Bitte sag Ja zur Liebe

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Als Alex die hübsche Lisa kennenlernt, weiß er sofort: Sie ist die Richtige. Doch kaum gesteht er ihr, dass er nicht so mittellos ist, wie sie glaubt, sondern ein Multimillionär mit ernsten Heiratsabsichten und großem Kinderwunsch, erstarrt seine Traumfrau plötzlich zu Eis …


  • Erscheinungstag 27.07.2020
  • Bandnummer 3
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717810
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

PROLOG

Mitte Juli, Residenz Hunt

Harrison Hunt, Begründer und Generaldirektor des Softwarekonzerns HuntCom, saß hinter dem riesigen Mahagonischreibtisch in der Bibliothek seines eindrucksvollen Herrenhauses. Nacheinander musterte er seine Sprösslinge. „Vier Söhne und keine Heirat.“ Mit unverhohlener Missbilligung schüttelte er den Kopf. „Seit meinem Zusammenbruch im letzten Monat habe ich eine Menge über diese Familie nachgedacht. Bisher hat es mich nicht weiter gestört, dass ihr keine Anstalten macht, die Zukunft unseres Familiennamens zu sichern. Aber ich hätte an dem Herzinfarkt sterben können“, sagte er tonlos. „Ich kann jeden Augenblick sterben.“

Mit grimmiger Miene fuhr er fort: „Und mir ist klar geworden, dass ihr vier nie freiwillig heiraten werdet – was bedeutet, dass ich keine Enkelkinder bekomme. Doch der Name Hunt darf mit euch nicht aussterben. Ich werde die Zukunft unserer Familie nicht länger dem Zufall überlassen. Ich gebe euch ein Jahr. Am Ende dieses Jahres wird nicht nur jeder von euch verheiratet sein, sondern auch ein Kind haben oder zumindest mit seiner Frau eins erwarten.“

Alex Hunt starrte seinen Vater an. Er konnte nicht fassen, was er da hörte. Die Gesichter seiner Brüder verrieten, dass es ihnen ebenso erging. War das ein Scherz? War durch den Herzanfall auch Harrys Verstand beeinträchtigt worden?

Absolutes Schweigen breitete sich nach diesen Worten aus.

Die Stille dehnte sich aus.

Harry ließ sich nicht beirren und erklärte ruhig: „Wenn nur einer von euch sich weigert, werden alle von euch ihre Positionen bei HuntCom verlieren. Und damit auch die Sonderrechte, die euch so viel bedeuten.“

„Das kann nicht dein Ernst sein“, sagte Gray, der mit seinen zweiundvierzig Jahren der älteste Sohn war.

„Das ist mein voller Ernst.“

J.T., achtunddreißig und somit um zwei Jahre älter als Alex, schaltete sich ein: „Bei allem Respekt, Harry: Wie willst du denn die Firma ohne uns führen?“ Er erinnerte an den Ausbau der Werke in Seattle und Neu-Delhi, der gerade in vollem Gang war. Wenn J.T. durch einen neuen Bauleiter ersetzt werden müsste, würden sich die Arbeiten über Monate hinziehen. „Die Verzögerung würde HuntCom ein Vermögen kosten.“

Harry blieb unbeeindruckt. „Das spielt dann keine Rolle mehr: Wenn ihr vier euch weigert, werde ich HuntCom nämlich verkaufen. In Stücken, wenn es sein muss.“

Zu dem HuntCom-Imperium zählten die Ranch, die Justin so sehr liebte, ebenso wie die Insel, die J.T.s Leidenschaft war, und auch die Stiftung, die Alex so viel bedeutete. Grays Herz hing an der gesamten Firma. Er war seit seinem Studienabschluss Harrys Stellvertreter in allen Belangen und Anwärter auf den Posten des Generaldirektors.

Alex trat einen Schritt vor. „Das ist doch verrückt! Was willst du damit denn erreichen?“

„Dass ihr alle eine Familie gegründet habt, bevor ich sterbe. Und zwar mit einer Frau, die eine gute Ehefrau und Mutter ist. Cornelia wird sich eure Auserwählten vorher ansehen.“

„Tante Cornelia weiß Bescheid?“, fragte Justin fassungslos. Er war mit vierunddreißig der Jüngste in der Runde.

