Big Sky Country - Das weite Land

– oder –

 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Urplötzlich steht Sheriff Slade Barlows ruhiges Leben kopf. Erst vermacht ihm sein Vater, der ihn nie anerkannt hat, die Hälfte seiner riesigen Farm. Sehr zum Missfallen seines Halbbruders. Dann schneit die Teenagertochter seiner Exfrau bei ihm rein. Und schließlich taucht Joslyn Kirk wieder in Parable auf, ehemalige Cheerleaderin, Rodeo-Queen und Schönheitskönigin. Früher hat er sie nur von Weitem angehimmelt, inzwischen mutiger geworden, kommt er ihr jetzt erstaunlich nahe. Dass sie mit seinem Halbbruder befreundet ist, macht die Sache allerdings kompliziert...


  • Erscheinungstag 10.07.2013
  • Bandnummer 1
  • ISBN / Artikelnummer 9783862787876
  • Seitenanzahl 352
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Image

1. KAPITEL

Parable, Montana

Du warst nicht auf der Begräbnisfeier“, fuhr Hutch Carmody seinen Halbbruder Slade Barlow an. Sein vorwurfsvoller Ton war unüberhörbar.

Slade sah Hutch nicht direkt an, musterte ihn aber aus dem Augenwinkel. Sie saßen nebeneinander auf zwei unbequemen Stühlen vor einem riesigen Schreibtisch. Maggie Landers, die Anwältin ihres gemeinsamen Vaters, von der sie beide herbestellt worden waren, hatte sich bis jetzt noch nicht blicken lassen.

„Ich war bei der Beisetzung auf dem Friedhof“, antwortete Slade nach einer Weile tonlos. Es war die Wahrheit. Allerdings hatte er sich etwas abseits der Menge gehalten, da er einerseits nicht bei den anderen Trauergästen stehen wollte, es andererseits aber auch nicht geschafft hatte, ganz wegzubleiben.

„Warum hast du dir überhaupt die Mühe gemacht zu kommen?“, fragte Hutch provokant. „Oder wolltest du dich nur davon überzeugen, dass der Alte wirklich in der Kiste liegt?“

Slade war kein jähzorniger Mann. Seinem Naturell entsprechend, dachte er erst und redete dann. Wenn er sich zu irgendetwas äußerte, tat er es stets ruhig und mit Bedacht. Diese Eigenschaft hatte sich in all den Jahren, seit er zum Sheriff ernannt worden war, gut bewährt. Doch bei dem scharfen Unterton in den Worten seines Halbbruders spürte er, wie ihm die Hitze bis zum Hals hinaufkroch und es in seinen Ohren zu pochen begann.

„Vielleicht war es das, ja“, erwiderte er gedehnt und voller Verachtung, während die Bürotür hinter ihnen leise geöffnet wurde.

Hutch hatte gerade seinen Stuhl zurückgeschoben, als wollte er aufspringen und auf Slade losgehen. Stattdessen blieb er sitzen und fuhr sich – vermutlich als Ventil für den Adrenalinstoß – mit einer ruckartigen Bewegung durch seinen dunkelblonden Haarschopf.

Slade war über sich selbst entsetzt, weil er sich gerade zu dieser Provokation hatte hinreißen lassen. Gleichzeitig empfand er wegen Hutchs Reaktion ein tiefes, grimmiges Gefühl der Befriedigung. Sie beide konnten sich, wie man so schön sagte, auf den Tod nicht ausstehen.

„Schön, dass Sie einander nicht umgebracht haben“, bemerkte Maggie fröhlich, während sie um den glänzenden riesigen Schreibtisch herumging und dann auf dem Lederstuhl dahinter Platz nahm. Mit über 50 Jahren, den kurzen, perfekt gefärbten braunen Haaren und den grünen Augen, die für gewöhnlich intelligent und schelmisch funkelten, sah sie immer noch umwerfend aus. Sie drehte sich ein wenig zur Seite, um ihren Computer hochzufahren.

„Jedenfalls noch nicht“, meinte Hutch schließlich.

Obwohl Slade Maggie nur im Profil sehen konnte, bemerkte er, dass sie einen Mundwinkel hochgezogen hatte, und schmunzelte. Ihre Finger, die jeden Samstagvormittag im Friseursalon seiner Mutter sorgfältig manikürt wurden, flogen eifrig über die Tastatur. Der Monitor warf einen schwachen blauen Lichtschein auf ihr Gesicht und die dünne Jacke ihres maßgeschneiderten cremefarbenen Hosenanzugs.

„Wie geht es Ihrer Mutter, Slade?“, erkundigte sie sich freundlich, ohne den Blick vom Bildschirm abzuwenden.

Maggie und seine Mutter Callie waren ungefähr im gleichen Alter und schon befreundet, solange Slade denken konnte. Angesichts der Tatsache, dass er Maggie erst gestern zufällig im „Curly-Burly“, dem Frisiersalon seiner Mom, getroffen hatte, nahm Slade an, dass es sich um eine rein rhetorische Frage handelte. Einfach um Small Talk.

„Danke, es geht ihr gut.“ Mittlerweile hatte sich Slades unbändiges Bedürfnis nach Brudermord gelegt. Nun grübelte er wieder über jene Sache, die ihn beschäftigte, seit die ehrenwerte Ms Landers heute Morgen bei ihm zu Hause angerufen und ihn gebeten hatte, auf dem Weg zur Arbeit doch in ihrer Kanzlei vorbeizukommen.

Der Termin musste mit dem Testament des Alten zu tun haben, obwohl Maggie das am Telefon nicht direkt gesagt hatte. Alles, was sie verraten hatte, war: „Es wird nicht lange dauern, Slade. Und glauben Sie mir, es ist in Ihrem Interesse, wenn Sie dabei sind.“

Hutchs Anwesenheit war nur logisch, da er der eheliche Sohn war. Der Goldjunge, der von seiner Geburt an darauf vorbereitet worden war, der alleinige „Herrscher“ über die gesamten Besitztümer zu werden. Man hatte ihn auch dann noch darauf vorbereitet, nachdem er mit zwölf Jahren seine Mutter verloren hatte und infolgedessen tun und lassen konnte, was er wollte. Slade selbst wiederum war als uneheliches Kind der klassische Außenseiter gewesen.

John Carmody hatte ihm kein einziges Mal Beachtung geschenkt. Kein einziges Mal in den mittlerweile 35 vergangenen Jahren. Äußerst unwahrscheinlich, dass John auf dem Sterbebett seinem Herzen einen Ruck gegeben und das Ergebnis seiner längst vergessenen Beziehung mit Callie in seinem Testament berücksichtigt hatte.

Nein, dachte Slade. Carmody hatte kein Herz gehabt. Auf jeden Fall nicht, sobald es um ihn und seine Mutter ging. Während der ganzen Zeit hatte er nicht ein einziges Wort mit Slade gesprochen. Bei jeder Begegnung hatte er durch ihn hindurchgeschaut, als wäre er unsichtbar. Falls dieser halsstarrige Mistkerl Maggie beauftragt hatte, dafür zu sorgen, dass Slade bei der Verlesung des Testaments anwesend war, konnte das nur einen Grund haben: Wenn Hutch die ganzen Ländereien und das Geld bekam, sollte Slade wissen, was ihm entging.

Du kannst es dir sonst wohin stecken, Alter, schoss es Slade wütend durch den Kopf. Er hatte nie erwartet – oder sich gewünscht –, auch nur einen müden Cent von John Carmody zu kriegen. Schlimm genug, dass er das Aussehen dieses Kotzbrockens geerbt hatte– die dunklen Haare, die schlanke, muskulöse Statur und die blauen Augen. Und es ärgerte ihn, dass Maggie, die Freundin seiner Mutter, dabei mitspielte, wenn er hier seine Zeit vergeuden musste.

Maggie klickte mit der Maus, und ihr Drucker begann, eine Seite nach der anderen auszuspucken. Währenddessen drehte sie sich zu Hutch und Slade und sah die beiden an.

„Ich erspare Ihnen das juristische Geschwafel“, sagte sie, holte die Blätter aus dem Drucker und sortierte sie in zwei Stapel. Dann schob sie die beiden Papierstöße über den Tisch, sodass jeder von ihnen einen vor sich liegen hatte. „Hier sind alle Fakten. Sie können das Testament bei Gelegenheit durchlesen.“

Slade warf nur einen kurzen Blick auf die Ausdrucke und machte keine Anstalten, sie zu nehmen.

„Und wie sind die Fakten?“, fragte Hutch mürrisch. Vollidiot, dachte Slade.

Maggie verschränkte die Finger und lächelte milde. Es bedurfte mehr als eines arroganten Cowboys, um sie aus der Fassung zu bringen. „Der Besitz soll zwischen Ihnen beiden zu gleichen Teilen aufgeteilt werden“, verkündete sie.

Slade war so verblüfft, dass er einfach nur reglos dasaß. Es hatte ihm den Atem verschlagen, als hätte ihm gerade jemand mit voller Wucht in den Magen geboxt.

Durch seinen Kopf summte ein einziger Gedanke – wie eine eingesperrte Motte, die den Weg nach draußen sucht: Was zum Teufel hatte das alles zu bedeuten?

Hutch, der ohne Zweifel genauso schockiert war wie Slade – wenn nicht sogar noch mehr –, beugte sich vor und presste barsch hervor: „Was haben Sie da gerade gesagt?“

„Sie haben mich schon richtig verstanden, Hutch“, antwortete Maggie gelassen. Sie mochte vielleicht aussehen wie eine würdevoll alternde Elfe, doch sie nahm es mit den besten Staatsanwälten des Landes auf und machte – bildlich gesprochen – re – gelmäßig Kleinholz aus ihnen.

