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Achilles Casilieris spürt es vom ersten Moment an: Nicht seine Assistentin sitzt mit ihm im Jet, sondern ihre Doppelgängerin Prinzessin Valentina! Dass sie ihn hemmungslos anlügt, ist eine Sache, aber dass die Schönheit ein nie gekanntes Verlangen in ihm weckt, eine ganz andere …


  • Erscheinungstag 24.10.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733728793
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Achilles Casilieris war Perfektionist. Auch von seinen Angestellten forderte er Perfektion. Wer die verfehlte, landete schnell auf der Straße.

Der weltweit agierende Unternehmer hatte es als Selfmademan bereits im Alter von fünfundzwanzig Jahren zum Millionär gebracht. Inzwischen waren er und sein Unternehmen milliardenschwer. So weit hatte er es mit seiner unbedingten Forderung nach Perfektionismus gebracht.

Achilles war knallhart. Ein Tyrann, der seinen Mitarbeitern keinen Fehler durchgehen ließ. Wer ein Ungeschick mit menschlichem Versagen zu erklären versuchte, machte sich bei Achilles extrem unbeliebt.

Seine Privatsekretärin Natalie Monette hielt sich nun schon seit rekordverdächtigen fünf Jahren auf ihrem Posten. Im Gegensatz zu ihren Vorgängerinnen hatte sie noch nie darauf hingewiesen, auch nur ein Mensch zu sein. Achilles betrachtete sie als bemerkenswert tüchtigen Roboter – das höchste Lob, das er jemandem zollen konnte.

Heute jedoch verhielt sich seine Assistentin beunruhigend anders als sonst!

Am frühen Morgen war noch alles normal gewesen. Achilles war zu gewohnt früher Stunde aufgestanden. Da hatte Natalie im Arbeitszimmer seiner Londoner Stadtvilla in Belgravia bereits seit einigen Stunden am PC gesessen, Telefontermine mit Geschäftspartnern in Frankreich arrangiert, die Terminplanung für den Tag gemacht und seine Konferenzen in New York vorbereitet.

Auf dem Weg zum Flugplatz machten sie noch einen kurzen Abstecher ins Bürohochhaus der Firma Casilieris, wo Achilles ein Problem löste, das Natalie längst aus der Welt hätte schaffen müssen. Natürlich hatte er ihr eine Standpauke wegen dieses Fehlverhaltens gegeben. Natalie wusste ganz genau, dass er Perfektion von ihr erwartete. Wie üblich hatte sie keine Gefühlsäußerung gezeigt und seinen Wutanfall mit kühler Professionalität aufgenommen.

Dann war sie im Waschraum des nur von Privatmaschinen genutzten Flugplatzes verschwunden – und ewig nicht wieder aufgetaucht. Er hatte sie persönlich zum Herauskommen auffordern müssen. Seitdem hatte sich Natalie verändert.

Achilles war sich nicht klar, was genau sich an ihr verändert hatte. Auf den ersten Blick wirkte Natalie wie sonst.

Er wusste, dass sie ihren Job sehr gut machte. Als seine Assistentin musste sie sich nicht nur rund um die Uhr mit seinen persönlichen und geschäftlichen Problemen befassen, sondern auch imstande sein, ihm lästige Paparazzi und Vorstandsmitglieder vom Leib zu halten. Ihre Pflichten waren so zahlreich, dass Natalie im Prinzip fast ohne Schlaf auskommen musste!

