Happy New Year in Virgin River

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Ein zauberhafter Kurzroman aus der beliebten Netflix-Serie »Virgin River«

Neujahrsmelancholie ist gar kein Ausdruck für das, was Sunny Archer gerade fühlt: Schließlich war sie vor genau einem Jahr vor dem Altar sitzen gelassen worden. Nicht mal der Besuch bei ihrem geliebten Onkel Nathaniel in Virgin River kann die düsteren Wolken aus ihrer Seele vertreiben. Äußerst widerwillig lässt sie sich dazu überreden, mit zur Silvesterparty in Jacks Bar zu kommen. Dort gibt der ebenfalls aus L.A. angereiste Assistenzarzt Drew Foley sein Bestes, die hübsche Blondine von ihren schmerzlichen Erinnerungen abzulenken …


  • Erscheinungstag 15.12.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783745752441
  • Seitenanzahl 96
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Robyn Carr

Happy New Year in Virgin River

Roman

Übersetzung aus dem Amerikanischen von
Barbara Alberter

MIRA® TASCHENBUCH

Neuausgabe

Copyright © 2020 für die deutsche Ausgabe by MIRA Taschenbuch
in der HarperCollins Germany GmbH, Hamburg

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Midnight Confessions

Copyright © 2010 by Robyn Carr

erschienen bei: Harlequin Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l

Covergestaltung: bürosüd, München

Coverabbildung: www.buerosued.de

ISBN E-Book 978-3-7457-5243-4

eBook-Herstellung und Auslieferung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

www.harpercollins.de

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1. KAPITEL

Sunny Archer dachte ernsthaft daran, ihren Namen zu ändern.

»Komm mit, Sunny«, drängte ihr Onkel Nathaniel. »Im Ort gibt es eine Party und wir wollen doch mal sehen, ob wir dich nicht wieder in eine etwas sonnigere Stimmung versetzen können!«

Eine Party im Ort? fragte sie sich. In Virgin River? In einem Sechshundertseelendorf? »Ach, ich glaube, da passe ich lieber …«

»Also wirklich, Sonnenschein, du musst etwas flexibler werden! Ein bisschen optimistischer! Du kannst doch deine Wunden nicht ewig lecken.«

Im Alter von zwei oder vielleicht auch vierzehn Jahren mochte es ja ganz niedlich gewesen sein, wenn jemand sagte: »Sunny ist heute aber gar nicht sonnig!«

Nur, heute war der 31. Dezember. Sie war nach Virgin River gekommen, um ein paar ruhige Tage bei ihrem Onkel Nate und seiner Verlobten Annie zu verbringen, ein Versuch, der Tatsache zu entfliehen, dass ihr Herz einfach nicht heilen wollte. Und als würde der Schmerz allein nicht reichen, war ihr Herz obendrein auch noch kalt und hart geworden. Sie schaute auf ihre Uhr. Es war vier Uhr nachmittags. Genau jetzt vor einem Jahr hatte sie sich frisieren und schminken lassen, um anschließend in ein Hochzeitskleid von Vera Wang zu schlüpfen. Aufgeregt und mit roten Wangen hatte sie nicht den Schimmer einer Ahnung gehabt, dass ihr Verlobter Glen sich derweil volllaufen ließ und sich bereit machte, um sein Leben zu rennen.

»Ich bin wirklich nicht in der Stimmung für eine Silvesterparty, Onkel Nate.«

»Ach Süße, ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass du allein zu Hause sitzt, Trübsal bläst und traurig bist.«

Und mich wie die größte Versagerin fühle, weil ich am Hochzeitstag vor dem Altar sitzen gelassen wurde? fragte sie sich. Aber genau das war geschehen. Wie sollte sie sich da anders fühlen?