Auch Alex konnte nicht glauben, dass ihre nüchterne „Tante ehrenhalber“ bei einem derart verrückten Plan mitmachte.

„Noch nicht“, gestand Harry ein.

Alex atmete auf. Er war sicher, dass seine Brüder genauso erleichtert waren. Denn wenn Cornelia von dem Vorhaben erfuhr, würde sie dem gewiss ein Ende setzen. Sie war die Einzige, die Harry überhaupt etwas ausreden konnte. Auf sie hörte er immer.

„Also noch mal zum Mitschreiben“, sagte Justin. „Nur um sicher zu sein, dass ich das richtig verstanden habe. Jeder von uns muss sich bereit erklären, innerhalb eines Jahres zu heiraten und ein Kind zu bekommen …“

„Ihr müsst euch alle dazu bereit erklären“, warf Harry ein. „Alle vier. Wenn einer sich weigert, verlieren alle. In dem Fall könnt ihr euch von eurem bisherigen Leben mit den Jobs bei HuntCom verabschieden.“

„… und die Frauen müssen alle Tante Cornelias Zustimmung finden“, fügte Justin hinzu.

Alex hätte laut gelacht, wenn ihm die Situation nicht so unwirklich erschienen wäre. Hätte Cornelia Harrys Ehefrauen vorher geprüft, wäre das Leben aller vier Brüder völlig anders verlaufen.

Harry nickte. „Sie ist eine kluge Frau. Sie wird erkennen, ob eure Kandidatinnen sich für die Ehe eignen.“ Er ignorierte die Fassungslosigkeit seiner Söhne. „Ach ja, das hätte ich beinahe vergessen. Ihr dürft ihnen nicht verraten, dass ihr reich seid. Oder dass ihr meine Söhne seid. Ich will keine Schwiegertochter, die nur aufs Geld aus ist. Auf solche Frauen bin ich schließlich selbst immer reingefallen. Meine Fehler braucht ihr nun wirklich nicht nachzumachen.“

Und meine Mutter ist die geldgierigste von allen, dachte Alex. Die Erinnerung an sie rief wie immer bittere Gefühle in ihm hervor. Energisch verdrängte er diese Gedanken. Schon seit Langem wusste er, dass solche Grübeleien zu keinem Ziel führten.

„Ich weiß ja nicht, wie die anderen darüber denken“, sagte Justin schließlich, „aber von mir aus kannst du dir meinen Job sonst wohin stecken. Ich lasse mir von niemandem vorschreiben, wen ich heirate oder ob ich heirate oder wann ich Kinder kriege.“

Harry verzog das Gesicht, als wäre er zutiefst verletzt worden.

Was erwartet der alte Herr denn, wenn er uns wie Gegenstände behandelt? Denkt er wirklich, dass wir uns einfach fügen? Schließlich sind wir seine Söhne. Da muss ihm doch klar sein, dass wir ihm ähnlich sind und uns ebenso wenig wie er etwas vorschreiben lassen!

Harry blickte in die Runde. „Wie steht ihr dazu?“

Mit Nachdruck erklärte Alex: „Ich bin nicht wie meine Mutter. Mich kannst du nicht kaufen.“

Obwohl alle Brüder dem zustimmten, gab Harry nicht nach. Bevor er den Raum verließ, verkündete er: „Ihr habt jetzt Zeit, darüber nachzudenken, und zwar genau bis in drei Tagen um Punkt acht Uhr abends – keine Minute später. Wenn ich bis dahin nichts von euch gehört habe, werde ich meine Anwälte anweisen, nach Käufern für die HuntCom-Unternehmen zu suchen.“

Sobald sich die Tür hinter ihm schloss, fluchte Justin leise: „So ein Mistkerl. Ich glaube, er meint es wirklich ernst.“

„Er blufft nur“, meinte Gray. „Er würde den Konzern nie verkaufen.“ Als sein Handy klingelte, warf er einen Blick auf das Display und drückte den Anruf weg. „Auch wenn er die Aktienmehrheit hat.“

Da Harry einundfünfzig Prozent von HuntCom gehörten, konnten nicht einmal seine Söhne und Tante Cornelia zusammen einen Verkauf verhindern.