Selbstverständlich verfügte sie auch über das entsprechende Aussehen, um ihn gelegentlich zu hochkarätigen Veranstaltungen zu begleiten. Etwa dann, wenn Achilles keine Lust hatte, auch nur das Mindestmaß an Charme aufzubringen, um eine seiner Geliebten während eines solchen Events bei Laune zu halten …

Natalie kleidete sich immer betont unauffällig. Auch heute trug sie eins ihrer Standard-Outfits: Bleistiftrock, Bluse und Pulli. Doch an diesem merkwürdigen Tag konnte Achilles kaum die Augen von ihr abwenden! Seit sie vorhin den Waschraum verlassen hatte, wirkte Natalie wie eine völlig andere Person …

Achilles machte es sich in einem der bemerkenswert bequemen Ledersessel des Privatjets gemütlich und beobachtete, wie Natalie sich in den Sessel ihm gegenüber setzte. Täuschte er sich, oder hatte sie kurz gezögert, bevor sie Platz nahm, als hielte sie Ausschau nach irgendwelchen Anhaltspunkten, an denen sie sich orientieren konnte?

„Was haben Sie eigentlich so unglaublich lange im Waschraum gemacht?“, erkundigte er sich schroff. „Es kann ja wohl nicht angehen, dass ich mich höchstpersönlich auf die Suche nach meiner Privatsekretärin machen muss, oder?“

Natalie blinzelte. Seltsam, ihre hinter der Fensterglasbrille versteckten grünen Augen erschienen ihm viel leuchtender als sonst. Überhaupt wirkte sie strahlender. Achilles konnte sich das nicht erklären.

„Ich entschuldige mich“, sagte sie ruhig. Auch die Stimme klang anders. So melodisch.

Achilles war beunruhigt. Er schätzte Natalie Monette nicht zuletzt deshalb, weil sie für ihn wirklich nur die überaus tüchtige Privatsekretärin war. Eine sehr attraktive junge Frau, die ihn persönlich jedoch nie angezogen hatte – im Gegensatz zu einigen seiner Geschäftspartner. Achilles war ein Fuchs, ihm war es ganz lieb, wenn die Herren bei Verhandlungen durch seine hübsche PA abgelenkt waren.

Nun musste er zu seinem größten Erstaunen feststellen, dass er sich plötzlich selbst zu Natalie hingezogen fühlte. Aus heiterem Himmel, nachdem sie seit fünf Jahren eng zusammengearbeitet hatten!

Als sie nun die hübschen langen Beine mit den schmalen Fesseln kreuzte und strahlend lächelte, reagierte sein Körper mit heißem Verlangen.

Unmöglich! Ein Achilles Casilieris empfand doch kein Verlangen für seine Privatsekretärin. Schon als Kind war ihm eingebläut worden, dass er nichts zu wollen hatte, was er nicht haben konnte. Diese Lektion hatte Achilles nie vergessen. Als Erwachsener hatte er sich dann auch nie gestattet, irgendwelchen Wünschen nachzugeben, auch wenn er sich als Milliardär alles hätte kaufen können.

Doch jetzt durchströmte heftiges Begehren seinen Körper. Die Hose wurde im Schritt schmerzend eng. Aus heiterem Himmel … Achilles verstand die Welt nicht mehr. In seinem Leben gab es eigentlich keine Überraschungen!

Er kannte die schlummernden Dämonen in ihm. Auf gar keinen Fall durften sie geweckt werden.

Irgendwie musste er seiner persönlichen Assistentin Einhalt gebieten. Und zwar sofort. Bevor sein Körper völlig verrückt spielte.

„Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?“, fragte er in so scharfem Tonfall, dass er fast selbst erschrak.

Natalie nahm es jedoch mit Gleichmut. „Wenn ich meine Entschuldigung erläutern soll, brauchen Sie mir das jetzt nur zu sagen, Mr. Casilieris.“ Sie lächelte gelassen, fast heiter.

Achilles meinte aus der mit sanfter Stimme vorgebrachten Bemerkung einen versteckten Vorwurf herausgehört zu haben. Das war natürlich vollkommen inakzeptabel!

Sein Blick fiel auf die sittsam im Schoß gefalteten Hände. Auch das war völlig untypisch für Natalie. Sonst war sie ständig in Bewegung, weil sie rund um die Uhr für ihn arbeitete und sich kaum eine Pause gönnte.