»Nate«, flüsterte Annie, »das ist vielleicht wirklich ein schlechter Abend, darauf zu drängen, dass sie mal ausgeht …«

»Ach, glaubst du?«, erwiderte Sunny bissig, wobei ihr selbst auffiel, dass sie nie so reizbar und sarkastisch gewesen war, bevor sie sich in der Rolle der verlassenen Braut wiedergefunden hatte. »Hört zu, ihr beiden, geht bitte. Feiert wie die Rockstars. Ich habe meine eigenen Pläne.«

»Wirklich?«, stießen beide hoffnungsvoll aus.

»Ja, wirklich. Ich plane nämlich eine zeremonielle Verbrennung des Kalenders vom letzten Jahr. Am besten, ich verbrenne auch gleich die der drei Jahre davor, denn das umfasst die Zeit und Energie, die ich in diesen Mistkerl investiert habe.«

Nate und Annie verschlug es einen Augenblick die Sprache, während sie zweifelnde Blicke miteinander austauschten. Als Nate sich wieder gefangen hatte, sagte er: »Also gut! Dann bleiben wir hier und helfen dir bei der zeremoniellen Verbrennung. Hinterher machen wir uns Popcorn, spielen ein bisschen Monopoly, denken uns ein paar gute Vorsätze aus oder so, und dann läuten wir ein sehr viel besseres neues Jahr ein, als es das alte war.«

So kam es, dass Sunny, der absolut nicht danach war, sich entgegenkommend zu zeigen, am Ende doch mitfuhr und zur großen Virgin-River-Silvesterparty in Jacks Bar ging. Das aber auch nur, weil sie nicht zulassen konnte, dass ihr Onkel Nate und die liebenswerte, witzige Annie zu Hause blieben, um ihr dabei zuzusehen, wie sie schmollte und jammerte.

In Sunnys Familie war es seit Langem Tradition, zu den Jensen-Stallungen rauszufahren, wenn man ein wenig Erholung brauchte und wieder Kraft schöpfen musste. Sunny, ihre Cousins und ihre einzige Cousine hatten unzählige Ferien dort verbracht. Auf den Weiden und Wegen hatten sie die frische saubere Luft eingeatmet und sich hinterher jedes Mal wie neu gefühlt. Es war die Idee ihrer Mutter gewesen, dass Sunny auf eine nachweihnachtliche Wiederbelebung nach Virgin River fahren sollte. Sunnys Mom war eine von Nates älteren drei Schwestern, und Sunnys Großvater war der eigentliche Besitzer des Anwesens und frühere Tierarzt der Jensen-Klinik mit angeschlossenen Stallungen. Heute war Onkel Nate der Tierarzt, und Grandpa hatte sich zur Ruhe gesetzt und lebte in Arizona.

Sunny war das einzige Kind ihrer Mutter und fünfundzwanzig Jahre alt. Sie hatte eine Cousine, Mary … die es vor Kurzem geschafft hatte, ihren Bräutigam in die Kirche zu lotsen. Und da Onkel Nate mit seinen fünfunddreißig nur zehn Jahre älter war als sie, waren sowohl Sunny als auch ihre Cousine in der Vergangenheit unglücklich in ihn verliebt gewesen. Nate indes, der mit drei älteren Schwestern aufgewachsen war, hatte immer geglaubt, mit Frauen gestraft zu sein.

Jedenfalls bis zu seinem dreißigsten Lebensjahr. Dann wurde er ein wenig onkelhafter, geduldiger und entwickelte sogar einen ziemlich ausgeprägten Beschützerinstinkt. Vor einem Jahr hatte Nathaniel am Silvesterabend in der Kirche gesessen und, wie alle anderen auch, darauf gewartet, dass der Bräutigam auftauchte und die Trauung begann.

