Bei Wiedersehen Liebe?

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Als PR-Manager ist Max Preston für den guten Ruf der Firma verantwortlich - den seine Ex mit ihren Zeitungsartikeln torpediert. Max ahnt, wen Gillian damit in Wahrheit treffen will: ihn. Das muss endlich aufhören! Wütend fährt er zu ihr - zum ersten Mal seit über drei Jahren. Ob ihre grünen Augen wieder herausfordernd funkeln? Ob sie immer noch so verführerisch sanfte Rundungen … Oh ja! Als er vor der sexy Reporterin steht, knistert es gefährlich. Doch im nächsten Moment ist Max wie vor den Kopf geschlagen. Denn Gillian stellt ihm seinen Sohn vor! Was hat sie vor?


  • Erscheinungstag 28.01.2012
  • Bandnummer 1704
  • ISBN / Artikelnummer 9783864940736
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Dieses Mal war sie eindeutig zu weit gegangen.

Max Preston sah von der Zeitung auf, die vor ihm auf dem Tisch lag, und schaute durch das Fenster auf die glitzernde Meeresoberfläche, um seine Gedanken zu ordnen. Künftig würde er ihr keine Möglichkeit mehr lassen, seine Anrufe zu ignorieren. Ihn zu ignorieren.

Hastig erhob er sich vom Tisch, sodass der Stuhl über den Parkettboden des Frühstücksrestaurants vom Vista del Mar Beach and Tennis Club kratzte. Ohne das Omelett auch nur angerührt zu haben, legte Max ein Trinkgeld für die Bedienung auf den Tisch, trank einen letzten Schluck Kaffee und ging. So viel also zu seinem ersten freien Samstag seit Monaten. Dieser Morgen nahm eine völlig unerwartete Wendung.

Während er zum Auto ging, suchte er im Handy nach ihrer Adresse.

Wütend schleuderte er die Ausgabe des zweitklassigen Provinzblättchens, für das sie arbeitete und das ihm seit jeher ein Dorn im Auge gewesen war, auf den Beifahrersitz, bevor er den Maserati aus der Parklücke manövrierte.

Er hatte gewusst, dass Gillian Mitchell sich ebenfalls in Vista del Mar befand, seit er ihren Namen unter einem Artikel in der Seaside Gazette gelesen hatte. Dabei hatte er so etwas wie Freude empfunden – so, als hätte er etwas wiedergefunden, von dem er noch nicht einmal gewusst hatte, dass es ihm abhandengekommen war: einen Hundertdollarschein in seiner Manteltasche beispielsweise – nur viel, viel besser.

Allerdings hatte sich dieses Gefühl vor einigen Sekunden endgültig in Luft aufgelöst, nachdem er die ersten Absätze ihres neuesten Artikels gelesen hatte. Bis dahin hatte er versucht, ihre Anwesenheit und ihre Beiträge mit professionellem Abstand zu betrachten. Was man von Gillian Mitchell leider nicht behaupten konnte. Zwar mochten ihre kritischen Berichte über Cameron Enterprises und ganz besonders über Max’ Boss Rafe Cameron den Lesern der Gazette objektiv vorkommen, doch Max wusste es besser: Tatsächlich waren sie gegen ihn gerichtet.

Sein Mobiltelefon klingelte. „Max hier“, sprach er in das Mikrofon des Headsets.

„Hast du es gelesen?“ Rafe verschwendete wie üblich keine Zeit mit unnötigen Begrüßungsfloskeln.

„Ich regle das.“ Als Public-Relations-Manager von Cameron Enterprises gehörte es zu Max’ Job, die Wogen zu glätten, wann immer es schlechte Presse gab, und die Übernahme von Worth Industries durch Cameron Enterprises in einem guten Licht dastehen zu lassen. Schließlich zählte der Hersteller von Mikrochips zu einem der größten Arbeitgeber in Vista del Mar. Gillian hingegen schien nichts anderes zu tun zu haben, als Max’ Bemühungen zunichtezumachen.

„Können wir diese Reporterin wegen übler Nachrede drankriegen?“, fragte Rafe.