Slade schwieg. Er versuchte immer noch, die Neuigkeit zu verdauen.

„Schwachsinn“, murmelte Hutch. „Das ist Schwachsinn.“

Maggie seufzte. „Trotzdem“, meinte sie, „ist es das, was Mr Carmody wollte. Er war mein Mandant, und es ist mein Job, dafür zu sorgen, dass sein letzter Wille erfüllt wird. Immerhin hat ihm Whisper Creek gehört. Er hatte jedes Recht, so über sein Eigentum zu verfügen, wie er es für richtig hielt.“

Slade hatte sich mittlerweile zumindest wieder so weit gefangen, dass er sprechen konnte. Seine Stimme klang dennoch heiser. „Was wäre, wenn ich Ihnen sagte, dass ich nichts davon möchte?“, wollte er wissen.

„Wenn Sie mir das sagten“, erklärte Maggie sanft, „würde ich antworten, dass Sie den Verstand verloren haben, Slade Barlow. Wir reden hier von einer Menge Geld. Dazu kommt eine äußerst gewinnbringende große Ranch und alles, was dazugehört – inklusive Gebäude, Tiere und Bodenschätze.“

Erneutes Schweigen – kurz, gefährlich und mit Emotionen aufgeladen.

Hutch war derjenige, der zuerst das Wort ergriff. „Wann hat Dad sein Testament geändert?“

„Er hat es nicht geändert“, erwiderte Maggie, ohne zu zögern. „Mr Carmody hat die Papiere vor Jahren aufsetzen lassen, da war mein Vater noch in der Kanzlei tätig. Er hat sie vor sechs Monaten, nachdem seine Krankheit diagnostiziert wurde, sogar nochmals persönlich durchgesehen. Es ist das, was er wollte, Hutch.“

Hutch schnappte sich seine Ausdrucke und stand auf. Slade erhob sich ebenfalls, ließ die Dokumente jedoch liegen. Ihm kam alles völlig unwirklich vor. Wahrscheinlich träumte er. Jeden Moment würde er in kaltem Schweiß gebadet zwischen zerwühlten Laken allein in seinem alten Bett aufwachen … In seiner Wohnung aufwachen, in der er lebte, seit er vor zehn Jahren nach dem College, einem militärischen Einsatz und einer kurzen Ehe – gefolgt von einer höchst freundschaftlichen Scheidung – nach Parable zurückgekehrt war.

„Ich fasse es nicht“, murmelte Hutch. Seine Stimme war rau wie Sandpapier. Er war für die Rancharbeit angezogen und trug alte Jeans, ein blaues Baumwollhemd und ein Paar abgewetzte Stiefel. Vermutlich bedeutete das, dass er genauso wenig wie Slade gewusst hatte, was es mit diesem Termin auf sich haben würde.

„Danke, Maggie“, hörte Slade sich sagen, während er sich zum Gehen umwandte.

Er war nicht dankbar; nur aus Gewohnheit war es ihm herausgerutscht.

Maggie erhob sich, ging um den Schreibtisch herum und ihm nach. Dann drückte sie ihm den Ausdruck des Testaments seines Vaters mit sanfter Gewalt in die Hand. „Lesen Sie es wenigstens“, verlangte sie. „Ich werde Sie in ein paar Tagen zu einem weiteren Gespräch zu mir bitten. Bis dahin haben Sie beide Zeit, alles zu verarbeiten.“

Slade erwiderte nichts. Er spürte, wie das Papier zerknitterte, als er reflexartig die Blätter fester umklammerte.

Nachdem er wenige Augenblicke später die Tür seines Pickups geöffnet hatte, stand Hutch wieder neben ihm.

„Ich kaufe dir deine Hälfte der Ranch ab“, schlug er mit gepresster Stimme vor. „Das Geld interessiert mich nicht. Davon habe ich ohnehin genug. Aber Whisper Creek ist seit fast hundert Jahren im Besitz meiner Familie. Mein Urgroßvater hat das ursprüngliche Haus und den Stall mit seinen eigenen Händen gebaut. Also sollte die Ranch mir allein gehören.“

Die Betonung von meiner Familie war ein subtiler und gleichzeitig unmissverständlicher Wink mit dem Zaunpfahl.

Slade erwiderte den grimmigen Blick seines Halbbruders. Dann griff er nach seinem Hut, den er – nach alter Cowboytradition – mit der Krempe nach oben auf dem Beifahrersitz seines Wagens liegen lassen hatte, bevor er Maggies Kanzlei betreten hatte. „Ich muss darüber nachdenken.“

„Was gibt es da nachzudenken?“, fragte Hutch nach einer weiteren spannungsgeladenen Pause. „Ich zahle bar, Barlow. Nenn mir deinen Preis.“

Nenn mir deinen Preis. Slade wusste, dass er auf den Deal eingehen sollte. Er sollte einfach froh sein, dass John Carmody es für angebracht gehalten hatte, ihm etwas zukommen zu lassen – wenn auch erst nach seinem Tod. Alles, was Slade tun musste, war, Ja zu sagen. Dann könnte er sich das kleine Stück Land kaufen, auf das er schon seit ein paar Jahren ein Auge geworfen hatte. Er könnte es bar bezahlen, statt seine Ersparnisse für eine Anzahlung plündern zu müssen. Doch irgendetwas hielt ihn davon ab, Hutchs Angebot anzunehmen; etwas, das andere – tiefere – Gründe hatte als seine generelle Unfähigkeit, impulsiv zu reagieren.

Indirekt hatte John Carmody zu guter Letzt seine Existenz doch noch zur Kenntnis genommen. Slade brauchte Zeit, um dieses Wissen erst einmal zu verdauen und herauszufinden, was es bedeutete. Wenn es denn überhaupt etwas bedeutete …

„Ich melde mich bei dir.“ Slade stieg in seinen Pick-up und setzte seinen Hut auf. „Inzwischen muss ich mich um mein County kümmern.“ Er knallte die Autotür zu.

Hutch schlug mit der Handkante fest gegen die Tür. Dann drehte er sich um, stürmte zu seinem Pick-up mit dem Whisper-Creek-Logo drauf, lief um die Motorhaube herum, riss die Wagentür auf und sprang auf den Fahrersitz.

Slade beobachtete, wie sein Halbbruder das Auto anließ, den Rückwärtsgang einlegte und die Reifen dabei ordentlich Kies aufwirbelten. Hutch war sichtlich wütend, aber immerhin so schlau, nicht das Tempolimit zu überschreiten, während der Sheriff zusah.

Slade wartete ein paar Sekunden, dann gab er Gas und bog in die schmale Nebenstraße ein. Er sollte längst in seinem Büro drüben im Justizgebäude sein und seine Deputys auf Streife in die verschiedenen Teile des Countys schicken. Stattdessen fuhr Slade los Richtung Highway. Fünf Minuten später hielt er vor dem Zuhause seiner Mutter, einem alten Wohnwagen mit rostgesprenkeltem Aluminiumunterbau und einem Anbau aus Sperrholz, der als Wohnbereich diente.

In seiner Kindheit hatte sich Slade manchmal wegen des chaotischen Gebildes aus Metall und Holz geschämt. Es war so notdürftig zusammengebaut, dass nur mehr das hüfthohe Unkraut, ein paar aufgebockte Schrottautos und rostige Haushaltsgeräte auf der Veranda fehlten, um der klassischen Hinterwäldler-Behausung zu entsprechen. Callie hatte ihn gezwungen, die zweifarbigen Außenwände des Wohnwagens – jenen Teil, in dem sich der Friseursalon befand – mindestens zweimal im Jahr gründlich zu reinigen. Außerdem hatte Slade den Rest regelmäßig frisch gestrichen.

Auf dem staubigen Schild am Rand des Schotterparkplatzes waren diese Woche sogar alle Wörter richtig geschrieben: Acrylnägel: halber Preis. Zehn Prozent auf Strähnchen/Dauerwelle.

Slade schmunzelte, als er den Motor abstellte und ausstieg.

Der Salon öffnete erst um zehn Uhr, doch drinnen brannte bereits Licht. Höchstwahrscheinlich blubberte auch schon das Wasser in der Kaffeemaschine.

Kaum dass Slade sich dem Wohnwagen näherte, ging die Tür auf, und Callie begrüßte ihn mit einem strahlenden Lächeln. In der Hand hielt sie einen Besen.

„Hey!“, rief sie.

„Hey“, erwiderte Slade missmutig.

Callie Barlow war eine kleine Frau mit großer Oberweite und rotbraunen Haaren, die sie mit einer gewaltigen Plastikspange hochgesteckt hatte. Sie trug türkisfarbene Jeans, rosa Westernstiefel und ein grellgelbes T-Shirt, das mit kleinen Strasssteinchen verziert war.