Für Sunny war das vergangene Jahr in einem einzigen Chaos aus Wut und Schmerz verlaufen. Ihr noch recht neues, aber florierendes Unternehmen als selbstständige Fotografin war dank ihrer ausgezeichneten Website und über Mundpropaganda durchgestartet, und anstatt nach ihrer persönlichen Katastrophe erst einmal eine Pause einzulegen, hatte sie sich gleich wieder in die Arbeit gestürzt. Schließlich hatte sie Fototermine, die vorher vereinbart worden waren. Das Verheerende war nur, dass sie sich auf Verlobungen, Hochzeiten, Jubiläen, Bauch- und Babyaufnahmen spezialisiert hatte, fünf Phasen im Leben eines Paares, die es wert waren, für die Nachwelt festgehalten zu werden. Somit war sie nicht nur emotional aus dem Gleichgewicht geraten, sondern auch ihre Arbeit wurde in Mitleidenschaft gezogen. Und obwohl sie sich nicht konzentrieren konnte und entweder gar nicht oder nur wenig schlief und es kaum schaffte, sich aus dem Bett zu quälen, machte sie weiter, so gut es ging. Das Einzige, was sich seitdem in ihrem Leben geändert hatte, war, dass sie aus der Stadtwohnung, die sie mit Glen geteilt hatte, auszogen und zurück zu ihren Eltern gekehrt war, wo sie bleiben wollte, bis sie sich etwas Eigenes leisten könnte. Ihr Arbeitsraum befand sich ohnehin im Keller ihrer Eltern, daher war es nur ein kleiner geografischer Wechsel.

Das Jahr, das sie nun wieder bei ihren Eltern lebte, war für sie eine Offenbarung. Sunny erkannte, dass bei den meisten jungen Frauen in ihrem Alter die treibende Kraft hinter dem Wunsch nach Unabhängigkeit und Privatsphäre darin bestand, dass sie sich in einer Beziehung befanden. Da Sunny fest entschlossen war, die Fehler ihrer Vergangenheit nicht zu wiederholen, indem sie einen neuen Mann in ihr Leben ließ, gab es keinen Grund, den Komfort, die Sicherheit und Wirtschaftlichkeit, die ihr das Elternhaus boten, aufzugeben.

In dieser Zeit hatte sie es mit Aufnahmen von Sonnenaufgängen, Sonnenuntergängen, Landschaften, Meeresaufnahmen und Haustieren versucht. Es funktionierte nicht. Die Fotos waren flach und uninteressant. Als wäre es nicht schlimm genug, dass ihr Herz gebrochen war, hatte sie nun auch ihr Mut verlassen. Es war, als hätte ihre Begabung sie im Stich gelassen. Hochzeiten hatten sie inspiriert und sie war brillant, wenn es um Paare ging – Porträts, Diashows, Videos. Sie fing das Versprechen in ihren Augen ein, das Potenzial ihres Lebens. Die dicken schwangeren Bäuche der Frauen konnte sie in einem romantischen Licht erscheinen lassen, und was die Babys anging, war sie eine wahre Anne Geddes! Doch nun war sie das nur noch als Zuschauerin, die nichts davon selbst erleben würde, deshalb hatte sich alles für sie geändert. Und nicht nur das, bei jeder Aufnahme, die sie machte, spürte sie einen weiteren Stich im Herzen.

Als sie Annie davon erzählte, meinte diese: »Schätzchen, du bist noch so jung! Erst fünfundzwanzig! Unendlich viele Möglichkeiten liegen vor dir, du musst dich ihnen nur öffnen!«

»Ich rege mich nicht auf, weil ich es nicht ins Cheerleader-Team geschafft habe, Annie. Mein Verlobter hat mich am Hochzeitstag sitzen lassen. Und da spielt mein Alter überhaupt keine Rolle«, erwiderte Sunny daraufhin.

Eine hübsche Decke aus frischem weißem Schnee hatte sich auf den Ort gelegt, der neun Meter hohe Weihnachtsbaum strahlte, und noch immer fielen glitzernde zarte Flocken zu Boden. Die Veranda vor Jacks Bar war mit Girlanden und Lichtern geschmückt und sah einladend aus. Dem Schornstein entstiegen anheimelnde Rauchkringel und hinter den Fenstern erstrahlte warmes Licht.

