckte mit den Schultern. „Ja, es gibt wundervolle Orte auf der Welt. Ich liebe all diese Städte wirklich sehr. Aber keine davon ist mein Zuhause. Das ist New Orleans.“

„Ich verstehe …“ Damien stand auf und blickte sich um. „Dein Haus ist anders als ich es erwartet habe. Ich mag es, wirklich. Aber es ist anders, als ich dachte. Ich lerne ohnehin sehr viel über dich seit einigen Tagen.“

„Ach ja? Und was zum Beispiel?“ Aprils Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.

„Dass du nicht vor Erpressung zurückschreckst, um eine gute Sache durchzusetzen. Das zum Beispiel“, antwortete Damien und lächelte. „Ich hatte keine andere Chance, als darauf einzugehen.“ Er machte einen Schritt auf April zu. „Die April Knight, die ich zu kennen glaubte, hätte so etwas nicht gemacht.“

„Ich bin eben nicht mehr das schüchterne kleine Mädchen von früher.“

Sie blickten sich in die Augen, und plötzlich fühlte es sich an, als wäre der ganze Raum von prickelnder Erotik erfüllt. Damien räusperte sich und machte einen weiteren Schritt auf April zu, doch sie wandte sich rasch ab.

„Also, was erwartet mich bei dieser Veranstaltung heute Abend?“, fragte sie betont geschäftsmäßig.

Damien antwortete nicht sofort. Er brauchte noch einen Augenblick, um diesen Moment der extremen Anziehung zwischen ihnen beiden einzuordnen. Was geschah da nur zwischen ihm und April?

Es war ganz sicher nicht der richtige Zeitpunkt, um das herauszufinden. Er musste sich auf die Geschäftskontakte konzentrieren, und er brauchte Aprils volle Unterstützung. Es war wichtig, dass sie sich an seiner Seite wohlfühlte.

Damien kreuzte die Arme vor der Brust. „Ganz einfach. Deine Aufgabe ist es, die Frau an meiner Seite zu spielen. Und mir so die ganzen wild gewordenen Hühner vom Leib zu halten, die sich nach diesem Junggesellenbericht überall auf mich stürzen.“

„Charmante Aufgabe. Wollen wir nur hoffen, dass ich diesen Abend überlebe. Und mich nicht irgendeine Horde wild gewordener Hühner um die Ecke bringt, um mich loszuwerden“, entgegnete April trocken.

Damien musste lachen. „So drastisch wird es nicht werden, hoffe ich. Notfalls beschütze ich dich. Obwohl ich denke, dass du dich auch sehr gut selbst beschützen kannst.“

„Stimmt. Ich brauche keinen Helden, der auf mich aufpasst. Und ich bin nicht ganz so unschuldig, wie ich heute auf viele wirken werde.“

Damien schluckte schwer, als er den weichen, leicht verführerischen Klang in Aprils Stimme wahrnahm. Es fühlte sich an, als würden ihre Worte warm über seine Haut gleiten. Gefährlich … Er musste dringend dafür sorgen, dass sie wieder über Unverfängliches redeten.

„Also“, begann er erneut, „noch mal zum heutigen Abend. Es werden viele Galerien in der Julia Street geöffnet sein. Alle teilnehmenden Künstler verkaufen Bilder für einen guten Zweck: zur Unterstützung der Forschung im Bereich Autismus. Außerdem stellen zehn der besten Restaurants der Stadt Erfrischungen und Snacks zur Verfügung.“

„Aha. Und wie hilft das dir bei deinen Geschäften weiter?“

„Die McGowan Group ist einer der größten Sponsoren des Abends. Und sie wären auch der perfekte Investor für mein Projekt.“

„Würde es dir etwas ausmachen, mir von deinem wichtigen Projekt zu erzählen?“

„Habe ich das noch nicht gemacht?“

„Nein. Und darf ich dich daran erinnern, dass wir uns seit Weihnachten nicht mehr gesehen hatten? Ich habe keine Ahnung, was du beruflich vorhast.“

Damien legte den Kopf schief. „Es tut mir leid, dass wir so wenig Kontakt hatten. Wirklich.“

April lächelte. „Daran war ich genauso beteiligt wie du. Ich hätte dich ja schließlich auch einfach einmal anrufen können. Mich würde es aber wirklich freuen, wenn wir mehr Kontakt hätten. Gerade jetzt, da wir beide wieder in New Orleans leben.“

„Oh, da wir ja ohnehin sehr viel Zeit diesen Sommer miteinander verbringen werden, sehe ich da kein Problem. Vielleicht wünschst du dir in einigen Wochen, mich niemals mehr sehen zu müssen.“

Ein merkwürdiges Glitzern legte sich in Aprils Augen. „Das kann ich mir nur schwer vorstellen.“

Da war es wieder. Das Prickeln, das sich zwischen sie beide legte wie feine Ströme Elektrizität.