„Na, das ist aber eine Überraschung.“ Sie stellte den Besen beiseite und klopfte sich die staubigen Hände ab. Ihr Gesichtsausdruck war herzlich wie immer, doch der Blick ihrer grauen Augen war erstaunt, fast schon besorgt. Sie wusste, dass Slade seinen Job ernst nahm und es ihm überhaupt nicht ähnlich sah, während seiner Dienstzeit bei ihr vorbeizuschauen. „Sorgt dein Revier jetzt schon selbstständig für Recht und Ordnung?“

„Meine Deputys halten die Stellung“, antwortete Slade. „Ist der Kaffee schon aufgesetzt?“

„Natürlich.“ Callie trat einen Schritt zurück, damit er hereinkommen konnte. „Das ist ungefähr das Erste, was ich jeden Morgen mache – die Kaffeemaschine einschalten.“ Nur kurz und kaum merklich runzelte sie die Stirn. Schließlich gewann aber ihre angeborene direkte Art die Oberhand. „Na, was ist schiefgelaufen?“, fragte sie.

Slade seufzte, nahm seinen Hut ab und legte ihn auf die Theke neben Callies Kasse. „Ich weiß nicht, ob schiefgelaufen der richtige Ausdruck ist“, meinte er. „Ich komme gerade aus Maggie Landers’ Kanzlei. Scheint so, als hätte John Carmody mich in seinem Testament bedacht.“

Erstaunt riss Callie die Augen auf. Dann musterte sie ihn skeptisch. „Wie bitte?“ Sie räusperte sich.

Er hakte seine Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Jeans, neigte den Kopf zur Seite und betrachtete seine Mutter prüfend. Falls Callie von der Erbschaft gewusst hatte, gelang es ihr verdammt gut, sich nichts anmerken zu lassen.

„Die Hälfte“, fuhr er fort. „Er hat mir die Hälfte von allem vererbt, was er besessen hat.“

Callie ließ sich auf einen der Frisierstühle fallen. Beinahe hätte sie sich den Kopf an der Plastiktrockenhaube gestoßen. Sie blinzelte ein paarmal, wobei sich in einem Augenwinkel die falschen Wimpern lösten. Sie drückte sie mit der Fingerspitze wieder fest. „Das glaube ich einfach nicht“, murmelte sie.

Slade schob die Trockenhaube über dem Stuhl seiner Mutter hoch und setzte sich; umfasste die Hand seiner Mutter gerade lang genug, um sie kurz zu drücken.

„Glaub es ruhig.“ Er war ziemlich ratlos, was er sagen sollte. Er liebte Callie und sie standen sich sehr nahe, doch sie hatte ihn nicht zu einem Menschen erzogen, der sofort wegen irgendwelcher Neuigkeiten nach Hause lief.

„Wie geht es jetzt weiter?“, fragte sie leise. Ihre Unterlippe zitterte ein wenig, und in ihren Augen, die normalerweise strahlten und keck funkelten, lag ein bedrückter, fast gequälter Ausdruck.

„Ich habe keine Ahnung“, antwortete Slade leise. „Hutch hat es – was nicht anders zu erwarten war – nicht besonders gut verkraftet. Er hat bereits angeboten, mir meinen Anteil der Ranch abzukaufen.“

Callie schloss für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder öffnete, war das alte Leuchten in ihrem Blick wieder da. Callie war zäh; hatte es immer sein müssen. Schon früh hatte sie ihre Eltern verloren und später ein uneheliches Kind in einer Stadt bekommen, in der so etwas ein Problem darstellte. Sogar ein großes Problem. Aber wegen dieser Schwierigkeiten war Callie nicht zu einer verbitterten Frau geworden, wie es bei manch anderen der Fall war. Vielmehr hatte sie die Dinge so genommen, wie sie kamen, das Beste daraus gemacht und Slade so erzogen, dass er sie – und sich selbst – respektierte. Sie gehörte zu den ausgeglichensten Menschen, die Slade kannte. Manchmal allerdings fragte er sich, wie viel von dieser Ausgeglichenheit nur gespielt war.

„Ein oder zwei Mal“, begann sie, „als du noch ein Teenager warst, hat mir John ein paar Dollar für Lebensmittel, Glühbirnen oder Dinge zugesteckt, die du für die Schule brauchtest. Doch dass er das tun würde, hätte ich nie gedacht. Keine Sekunde.“

„Er war immer für eine Überraschung gut, schätze ich.“ In Slades Worten schwang ein Hauch von Sarkasmus mit.

„Nicht überraschend war, wie eingebildet er war“, erwiderte Callie. „Er hatte furchtbare Angst, dass ich mich erdreisten würde, dich nach ihm zu nennen. Dadurch wäre der Skandal noch größer geworden, als er ohnehin schon war. Aber nachdem er erfahren hatte, dass ich dich ‚Slade‘ genannt hatte, meinte er, ich hätte wohl zu viele Westernserien im Fernsehen geschaut. Ich habe mir nie die Mühe gemacht, ihm zu erklären, dass ich deinen Namen aus einer Geschichte hatte, die ich in Ranch Romances gelesen habe.“

Slade lächelte. Callie hatte ihm von diesen Romanheften und davon erzählt, wie sie damals beim Lesen alles um sich herum vergessen hatte. Sie hatte ihm auch gesagt, dass sie ihn nach ihrem Lieblingshelden benannt hatte.

Bei John Carmodys Beerdigung war sie nicht gewesen. Soweit Slade sich erinnern konnte, hatte sie in letzter Zeit auch nie von ihm gesprochen. Erst jetzt kam Slade in den Sinn, dass sie möglicherweise dennoch um ihn trauerte. Sie musste John Carmody einmal geliebt haben.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte er sich.

Sie nickte. Dann schluckte sie. „Nimmst du Hutchs Angebot an?“, fragte sie schließlich.

Wieder seufzte er. „Wenn ich das bloß wüsste. Einerseits kann ich es mir durchaus vorstellen. Ich könnte das Stück Land kaufen, auf das ich schon seit einer Weile ein Auge geworfen habe. Ich könnte ein Haus und einen Stall bauen. Andererseits … Tja, ein kleiner Teil von mir möchte mein Geburtsrecht geltend machen und will, dass es die ganze Welt erfährt.“

Callie tätschelte seine Hand, stand von dem Stuhl auf und ging zur Kaffeemaschine, einem glänzenden Ungetüm aus Metall, das wie ein altmodischer Dampfkocher klang, wenn man es einschaltete.

„Ich schätze, das ist verständlich.“ Sie wandte ihm den Rücken zu, während sie Kaffee in einen großen Styroporbecher goss und ihn mit einem Deckel verschloss. „Der Wunsch, dass die Leute die Wahrheit erfahren, meine ich.“

Slade war aufgestanden, hatte seinen Hut von der Theke genommen und drehte die Krempe langsam zwischen den Händen. „Ich glaube nicht, dass es irgendjemanden überraschen wird“, wandte er ein. Er erinnerte sich gut an das Gerede, das in seiner Jugend der Auslöser für viele Prügeleien auf dem Schulhof gewesen war.

Callie war nicht einmal zwanzig Jahre alt gewesen, als sie sich mit Carmody eingelassen hatte. Sie war naiv und mutterseelenallein gewesen und gerade von einem dubiosen Beauty-Institut in Missoula zurückgekehrt – mit nichts als einem Friseurdiplom in der Tasche. Außer dem alten Wohnwagen, in dem sie aufgewachsen war, und den zwei kargen Morgen Land dahinter, die sich schräg abfallend zum Ufer des Buffalo Creek erstreckten, hatte sie nichts besessen. Ihr geliebter „Großvater“ war damals bereits zwei Jahre tot gewesen.

„Es tut mir leid, Slade“, sagte sie nun. „Es tut mir leid, was du meinetwegen alles durchmachen musstest. Sobald ich erfahren hatte, dass John ohnehin die ganze Zeit vorhatte, eine andere zu heiraten, wurde mir von praktisch allen Leuten geraten, dich zur Adoption freizugeben. Aber das habe ich nicht übers Herz gebracht. Ich nehme an, das war egoistisch von mir, doch du warst mein Junge, und ich wollte sehen, wie du zu einem Mann heranwächst.“

„Ich weiß.“ Slade beugte sich zu ihr hinunter und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Ihm war das alles bereits bekannt, und er konnte verstehen, dass Callie viele Dinge bereute. Tatsächlich war er aber froh, dass sie ihn behalten hatte. Sie hatte viele Opfer gebracht und hart gearbeitet, um das Geschäft aufzubauen, von dem sie beide gelebt hatten. Manchmal mehr schlecht als recht … Des Öfteren hatte sie darauf verzichtet zu heiraten, aus Parable wegzuziehen und dadurch endlich ein gewisses Maß an gesellschaftlichem Ansehen genießen zu können.

Stattdessen hatte sie durchgehalten, hier, in ihrer alten Heimatstadt. Sie war davon überzeugt gewesen, jedes Recht zu haben, hierzubleiben. Das Gleiche hatte sie für ihren Sohn in Anspruch genommen. Und zwar unabhängig davon, ob es John Carmody, seiner Braut aus der High Society von Parable oder einigen hochnäsigen Bewohnern der Stadt nun gefiel oder nicht.

Slade hatte versucht, in Worte zu fassen, wie dankbar er für den unerschütterlichen Mut war, den sie jeden Tag aufs Neue bewiesen hatte. Dankbar für das gute Vorbild, das sie ihm gewesen war, indem sie hart gearbeitet und sich nicht hatte unterkriegen lassen. Und dankbar dafür, dass sie sich einfach dem Leben stellte und aus dem, was sie hatte, immer das Beste machte. Nur ihretwegen war er zu einem starken Menschen mit einem scharfen Verstand herangewachsen, der sich in seiner Haut wohlfühlte. Sie hatte ihm ein unerschütterliches Vertrauen in sich selbst und in sein Urteilsvermögen mitgegeben, das ihn nie verlassen hatte – auch nicht während seines Einsatzes im Irak und der schweren Zeit, als seine Ehe zerbrochen war.