Als Nate, Annie und Sunny um acht die Bar betraten, stellten sie fest, dass sich die Leute aus dem Dorf darin drängten. Jack, der Besitzer, und Preacher, der Koch, standen hinter dem Tresen. Ein festlich geschmückter Tisch entlang der gesamten Wand war überhäuft mit Speisen aller Art und wurde von Annie noch um eine große Platte mit ihren speziellen Mayonnaise-Eiern und einem Lachsauflauf bereichert, den sie mit Dill bestreut und mit Crackern verziert hatte.

»Hey, sieht aus, als wäre der ganze Ort hier«, bemerkte Nate.

»Zum großen Teil, ja«, bestätigte Jack. »Doch ich hoffe, du siehst hier niemanden, den du um zwölf küssen willst, denn die meisten dieser Leute werden nicht so lange durchhalten. Aber wir haben eine ordentliche Truppe, die den harten Kern darstellen und bis dahin die Stellung halten wird. Sie sind gerade damit beschäftigt, die ganzen Kinder hinten in Preachers Haus unterzubringen. Das wird der reinste Schlafsaal, und wir haben eine Babysitterin engagiert, die auf sie aufpasst. Die zwei von Vanessa und Paul werden bei Preachers kleiner Dana einquartiert, meine Kids schlafen in Preachers Zimmer, und das Kleine von Brie und Mike borgt sich mal Christophers Zimmer, denn der hat vor, bis Mitternacht zusammen mit der Babysitterin wach zu bleiben.« Jack lächelte und fügte hinzu: »Oh, und um das klarzustellen, die Babysitterin ist hier für alle kleinen Kinder, nicht für Chris. Der ist jetzt acht und schon ein richtiger Mann.«

»Jack, Preach … darf ich euch meine Nichte Sunny vorstellen. Sunny, das sind Jack und Preacher, die beiden, die den Laden hier schmeißen.«

Sunny bedachte sie mit einem matten Lächeln, nickte und murmelte etwas wie: »Freut mich.«

»Schwingt euch auf die Hocker, ihr drei. Sowie ihr euren Beitrag zu unseren guten Vorsätzen für das neue Jahr geleistet habt, werdet ihr auch bedient«, sagte Jack. »Heute besteht der Eintrittspreis in einem Beitrag zum Buffet und einem guten Vorsatz.«

Sunny setzte sich auf den Barhocker und hängte den Riemen ihrer großen Tasche an die Rückenlehne. Jack beugte sich über den Tresen, um die große lederne Schultertasche besser sehen zu können. Dann sah er sie fragend an. »Wolltest du nach der Party gleich eine lange Reise antreten?«

Sie lachte kurz. »Meine Kameraausrüstung. Die habe ich immer dabei. Ich weiß ja nie, wann ich sie brauchen kann.«

»Also du kannst dich gerne hier bei der ersten alljährlichen Silvesterparty austoben«, meinte Jack und schob ihr einen Zettel nebst Stift zu.

Sunny beugte sich darüber, als wolle sie es sich gut überlegen. Wenn sie jetzt gesagt hätte, dass sie das alles nur so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte, hätte sie damit nur das unleidige Thema angeschnitten, warum sie jetzt und für alle Zeiten von allen Feiertagen die Silvesterabende am meisten hasste.

»Lass dir etwas Gutes einfallen, Sunny«, meinte Jack. »Halt es allgemein und unterschreib es nicht. Es ist anonym. Gleich nach Mitternacht wird es eine Überraschung geben.«

Sunny warf einen Blick auf ihre Uhr. Oh Gott, dachte sie. Geht das jetzt noch mindestens vier Stunden so weiter? Das schaffe ich nie! Auf ihren Zettel schrieb sie: »Gib die Männer auf.«

Drew Foley war im zweiten Jahr seiner Facharztausbildung zum Orthopäden an der Uniklinik in L.A. Irgendwie hatte er es geschafft, sich zehn Tage Urlaub zu nehmen, um mit seinen beiden Schwestern Marcie und Erin, ihren Männern Ian und Aiden sowie seinem neuen Neffen Weihnachten in Chico zu feiern. Auch die letzten drei Jahre hatte er Weihnachten bei seiner Familie verbracht, allerdings in Begleitung seiner Exverlobten Penny. Das schien nun sehr lange her zu sein.