„Es wird bestimmt nicht so weit kommen“, versicherte J.T. „Er wird HuntCom nicht verkaufen. Was den Rest angeht …“

„Ich bin mir da nicht so sicher“, unterbrach Justin ihn. „Cornelia sagt, dass er sich seit dem Herzinfarkt verändert hat.“

„Inwiefern?“, wollte Gray wissen.

„Sie findet, dass er seitdem irgendwie melancholisch wirkt. Dabei weiß er nicht mal, wie man das Wort überhaupt schreibt“, gab Justin zurück.

Hoffnungsvoll murmelte J.T.: „Er kann die Sache mit dem Verkauf nicht ernst meinen.“

Alex verzog das Gesicht. „Und wenn er es nun tatsächlich tut?“ Harry war ein starrsinniger Mensch. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, war er nicht mehr davon abzubringen.

„Wir stecken gerade mitten in den Verhandlungen, um eine andere Firma aufzukaufen.“ Gray zog sich das Jackett an. „Auf keinen Fall stößt er HuntCom ab, bevor diese Sache abgewickelt ist, und das kann noch Monate dauern. Er blufft nur.“

„Bist du dir da ganz sicher?“, hakte Alex nach. „Was ist, wenn du dich irrst? Willst du das Risiko wirklich eingehen und alles aufs Spiel setzen, wofür du achtzehn Jahre lang gearbeitet hast? Ich will jedenfalls nicht, dass die Hunt Foundation geschlossen oder von einem anderen geführt wird.“ Seit Jahren leitete er nun schon den wohltätigen Zweig des Unternehmens. Für ihn war die Stiftung weit mehr als ein Job – sie war seine Leidenschaft, sein Lebensinhalt. Für ihn war das Beste daran, ein Hunt zu sein, dass er über Mittel verfügte, um Gutes in der Welt zu tun.

Eine Weile diskutierten die Brüder weiter über Harrys Ultimatum. Da sie sich jedoch nicht einigen konnten, beendeten sie schließlich die Debatte.

Auf dem Weg zur Tür wandte Gray sich an J.T. „Sehen wir uns dann morgen im Büro? Wenn wir das Werk in Singapur tatsächlich übernehmen, sollten wir vorher die Zahlen durchgehen.“

„Mein Kopf ist noch in Indien“, murrte J.T. „Lass uns nächste Woche über Singapur reden, wenn ich wieder zurück bin.“

Alex folgte seinen Brüdern nach draußen. Bei jedem Besuch bewunderte er die Schönheit des Anwesens. Direkt am Lake Washington lag es auf halber Höhe an einem Hang, der eine wundervolle Aussicht auf den See bot. Am anderen Ufer schimmerten die Lichter der Skyline von Seattle.

Nicht, dass Alex an einem Ort wie diesem leben wollte. Wer brauchte schon ein Herrenhaus? Selbst als alle vier Brüder zusammen mit Harry hier gewohnt hatten, waren sie eher wie verlorene Seelen darin herumgeirrt. Dass Harry mittlerweile ganz allein mit dem Personal dort lebte, kam ihm beinahe lächerlich vor. Doch anscheinend brauchte Harry solche deutlichen Zeichen für seinen Wohlstand.

Alex grübelte weiter über den irrwitzigen Plan seines Vaters nach, während er in seinem silbergrauen Geländewagen zurück in die Innenstadt fuhr. Sein Apartment befand sich ganz in der Nähe der Hunt Foundation.

Zu Hause mixte er sich einen Drink, bereitete einen Salat zu und wärmte die Reste vom Hähnchen vom Vortag auf. Inzwischen war er völlig überzeugt, dass er und seine Brüder den Deal mit Harry ablehnen sollten. Das Ultimatum war einfach zu manipulativ, zu kalt und berechnend. Außerdem glaubte er allmählich wie Gray, dass Harry nur bluffte.