„Leider nicht, aber wir bleiben am Ball. Ich bin gerade auf dem Weg zu ihr, damit sie kapiert, wie ernst wir das nehmen. Und dass unsere Anwälte jedes Wort zu diesem Thema, das sie jemals geschrieben hat oder schreiben wird, genauestens unter die Lupe nehmen werden.“

„Gut.“ Damit beendete Rafe das Gespräch.

Früher einmal hatte Max große Bewunderung für Gillians Hartnäckigkeit empfunden. Doch nachdem sie damit begonnen hatte, seinen Boss zur Zielscheibe ihrer Kampagnen zu machen, hegte Max den Verdacht, dass es sich in Wahrheit um einen Rachefeldzug gegen ihn persönlich handelte. Schließlich waren Gillian und Max einmal ein Paar gewesen.

Aus seiner Sicht war es eine gute Zeit gewesen, die einen sauberen Abschluss gefunden hatte. Als Gillian nach sechs Monaten ihrer Beziehung die Worte Kinder und Hochzeit in eines ihrer Gespräche einzustreuen begonnen hatte, hatte Max gewusst, dass es an der Zeit war, die Sache zu beenden. Sein Lebensplan sah weder eine Hochzeit noch Kinder vor. Und bis zu jenem Gespräch war er davon überzeugt gewesen, dass Gillian genauso dachte. Um ihr gegenüber fair zu bleiben, hatte er augenblicklich Schluss gemacht und war seitdem davon ausgegangen, dass sie es gut verkraftet hatte – schließlich hatte sie ihm keine Szene gemacht. Im Gegenteil, sie hatte ihm dahin gehend zugestimmt, dass sie offensichtlich unterschiedliche Ansichten von einer Beziehung hätten. Danach war sie aufgestanden und gegangen, ohne sich noch einmal umzusehen.

Nahezu dreieinhalb Jahre lang hatte er nichts mehr von ihr gehört – bis ihm ihre Stellungnahmen und vermeintlich objektiv recherchierten Zeitungsartikel unter die Augen gekommen waren. Nun drängte sich ihm der Gedanke auf, dass sie die Trennung damals möglicherweise doch nicht so gut aufgenommen hatte. Vielleicht hatte sie nur auf den richtigen Augenblick gewartet, um zurückzuschlagen.

Während der zehnminütigen Fahrt entlang der Küste hatte Max Gelegenheit, sich zu beruhigen. Als er bei Gillians Adresse eintraf – einem Haus im spanischen Stil, das wenige Blöcke vom Meer entfernt lag –, war er nur noch verärgert und nicht mehr fuchsteufelswild. Sie würde kein nennenswertes Problem darstellen. Außerdem war er, ehrlich gesagt, auch ein wenig neugierig. Sie hatten eine schöne Zeit miteinander verlebt. Ob sie sich in den vergangenen Jahren sehr verändert hatte? Und waren ihre Augen tatsächlich so grün, wie er sie in Erinnerung hatte?

Langsam ging er den Weg bis zu der Eingangstür ihres Hauses entlang, klopfte und stellte sich so hin, dass Gillian ihn durch die Glasscheibe sehen konnte. Gedämpft vernahm er die Klänge der Rockmusik, die Gillian schon damals gern gehört hatte. Und für einen kurzen Moment sah er sie in Gedanken vor sich, wie sie ausgelassen durch ihr Apartment in Los Angeles getanzt hatte. Die Musik wurde abgestellt.

Vor einigen blühenden Orangenbüschen stand ein blauer Wagen mit Schrägheck und getönten Fensterscheiben. Max verharrte einen Moment, bevor er abermals klopfte. Damals war Gillian ein sportliches Cabrio gefahren. Bedeutet das, dass sie schließlich doch noch geheiratet hat? kam es ihm plötzlich in den Sinn. Es hatte schließlich nichts zu sagen, dass sie immer noch ihren Mädchennamen trug. Der Wagen in der Auffahrt sah jedenfalls sehr nach Familienkutsche aus.

Doch das spielte keine Rolle. Im Augenblick zählten lediglich die Zeitung in seiner Hand und die flammenden Worte von Gillians Artikel. Gerade als er ein weiteres Mal klopfen wollte, wurde die Tür ein Stück weit geöffnet.

Als sie einander ansahen, schien die Welt auf einmal stillzustehen. Max vergaß für einen kurzen Moment den Grund seines Besuches. Das Sonnenlicht intensivierte den Glanz ihres kastanienbraunen Haares und betonte ihren zarten Teint. Einerseits wirkte sie betörend vertraut, andererseits wie eine gänzlich Fremde.