Wenn Assistenzärzte in der orthopädischen Chirurgie einmal ein paar freie Tage haben, sind das keineswegs wirklich freie Tage. Es sind lediglich Tage, an denen sie weder im Operationssaal auf der Station oder im Seminar anwesend sein müssen, mithin auch keine Berichte schreiben oder sich von den Ober- und Chefärzten verbal niedermachen lassen müssen. In der Theorie haben sie jedoch meist sehr viel nachzuholen, und auch Drew hatte sich über Weihnachten die ganze Zeit in Büchern vergraben, trotz der Ablenkung durch die Familie um ihn herum. Neuerdings gehörte dazu auch Marcies Baby, das wirklich anfing, sich bemerkbar zu machen. Anschließend blieben ihm nur noch ein paar Tage, bevor er wieder nach Südkalifornien aufbrechen musste, deshalb hatte er sich in die familieneigene abgelegene Hütte auf dem Bergzug bei Virgin River zurückgezogen, damit er ungestört lernen konnte. Ein paar Tage hatte er sich voll darauf konzentriert und war angesichts des neuen Wissens, das er gewonnen hatte, von sich selbst beeindruckt. Seiner Meinung nach hatte er sich damit ein oder zwei Bier am Silvesterabend verdient, und am Neujahrstag durften es dann auch noch ein paar Stunden Football sein. Am zweiten Januar musste er schon wieder nach Chico zurückfahren, wo er in Erins Haus noch einen weiteren Abend mit der Familie verbringen wollte, um sich dann abermals in die Höhle des Löwen, die UCLA Medical, zu begeben.

Er holte seine Jacke. Es war Silvester, und er hatte genug Zeit allein verbracht. Auf dem Weg nach Fortuna, wo er sein Bier bekommen würde, wollte er mal im Dorf vorbeischauen, einfach um zu sehen, was sich dort tat. Er wäre überrascht, wenn die einzige Bar im Ort geöffnet hätte, denn Jacks Bar-Restaurant blieb an Feiertagen normalerweise nicht lange auf. Tatsächlich war es in Virgin River auch an normalen Tagen so, dass Jack schon vor neun den Laden schloss. Allenfalls wenn Jäger und Angler in der Gegend waren, arbeiteten sie gelegentlich bis zehn Uhr durch. Es war ein Ort, in dem überwiegend Farmer, Rancher, Lohnarbeiter und Besitzer kleiner Geschäfte wohnten, und die blieben abends nie lange auf den Beinen, weil sie weder ihre Felder noch ihre Tiere warten lassen konnten.

Doch im Ort angekommen stellte Drew überrascht fest, dass die Bar vor Gästen nur so brummte. Er lächelte, denn so blieb ihm eine anstrengende Fahrt durch die Berge erspart und er konnte dennoch sein Bier unter Menschen trinken. Als er den überfüllten Gastraum betrat, hörte er, wie jemand seinen Namen rief: »Hey! Doc Foley! Seit wann bist du denn im Ort?«

Das war das Beste an dieser Bar. In den letzten zwei Jahren war er vielleicht ein halbes Dutzend Mal hier gewesen, aber Jack vergaß niemanden. Dasselbe traf übrigens auch auf die meisten von Jacks Freunden und seine Familie zu.

Er reichte Jack über den Tresen hinweg die Hand. »Wie geht’s dir, Jack?«

»Ich hatte ja keine Ahnung, dass du hier oben bist!«, meinte Jack. »Hast du deine Familie mitgebracht?«

»Nee, mit der Familie habe ich Weihnachten gefeiert, und dann bin ich hier raufgekommen, um noch etwas zu lernen, bevor ich meine Ausbildung zum Facharzt wieder aufnehme. Ich dachte, ich geh den Mädels und besonders dem Baby lieber aus dem Weg, wenn ich wirklich vorhabe, mich darauf zu konzentrieren.«

»Wie geht’s dem Kleinen?«, fragte Jack.