Der „Big Boss“ hatte viel zu lange und viel zu hart daran gearbeitet, sich sein Imperium aufzubauen, um es jetzt so einfach aufzugeben. Sicherlich mussten sie nur abwarten, bis Harry einen Rückzieher machen würde.

Unter diesen Gesichtspunkten erschreckte es Alex geradezu, als Justin am folgenden Abend ein Konferenzgespräch mit allen Brüdern einberief und verkündete: „Ich denke, wir sollten auf den Deal eingehen.“

„Wieso das denn?“

„Ich war gerade bei Cornelia. Sie glaubt, dass Harrys Drohung, den Konzern zu verkaufen, durchaus ernst zu nehmen ist. Seit seinem Herzinfarkt macht sie sich verstärkt Sorgen um ihn. Plötzlich ist er sehr nachdenklich: Er hat ihr wohl mehrmals gestanden, dass er sich nichts sehnlicher wünscht, als dass wir heiraten und Kinder kriegen. Sie meint, dass er seine Fehler wiedergutmachen will. Außerdem scheint er seine geschäftlichen und privaten Angelegenheiten regeln zu wollen, um sich auf den Tod vorzubereiten.“

Fassungslos hakte Alex nach: „Also bist du bereit, dich von ihm zu einer Ehe zwingen zu lassen?“

„Nein. Ich bin nur bereit, so zu tun, als ob ich darauf eingehe. Ich werde eine Frau heiraten, die er akzeptiert, und sie in Seattle einquartieren. Aber dann gehe ich zurück nach Idaho, wo ich auch weiterhin den Großteil meiner Zeit verbringen will, genau wie bisher. In Wirklichkeit entscheide ich also selbst über mein Leben.“

„Und du glaubst, dass das klappt?“, wollte J.T. wissen.

„Aber sicher“, erwiderte Justin voller Zynismus. „Sobald die Braut merkt, dass sie einen Hunt geheiratet hat und über ein großzügiges Taschengeld verfügt, wird sie ihr Leben in Seattle nur zu gern akzeptieren. Und ich kann wohnen, wo ich will. Den Unterhalt für sie und das Kind werde ich als Sonderausgaben abschreiben.“

„Das klingt verdammt kaltschnäuzig“, sagte Alex. Ganz zu schweigen davon, dass es unehrenhaft war. Doch das sprach er lieber nicht aus. Seine Brüder hielten ihn ohnehin für übertrieben idealistisch und unterstellten ihm, dass er die kalte Realität der Welt nicht begriff.

„Nicht kaltschnäuzig“, widersprach Justin. „Ich denke nur praktisch.“

„Du weißt aber“, warf Gray ein, „dass es nicht funktioniert, wenn nicht alle von uns mitmachen.“

„Natürlich weiß ich das. Außerdem schlage ich vor, dass wir einen Vertrag aufsetzen, der Harry in Zukunft die Hände bindet. Wir müssen sicherstellen, dass er uns nie wieder so erpressen kann.“

„Unbedingt“, stimmte J.T. zu. „Wenn er glaubt, dass er uns mit Drohungen manipulieren kann, wird er sich sofort die nächste List ausdenken.“

„Also brauchen wir einen hieb- und stichfesten Vertragstext“, überlegte Justin laut. „Wenn Harry uns nur mit finanziellen Einbußen gedroht hätte, wäre mir das herzlich egal. Aber ich will die Ranch nicht verlieren. Was meint ihr?“

„Wenn es nur ums Geld ginge, könnte er mich auch gernhaben“, sagte Alex. „Er weiß ganz genau, wie er uns kriegen kann, was?“

„Ja. Er will uns das wegnehmen, was uns am meisten bedeutet“, bestätigte J.T. in grimmigem Ton.

Nachdenklich gab Gray zu bedenken: „Dabei ist sein Plan von vornherein schon zum Scheitern verurteilt. Harry will, dass die Frau nichts von unserer Herkunft erfährt. Wie sollen wir in Seattle eine Frau finden, die uns nicht kennt?“

„Na ja, ich bin in den letzten zwei Jahren die meiste Zeit in Idaho gewesen …“, begann Justin.