„Max?“, fragte sie erstaunt, fand jedoch rasch die Fassung wieder. „Was machst du denn hier?“

Ihre Worte brachten Max wieder in die Gegenwart zurück. Zwar hatte er keine freudige Begrüßung erwartet, aber mit dem furchtsamen Ausdruck in ihren grünen Augen hatte er auch nicht gerechnet. Ihr Blick machte unmissverständlich klar, dass Gillian seine Anwesenheit nicht wünschte. „Wir müssen reden.“

„Wenn du mit mir reden willst, dann ruf an.“ Bei diesen Worten wollte sie die Tür schließen, doch Max stellte schnell den Fuß dazwischen.

„Du redest jetzt mit mir. Letzte Woche habe ich schon versucht, dich telefonisch zu erreichen, erinnerst du dich? Es hat nicht funktioniert. Jetzt siehst du, was du davon hast, wenn du meine Anrufe ignorierst.“

„Ich hatte vor, dich am Montag anzurufen. Dann können wir einen Termin vereinbaren. Ich treffe dich dann während der Arbeitszeit.“ Ihre Augen waren von demselben Grün, das er in Erinnerung gehabt hatte. Doch in ihnen spiegelte sich ein anderes Gefühl wider. Vielleicht war sie so auf der Hut, weil ihr bewusst war, was sie mit ihren Artikeln bewirkte.

„Seit wann hast du reguläre Arbeitszeiten?“, erkundigte er sich ironisch.

„Seit …“ Ein seltsamer Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. „Seit mir klar geworden ist, dass Arbeit nicht alles bedeutet. Das wiederum heißt, dass mir im Gegensatz zu dir die Wochenenden heilig sind. Ich möchte mich entspannen und meine Zeit … anderen Dingen widmen. Was ich damit sagen will, ist … Du bist nicht willkommen.“

Unbeirrt blieb Max stehen. Er rührte sich keinen Millimeter.

Er wusste, dass Gillian schon immer sehr direkt gewesen war, aber an diesem Morgen kam es ihm so vor, als habe sie etwas zu verbergen. Was ihm sehr gelegen kam. „Du bist nicht die Einzige, die ein freies Wochenende zu schätzen weiß“, erwiderte er. „Also lass mich rein, dann reden wir, rücken ein paar Dinge gerade, und ich bin schneller wieder weg, als du gucken kannst. Bevor wir nicht miteinander gesprochen haben, gehe ich nämlich nirgendwo hin.“

Gillian blickte auf ihre schmale Armbanduhr und warf dann einen Blick zurück über die Schulter, als wiege sie das Für und Wider ab. „Fünf Minuten, Max. Das ist alles, was ich dir geben kann.“ Sie ging einen Schritt zurück, um ihn eintreten zu lassen.

Ihre Entscheidung freute ihn. „Fünf Minuten reichen völlig – falls du Vernunft annimmst.“ Er trat ein und nahm sich Zeit, Gillian zu betrachten. Das weiße Tanktop betonte ihre Brüste, und durch das dünne Material konnte er erkennen, dass sie keinen BH darunter trug. Der Anblick ihrer Brustspitzen raubte ihm den Atem. Und plötzlich fiel es Max äußerst schwer, sich zu konzentrieren. Ob es wirklich so schlau war, Gillian frühmorgens zu Hause zu überrumpeln? Sie trug eine hüftbetonende Yogahose und war barfuß. Bestimmt war sie erst vor Kurzem aufgestanden … Diesen Gedankengang verfolgte er nicht weiter, denn die Kombination der Worte Gillian und Bett würde ihn noch mehr von seinem Vorhaben ablenken. Obwohl sie immer noch sehr schlank war, schien sie ein wenig zugenommen zu haben. Ihre weiblichen und verlockenden Rundungen standen im krassen Gegensatz zu ihrem abwartenden und vorsichtigen Blick.

Sie biss sich auf die Unterlippe, wie sie es immer getan hatte, wenn sie nervös gewesen war, und deutete dann auf ein Zimmer gegenüber vom Eingangsbereich. Während er das Wohnzimmer betrat, vermochte er keinen Blick auf den Rest des Hauses zu werfen, da Gillian ihm die Sicht versperrte. Wie schaffte sie es nur, so unnachgiebig und gleichzeitig so verführerisch zu wirken?