Er blieb bei der Tür stehen und drehte sich – immer noch mit dem Hut in der Hand – zu ihr um. „Jetzt kannst du dich zur Ruhe setzen. Vielleicht eine Reise machen oder etwas anderes unternehmen.“

Callie lachte melodisch. „So weit kommt’s noch, Slade Barlow“, erwiderte sie. „Falls du glaubst, dass ich einen dicken Scheck von dir annehme und den Rest meines Lebens Pralinen esse oder mir in meinem Urlaub anderer Leute Gärten angucke, hast du dich getäuscht. Ach, ich wüsste gar nicht, was ich mit mir anfangen sollte, wenn ich meinen Salon nicht hätte. Und was würden denn meine Kunden ohne mich tun?“

Slade schüttelte den Kopf und grinste. „Denk einfach darüber nach.“ Eine seltsame, bittersüße Traurigkeit hatte ihn erfasst. „Außerhalb dieser Stadt gibt es eine ganze Welt, Mom.“

Callie machte eine abwehrende Handbewegung und griff wieder nach dem Besen. „Mag sein. Aber ich bleibe hier.“

„Du bist verdammt dickköpfig. Ist dir das klar?“

„Was glaubst du, woher du das hast?“, entgegnete sie.

Slade hatte immer gedacht, dass er seine Sturheit – ebenso wie sein Aussehen und seine Statur – von John Carmody hatte. Jetzt allerdings erkannte er, dass diese Eigenschaft die Kehrseite der unerschütterlichen Beharrlichkeit seiner Mutter war.

Er winkte, ging zu seinem Pick-up, stieg ein und fuhr los.

Er hätte schon vor einer halben Stunde bei der Arbeit sein müssen.

Mittlerweile hatten seine Deputys und Becky, die langjährige Sekretärin, vermutlich schon alles für eine Suchaktion in die Wege geleitet. Samt Leichenspürhunden und einem Plan für eine Rasterfahndung.

Bei dieser Vorstellung musste Slade auf seiner Fahrt zurück ins Sheriffbüro breit grinsen.

Joslyn Kirk hatte an diesem Morgen verschlafen. Als sie die Augen öffnete, brauchte sie ein paar Sekunden, bis sie wusste, wo sie war: ausgerechnet in jener Stadt, in die sie nie mehr einen Fuß hatte setzen wollen – Parable, Montana.

Sie richtete sich in ihrem Schlafsack auf. Da sie gestern spät in der Nacht angekommen war, hatte sie sich nicht mehr die Mühe gemacht, das alte Messingbett zu beziehen. Jetzt sah sie sich um und ließ die Tapeten mit Rosenmotiven, die abgewetzten Dielen, die Zierleisten aus Holz und den schweren Kleiderschrank auf sich wirken.

Sie befand sich im Gästehaus hinter jenem Herrenhaus, das den Großteil ihrer Kindheit ihr Zuhause gewesen war. Viele Erinnerungen holten sie ein: An einem sonnigen Morgen wie heute hätte am anderen Ende des weiten grünen Rasens jetzt ihre Mutter auf der Veranda gesessen. Sie hätte Kaffee getrunken und die Zeitung gelesen. Opal, die Haushälterin, hätte in der riesigen Küche gerade das Frühstück vorbereitet.

Jetzt war ihre Mutter in Santa Fe, wo sie mit Ehemann Nummer drei, einem erfolgreichen Künstler, zusammenlebte. Ehemann Nummer zwei, Elliott Rossiter, war im Gefängnis an einer Embolie gestorben. Wohin es Opal verschlagen hatte, wusste der Himmel. Sie und Joslyn hatten sich tränenreich voneinander verabschiedet und sich versprochen, in Kontakt zu bleiben. Doch dann hatten sie sich vor Jahren aus den Augen verloren.

Joslyn seufzte, strich sich die langen braunen Haare aus dem Gesicht und schlüpfte aus dem Schlafsack. Es hatte keinen Sinn, wegen der Vergangenheit trübselig zu werden. Schließlich war sie aus einem bestimmten Grund nach Parable zurückgekehrt. Und sie musste damit beginnen, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Damit sie diese Stadt möglichst bald wieder verlassen konnte.

Nach einem kurzen Zwischenstopp im Bad und einer schnellen Katzenwäsche am Waschbecken tapste sie barfuß in die winzige Küche. Dort musste sie mehrere Einkaufstüten durchwühlen, bis sie die billige Kaffeemaschine fand, die sie – neben ein paar anderen lebensnotwendigen Dingen – am Vortag beim großen Discounter am Highway gekauft hatte.

Sie kämpfte kurz mit der Filtermaschine, dann mit dem Kaffeepulver und zu guter Letzt mit dem altmodischen Wasserhahn.

Ein Klopfen an der Tür ließ sie innehalten – aber nur kurz. Ohne Kaffee war nichts mit ihr anzufangen, und außerdem wusste sie, wer der Besucher war.

„Komm rein!“, rief sie.

Ein metallisch klingendes Ruckeln an der Haustür war zu hören, und einen Moment später betrat Kendra Shepherd – seit ewigen Zeiten Joslyns beste Freundin – die Küche.

Kendra – blond und mit der Eleganz einer Balletttänzerin gesegnet – wirkte in ihrem grünen Hosenanzug und den High Heels munter und voller Tatendrang. Sie leitete die Immobilienfirma „Shepherd Real Estate“ – und das mit sichtlichem Erfolg.

„Du solltest die Tür nachts wirklich abschließen“, sagte Kendra ohne Umschweife. „Auch in Parable gibt es Kleinkriminelle, weißt du.“

„Solange sie nur klein sind, brauche ich mir ja keine Sorgen zu machen“, entgegnete Joslyn ungerührt und zuckte mit den Schultern. Sie hatte sich gerade über die Kaffeemaschine gebeugt und suchte unter den verschiedenen Schaltern den Einschalt-Knopf. Nachdem sie ihn gefunden hatte, drückte sie ihn mit der Spitze ihres Zeigefingers hinunter. Dann richtete sie sich auf, lächelte ihre Freundin an und fühlte sich dabei wegen ihrer Flanellpyjamahose und des riesigen T-Shirts kein bisschen verlegen.

„Ich meine es ernst.“ Kendra ließ nicht locker. „Man möchte meinen, jemand wie du, der in Phoenix lebt, wäre vorsichtiger.“

Joslyn durchwühlte erneut die Einkaufstüten, diesmal auf der Suche nach Tassen und Süßstoff. „Na gut“, sagte sie leicht abwesend aufgrund ihres dringenden Bedürfnisses nach einem Koffeinschub. „Ich hab’s verstanden. Ab sofort werde ich jede Tür und jedes Fenster verriegeln. Vielleicht lege ich mir auch einen Rottweiler mit Killerinstinkt zu.“

Kendra lächelte und zog sich einen Stuhl an den kleinen Tisch, an dem Platz für zwei Personen war. „Immer noch die alte Besserwisserin …“, stellte sie fest. Es klang fast melancholisch.

„Es ist eine Überlebensstrategie“, erklärte Joslyn halb im Scherz, halb im Ernst. Sie strich sich wieder die Haare aus dem Gesicht und betrachtete ihre Freundin voller Zuneigung. „Danke, Kendra. Dafür, dass du mir einen Job gibst und mir das Gästehaus vermietet hast, meine ich.“

Kendra setzte sich mit einer anmutigen Bewegung hin. Sie hatte ihr helles, seidiges Haar zu einem lockeren Knoten im Nacken hochgesteckt, und ihr einfacher Schmuck – goldene Ohrstecker und ein Armreif am rechten Handgelenk – sah elegant und dezent aus.

„Ich habe dich vermisst, Joss“, sagte Kendra, als Joslyn sich neben sie setzte. „Es ist toll, dich wieder hier zu haben …“ Sie verstummte und senkte den Blick.

„Aber?“, fragte Joslyn leise.

„Ich kann mir nicht recht erklären, warum du hier sein willst. Nach allem, was passiert ist.“ Kendra errötete, schaute Joslyn aber nun wieder direkt an. „Wobei du natürlich keine Schuld hattest, doch …“

Die Kaffeemaschine begann zu zischen, und ein verführerischer Duft breitete sich aus. „Ich habe meine Gründe“, antwortete Joslyn. „Ich verlasse mich darauf, dass du mir vertraust, Kendra. Zumindest für die nächsten paar Monate. Sobald ich es erklären kann, werde ich es tun.“

„Die Leute hatten in letzter Zeit mysteriöse Schecks in ihrer Post“, meinte Kendra nachdenklich. „Schecks von einer großen Anwaltskanzlei in Denver. Und, du hast deine Software-Firma verkauft …“

Joslyn sprang auf, ging rasch zur Kaffeemaschine auf der winzigen Anrichte und spülte unter dem Wasserhahn eilig die zwei einfachen Kaffeetassen ab. „Stimmt, ich habe die Firma verkauft“, gab sie zu. Sowie sie es aussprach, überfiel sie ein Gefühl des Verlusts – und das, obwohl der Deal schon vor Wochen abgewickelt worden war. „Allerdings verstehe ich nicht, was das mit den Leuten zu tun hat, die unerwartet Schecks bekommen.“

„Die Empfänger der Schecks haben alle etwas gemeinsam.“ Kendra ließ nicht locker. Sie wäre jetzt nicht in dieser Position, die sie bekleidete, wenn sie schwer von Begriff wäre. „Sie hatten alle Geld in die … Firma deines Stiefvaters investiert.“

Joslyn spürte einen Kloß im Hals. „Zufall“, murmelte sie, nachdem sie wieder sprechen konnte.