„Schön für dich“, unterbrach J.T. ihn. „Von uns dreien gab es allerdings schon Fotos in der Presse, nicht nur hier in Seattle, sondern auch in überregionalen Magazinen.“

„Aber nicht so oft wie von Harry“, beschwichtigte Gray. „Er ist das offizielle Aushängeschild von HuntCom. Das muss man dem alten Herrn lassen: Er hat uns so weit wie möglich von der Presse abgeschirmt.“

„Stimmt“, pflichtete Justin ihm bei. „Also, wie sieht’s aus, Gray? Bist du dabei?“

Alex wusste, dass Gray genauso starrsinnig sein konnte wie Harry. „Du musst zugeben, dass Harry alle Trümpfe in der Hand hält.“

„Wie immer,“, seufzte J.T.

Gray gab schließlich nach. „Es stinkt mir total, aber ich bin wohl oder übel dabei – solange wir eine Möglichkeit finden, Harry in Zukunft die Hände zu binden.“

Sobald das Konferenzgespräch endete, dachte Alex über Mittel und Wege nach, um seinen Teil dieser seltsamen Abmachung zu erfüllen – und seine eigene Jagd nach Cinderella in Angriff zu nehmen.

1. KAPITEL

Sechs Wochen später …

Zufrieden blickte Alex sich in seiner neuen Bleibe um. Die nichtssagende Ausstattung und die Discountermöbel waren nicht zu vergleichen mit seinem Apartment in der Stadt. Das störte ihn jedoch nicht weiter. Er brauchte keinen Luxus. Er lebte nur deshalb in einer so edlen Wohnung im Nobelviertel von Seattle, weil es in seiner Position als Direktor der Harrison Hunt Foundation von ihm erwartet wurde.

Beim Gedanken an die Stiftung runzelte er die Stirn. Die dringenden Fälle hatte er alle selbst noch bearbeitet. Anschließend hatte er sämtliche Aufgabenbereiche unter seinen Mitarbeitern aufgeteilt und sich für unbestimmte Zeit beurlaubt. Auf seine überaus tüchtige Assistentin Martha Oliver war Verlass: Marti, wie sie von guten Bekannten liebevoll genannt wurde, würde auch Unvorhergesehenes zu neunundneunzig Prozent lösen können.

Das eine übrige Prozent bereitete ihm ein gewisses Kopfzerbrechen. Andererseits war er nur neunzig Minuten Fahrt von der Innenstadt von Seattle entfernt und über Handy zu erreichen. Außerdem hielt Marti ihn gewissenhaft per SMS in allen wichtigen Belangen auf dem Laufenden. Er nahm sich vor, ihr einen saftigen Bonus zu geben, sobald diese Situation geklärt war und er wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren konnte. Was hoffentlich schon bald geschah.

Er wusste, dass es keinen Grund zur Sorge gab. Was sollte während seiner Abwesenheit schon schiefgehen? Wichtig war nur, dass er schnell eine passende Frau fand.

Ohne arrogant oder eitel zu sein, war er sich seiner Anziehungskraft durchaus bewusst. Sein ganzes Leben lang bekam er immer wieder zu hören, dass er gut aussah, und wohin er auch kam, flirteten die Frauen reihenweise mit ihm. Er musste sich also nur aus dem Überangebot ein Wesen heraussuchen, das ihn interessierte und auf Zustimmung bei seinem Vater und Tante Cornelia stieß.

Nachdem seine Brüder und er beschlossen hatten, auf Harrys Ultimatum einzugehen, hatte Alex sich eine genaue Strategie zurechtgelegt. Natürlich konnte er die Brautsuche auf keinen Fall durchführen, während er in der Stiftung arbeitete. Dafür brauchte er einen Ort, an dem ihn niemand kannte. Außerdem hatte er sich vorgenommen, einen mittelmäßigen Job unter gewöhnlichen Leuten anzunehmen.

Nach gründlichen Recherchen über sämtliche Tochterunternehmen von HuntCom hatte er sich für das Lagerhaus in Jansen entschieden. Jansen befand sich anderthalb Autostunden entfernt von Seattle. Da die meisten Einwohner den lokalen Fernsehsendern und Zeitungen aus dem nahen Portland absoluten Vorrang gaben, war sein Gesicht dort also nicht bekannt. Falls ihn doch jemand mit der Hunt Foundation in Zusammenhang brachte, musste er nur sagen, dass er häufig mit einem der Brüder verwechselt wurde.