Um einen niedrigen Wohnzimmertisch, auf dem eine blühende Lilie stand, waren ein Sofa und zwei geblümte Sessel gruppiert. Durch die Fenster hatte man einen Blick auf einen abgeschiedenen Palmengarten.

„Setz dich.“ Sie deutete auf einen der Sessel. „Ich bin gleich wieder zurück.“ Mit diesen Worten ging sie zur Tür.

„Eine Frage noch.“

Sie blieb stehen.

„Bist du verheiratet?“ Eigentlich hatte er nicht vorgehabt, sie das gleich als Erstes zu fragen.

„Nein.“

Deswegen hätte er keine Erleichterung empfinden dürfen, dazu hatte er kein Recht. Geschäftlich – das alles ist rein geschäftlich, ermahnte er sich im Stillen. Und das ist alles, was jemals zwischen uns sein wird.

Als Gillian den Raum verließ, musste Max den Blick förmlich von ihrem sanften Hüftschwung losreißen. Klickend fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Max sah sich in dem Raum um, der ein wenig altmodisch und sehr aufgeräumt wirkte. Die Gillian von damals hatte stets überall in ihrer Wohnung Stapel von halb gelesenen Zeitungen, Zeitschriften und Büchern herumliegen gehabt. Beinah sah es so aus, als hätte sie sich verändert. Oder das hier war so etwas, was seine Großmutter immer als Besucherzimmer bezeichnet hatte. Jedenfalls waren die Musik oder der Kaffeeduft, den er beim Eintreten wahrgenommen hatte, nicht aus diesem Zimmer gekommen. Max legte die Ausgabe der Seaside Gazette so auf den Couchtisch, dass Gillians Kommentar zuoberst lag. Das erinnerte ihn wieder an den wahren Grund seines Besuches. Es ging nicht darum, Spekulationen über ihr Leben anzustellen.

Wie versprochen war sie nur wenige Augenblicke später zurück und schloss abermals sorgfältig die Tür hinter sich. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt eine hüftig sitzende Cargohose und ein olivgrünes T-Shirt. Glücklicherweise hatte sie auch einen BH angezogen, was es Max leichter machte, sich auf sein Anliegen zu konzentrieren. Ihre üppige Haarmähne hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und wirkte wie eine Heldin von einem dieser Computerspiele, die sie früher gern gespielt hatten – bereit zur Schlacht.

Bei ihrem Anblick verspürte Max ein angenehmes Kribbeln. „Es geht um deinen Kommentar in der heutigen Ausgabe.“ Deswegen war er schließlich hier. Und nicht, um herauszufinden, ob sie verheiratet war oder was sie in den letzten dreieinhalb Jahren getrieben hatte. Oder ob sie mit ihm essen gehen würde. Schließlich führten viele Wege nach Rom. Nein, reiß dich zusammen! dachte Max. Ihr tolles Aussehen hatte schon damals darüber hinweggetäuscht, dass sie im Gegensatz zu ihm sehr wohl Wert auf emotionale Nähe und eine gemeinsame Zukunft legte. Und Max war ein Mann, der aus seinen Fehlern lernte.

Verschlossen dreinblickend setzte Gillian sich auf die Kante des zweiten Sessels und wirkte so, als wolle sie jederzeit wieder aufspringen. Auch wenn sie beide auf verschiedenen Seiten kämpften, wollte er es genießen, die Klingen mit ihr zu kreuzen. „Das ist Verleumdung“, sagte er ruhig und beugte sich vor.