Ihre Hände zitterten ein wenig, während sie Kaffee in die beiden Tassen einschenkte.

„Wie du meinst …“, antwortete Kendra nachsichtig.

Als Joslyn sich mit je einer Tasse in der Hand umdrehte, schob Kendra ihren Stuhl zurück und stand auf. „Ich sollte besser los. „Ich habe heute Vormittag eine Vertragsunterzeichnung, und anschließend zeige ich dem gleichen Interessenten zum siebzehnten Mal eine Hühnerfarm.“ Sie blickte hinunter auf ihre Schuhe. „Meinst du, ich sollte statt der High Heels besser Stiefel anziehen?“

Joslyn war über den Themenwechsel so erleichtert, dass sie nicht widersprach. „Wahrscheinlich schon“, stimmte sie zu und stellte sich vor, wie Kendra mit hohen Absätzen auf einer Hüh-nerfarm herumstakste.

„Würde es dir etwas ausmachen, einoder zweimal im Büro nach dem Rechten zu sehen? Nur für den Fall, dass jemand vorbeikommt, der sich eine Immobilie anschauen will. Slade Barlow taucht regelmäßig auf und erkundigt sich, ob das Kingman-Anwesen schon verkauft ist.“

Bei dem Namen Barlow klingelte es sofort bei Joslyn. Sie spürte einen Stich in der Brust und musste erst einmal schlucken, bevor sie antworten konnte. Als Kinder und Teenager hatten sie und Slade in verschiedenen Welten gelebt. Ihre war reich, seine arm gewesen. Damals war sie die Freundin seines Halbbruders Hutch gewesen, was die Sache auch nicht gerade besser gemacht hatte. Obwohl Slade es nie ausgesprochen hatte – er hatte ohnehin kaum je ein Wort mit ihr geredet –, wusste sie, was er damals von ihr dachte: dass sie verwöhnt, egozentrisch und oberflächlich sei.

Schlimmer noch: Er hatte recht gehabt.

Dann war ihr Stiefvater Elliott bankrottgegangen. Und sobald die vielen ehrlichen, hart arbeitenden Leute in Parable gemerkt hatten, dass sie von dem einstigen Lieblingssohn von Parable um ihre Ersparnisse gebracht worden waren, endete Joslyns behütetes Leben mit einem Schlag. Sie, die früher so beliebt gewesen war, fand rasch heraus, wer ihre wahren Freunde waren. Nur Kendra und Hutch hielten zu ihr. Bald nach Elliott Rossiters Verhaftung packten sie und ihre Mutter alles, was sie mitnehmen konnten, in Opals alten Kombi und verließen im Dunkel der Nacht die Stadt.

Joslyn schämte sich immer noch, wenn sie daran dachte. Wegzulaufen widersprach allem, woran sie glaubte.

„Du konntest nichts dafür“, rief ihr Kendra in Erinnerung. Sie war immer schon sensibel und einfühlsam gewesen. Sogar so einfühlsam, dass sie manchmal anscheinend sogar die Gedanken anderer Leute lesen konnte. Wie jetzt zum Beispiel. „Niemand gibt dir die Schuld an dem, was passiert ist, Joss.“

Wieder fühlte Joslyn diesen bitteren, schmerzenden Kloß im Hals, der es ihr kurz unmöglich machte, zu sprechen. Sie stellte die Tassen auf den Tisch, wobei sie den Kaffee fast verschüttete, und zwang sich, Kendra ins Gesicht zu schauen.

„Trotzdem denkst du, ich hätte nicht herkommen sollen“, sagte sie leise und mit ungewohnt zittriger Stimme.

Kendra legte ihre Hand auf Joslyns Arm. „Den meisten Leuten hier ist klar, dass du mit dem Betrug nichts zu tun hattest. Meine Güte, du warst doch noch ein Kind. Aber ein paar Leute nehmen Rossiter die Sache von damals immer noch übel. Möglich, dass sie irgendetwas sagen … Oder tun …“

Joslyn schloss einen Moment lang die Augen. Dann öffnete sie sie energisch und nickte, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte.

Sie würde das tun, wovon sie wusste, dass sie es machen musste – auch wenn sie nicht genau erklären konnte, warum. Eines allerdings war sicher: Es würde nicht einfach werden.

2. KAPITEL

Als Kendra gegangen war, duschte Joslyn, zog sich eine Jeans und ein ärmelloses Leinentop mit winzigen grünen Blumen drauf an, schlüpfte in ihre Lieblingssandalen und machte sich an die Arbeit.

Sie packte die zwei großen Koffer aus, die sie aus Phoenix mitgebracht hatte, und verstaute ihren überschaubaren Vorrat an frischer Kleidung. Dann rollte sie den Schlafsack zusammen und sah sich nach einem Platz um, wo sie ihn verstauen konnte. Letzteres stellte sich als echte Herausforderung dar. Platz war in diesem Gästehaus nämlich etwas, woran es eindeutig mangelte. Unter ziemlicher Anstrengung gelang es ihr schließlich, das unhandliche Bündel unter den Badezimmerschrank zu schieben. Als Nächstes holte sie sich ein paar Laken, die schwach nach frischer Luft und Sonne dufteten, und bezog das Bett.

In ihrem Anfall von Tatendrang stellte Joslyn sogar ihren Laptop auf den kleinen Schreibtisch vor dem Wohnzimmerfenster. Allerdings konnte sie sich nicht überwinden, ihn hochzufahren und sich einzuloggen. Sie hatte viel zu viele 18-Stunden-Arbeitstage hinter sich, an denen sie Software entwickelt hatte. Das neue, von ihr programmierte Spiel hatte sie vermarktet und patentieren lassen und schließlich die ganze Firma für eine beträchtliche Summe an einen multinationalen Konzern verkauft.

Sie war eine sehr reiche Frau gewesen – ungefähr fünf Minuten lang. Jetzt hatte sie einen Gebrauchtwagen und gerade so viel Geld auf der Bank, um – wenn sie sparsam war – ein Jahr davon leben zu können. Außerdem spürte sie zum ersten Mal, seit sie siebzehn war, wieder einen gewissen inneren Frieden.

In Parable spätnachts anzukommen war eine Sache. Sich am helllichten Tag in die Stadt zu wagen, wo sie mit Sicherheit einige Bewohner treffen würde, war natürlich eine ganz andere. Doch sie brauchte ein paar Lebensmittel. Gestern hatte sie ja nur ein paar unverderbliche Dinge besorgt, und außerdem hatte sie Kendra versprochen, im Büro vorbeizuschauen und ein Auge auf potenzielle Kunden zu haben.

Und immerhin, sagte sie sich tapfer, war sie nicht nach Parable zurückgekommen, um sich zu verstecken.

Die Gründe für ihre Heimkehr waren alles andere als konkret, obwohl sie sich die ganze Situation immer wieder durch den Kopf hatte gehen lassen. Klar war, dass sie bei den Leuten, die ihr Stiefvater betrogen hatte, etwas gutmachen wollte. Gleichzeitig wusste sie, dass sie für die Machenschaften eines anderen Menschen nicht verantwortlich war.

Warum also war sie wieder hier? Warum hatte sie so viel geopfert, einen guten Job aufgegeben und die Firma verkauft, die sie sich in nächtelanger Arbeit und ohne ein freies Wochenende aufgebaut hatte? Warum hatte sie ihre Luxuswohnung und ihr Traumauto aufgegeben?

Die einzige Antwort, die Joslyn in diesem oder jedem anderen Moment hätte geben können, war, dass etwas – ein allzu aus – geprägtes Gewissen? – sie an diesen Ort zurückgezogen hatte. Der Drang zurückzukehren war jedenfalls enorm gewesen und hatte sich genauso wenig ignorieren lassen wie ein Tsunami oder ein Erdbeben.

Dieser Drang war, wie ihr schien, aus einem versteckten Teil ihrer Seele gekommen und hatte sie – fast in blindem Vertrauen – zuerst einen Schritt und dann noch einen und noch einen machen lassen.

Es war so ähnlich, als tanzte man mit verbundenen Augen auf einem Seil. Es gab kein Zurück, und wenn sie nicht weiterging, würde sie das Gleichgewicht verlieren und abstürzen.

Joslyn seufzte und marschierte entschlossen zur Tür.

In Kendras Büro kurz nach dem Rechten zu sehen bedeutete natürlich, dass sie das Haupthaus betreten musste. Joslyn wusste, dass sie alle möglichen Erinnerungen einholen würden, sobald sie einen Fuß über die Schwelle setzte. Andererseits sprach einiges dafür, Dinge wie diese einfach hinter sich zu bringen. Kendra wohnte im ersten Stock und hatte das riesige Wohnzimmer zum Büro ihrer Immobilienfirma umgestaltet. Und dort würde Joslyn ab Montag ganztags arbeiten.

Also konnte sie genauso gut jetzt, solange sie noch ungestört war, die bittere Pille schlucken und sich der ersten und unvermeidlichen Begegnung mit ihrer Vergangenheit stellen. Nachdem sie einmal tief durchgeatmet und die Schultern energisch gestrafft hatte, ging Joslyn über die riesige Wiese, auf der Blumen in unterschiedlichsten Formen und Farben blühten, zum Herrenhaus hinüber. Dann stieg sie die kleine Holztreppe zu der Veranda hinauf und legte ihre Hand auf den Griff der Glastür. Abgesperrt.