Fast war er versucht zu glauben, es handelte sich gar nicht um Natalie. Doch das war natürlich Unsinn. Aber wieso wirkte sie plötzlich so strahlend? Wieso faszinierte ihn der pochende Puls ihrer Halsschlagader? So etwas hatte er doch bisher nie an ihr wahrgenommen.

Natalie musste funktionieren. Alles andere interessierte ihn nicht.

Er hatte wirklich keine Zeit, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen. Seine Geschäfte verlangten hundertprozentige Aufmerksamkeit von ihm. Ablenkung konnte er gerade in dieser heiklen Phase am wenigsten gebrauchen. Seit fast einem Jahr beschäftigte Achilles sich mit der Übernahme einer Hotelkette. Die Verhandlungen waren immer noch nicht abgeschlossen. Wenn er jetzt seine kostbare Zeit opferte, um sich mit den Privatangelegenheiten einer Mitarbeiterin zu beschäftigen, würde der Vertragsabschluss in noch weitere Ferne rücken.

Nun handelte es sich bei Natalie allerdings nicht um irgendeine Mitarbeiterin, sondern um die einzige Person, auf die er sich blind verlassen konnte. So war es jedenfalls bisher gewesen.

„Gibt es etwas, was ich wissen müsste? Haben Sie mir irgendetwas zu sagen?“, fragte er und schaute sie forschend an. Er bemerkte ihr leichtes Erröten. Sehr, sehr seltsam. Natalie war noch nie errötet, egal, was er ihr an den Kopf geworfen hatte. Stoisch hatte sie immer alle seine Wutausbrüche ertragen und ruhig ihre Arbeit erledigt. Das machte sie für ihn ja gerade so wertvoll.

Heute lag jedoch ein verführerisch rosiger Hauch auf ihren aristokratischen Wangenknochen! Und Natalie saß jetzt schon etliche Minuten auf ihrem Platz, ohne Anstalten zu machen, sich um eine ihrer vielfältigen Aufgaben zu kümmern.

Aristokratische Wangenknochen? Achilles stutzte. Seit wann bemerkte er so etwas? Nicht einmal den Frauen, mit denen er ins Bett ging – natürlich erst nach gründlicher Sicherheitsüberprüfung und Unterzeichnung eines Geheimhaltungsvertrags – schenkte er so viel Aufmerksamkeit.

„Was denn zum Beispiel?“ Ihr strahlendes Lächeln bei der Gegenfrage entfesselte erneut heißes Verlangen bei Achilles, was er gar nicht gebrauchen konnte. „Ich erzähle Ihnen gern, was Sie hören möchten, Mr. Casilieris. Das ist ja mein Job.“

„Ja? Ist das wirklich Ihr Job?“ Er lächelte gezwungen. „Ich hatte mich schon gefragt, ob Sie sich überhaupt daran erinnern, einen Job zu haben.“

„Weil ich Sie habe warten lassen? Ja, das war wirklich ungewöhnlich.“

„Das kann man wohl sagen. Sie haben noch nie gewagt, mich warten zu lassen.“ Er konnte nicht verstehen, wieso sein Körper plötzlich so heftig auf sie reagierte, obwohl Natalie doch aussah wie immer. „Was ist passiert? Hat man Sie überfallen? Nun reden Sie doch endlich!“ Sein Blick war fast drohend. „Sie scheinen nicht Sie selbst zu sein.“

Doch auch das brachte sie nicht aus der Ruhe. Sie lächelte vielleicht nur noch strahlender mit diesen ausgesprochen sinnlichen Lippen, die förmlich zum Küssen einluden. Nein! So geht das nicht! Energisch rief Achilles sich zur Ordnung. Was war denn nur die ganze Zeit mit ihm los?

„Es tut mir außerordentlich leid, Sie enttäuschen zu müssen, Mr. Casilieris. Aber mir ist nichts passiert. Niemand hat mir etwas getan“, erklärte sie, als der Jet auf der Startbahn Fahrt aufnahm. „Allerdings habe ich kurz mit dem Gedanken gespielt zu kündigen“, fügte sie leise hinzu.