„Nein, ist es nicht.“ Lächelnd schüttelte sie den Kopf. „Es ist eine Stellungnahme. Und die beruht auf nichts als nackten Tatsachen.“

„Du bezeichnest Rafe Cameron als einen wütenden Teenager, der zu einem wütenden Mann herangewachsen ist, jetzt auf Rache sinnt und das Geld hat, diese Rache zu verwirklichen.“

Ich habe ihn nicht so bezeichnet. Das ist ein Zitat.“

„Von einer tatsächlich existierenden Person?“

„Natürlich. Sie ist so real wie Emma Worth.“

Damit hatte sie einen Volltreffer gelandet. Max presste die Lippen aufeinander. Ronald, Emmas Vater, war der Gründer von Worth Industries und wurde von den Bürgern der Stadt verehrt. Als Gillian zwei Monate zuvor in einem anderen Artikel die skeptische Emma zitiert hatte, war ihr die Aufmerksamkeit der Bürger von Vista del Mar gewiss gewesen. In der Zwischenzeit hatte Max alles darangesetzt, die Menschen von der wohltätigen Arbeit zu überzeugen, die Rafe für die Stadt leistete. Besonders in den Vordergrund hatte er dabei Hannah’s Hope gerückt, eine Stiftung, die Menschen mit Migrationshintergrund beim Lesen- und Schreibenlernen unterstützte und ihnen somit zu einer besseren Bildung verhalf. Max war ein ganz großer Wurf gelungen, als er die Verbindung von Rafe und seinem Stiefbruder Chase zu dem Megarockstar Ward Miller ausgenutzt hatte. Die Menschen von Vista del Mar waren verständlicherweise völlig begeistert von dem charismatischen Rockmusiker gewesen, und das Interesse an der bevorstehenden Wohltätigkeitsgala war dementsprechend hoch. Auch liefen schon vielversprechende Verhandlungen mit einer Reihe anderer Berühmtheiten. Doch Stars waren äußerst empfindlich, was ihren Ruf betraf, weswegen sie sehr sorgfältig auswählten, mit was und wem ihre Namen in Verbindung gebracht wurden. Gillians Kommentare konnten bewirken, dass einige von Max’ aussichtsreichsten Kandidaten einen Rückzieher machten. „Wenigstens hast du damals deine Quelle benannt. Beim heutigen Artikel hingegen …“ Er zuckte mit den Schultern, um seinen Zweifeln Ausdruck zu verleihen.

„Emma hat darauf bestanden, dass ich ihren Namen nenne, damit ihre Aussagen ernst genommen werden. Die Quelle für meinen Artikel von heute hat nicht so gedacht – und ich bin ganz seiner Meinung. Doch das ändert nichts an der Glaubhaftigkeit meines Informanten.“

Max lehnte sich zurück und beobachtete Gillian in dem Versuch herauszufinden, wie sicher sie sich ihrer Sache war. „Du begibst dich auf dünnes Eis, Gillian. Unsere Anwälte werden jedes deiner Worte auf die Goldwaage legen.“

„Das können sie meinetwegen tun“, entgegnete sie und hob trotzig das Kinn.

Max kam nicht umhin, ihre Schönheit zu bewundern: ihr Haar, ihre Haut, ihre Figur, den entschlossenen Ausdruck ihrer grünen Augen mit den bernsteinfarbenen Sprenkeln. Während er sorgfältig ihre Eigenheiten studierte, fiel ihm wieder ein, was ihm an ihr gefallen hatte: alles, um ehrlich zu sein. Aber ganz besonders ihre Augen, die Intelligenz und die Leidenschaft, die sie zum Ausdruck brachten, hatten ihn in den Bann gezogen. Allerdings würde er sich nicht von ihrem kämpferischen Funkeln ablenken lassen – obwohl es Gefühle in ihm wachrief, die er nicht zulassen wollte. Es gab keinen Zweifel daran, dass Gillian eine schöne Frau war, besonders wenn sie in Leidenschaft für ihre Arbeit entbrannte. Früher war es ihm nicht schwergefallen, ihre Leidenschaft auch auf anderen Gebieten zu entfachen.

Noch nie war er einem so faszinierenden Menschen wie ihr begegnet. Aber er würde ihr bestimmt nicht erneut in die Falle gehen. Entschlossen deutete er auf die Zeitung – den eigentlichen Grund seines Besuches. „Du schaffst mit so einem Artikel ein Klima von Unsicherheit, Furcht und Zorn. Cameron Enterprises steckt viel Geld in Hannah’s Hope und die bevorstehende Gala – mit dem Ziel, für Menschen etwas Gutes zu tun. Das klappt aber nur, wenn du die Leute nicht verschreckst.“ Er versuchte gar nicht erst, ihr erzählen zu wollen, dass Rafes Übernahme von Worth Industries letztendlich dem Wohle der Gemeinschaft dienen würde. Oder dass Rafe andere Gründe für seine Wohltätigkeit hatte, als sein Ansehen in der Öffentlichkeit zu stärken, bis er seine Pläne für das Unternehmen realisiert haben würde. Dafür war Rafe viel zu unberechenbar.