Eigentlich bestand überhaupt kein Grund zur Sorge. Er verhielt sich stets unauffällig, und er hasste die Feste der High Society ebenso sehr wie die Klubszene. Wäre da nicht die Stiftung, würde ihn vermutlich niemand mit der Familie Hunt in Verbindung bringen.

Nun stand jedoch die große Bewährungsprobe bevor: In einer knappen Stunde sollte er seine Stelle im Hauptauslieferungslager von HuntCom antreten.

Ein neuer Job. Ein neues Apartment. Und ein neuer Name.

Für die Dauer seiner Brautschau wollte er sich Alex Noble nennen, nach seinem ersten Stiefvater. Seine Mutter Lucinda Parker Hunt Noble Fitzpatrick war mittlerweile zum dritten Mal verheiratet. Zynisch hatte Alex damals prophezeit, dass es nicht ihre letzte Hochzeit bleiben würde. Allerdings musste er inzwischen einsehen, dass Terrence Fitzpatrick wohl doch der Richtige für sie war: Die Ehe der beiden hielt immerhin seit vierundzwanzig Jahren.

Terrence besaß einige unangenehme Eigenschaften. Zum Beispiel war er der festen Überzeugung, mit Geld jedes Problem lösen zu können. Außerdem überhäufte er seine Tochter Julie mit teuren Geschenken und verwöhnte sie nach Strich und Faden.

Als er an seine geliebte kleine Halbschwester und ihre jüngsten Eskapaden dachte, runzelte Alex die Stirn. Er wünschte sich, er könnte mehr Einfluss auf sie nehmen. Aber sie lachte stets nur über seine Bedenken: Sie warf ihm vor, uncool und altmodisch zu sein und vergessen zu haben, wie es war, jung zu sein.

Auch wenn ihr Spott durchaus liebevoll gemeint war, verletzten ihn ihre Worte. Er hielt sich nicht für „uncool“ – er war eben vernünftig und pragmatisch. Geld und Macht bedeuteten für ihn nicht alles im Leben. Stimmte deswegen etwas nicht mit ihm? Die Clique seiner kleinen Schwester sah das vermutlich so.

Als er den Personalparkplatz des Auslieferungslagers von HuntCom erreichte, verdrängte er Julie bewusst aus seinen Gedanken. Er konnte es sich nicht leisten, sich von irgendjemandem oder irgendetwas ablenken zu lassen. Um seine Maskerade erfolgreich durchzuziehen, brauchte er seinen ganzen Verstand.

Es dauerte fast eine Stunde, in der Personalabteilung die vorgeschriebenen Formulare für den Arbeitsantritt auszufüllen. Um neun Uhr führte ihn Kim, die Assistentin der Personalleiterin, in die gigantische Lagerhalle.

Dort herrschte ein reges Treiben. Schmunzelnd schaute er einem jungen Mädchen mit pinken Haarstacheln hinterher, das auf Inlineskates an ihnen vorbeisauste.

„Das ist Ruby“, erklärte Kim. „Sie ist auch Pickerin.“

Er runzelte die Stirn. „Was ist das denn?“

„Entschuldigung. So nennen wir hier die Lageristen, die Teile aus den Regalen ‚picken‘ und sie zum Versand an den Kunden zusammenstellen. Das wird auch Ihr Job sein.“

„Aha, ich verstehe“, murmelte Alex. Amüsiert dachte er daran, was seine Kollegen in der Stiftung wohl sagen würden, wenn sie ihn nun als „Picker“ sehen könnten. Die meisten dort bewunderten ihn. Schließlich gehörte er zu den mächtigen Hunts. Sie respektierten ihn, weil er mindestens so hart arbeitete wie sie, und sie wussten, dass ihm das Amt am Herzen lag. Wie einen Ebenbürtigen konnten sie ihn nicht behandeln. Für sie spielte er in einer anderen Liga.