Das war ja ungeheuerlich! Heiße Wut stieg in ihm auf.

„Pardon“, stieß Achilles schließlich schroff hervor. „Ich muss mich wohl verhört haben. Sie haben doch wohl nicht gemeint, Sie wollen mich verlassen?“ Oje, das hätte er wohl besser anders formuliert. Aber seine engste Vertraute schien ihre Worte tatsächlich ernst gemeint zu haben. Das konnte er nicht tolerieren.

„Ich denke darüber nach.“ Lächelnd sah sie ihn an. Offenbar war sie sich der Gefahr, in der sie schwebte, gar nicht bewusst. Nur Achilles wusste, wie leicht es wäre, das in ihm schlafende Monster zu wecken. Und dann konnte er für nichts garantieren.

Doch schnell hatte Achilles alles wieder unter Kontrolle und lachte. „Sollte das ein Versuch sein, mehr Geld herauszuschlagen, Miss Monette, dann ist Ihre Strategie kläglich gescheitert. Sie werden sowieso schon überbezahlt, sollte man meinen.“

„Sollte man? Vielleicht.“ Ungerührt sah sie ihn an. „Aber möglicherweise hat die Konkurrenz auch erkannt, wie sehr Sie auf mich angewiesen sind. Vielleicht habe ich beschlossen, dass es mir nicht mehr genügt, nach der Pfeife eines Milliardärs zu tanzen und ständig in der Schusslinie zu stehen.“

„Mein Wutausbruch vorhin kann Sie doch nicht so erschüttert haben.“

Sie lächelte sanft. „Wenn Sie meinen.“

„Ja, das meine ich. Meine Wutausbrüche haben Sie noch nie gestört. Das gehört zu Ihrem Job.“

„Dann bin ich wohl nicht besonders gut in meinem Job“, antwortete sie und lächelte rätselhaft.

Wie herausfordernd sie ihn mit diesen leuchtenden grünen Augen anschaute. Als wären sie einander ebenbürtig. Plötzlich wurde Achilles von dem Impuls beherrscht, sich vorzubeugen und sie zu berühren. Ob sich ihre Haut so seidig anfühlte wie sie schimmerte? Er wollte die sinnlichen Lippen schmecken und …

Bin ich jetzt völlig verrückt geworden?

Achilles schüttelte den Kopf, um wieder klar zu denken. „Sie sollten Ihre Verhandlungsstrategie noch einmal überdenken. Sie wissen ganz genau, dass momentan viel zu viel auf dem Spiel steht. Jetzt zu kündigen wäre ausgesprochen unpassend.“

„Man sollte meinen, dass dies der perfekte Zeitpunkt ist, um über Wutausbrüche und Ausgleichszahlungen zu sprechen“, konterte sie ruhig und gelassen wie immer. Trotzdem musste Achilles die Zähne zusammenbeißen. „Immerhin wird ja von mir erwartet, zweiundzwanzig Stunden am Tag zu arbeiten, und dafür werde ich dann auch noch angebrüllt. Da kommt man schon ins Grübeln, was einem fehlt. Das ist ganz natürlich.“

„Ihnen fehlt es an nichts. Sie haben gar keine Zeit, das Geld auszugeben, das ich Ihnen bezahle. Sie sind nämlich viel zu beschäftigt, ständig durch die Welt zu reisen – was natürlich auch ich bezahle.“

„Hätte ich doch nur mehr als zwei Stunden Zeit am Tag, um mein fürstliches Gehalt zu genießen.“

„Andere Menschen würden alles dafür tun, nur fünf Minuten mit mir zu verbringen“, behauptete er. „Oder haben Sie vergessen, wer ich bin?“

„Also wirklich.“ Seine Assistentin schüttelte tadelnd den Kopf.

Achilles beschlich ein ganz merkwürdiges Gefühl. Hatte Natalie ihn gerade zurechtgewiesen? Ihn?!