„Ich finde es wichtig, den kritischen Stimmen in meinen Artikeln Gehör zu verschaffen“, entgegnete sie. „Die Menschen von Vista del Mar sollen unsicher sein. Sie sollten Angst haben und wütend sein. Und sie sollten nicht daran glauben, dass Rafe Cameron ein gutherziger Samariter ist.“

„Es scheint, als würdest du dich von persönlichen Gefühlen in deiner Arbeit beeinflussen lassen“, erwiderte Max, obwohl er ihr im Stillen zustimmte.

Entgeistert sah sie ihn an. „Da sind keine persönlichen Gefühle mit im Spiel.“

„Du machst das Ganze also nicht, um dich an mir zu rächen?“

Sie lachte. „Du bist ja ganz schön von dir eingenommen.“

„Wirklich?“

„Ja. Ich mache nur meinen Job, weil die Menschen aus Vista del Mar ein paar Fragen an Mr Cameron haben – und mir ist völlig egal, wer sein PR-Berater ist.“

„Und wenn unsere Anwälte ein paar Fragen an dich und deine Zeitung haben, dann machen sie auch nur ihren Job.“

„Die Eigentümer der Zeitung sind auf meiner Seite.“

„Niemand wird gern verklagt“, entgegnete er schlicht. „Und ich kann unsere Anwälte ganz leicht zurückpfeifen. Du musst einfach nur aufhören, weiterhin so aggressive Stellungnahmen zu schreiben. Bleib bei der Wahrheit und den Fakten.“

„Drohst du mir etwa?“, fragte sie und runzelte die Stirn.

„Nein. Ich erkläre dir nur, auf was du dich einlässt.“

Bedächtig schüttelte sie den Kopf. „Kennst du mich denn so schlecht, Max? Das war eine Drohung und kein guter Rat. Glaubst du wirklich, dass mich das davon abhält, meiner Pflicht nachzukommen?“

„Ich möchte dir helfen und dich aufklären. Rafe lässt nicht zu, dass sich ihm jemand in den Weg stellt – er ist ein knallharter Geschäftsmann.“ Um ihretwillen hoffte er, dass sie seinen Worten Glauben schenkte.

„Darf ich dich damit zitieren?“

„Nein. Das hier ist ein Treffen unter … alten Freunden“, sagte er. „Wenn du willst, kann ich ein Interview mit Rafe arrangieren. Dann kannst du ihn zitieren.“

Sie lächelte, und auf einmal schien es heller zu werden im Zimmer. „Wo ich dann diese Art von Informationen bekomme, die du bei der nächsten Pressekonferenz ohnehin verkündest? So wie die anderen sauberen Meldungen aus deiner Presseabteilung? Wie die von letzter Woche, die voll des Lobes für Hannah’s Hope und die Gala gewesen ist?“

Genau an so etwas hatte er gedacht. Natürlich konnte er das nicht zugeben.

„Ich finde, ich habe deutlich gemacht …“ Ein Geräusch ließ Gillian verstummen, und plötzlich schien sie gar nicht mehr erheitert. Stattdessen sah sie auf die Uhr. „Deine Zeit ist um. Ich habe dich angehört und werde darüber nachdenken.“ Plötzlich klang sie einsichtig und beinahe versöhnlich. „Versprochen.“ Sie stand auf und hielt ihm die Tür auf. „Und jetzt geh.“

Langsam erhob Max sich. Irgendetwas hatte sie völlig aus dem Konzept gebracht, und wieder entdeckte er diesen furchtsamen Ausdruck in ihrem Blick. Sie starrte ihn an, als könne sie ihn dadurch zum Gehen bewegen. Er ließ sie nicht aus den Augen, während er auf sie zuging, doch sie drehte sich um und verließ das Zimmer. Als er sie eingeholt hatte, stand sie bereits im Licht der Morgensonne an der weit geöffneten Eingangstür.

Max verharrte.

Sie zog die Tür noch ein Stück weiter auf.