Unverhohlen warf Kim ihm bewundernde Blicke zu und prophezeite zuversichtlich: „Sie machen Ihren Job bestimmt gut.“

Er war nicht an ihr interessiert. Zumal sie einen Ehering trug. Also sagte er nur: „Das hoffe ich.“

Schließlich führte sie ihn in ein Büro zu einer jungen Frau – einer sehr attraktiven jungen Frau – mit wild gelocktem rotem Haar. Sie trug enge Jeans und eine weiße Bluse, die am Hals offen stand. Mit tiefblauen intelligenten Augen musterte sie ihn aufmerksam.

„Das ist Alex Noble, der Neuzugang in deinem Team“, eröffnete Kim. „Und das ist Lisa Kinkaid, die Abteilungsleiterin.“

Im Stillen fragte er sich, ob seine neue Vorgesetzte ihren Vornamen genauso wenig leiden konnte wie eine seiner Cousinen, die sich statt mit Lisa immer mit Lilli ansprechen ließ, was Alex extrem albern fand. Hoffentlich hatte die Neue nicht ebenso einen Spleen. Lisa war doch ein ausgesprochen schöner Name!

„Hallo.“ Lisa streckte die rechte Hand aus. „Willkommen bei HuntCom.“

Er schüttelte ihr die Hand mit festem Druck, den sie unvermindert zurückgab. „Hallo.“

„Viel Glück“, wünschte Kim, lächelte ihn an und verschwand.

Lisa betrachtete ihn so eindringlich, dass es ihn ein wenig nervös machte. Ahnte sie etwas? Er zwang sich, ihrem Blick standzuhalten.

„Ich habe schon gehört, dass Sie bereits Erfahrung in dem Job haben.“

Ja, das war eindeutig ein Anflug von Misstrauen in ihrer Stimme. In der Kürze liegt die Würze, dachte er sich und bestätigte knapp: „Stimmt.“

„Und Sie haben vorher wo gearbeitet?“

Er hielt sich an seinen frei erfundenen Lebenslauf und erwiderte: „In einem Lagerhaus in Sacramento.“

„Welche Art von Produkten?“

„Haushaltsgeräte.“

Skeptisch sah sie ihn weiterhin an. „Warum haben Sie dort aufgehört?“

„Es war mir zu weit, von hier dorthin zu pendeln.“

Sie nickte, doch der Instinkt verriet ihm, dass sie ihm die Story nicht ganz abkaufte. „Haben Sie alle Formulare ausgefüllt?“, wollte sie wissen.

„Ja.“

„Haben Sie auch den Drogentest und den medizinischen Check-up gemacht?“

„Ja.“ Das stimmte zwar nicht, aber laut einem Attest hatte Alex beide Untersuchungen bestanden.

„Also sind Sie bereit, an die Arbeit zu gehen?“

„Das bin ich.“

Daraufhin ging sie zur Tür und rief: „Rick!“

Ein dunkelhaariger Mann mit ebenso dunklen Augen eilte zu ihr. Er war Ende zwanzig oder Anfang dreißig und trug Jeans wie alle anderen Arbeiter in der Halle. Auf seinem schwarzen T-Shirt prangte das Bild einer Rockband, der Red Hot Chili Peppers.

„Rick“, sagte Lisa, „das ist Alex Noble. Du wirst ihn einweisen.“ Sie wandte sich an Alex. „Das ist Rick Alvaro. Er ist seit sieben Jahren in der Firma und kann Ihnen alle Fragen beantworten.“

Die beiden Männer schüttelten sich die Hand. Rick wirkte sympathisch. Alex mochte ihn auf Anhieb und spürte, dass dies der Beginn einer langen Freundschaft sein könnte.

„Komm mit“, forderte Rick ihn auf und verließ das Büro. „Wir machen gleich mal eine Runde durch die Halle. Dann kriegst du einen Überblick, wo hier was verstaut ist.“ Er redete weiter, während sie in den nächsten Gang einbogen. „Weißt du schon was über die Firma?“

„Ja, einiges. Ich habe ein bisschen recherchiert, als ich mich entschlossen habe, hier zu arbeiten.“

„Alles hat damit angefangen, dass der alte Hunt eine neue Software erfunden hat. Aber das weißt du dann ja.“

Alex nickte.