„Es würde Sie sicher nicht umbringen, etwas höflicher zu sein“, fügte sie noch hinzu.

Das wurde ja immer schöner. Seine eigene Privatsekretärin hatte gerade seine Manieren kritisiert. Achilles war schon wieder auf hundertachtzig.

Doch das Lächeln, das sie ihm dann schenkte, rief eine ganz andere Reaktion hervor …

„Jedenfalls habe ich beschlossen, heute nicht zu kündigen und bin doch in die Maschine gestiegen.“

Die Betonung auf dem Wort heute war nicht zu überhören. Eine weitere Provokation. Unbändige Wut brodelte in ihm. Doch Achilles hatte sich schnell wieder im Griff.

„Gehen Sie ruhig, Miss Monette“, sagte er frostig. „Ich werde Sie nicht aufhalten. Wie kommen Sie nur darauf sich einzubilden, ich würde Sie bitten zu bleiben? Ich brauche nur mit den Fingern zu schnippen, schon sitzt Ihre Nachfolgerin auf Ihrem Platz. Wenn ich es mir recht überlege, sollte ich genau das tun. Dieses Gespräch wird nämlich langsam unerträglich.“

Die Privatsekretärin, die er nach fünf Jahren intensiver Zusammenarbeit bestens kannte, hätte jetzt jeden Widerspruch hinuntergeschluckt, den Blick abgewandt, ihren makellos sitzenden Rock glatt gestrichen und sich entschuldigt. Nie hatte sie ihm die Stirn geboten! Erwartungsvoll schaute er sie an.

Aufrecht saß sie ihm gegenüber und erwiderte ruhig und gelassen seinen Blick. Am liebsten hätte Achilles ihr schimmerndes kupferrotes Haar aus dem strengen Pferdeschwanz befreit und seine Hände unter ihre schneeweiße Bluse geschoben. Oder unter ihren Rock …

Diese Reaktion machte ihn noch wütender. Achilles kannte sich selbst nicht mehr. Schon wieder musste er sich zur Ordnung rufen.

„Wir wissen beide, dass auf Ihr Fingerschnippen eine ganze Schar von Bewerberinnen vorstellig werden wird, dass es aber sehr, sehr schwierig sein wird, den Posten zu Ihrer Zufriedenheit neu zu besetzen“, erklärte sie mit irritierender Selbstsicherheit. „Lassen wir die Drohungen. Tatsache ist: Sie brauchen mich.“

Ein Ruck ging durch Achilles. „Ich brauche nichts“, stieß er leise hervor. „Nichts und niemanden.“

Das nahm sie wortlos zur Kenntnis, ohne mit der Wimper zu zucken.

„Statt sich Gedanken über Ihre Nachfolgerin zu machen, sollten Sie sich lieber um Ihren Job kümmern. Was fällt Ihnen eigentlich ein, so respektlos mit mir zu reden?“

„Nicht respektlos, nur offen“, entgegnete sie ernst, als fände sie seine Reaktion enttäuschend.

Ungläubig musterte er seine langjährige Privatsekretärin. Was fiel ihr ein, über ihn zu richten? Indigniert schüttelte er den Kopf. So kannte er Natalie gar nicht. Was war nur plötzlich in sie gefahren?

Erst als Achilles sicher war, sie nicht unbeherrscht anzubrüllen, stieß er harsch hervor: „In den kommenden Stunden müssen Sie sich wohl oder übel damit abfinden, Ihren verhassten Job zu machen. Es sei denn, Sie möchten mit dem Fallschirm abspringen. Ich schlage vor, Sie nutzen die Zeit auch, um Ihre Arbeitsauffassung zu überdenken.“

Das strahlende Lächeln, mit dem sie ihn offensichtlich aufmuntern wollte, passte ihm überhaupt nicht. Es war zu hell, drohte ihn zu verbrennen.