„Es muss nicht so sein, Gillian.“

„Doch, muss es“, entgegnete sie knapp. „Ich mache meine Arbeit, wie ich es für richtig halte.“

„Ich habe nicht deinen Job gemeint, sondern uns. Früher sind wir auch Rivalen gewesen und haben es trotzdem fertiggebracht …“

„Ich habe meine Lektion gelernt und trenne Berufliches und Privates seitdem voneinander. Also, geh jetzt bitte.“

Da Max’ Neugierde geweckt worden war, blieb er stehen, wo er war. Ihre Entschlossenheit wirkte verdächtig. Etwas stimmte hier nicht. Gab es etwa einen Mann im Haus, den sie vor ihm verbergen wollte? Als ein weiteres leises Geräusch zu hören war, versuchte er, einen Blick ins Hausinnere zu erhaschen.

„Max“, sagte sie eindringlich. „Nicht jetzt.“

Er gab nach, schließlich ging es ihn nichts an.

„Mommy!“, war da plötzlich eine glückliche Kinderstimme zu vernehmen, und Gillian schüttelte resigniert den Kopf.

„Mommy?“, fragte Max schockiert.

Sie schloss die Augen, und plötzlich ergab für Max alles einen Sinn: der Familienwagen, Gillians weiblichere Kurven, ihr Bestreben, ihn loszuwerden. Sie mochte zwar nicht verheiratet sein, hatte jedoch anscheinend keine Zeit damit vergeudet, Ersatz für ihn zu finden, um das Kind zu bekommen, das sie sich gewünscht hatte. „Seit wann denn das?“, fragte Max, der keine Ahnung hatte, wie alt das Kind wohl sein mochte. Da es reden konnte, war es zumindest kein Baby mehr.

„Geh bitte“, wiederholte sie, dieses Mal klang sie allerdings weniger bestimmt, sondern resigniert. „Ich muss mit dir reden. Aber nicht jetzt und nicht hier.“

„Klar doch.“ Natürlich würde er gehen, wenn ein Kind hier war. Er wusste ja nicht einmal, wie er sich seinen Nichten gegenüber verhalten sollte.

„Mommy.“

Lediglich einen flüchtigen Blick wollte er riskieren, um seine Neugierde zu befriedigen. Weswegen er sich umdrehte, um einen kleinen lockenköpfigen Jungen zu sehen, der am Fuß der Treppe stand und eine hellblaue Decke umklammerte.

„Ich hab Hunger.“

Der kleine Junge war ein Abbild von Max und seinem Bruder im Alter von zwei Jahren, und plötzlich traf Max die Erkenntnis: Nicht Gillian, sondern er war derjenige, der sich auf dünnes Eis begeben hatte. Soeben war er eingebrochen und in einer überwältigend neuen Welt wieder aufgetaucht. Von dem Kind sah er zu Gillian, deren Gesicht kreideweiß geworden war und die den Türgriff so fest umklammerte, dass ihre Knöchel hervortraten.

„Mommy?“, wiederholte Max die Worte des Jungen und sah zu Gillian. Plötzlich wünschte er sich auch einen Türgriff, an dem er sich festhalten konnte. Der Junge war Gillians Sohn. Außerdem sah er aus wie … er. Es brauchte nicht viel, um zu begreifen, dass es sich um seinen Sohn handelte.

„Okay, Honey“, sagte Gillian leise. „Geh in die Küche. Ich komme gleich nach.“

Einen Augenblick starrte das Kind sie beide an, bevor es sich umdrehte und ging. Max war schockiert von der Reichweite ihres Täuschungsversuches. Und dabei hatte er die ganze Zeit gedacht, sie behandelte ihn so abweisend, um ihren Zeitungsartikel zu schützen! Unglaubliche dreieinhalb Jahre lang hatte sie die Wahrheit vor ihm verborgen gehalten.

„Ich schätze, wir können nicht später darüber reden?“ Gillian wich seinem Blick aus und schluckte schwer. Offensichtlich war ihr klar, dass Max auf keinen Fall jetzt gehen würde.

Er schob die Haustür wieder zu und folgte Gillian wütend und zutiefst schockiert in die Küche. Doch leider konnte er seiner Wut in der Anwesenheit des Kindes, das sein Sohn war, nicht freien Lauf lassen.