Drew grinste. »Er hat rote Haare und ist laut. Ich fürchte, er ist das genaue Ebenbild seiner Mom. Ian sollte sich vorsehen. Sehr gut vorsehen.«

Jack schmunzelte. »Du erinnerst dich an meine Frau Mel?«

»Selbstverständlich«, sagte Drew und wandte sich der berühmten Hebamme des Orts zu, die ihm einen Kuss auf die Wange gab. »Wie geht es dir?«, erkundigte er sich.

»Mir ist es noch nie besser gegangen. Ich wünschte, wir hätten gewusst, dass du hier bist, Drew. Ich hätte dich auf jeden Fall angerufen und eingeladen.«

Drew schaute sich in der Bar um. »Wer hätte auch ahnen sollen, dass sich Silvester hier das ganze Dorf versammelt. Sind alle gekommen?«

»Der Großteil«, antwortete Jack. »Du kannst aber davon ausgehen, dass sich das ziemlich bald ändern wird. Die meisten werden gegen neun schon wieder aufbrechen. Sie müssen früh raus. Doch ich werde bis Mitternacht durchhalten«, versicherte er Drew. »Ich wette, die Dorfbewohner, die bereit sind, für einen Kuss um Mitternacht aufzubleiben, wird man an einer Hand abzählen können.«

Und das war der Moment, als Drew sie entdeckte. Genau in dem Augenblick, in dem Jack »Kuss um Mitternacht« sagte, fiel sein Blick auf eine junge Frau, der er nur allzu gerne den Gefallen tun würde, wenn die Uhr zwölf schlug. Sie hatte sich in eine Ecke beim Kamin zurückgezogen, drehte ein Glas Weißwein in der Hand und ihre goldblonden Haare fielen ihr über die Schultern. Sie schien ein wenig abseits von dem Tisch neben ihr zu sitzen, an dem sich drei Frauen miteinander unterhielten. Er beobachtete, wie eine der Frauen sich zu ihr beugte und versuchte, sie in das Gespräch einzubeziehen, aber sie nickte nur, trank einen Schluck, lächelte höflich und blieb weiter distanziert. War sie mit ihrem Mann hier? Mit ihrem Freund? Wer immer sie sein mochte, sie wirkte etwas unglücklich. Nur allzu gern würde Drew dafür sorgen, dass sich das änderte.

»Drew«, unterbrach Jack seine Gedanken. »Darf ich dir unseren Tierarzt vorstellen. Nate Jensen.«

Drew reichte ihm die Hand, konnte den Blick jedoch nicht von der jungen Frau abwenden. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte er, dachte dabei allerdings daran, wie lange es jetzt her war, dass allein der Anblick einer schönen Frau ihn so umhaute und er geradezu magisch von ihr angezogen wurde. Zu lange! Wow, sie war eine Granate. Nates Hand hatte er kaum losgelassen und seine Antwort nicht einmal verstanden, weil ihm die Ohren klingelten, als er Jack auch schon fragte: »Wer ist die Blondine da drüben?«

»Das ist meine Nichte«, beantwortete sein neuer Bekannter die Frage. »Sunny.«

Autor

Robyn Carr
<p>Seit Robyn Carr den ersten Band ihrer gefeierten <em>Virgin River</em>-Serie veröffentlichte, stehen ihre Romane regelmäßig auf der Bestsellerliste der <em>New York Times</em>. Auch ihre herzerwärmende <em>Thunder Point</em>-Reihe, die in einem idyllischen Küstenstädtchen spielt, hat auf Anhieb die Leserinnen und Leser begeistert. Robyn Carr hat zwei erwachsene Kinder und lebt mit...
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