„Vielen Dank für das freundliche Angebot, Mr. Casilieris. Ich werde es mir gründlich überlegen.“

Diese perfekte Selbstbeherrschung ging ihm schrecklich auf die Nerven. Ließ diese Frau sich eigentlich durch nichts aus der Ruhe bringen?

Im nächsten Moment hob der Privatjet ab. Die Schwerkraft drückte die Passagiere in die Sitze.

Achilles musterte sein Gegenüber und machte sich so seine Gedanken. Er arbeitete seit fünf Jahren eng mit Natalie zusammen. In der Zeit hatte sie es noch nie gewagt, ihn zu kritisieren. Außerdem reagierte er heute so merkwürdig auf sie. Wenn er sie anschaute, erhöhte sich sofort die Pulsfrequenz, das Herz begann zu rasen.

Zunächst hatte er das für unbändige Wut gehalten, doch Wut fühlte sich anders an. Er war nicht der Typ, der die Kontrolle über sich verlor. Schon lange nicht mehr. Schließlich erwartete Achilles auch von sich selbst absolute Perfektion.

Plötzlich drifteten seine Gedanken in die Vergangenheit. In seiner Jugend war die Wut sein ständiger Begleiter gewesen. Immer wieder hatte sein gewalttätiger Stiefvater ihn mit seinen Prügeln dazu gebracht, dieser ohnmächtigen Wut freien Lauf zu lassen. Bis Achilles sich wie ein Tier zur Wehr gesetzt hatte …

Wieso musste er jetzt daran denken? Diese Zeit war tabu, lange vorbei und verdrängt. Was passierte hier gerade mit ihm? Wieso hatte diese Natalie so eine Wirkung auf ihn? Misstrauisch musterte Achilles sein Gegenüber.

Natalie war eine sehr attraktive Frau. Um Annäherungsversuche seiner eher skrupellosen Geschäftspartner zu vermeiden, hatte sie ihre wunderschönen grünen Augen irgendwann hinter einer strengen Hornbrille versteckt und das herrliche kupferrote Haar zum Pferdeschwanz gebunden. Er hatte das durchaus befürwortet, schließlich hatte ihre Schönheit ihn selbst nie angezogen. Bis heute …

Was also hatte sich geändert? Wieso ging sie ihm plötzlich unter die Haut? Praktisch von einem Tag auf den anderen.

Achilles’ Gedanken kreisten um den Waschraum auf dem Flugplatz. Die Veränderung war aufgetreten, als Natalie den Waschraum verlassen hatte. War die wahre Natalie entführt worden? Hatte man sie gegen eine Doppelgängerin ausgetauscht?

Nein, das war völlig absurd. Trotzdem dachte er weiter angestrengt über diese Möglichkeit nach.

Sowie das Flugzeug die Reiseflughöhe erreicht hatte, stand Achilles auf und setzte sich auf die bequeme Ledercouch in der Mitte der Kabine, die wie ein elegantes Hotelzimmer eingerichtet war. Dort klappte er den Laptop auf und gab vor, E-Mails zu lesen. Doch in Wahrheit beobachtete er heimlich, wie Natalie sich an Bord der Maschine verhielt. Statt sich fokussiert und energiegeladen im Flieger zu bewegen, wirkten ihre Schritte heute eher zögerlich. Zugleich schien sie sich aber viel aufrechter zu halten als sonst, sodass sie größer wirkte.

Es war, als hätte Natalie sich im Badezimmer des Flughafens eine völlig andere Körpersprache angeeignet! Aber das war doch nicht möglich!

Außer, es handelte sich tatsächlich um eine andere Person …

Achilles war entschlossen, das Rätsel zu lösen. Er war bekannt dafür, einer Sache auf den Grund zu gehen, und war erst zufrieden, wenn wirklich alle Unklarheiten beseitigt waren. Dabei ging er auch ungewöhnliche Wege, bediente sich unkonventioneller Methoden. Nicht zuletzt dadurch war er seinen Konkurrenten immer mindestens einen Schritt voraus.