„Und? Was ist jetzt mit deinem wichtigen Projekt. Worum geht es?“, fragte April schließlich.

„Oh … Ach ja, das Projekt“, sagte Damien, und musste sich zusammenreißen, um sich zu konzentrieren. Warum brachte April ihn nur so durcheinander? Das passierte ihm doch sonst bei keiner Frau! „Ich möchte ein komplettes Wohnviertel neu aufbauen. Mit allem Drum und Dran. Geschäfte, Büros, Wohnungen.“

April blinzelte ungläubig. „In Ninth Ward?“

„Ganz genau. Ich habe das Gelände bereits gekauft. Langfristig soll Ninth Ward so attraktiv und viel sicherer werden – und mehr neue Anwohner anziehen.“

Aprils Blick wurde weich. „Das klingt wundervoll, Damien“, sagte sie. „Ich hatte keine Ahnung, dass du so etwas vorhast.“

Damien merkte, dass sein Herz ganz warm wurde. Und er fühlte Glück in sich aufsteigen, weil April stolz auf ihn war.

Ja, für diese Art, in der sie ihn ansah, wenn sie stolz auf ihn war, hätte Damien jederzeit alles gegeben. Er wollte April glücklich machen. Es war ein starker Antrieb. Sie löste etwas in ihm aus, das immer besser und besser werden wollte. Für sie.

Als Jugendlicher hatte Damien seine Eltern mit Stolz erfüllen wollen. Doch nachdem sein Vater bei einer Schießerei ums Leben gekommen war, hatte seine Mutter Damien nicht mehr viel Aufmerksamkeit widmen können. Sie hatte all ihre Kraft gebraucht, um die Familie alleine durchzubringen. Plötzlich verwitwet und alleinerziehend, war das Leben für sie hart gewesen.

Es hatte Damiens und Kurts Mutter genügt, wenn die beiden Brüder jeden Abend rechtzeitig nach Hause kamen und nicht in Konflikt mit dem Gesetz gerieten. Alles andere war nicht mehr wichtig gewesen.

Aber April hatte sich für ihn interessiert. Und sie hatte in der Schule dafür gesorgt, dass er seine Stärken entdeckte und seine Talente lebte. Über jede gute Note hatte sie sich aufrichtig gemeinsam mit ihm gefreut, und Damien hatte damals den Wunsch gehabt, sie immer wieder und wieder zu beeindrucken und positiv zu überraschen. Das hatte sich bis heute nicht geändert.

„Das Viertel kann Veränderungen gebrauchen“, sagte er, mit den Gedanken wieder zurück bei den Alexander Quarters. „Und ich denke, ich bin in der richtigen Position, um so etwas durchzusetzen.“

„Du bist vor allem auch die richtige Person, um so etwas durchzusetzen“, entgegnete April. „Du bist in dem Viertel geboren und aufgewachsen. Du weißt genau, worum es geht und was verbessert werden muss. Ich bin sicher, dass das auch potenziellen Investoren die Entscheidung erleichtert. Und die Anwohner im Viertel respektieren dich ebenfalls.“

„Ja, aber es hängt dennoch von den Investoren ab. Wenn niemand Geld dafür gibt, kann ich die Pläne nicht umsetzen. Die McGowan Group ist am vielversprechendsten. Ich muss sie einfach für das Projekt gewinnen!“

„Du bist sehr überzeugend, wenn du etwas wirklich möchtest. Ich bin sicher, du wirst erreichen, dass sie das Projekt unterstützen.“

„Danke für dein Vertrauen in mich“, sagte Damien.

April nahm Damiens Hand und drückte sie sanft. „Ich meine es genau so, wie ich es sage. Ich glaube an dich.“

Damiens Herz machte einen Sprung, als er April so ermutigend lächeln sah. Und in diesem Moment hatte er auch das Gefühl, dass nichts und niemand ihn aufhalten konnte. Nicht mit April an seiner Seite.