Joslyn entfuhr ein Seufzen. Ihr fiel gerade Kendras Bemerkung über die Kleinkriminalität in Parable wieder ein. Offensichtlich beherzigte ihre Freundin selbst, was sie anderen riet. Da sie Joslyn keinen Schlüssel gegeben hatte, war bestimmt das vordere Eingangstor offen.

Joslyn ging die Verandatreppe wieder hinunter und über den vertrauten Plattenweg, der parallel zur weiß glitzernden Kiesauffahrt verlief, auf die andere Seite des Hauses.

Hier war der Garten ebenfalls fast überwuchert von Blumen. Als Joslyn stehen blieb, um sich umzuschauen, konnte sie das Summen der Bienen und fröhliches Vogelgezwitscher hören. Einen Moment lang kam sie sich wie Dorothy aus dem Film „Der Zauberer von Oz“ vor, die von einem Wirbelsturm aus einer Welt in Schwarzweiß in eine atemberaubend farbenprächtige getragen wird.

Bis auf ein geschmackvolles Holzschild, das mit einer Messingkette an einem schmiedeeisernen Balken hing – „Shepherd Real Estate, das ortsansässige Immobilienbüro“ –, sah alles so aus wie damals, als Joslyn noch hier gewohnt hatte.

Vier Säulen stützten das Vordach, und die Kreuzstockfenster, die man kurz nach dem Zweiten Weltkrieg aus einem englischen Landhaus gerettet hatte, glitzerten in der Sonne wie unzählige diamantenförmige Spiegel. Das Eingangstor aus Mahagoni war verziert mit handgeschnitzten Blättern, Vögeln, Einhörnern und unterschiedlichsten Ornamenten. Ein schwerer Türklopfer aus Messing in Form eines Löwenkopfes passte perfekt zu dem feudalen Stil des großen Ganzen.

Nachdem sich Joslyn vor weiteren aufwühlenden Erinnerungen gewappnet hatte, versuchte sie den Türknauf zu drehen. Er bewegte sich.

Sie schob die Tür auf und trat in die schattige Kühle der riesigen Eingangshalle, die sich über zwei Etagen nach oben erstreckte. Das laute, hallende Ticken der massiven, großen Standuhr erfüllte den Raum.

Durch die Oberlichter fiel buntes Licht; zwei prachtvolle Treppen führten links und rechts hinauf in den ersten Stock. Über die Treppe zur Linken gelangte man in jenen Trakt des Hauses, in dem früher Joslyns Zimmer – in Wahrheit eher eine Suite – gewesen war. Zusätzlich hatte es mehrere große Gästezimmer und ein eigenes Wohnzimmer mit Kamin gegeben. Die rechte Treppe führte hinauf zu der Mastersuite samt dem geradezu dekadent geräumigen Bad, einem richtigen Festsaal und einer ebenfalls nicht gerade kleinen Bibliothek.

Joslyn machte wie hypnotisiert einen Schritt in Richtung Treppe. Doch dann zwang sie sich, stehen zu bleiben.

Dies hier war nicht mehr ihr Zuhause. Es gehörte jetzt Kendra, entsann sie sich.

Ja, Kendra war ihre Freundin – wahrscheinlich sogar ihre beste Freundin. Allerdings bedeutete das nicht, dass Joslyn in diesem alten Haus herumschnüffeln durfte, um zu sehen, was sich in den Jahren seit ihrem Auszug verändert hatte und was nicht.

Sie warf einen verstohlenen Blick in das Wohnzimmer – Elliott hatte es immer als den „Salon“ bezeichnet –, und stellte fest, dass Kendra den Platz gut genutzt hatte. Es gab zwei Schreibtische, beides antike Stücke und beide mit Computern sowie modernen Telefonen ausgestattet. Die Bücherregale links und rechts neben dem Kamin aus grau-weißem Marmor waren übervoll mit Ordnern, wirkten sonst aber ordentlich.

Auf dem eleganten runden Tisch in der Mitte des Raumes glitzerte eine Kristallschale, in der eine schöne rosa Orchidee schwamm.

Joslyn blinzelte, und für den Bruchteil einer Sekunde war der Raum wieder so, wie sie ihn in Erinnerung hatte: ein fröhliches Chaos. Die Regale waren vollgestopft mit Büchern und DVDs, und links und rechts neben dem Kamin standen zwei riesige Sofas mit beigefarbenen Cordbezügen. Spunky, der Cockerspaniel, bellte freudig, als wollte er Joslyn nach langer Abwesenheit endlich wieder begrüßen.

Joslyn blinzelte ein zweites Mal, und natürlich war alles verschwunden.

Sie, ihre Mom und Opal hatten Spunky in jener Nacht ihrer Flucht mitgenommen, und er hatte ein erfülltes langes Leben gehabt.

Joslyn schüttelte das wehmütige nostalgische Gefühl ab und betrat den Raum. In einer Ecke befand sich eine gemütliche Sitzgruppe. Kunden warteten hier, wie Joslyn erleichtert bemerkte, jedoch nicht. Sie fand, sie hatte – zumindest, was ihre Freundin betraf – ihre Pflicht getan. Zumindest fürs Erste.

Sie drehte sich auf dem Absatz um und floh regelrecht aus dem Haus, in dem die Geister ihrer verwöhnten Jugend zu spuken schienen. Dann lief sie zurück zum Gästehaus, um ihr Portemonnaie und die Autoschlüssel zu holen. Sie musste unbedingt kochen – genauso wie das Lesen war die Zubereitung ihrer Lieblingsgerichte und das Ausprobieren neuer Rezepte eine Form von Selbsttherapie für Joslyn –, was bedeutete, dass sie zum Supermarkt musste.

Der Kies knirschte unter den Reifen ihres Wagens, während sie auf die Rodeo Road fuhr und dann nach rechts abbog.

Parable – Einwohnerzahl laut Schild am Stadtrand: 10.421 – verfügte über zwei Supermärkte und jenen Discounter, wo sie sich gestern mit dem Notwendigsten eingedeckt hatte. Doch Joslyn mochte „Mulligan’s Grocery“, den Tante-Emma-Laden gegenüber dem „Curly-Burly“, am liebsten. Dort gehörten nämlich Biofleisch und auch Obst und Gemüse aus biologischem Anbau zum Angebot.

Es war allerdings viele Jahre her, seit sie zuletzt hier gewesen war. Existierte „Mulligan’s“ überhaupt noch? Oder hatte sich das Familienunternehmen der Konkurrenz größerer Läden und der unsicheren Wirtschaftslage geschlagen geben müssen und war pleitegegangen?

Kaum dass sie die Autos auf dem begrünten Parkplatz des Ladens sowie das Geöffnet-Schild im Schaufenster sah, machte ihr Herz vor Freude einen kleinen Hüpfer. Der Getränkeautomat – mittlerweile wahrscheinlich ein wertvolles Sammlerstück – stand gemeinsam mit dem Behälter für die Eiswürfel und einer Reihe von Propangasflaschen fürs Grillen immer noch neben der Fliegengittertür.

Joslyn stellte ihren Wagen ab. Beim Betreten des Geschäfts legte sie sich beschwingt den Riemen ihrer Handtasche über die Schulter.

Kaum im Laden, hatte sie ein ähnliches Déjà-vu-Erlebnis wie vorhin in Kendras Wohnzimmer.

Angesichts der Tatsache, wie wenig sich die Dinge verändert hatten, kam es Joslyn vor, als befände sie sich in einer Zeitschleife. Die Regale mit dem Brot und den Bonbons befanden sich immer noch an der gleichen Stelle wie damals. Auch der Fußboden bestand immer noch aus den unebenen Dielen, die durch mehrere Kundengenerationen abgewetzt und mit Tausenden von Flecken übersät waren. Die Messingkasse – ein weiteres Relikt aus längst vergangenen Tagen – befand sich wie eh und je auf der Ladentheke. Nur die Menschen waren andere.

Mr und Mrs Mulligan, die beide schon in Joslyns Jugend alt gewesen waren, hatten vermutlich schon lange das Zeitliche gesegnet. Joslyn kannte weder den schlaksigen Mann hinter der Kasse noch einen der Kunden.

Vor lauter Nervosität hatte sie, ohne es zu merken, die Schultern hochgezogen. Nun ließ die Anspannung so plötzlich wieder nach, dass es Joslyn ein wenig schwindlig wurde. Sie war in Gedanken dermaßen mit Erinnerungen und ihrer Einkaufsliste beschäftigt gewesen, dass sie vergessen hatte, sich vor den Begegnungen mit dem einen oder anderen der zahlreichen Opfer ihres Stiefvaters zu fürchten.

Früher oder später würde das höchstwahrscheinlich auch passieren. Momentan jedoch wagte Joslyn zu hoffen, dass sie sich gerade in eine konfrontationsfreie Zone begeben hatte.

Bitte, lieber Gott.

Der Angestellte hinter dem Ladentisch nickte ihr zur Begrüßung kurz zu, schenkte ihr sonst aber keine Beachtung. Auch die wenigen Kunden, die sich gerade Lebensmittel aus den Regalen und den Gefriertruhen holten, nahmen keine Notiz von ihr.

Joslyn holte sich einen der noch übrigen Einkaufswagen – er hatte ein schiefes Rad und quietschte – und fuhr in den ersten Gang. Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, eine richtige Liste zu schreiben, da sie praktisch alles brauchte.