Als Natalie sich wieder hingesetzt hatte und anfing, in ihrer voluminösen Handtasche zu kramen, begann Achilles bereits mit seiner Recherche im Internet. Er war darauf gefasst, Fotos von Frauen zu finden, die eine gewisse Ähnlichkeit mit seiner Privatsekretärin hatten, dass er jedoch so schnell den Jackpot knackte, hätte er nicht für möglich gehalten.

Unzählige Aufnahmen seiner Privatsekretärin fanden sich im Internet. Nur dass es sich eben nicht um Aufnahmen seiner Angestellten handelte! Das erkannte Achilles sofort! Die Schönheit auf den Fotos trug elegante Roben und erlesene Juwelen. Glitzernde Ringe lenkten die Aufmerksamkeit auf perfekt manikürte Hände mit dezent lackierten Fingernägeln.

Natalie hatte nie Zeit, zur Maniküre zu gehen. Die Frau, die gerade in der Handtasche kramte – eindeutig Natalies Handtasche – hatte jedoch perfekt gepflegte Hände.

In den Bildunterschriften stand auch nie etwas von einer Natalie Monette, PA von Achilles Casilieris. Die elegante rothaarige Schönheit wurde stets anders betitelt. Nämlich als Königliche Hoheit Prinzessin Valentina von Murin.

Achilles hatte nicht viel für den Adel übrig, zumal in diesen Kreisen das Geld vererbt wurde und nicht hart erarbeitet, wie in seinem Fall. Das kleine, im Mittelmeer gelegene Inselkönigreich Murin hatte er noch nie besucht. Er besaß ja keine Jacht, mit der er im Sommer dort vor Anker gehen konnte; und auf die Steuervorteile, die das kleine Königreich bot, konnte er auch gut verzichten. Aber er kannte König Geoffrey von Murin vom Sehen, und selbstverständlich erkannte er das königliche Familienwappen.

Aha! Dieses Wappen hatte er vorhin auf dem anderen Privatjet entdeckt, der auf dem kleinen Londoner Flugplatz neben seinem eigenen auf die Startgenehmigung gewartet hatte.

Das ist ja irre, dachte Achilles. Niemand hätte je auf den ersten Blick bemerkt, dass es sich nicht um ein und dieselbe Person handelte.

Wenn er sich nicht sehr irrte, und das tat er ganz bestimmt nicht, dann versuchte Prinzessin Valentina von Murin, ihn hinters Licht zu führen. Das bedeutete, dass Natalie irgendwo die Rolle der Prinzessin spielte! Dass sie ihrem Job den Rücken gekehrt hatte und ihn jemandem überlassen hatte, der ihn ganz sicher nicht ausfüllen konnte. Natalie war also tatsächlich nicht mehr glücklich in ihrer Position gewesen. Und dieser Rollentausch kam einer Kündigung gleich.

Allein diese Tatsache empörte Achilles. Aber dass Natalie sich eingebildet hatte, er würde den Tausch nicht bemerken, war ja wohl der Gipfel. Sie sollte ihn wirklich besser kennen. Oder war es ihr egal?

Lächelnd sah Achilles zu, wie Valentina nun graziös ihm gegenüber Platz nahm. Ihre aufrechte Körperhaltung verriet jahrelanges Haltungstraining. Sicher hatte sie auch Ballettunterricht genommen und kannte sich mit Etikette, Diplomatie und Hofprotokoll aus. Und sie dachte, sie könnte ihn, Achilles Casilieris, hinters Licht führen!

Autor

Caitlin Crews
<p>Caitlin Crews wuchs in der Nähe von New York auf. Seit sie mit 12 Jahren ihren ersten Liebesroman las, ist sie dem Genre mit Haut und Haaren verfallen und von den Helden absolut hingerissen. Ihren Lieblingsfilm „Stolz und Vorurteil“ mit Keira Knightly hat sie sich mindestens achtmal im Kino angeschaut....
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