2. KAPITEL

Gillian war sehr aufgewühlt. Was würde jetzt wohl als Nächstes geschehen? Nur eine Sache wusste sie mit Gewissheit zu sagen: Max hatte augenblicklich erkannt, wie sehr Ethan ihm ähnelte. Der Schutzwall, den sie sorgfältig um ihr Leben herum errichtet hatte, war mit einem Schlag aufgesprengt worden. Sie folgte Ethan durch die Küche. Die leisen Geräusche, die Max’ italienische Designerschuhe bei jedem Schritt verursachten, kamen ihr so laut wie Axthiebe vor. Doch trotz ihrer Furcht empfand sie auch Erleichterung – endlich hatte das Warten auf das Unvermeidliche ein Ende. Sie hatte gewusst, dass Max die PR-Abteilung von Cameron Enterprises leitete. Daher war ihr klar gewesen, dass jeder ihrer Artikel ihn dazu veranlassen konnte, Kontakt zu ihr aufzunehmen. Und jetzt war es möglicherweise an der Zeit, ihm von Ethan zu erzählen. Doch hatte sie das nicht hier in ihrem eigenen Zuhause tun wollen, nicht in der Gegenwart ihres Sohnes und vor allem nicht, ohne Max schonend auf die Neuigkeiten vorzubereiten. Gillian hielt inne, als Ethan auf seinen Kinderstuhl kletterte. Gegenüber von Ethans Platz befanden sich ihr halb voller Kaffeebecher und die aufgeschlagene Zeitung. Das Kreuzworträtsel erinnerte sie daran, dass noch zehn Minuten zuvor ihr größtes Problem darin bestanden hatte, ein anderes Wort mit elf Buchstaben für Vorfall zu finden. Vor ihr hatte ein entspannter und schöner Tag gelegen.

Sie bereitete Ethan sein Müsli mit Milch und Banane zu, während Max auf ihrem Stuhl Platz genommen hatte. Ethan und er starrten einander mit unverhohlener Neugierde an. Ihr Sohn vermochte fast jeden mit seinem Blick zu bezwingen, und Gillian ahnte, von wem er diese Fähigkeit geerbt hatte. Als Gillian die Müslischüssel vor Ethan auf den Tisch stellte, schwappte etwas Milch über den Rand. Nervös ballte sie die Hände zu Fäusten und beschwor sich, Ruhe zu bewahren.

Nachdem Ethan den für ihn fremden Mann ausreichend lange angeblickt hatte, griff er nach dem Löffel und begann mit seinem Frühstück, das nun wesentlich wichtiger als der Unbekannte am Tisch war. In der Zwischenzeit wischte Gillian die Milch auf.

Und Max sah nur zu. Bis jetzt hatte er kein Wort gesprochen. Sein Schweigen mochte keine Auswirkung auf Ethan haben, Gillians Nervosität hingegen steigerte sich dadurch nur noch mehr. „Möchtest du einen Kaffee?“

Wortlos schüttelte er den Kopf.

Sie hatte gewusst, dass ihr Sohn seinem Vater ähnelte, doch als sie die beiden nun nebeneinander sah, empfand sie die Ähnlichkeit als geradezu frappierend. Mit beiden an einem Tisch zu sitzen ließ ihren größten Wunsch, aber auch ihre größte Befürchtung zugleich wahr werden.

„Wie heißt du?“ Ethan hatte für einen Moment damit aufgehört, sich Getreideflocken in den Mund zu schaufeln.

Max öffnete den Mund.

„Sein Name ist Mr Preston“, kam Gillian ihm zuvor, bevor Max etwas erwidern konnte. Sie hatte plötzlich schreckliche Furcht davor, dass dieser Mann, der niemals Vater hatte sein wollen, „Daddy“ antworten könnte.

Autor

Sandra Hyatt
Nachdem Sandra Hyatt ihr Betriebswirtschaftstudium erfolgreich beendet hatte, entschloss sie sich erst einmal zu reisen. Ihre berufliche Laufbahn startete sie danach zunächst im Marketing. Doch dann erlebte sie einer dieser „Aha“- Momente und entdeckte während ihres Mutterschaftsurlaubs, dass das Schreiben von Liebesromanen ihrer wahren Bestimmung entspricht. Die Autorin liebt es,...
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