Sie stand gerade vor dem Gewürzregal und griff nach dem Paprikapulver und dem Hähnchengewürz, da merkte sie plötzlich, dass jemand sie beobachtete.

Joslyn schaute auf und blickte in ein Augenpaar, das so blau war, als läge ein Stück Himmel in ihnen. Ein Stück Himmel, das in der beginnenden Abenddämmerung allmählich dunkler wird. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, denn ihr wurde klar, wer der Mann vor ihr war.

Slade Barlow.

Die Dienstmarke, die an seinem Gürtel glänzte, erinnerte Joslyn daran, dass er jetzt Sheriff von Parable County war. Er hatte seinen Hut in der einen Hand und eine Flasche Wasser in der anderen.

Joslyn stellte sich vor, wie er – standesgemäß gekleidet in seiner Jeans, dem Westernhemd und den polierten Stiefeln – jemandem langsam und drohend befahl: „Sieh zu, dass du bis Sonnenuntergang aus der Stadt verschwunden bist.“

„Hallo“, sagte sie, und es hörte sich in ihren eigenen Ohren unglaublich dumm an. Sie fühlte sich wie ein Reh, das geblendet vom Scheinwerferlicht eines herankommenden Autos erschrocken erstarrte.

Slade runzelte die Stirn. Seine Haare waren dunkel und kurz– aber nicht zu kurz – geschnitten, und er sah sie mit seinen dunkelblauen Augen skeptisch an.

„Joslyn?“

Sie biss sich auf die Unterlippe, nickte und wünschte, sie hätte eine Sonnenbrille auf. Oder eine Baseballkappe, deren Schirm sie sich jetzt tief ins Gesicht ziehen könnte.

Oder, noch besser, eine dieser Karnevalsmasken aus dem Billigladen – mit großer Plastiknase und Schnurrbart, beides befestigt an einer Hornbrille.

Slade grinste. „Schau mal einer an …“, sagte er, ohne den Blick von ihr abzuwenden.

Schau mal einer an? Was sollte das denn bedeuten?

Joslyn zermarterte sich das Hirn. War Sheriff Barlow damals ebenfalls ein Betrugsopfer von Elliott gewesen? Das war allerdings eher unwahrscheinlich. Er war als schüchterner Sohn einer alleinerziehenden Mutter in einem Wohnwagen gegenüber von „Mulligan’s“ aufgewachsen. Bis zur Junior High School hatte er Zeitungen ausgetragen und Autos gewaschen und danach bei der Weizenernte geholfen. Er hatte ein altes Auto mit Rostflecken gefahren, dessen Auspuff mit Klebeband befestigt gewesen war.

Das extreme Gegenteil zu ihrem schicken roten Wagen, den sie am Tag ihrer bestandenen Führerscheinprüfung bekommen hatte.

Nein, Slade hätte nicht die finanziellen Mittel gehabt, um sich an Elliott Rossiters Luftschlössern zu beteiligen. Glück gehabt.

„Es hat mir leidgetan, als ich erfahren habe, dass Elliott …“, begann er.

Jetzt geht’s los, dachte Joslyn und machte sich auf das Schlimmste gefasst. „Leid?“, wiederholte sie, damit sie etwas Zeit gewann.

„Leid, dass er gestorben ist. Was dachtest du denn?“ Slade betrachtete sie leicht amüsiert. Um seine Mundwinkel zuckte es kurz verräterisch. Insgesamt aber war sein Gesichtsausdruck ernst geblieben. Nachdenklich. So, als wäre sie der letzte Mensch, von dem er erwartet hätte, ihm hier in Parable, Montana, oder sonst irgendwo auf der Welt über den Weg zu laufen.

„Danke, dass du nicht ‚im Gefängnis‘ hinzugefügt hast“, erwiderte Joslyn, obwohl sie nicht vorgehabt hatte, irgendetwas in dieser Art zu sagen.

„Das muss man nicht extra betonen, schätze ich“, antwortete Slade wie nebenbei.

Sie wusste, dass er fragen wollte, warum es sie nach Parable verschlagen hatte, und natürlich hätte sie es ihm nicht erklären können. Selbst dann nicht, falls sie es gewollt hätte. Denn sie kannte den Grund ja selbst immer noch nicht genau.

Er nickte ihr zu und schickte sich an, weiterzugehen. „War jedenfalls schön, dich zu sehen“, verabschiedete er sich.

„Ebenfalls“, schwindelte Joslyn.

Sie wäre Slade lieber nicht begegnet, wenn es sich hätte vermeiden lassen. Doch sie musste zugeben – wenn auch nur vor sich selbst –, dass aus Callie Barlows kleinem Sohn ein äußerst attraktiver Cowboy geworden war.

Nachdem er schließlich um die Ecke mit den Regalen mit den Donuts verschwunden war, versuchte Joslyn, sich wieder auf die Gewürze zu konzentrieren. Aber alles, was sie zu dem Paprikapulver und dem Hähnchengewürz in ihren Einkaufswagen legte, waren Salz und Pfeffer.

Das eine Rad des Wägelchens quietschte und schrammte bei jeder Drehung über den Boden, während Joslyn die Fleisch- und Fischabteilung ansteuerte. Sie war überzeugt, dass alle im Laden sie mittlerweile anstarrten und sich daran erinnerten, in welcher Beziehung sie damals zu Elliott Rossiter gestanden hatte.

Sie entschied sich für abgepackten Tilapia, ein junges Bio-Hähnchen und etwas mageres Hackfleisch. Zwischendurch probierte sie sich abzulenken, indem sie auf die schier unfassbar hohen Preise schielte. Nostalgie hin oder her – sollte sie all ihre Einkäufe bei „Mulligan’s“ erledigen, würde sie bald pleite sein.

Das mit der Ablenkung klappte nicht besonders lange.

Slade Barlow war nicht nur in ihren Gedanken; er schien auch ihren Körper durchdrungen zu haben. Es war, als hätte eine Art Energieaustausch zwischen ihnen stattgefunden.

Er war größer, als sie ihn in Erinnerung hatte. Auch breitschultriger. Es war noch nicht einmal Mittag, und er hatte schon einen deutlich sichtbaren Bartschatten. Dazu kam, dass diese ruhige Selbstsicherheit, die er ausstrahlte, sie einerseits anzog und andererseits das Bedürfnis weckte, in die andere Richtung davonzulaufen.

Was hatte denn das nun wieder zu bedeuten?

Sie hörte, wie er ein paar freundliche Worte mit dem Mann hinter der Kasse wechselte, während er sein Wasser bezahlte. Als er den Laden verließ, bimmelte die kleine Glocke über der Tür.

Wie erstarrt und merkwürdig aufgewühlt verharrte sie vor der Gefriertruhe mit dem Fleisch. Fast rechnete sie damit, dass der Himmel gleich einstürzen und durch das nicht unbedingt stabil zu bezeichnende Dach des „Mulligan’s“ krachen würde. Und dann würde dieser Himmel in großen blauen Stücken und umschwebt von weichen Wölkchen um sie herum auf dem Boden landen.

„Bist du nicht Elliotts Tochter?“, fragte jemand mit zittriger Stimme.

Joslyn, die wie betäubt dagestanden hatte, fuhr herum und entdeckte Daisy Mulligan höchstpersönlich hinter sich. Sie war klein und weißhaarig, und zwischen ihren ondulierten Löckchen schimmerte an manchen Stellen die rosa Kopfhaut durch. Davon abgesehen wirkte sie sehr lebendig. Ihre blauen Augen hinter der altmodischen Brille waren wässrig.

Joslyn konnte sich gerade noch beherrschen, um nicht „Ich dachte, Sie wären tot“ zu sagen. Stattdessen setzte sie ein freundliches Lächeln auf und streckte Daisy die Hand entgegen. „Joslyn Kirk“, meinte sie höflich. „Elliott war mein Stiefvater.“

Daisy nickte langsam und schüttelte Joslyn die Hand. Dabei bedachte sie sie mit einem wachsamen Blick. „Niemand hier dachte, dass aus dem kleinen Rossiter einmal ein Gauner werden würde“, erklärte sie. „Sein Vater und sein Großvater waren beide Ärzte. Anständige Bürger. Wir hätten wissen müssen, dass etwas nicht mit ihm stimmte, nachdem er nicht Medizin studieren wollte.“

Joslyn versuchte, die alte Dame einzuschätzen, doch es gelang ihr nicht. Entweder würde MrsMulligan gleich losschreien, Joslyn als Ausgeburt des Teufels bezeichnen und sie aus dem Supermarkt schmeißen. Oder die alte Dame machte einfach nur Konversation.

Schwer zu sagen. Geradezu unmöglich.

„Und als er kein Mädchen aus der Stadt geheiratet hat“, fügte Daisy hinzu und seufzte bedauernd. Obwohl sie ohne Stock ging und keine orthopädischen Schuhe trug, wirkte sie in ihrer Strickweste und dem einfachen Baumwollkleid zerbrechlich wie ein Vogel.

Oh, oh, dachte Joslyn.

„Damit meine ich nicht, dass deine Mama keine hübsche Frau gewesen wäre“, räumte Daisy ein.