„Jetzt produzieren wir fast alles, was es in Sachen Computer so gibt. Wir haben über dreitausend Artikel, die wir von hier aus verschiffen.“

Er gab sich erstaunt. „So viele?“

Rick nickte. „Deshalb sind wir rund um die Uhr, sieben Tage die Woche in Betrieb. Wir arbeiten in drei Schichten: von acht bis vier, von vier bis zwölf und von zwölf bis acht. Viele ziehen den Nachmittag oder die Nacht vor, aber mir ist die Morgenschicht lieber. Natürlich mache ich auch die anderen Schichten, wenn zusätzlich Leute gebraucht werden – vor allem wegen dem Überstundenzuschlag. Ich habe drei kleine Mädchen und eine Frau, die gern mit Kreditkarten spielt.“ Er lachte. „Da kann ich immer Geld gebrauchen.“

„Drei kleine Mädchen, soso.“

„Ja. Die Älteste ist acht, die Jüngste vier.“ Er zog seine Brieftasche aus der Gesäßtasche und holte mehrere Fotos heraus. „Keine Angst. Ich zeige sie dir nur einmal“, versprach er.

Alex schmunzelte. Alle drei Mädchen hatten lockiges dunkles Haar und dunkle Augen. „Sie sind wirklich niedlich.“

„Ja. Und sie sind so lieb. Meine Frau Maria ist bis jetzt zu Hause geblieben. Aber ab September geht Jenny, das ist die Jüngste, in die Schule. Dann fängt Maria wieder an zu arbeiten.“

„Was arbeitet sie denn?“

„Sie ist Vorschullehrerin. Sie hat eine Stelle an Jennys Schule gekriegt.“ Rick blieb in einem Gang stehen. „Du musst dir nicht alles merken, was ich dir zeige. Ich will dir bloß einen Überblick geben. Du kriegst eine Produktliste und einen Plan, auf dem alle Waren eingezeichnet sind. Erst mal kommst du mit mir, aber bestimmt bist du schon bald ein Profi.“

„Hoffentlich.“ Auf keinen Fall wollte Alex die Zweifel schüren, die er in den Augen seiner neuen Chefin gesehen hatte. „Diese Halle ist riesig. Müssen wir Teile von überall holen oder nur aus bestimmten Bereichen?“

„Die Halle ist in vier Quadrate unterteilt. Wir hier sind nur für Abschnitt B zuständig. Trotzdem ist es besser, wenn du dich mit den anderen auch auskennst.“

„Warum?“

„Manchmal werden bestimmte Produkte verstärkt verlangt. Zum Beispiel, wenn wir besondere Werbemaßnahmen starten. Dann musst du vielleicht in einem anderen Bereich einspringen.“

„Okay, verstehe. Und Lisa betreut alle Abschnitte?“

„Ja. Hier in der Halle ist sie der Boss. Nur einer steht über ihr: Steve Mallery, der Geschäftsführer.“

Das Mädchen mit den pinken Haaren sauste vorbei.

„Ruby“, murmelte Alex.

Rick lachte. „Oh, du weißt schon über sie Bescheid?“

„Kim hat mir ihren Namen gesagt.“

„Mit den vielen Tattoos und Piercings sieht Ruby aus wie ein Punkrocker, aber sie ist ganz okay. Sie ist unsere beste Pickerin.“

„Ich muss zugeben, dass mich die Inlineskates am meisten überrascht haben.“

„Mehrere von den Kids benutzen die. Damit kommt man echt schneller vorwärts. Leider kann ich das nicht. Ich würde mir garantiert den Hals brechen. Oder zumindest ein Bein.“

Autor

Patricia Kay
Patricia Kay hat bis heute über 45 Romane geschrieben, von denen mehrere auf der renommierten Bestsellerliste von USA Today gelandet sind. Ihre Karriere als Autorin begann, als sie 1990 ihr erstes Manuskript verkaufte. Inzwischen haben ihre Bücher eine Gesamtauflage von vier Millionen Exemplaren in 18 verschiedenen Ländern erreicht!
Patricia ist...
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