Als sie am Ort der Abendveranstaltung ankamen, waren Parkplätze im gesamten Viertel nur noch schwer zu finden. Sie ergatterten noch einen im Parkhaus und machten sich dann auf den Weg in die erste der Galerien.

Die Straßen waren mit Lichterketten geschmückt worden, und Kellner in Weiß boten elegant gekleideten Gästen Champagner an. Damien sah am Logo auf dem Etikett einer Champagnerflasche, dass die McGowan Group auch hier als Sponsor auftrat.

April und Damien tauchten in das bunte Treiben ein. Überall waren lachende und sich eifrig unterhaltende Menschen, und der Sommerabend bot die perfekte Kulisse.

April griff nach Damiens Hand und zwinkerte ihm zu. „Und? Bereit für unseren großen Auftritt für die gute Sache?“

Damien grinste. „Allerdings. Lass uns loslegen.“

Er konnte später gar nicht sagen, was er eigentlich von dem Abend erwartet hatte. Aber ganz sicher nicht, dass es April innerhalb weniger Minuten gelang, einen Großteil der anwesenden Menschen für sich einzunehmen.

Andererseits hätte ihn das auch nicht verwundern sollen, denn Auftritte in der Öffentlichkeit gehörten eben zu Aprils Beruf. Selbstverständlich konnte sie sich perfekt präsentieren und ihren Charme spielen lassen.

Damien hatte nicht besonders viel Ahnung von Kunst, und umso mehr war er froh, April an seiner Seite zu haben. So konnte er sich in den vielen Galerien wenigstens nicht blamieren … April unterhielt sich mit größter Leichtigkeit über die ausgestellten Werke, sodass er einfach nur danebenstehen und nicken musste. Alleine wäre er ganz sicher nicht so schnell mit vielen Menschen hier in Kontakt gekommen, doch April schaffte das mühelos.

Selbstverständlich bemerkte Damien aber auch die vielen neugierigen Blicke, mit denen er und April gemustert wurden. Einige Leute sprachen ihn sogar auf den Junggesellenartikel in dem Stadtmagazin an, doch niemand verlor ein Wort über die Tatsache, dass er, zumindest dem Anschein nach, mit seiner neuen Freundin hier auf dem Event war.

Sie mussten fünf Galerien abklappern, bis Damien in der Menschenmenge endlich Michael Berger ausfindig machte. Er war einer der führenden Köpfe der McGowan Group und daher der richtige Kontaktmann für Damiens Pläne.

„Das ist er“, sagte Damien zu April und deutete mit einem Nicken zu Michael Berger hinüber.

April hob eine Braue. „Der Mann mit van Goghs Sternennacht auf der Krawatte?“

Damien runzelte die Stirn. „Wie bitte?“

April seufzte. „Schon gut. Der große Typ neben der Frau mit den roten Haaren?“

Damien nickte. „Ja, genau. Ich bin ihm schon mehrere Male begegnet, aber es ist einige Monate her.“

„Okay. Dann solltest du seine Erinnerung an dich unbedingt sofort reaktivieren.“

Doch in diesem Moment drängte sich eine Frau mit einem Mikrofon durch die Menge und steuerte auf Damien zu. April sah, dass ihr ein Kameramann folgte.

„Mr. Alexander, ich bin Rebecca James von Channel 9. Wir dürfen Ihnen doch sicher einige Fragen stellen?“

Ohne die Antwort abzuwarten, gab sie dem Kameramann ein Zeichen und dieser startete die Aufnahme. Grelles Scheinwerferlicht erfasste Damien und April.

„Wir sind hier auf einer Veranstaltung, bei der sich Künstler für die Autismus-Hilfe einsetzen“, sagte die Reporterin in die Kamera. „Ich freue mich, dass auch einer der begehrtesten Junggesellen der Stadt an diesem Abend dabei ist – der erfolgreiche Unternehmer Damien Alexander! Mr. Alexander, wie fühlt es sich für sie an, nun so berühmt und gefragt zu sein?“

April war einen Moment unsicher, was sie tun sollte. Doch Damien wirkte im Scheinwerferlicht so hilflos, dass sie einfach einschreiten musste. Sie lächelte die Reporterin an und antwortete an Damiens Stelle: „Ich denke, Mr. Alexander würde lieber über die Veranstaltung sprechen.“

Autor

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