„Ist“, verbesserte Joslyn sie verlegen. „Meine Mutter ist immer noch … wohlauf.“

Daisy tätschelte Joslyns linke Hand, die auf der Stange des wackeligen Einkaufswagens lag. „Schön zu hören“, entgegnete sie. Ihre Augen hinter den verschmierten Brillengläsern waren vor Erstaunen noch größer geworden. „Manche von uns hier haben geglaubt, du würdest zurückkommen und Hutch Carmody heiraten. Ihr zwei wart ja offensichtlich verrückt nacheinander. Die meisten Leute sind allerdings davon ausgegangen, dass du nie mehr in Parable auftauchen würdest.“

Joslyn umklammerte die Stange mit beiden Händen nun so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten. Noch ehe sie überlegen konnte, was sie darauf erwidern sollte, redete Daisy schon weiter.

„Freds Schwager hat in diesem Chaos, das Elliott angerichtet hat, einen schönen Batzen Geld verloren“, erinnerte sich die alte Dame. „Er ist gestorben, bevor diese Firma in Denver begonnen hat, Schecks zu schicken.“

„Schecks?“, stieß Joslyn krächzend hervor.

„Eine Begleichung der Schulden“, erklärte Daisy Mulligan. „So haben es die Anwälte in ihren Briefen formuliert. Fast alle, die von Elliott reingelegt wurden, haben ihr Geld zurückgekriegt. Mit Zinsen. Für einige war es allerdings schon zu spät.“

Joslyn spürte einen Kloß im Hals. Sie schluckte. Dass ein paar Leute tot waren, die von Elliott abgezockt worden waren, hatte sie gewusst. Ebenfalls war ihr klar gewesen, dass sie jenen Leuten begegnen würde, die noch lebten. Allerdings hatte dieses Wissen sie nicht auf die tatsächlichen Begegnungen vorbereitet. Auch die vielen vernünftigen Antworten, die sie sich auf der Fahrt von Phoenix zurechtgelegt und geprobt hatte, nützten ihr nun nichts.

Daisy plauderte munter weiter. „Die Leute vermuten, dass die Steuerbehörden oder sonst irgendjemand das Geld auf einer Bank im Ausland entdeckt hat. Dort hat Elliott es offenbar deponiert, ehe er ins Gefängnis musste. Es war wie ein Wunder, als plötzlich diese Schecks in den Briefkästen der Leute in Parable aufgetaucht sind.“

Joslyn nickte. Lange würde sie das verkrampfte Lächeln, das sie aufgesetzt hatte, nicht mehr aufrechterhalten können. „So muss es wohl gewesen sein“, stimmte sie zu, obwohl sie wusste, dass das veruntreute Geld nie gefunden worden war. Elliott hatte bestimmt den Großteil, wenn nicht sogar alles, verjubelt.

Daisy lächelte gütig. „Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum es dich wieder nach Parable verschlagen hat“, sagte sie in leisem, vertraulichem Ton. Es klang, als sei sie einem Geheimnis auf der Spur. „Es sei denn, du heiratest Hutch Carmody doch noch.“ Sie war fast außer Atem vor Aufregung. „Ihm würde eine Ehefrau ganz guttun. Vielleicht würde er durch sie ein bisschen ruhiger. Er hat nämlich einen Hang zu Abenteuern. Genau wie sein alter Daddy seinerzeit. Und die Familie seiner Mom, tja, die hat zwar immer wahnsinnig vornehm getan, aber das ganze Geld damals in den 20er-Jahren mit Alkoholschmuggel verdient. Davor waren die alle nichts weiter als ein paar arme Schlucker.“

Joslyn fühlte sich während Mrs Mulligans Redeschwall wie jemand, der auf einen fahrenden Güterzug aufzuspringen versucht. „Äh, nein“, entgegnete sie schließlich. „Es gibt keine Hochzeit. Ich meine, Hutch und ich sind zwar Freunde, aber zwischen uns läuft nichts.“

Daisy zwinkerte ihr zu. „Jedenfalls noch nicht.“

Nachdem Mrs Mulligan nun anscheinend alles gesagt hatte, was sie loswerden wollte, nickte sie kurz, drehte sich um und ging.

Joslyn beendete ihren Einkauf, zahlte an der Kasse und schob das doofe Einkaufswägelchen mühsam über den Schotter zu ihrem Auto.

Vor der vorderen Stoßstange saß ein dünner, schmutzig gelber Labrador, dessen Fell voller Kletten war. Er wirkte wie ein deprimierter Anhalter, der auf eine Mitfahrgelegenheit hofft.

Seit Spunky hatte Joslyn kein Haustier mehr gehabt. Sie war viel zu beschäftigt gewesen, um einem Hund oder einer Katze jene Aufmerksamkeit schenken zu können, die sie brauchten. Doch sie hatte ein weiches Herz, was Tiere betraf; vor allem dann, wenn eines so offensichtlich vom Glück verlassen war wie dieser Vierbeiner.

„Hey, Kumpel“, sagte sie, als sie ihre Einkäufe auf dem Rücksitz verstaut und das Wägelchen zurückgeschoben hatte. Jetzt bemerkte sie, dass der Hund ein Halsband trug, an dem mehrere Hundemarken baumelten. Und sie konnte seine Rippen erkennen. „Wem gehörst du denn?“

Er zitterte, lief jedoch nicht weg. Vielleicht hatte der arme Kerl nicht die Kraft dazu. So, wie er aussah, dürfte er schon eine ganze Weile auf sich allein gestellt sein.

Das Beste wäre, ermahnte Joslyn sich, ins Auto zu steigen und abzuhauen. Einfach nach Hause zu fahren, die gekauften Lebensmittel einzuräumen, nochmals in Kendras Büro vorbeizuschauen und dann etwas zu kochen. Schließlich hatte der Hund ja Hundemarken. Irgendjemand würde sich schon darum kümmern, dass er den Weg dorthin zurückfand, wo er hingehörte.

Oder auch nicht.

Genauso gut möglich war, nahm sie an, dass er von irgendeinem herzlosen Idioten ausgesetzt worden war. Einem, der sich nicht einmal die Mühe gemacht hatte, dem Tier das Halsband abzunehmen. Joslyn trat vorsichtig auf den Hund zu. Dabei streckte sie eine Hand aus, damit er ihren Geruch wahrnehmen konnte. Erschöpft beschnüffelte er ihre Finger und begann wieder zu zittern. Aber er blieb, wo er war.

„Du würdest mich doch nicht beißen, oder?“, sagte sie im Plauderton. Ihre Hand befand sich immer noch vor seiner Schnauze. „Ich will dir nämlich nicht wehtun, Kleiner, sondern nur einen Blick auf deine Hundemarken werfen, das ist alles.“

Sie hockte sich vor ihm hin und schaute ihm in seine treuherzigen braunen Augen. In seinem Blick lagen eine ratlose Traurigkeit und die schwache Hoffnung, dass ihm vielleicht doch irgendeine kleine freundliche Geste zuteilwerden würde. Vorsichtig hob Joslyn die ersten zwei Anhänger an seinem Halsband an. Die Nummern auf der ersten Marke waren teilweise abgewetzt, doch die zweite Marke bot mehr an Information. Der Name des Hundes war Jasper. Außerdem war eine Telefonnummer angegeben.

Joslyn kramte ihr Handy hervor und wählte. Es klingelte ein Mal. Ein zweites Mal. Und dann hörte sie eine tiefe und reservierte Stimme auf einem Anrufbeantworter. „Hier spricht John Carmody“, sagte der Mann. „Ich bin derzeit nicht erreichbar. Hinterlassen Sie Ihren Namen usw., dann rufe ich Sie zurück, falls ich Lust habe.“

Trotz des warmen Junitages bekam Joslyn auf beiden Armen eine Gänsehaut.

Es war lange her, dass sie das letzte Mal in Parable gewesen war, aber sie hatte mitbekommen, dass Hutchs Vater gestorben war. Kendra hatte es ihr gemailt, und Joslyn hatte sofort eine Beileidskarte geschickt. Offensichtlich hatte noch niemand MrCarmodys Ansage auf dem Anrufbeantworter gelöscht– mit dem Ergebnis, dass Joslyn nun das Gefühl hatte, gerade mit einem Toten geredet zu haben.

Und das hier war der Hund des Toten. Da es keinen Sinn hatte, eine Nachricht zu hinterlassen, klappte Joslyn ihr Handy einfach zu und ließ es zurück in ihre Tasche fallen.

„Es tut mir so leid, Kumpel.“ Sie streichelte dem Hund liebevoll den Kopf.

Er zitterte wieder.

Sie richtete sich auf, öffnete eine der hinteren Autotüren und begann, die Einkaufstüten in den Kofferraum zu räumen.

Jasper beobachtete sie die ganze Zeit. Sein Blick war immer noch hoffnungsvoll.

„Komm“, sagte sie, sowie die Rücksitze frei waren. „Bringen wir dich nach Hause zur Whisper-Creek-Ranch.“

Jasper zögerte. Er wirkte, als würde er darüber nachdenken. Dann humpelte er folgsam zu Joslyn und sprang winselnd auf den Rücksitz.

War der Hund etwa verletzt? Sollte sie mit ihm direkt zum nächsten Tierarzt fahren? Hinter Joslyns Stirn pochte es schmerzvoll.

Sie setzte sich hinters Steuer und schaute in den Rückspiegel. Jaspers großer Kopf füllte das ganze Sichtfeld aus.

„Alles wird gut“, versprach sie ihm.

Er winselte, legte sich hin und harrte der Dinge, die da kommen mochten.

Joslyn holte wieder ihr Handy aus der Tasche. Hutchs Nummer hatte sie zwar nicht, aber Kendras Nummer war in ihrem Kurzwahlspeicher.

Autor