Der Kuss des Scheichs

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Wie im Rausch erlebt Samantha den Kuss des glutäugigen Fremden. Wer ist dieser geheimnisvolle Sohn der Wüste? Kurz darauf wird sie ihm vorgestellt: Er ist Scheich Vere al a'Karim, Herrscher über das Reich Dhurahn. Und sein Blick verrät: Er will mehr von ihr als nur einen Kuss …


  • Erscheinungstag 28.07.2023
  • ISBN / Artikelnummer 9783745753264
  • Seitenanzahl 113
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„O nein!“, rief sie erschrocken aus.

Doch zu spät. Sie fühlte bereits, wie der Mann in der traditionellen Landestracht sie an seinen harten, männlichen Körper presste. Er war im selben Moment wie sie um die Ecke gebogen.

Ihr überraschter Schrei wurde von einem Bild begleitet, das ihr so klar vor Augen stand, als wäre es in ihr Gedächtnis eingebrannt. Es war das Bild eines hochgewachsenen, breitschultrigen, arrogant wirkenden Mannes mit den auffälligsten grünen Augen, die sie je gesehen hatte. Dieser schlaglichtartige Eindruck verblasste jedoch sofort, als der abrupte und viel zu intime Kontakt mit seinem Körper zustande kam.

Und als sie gleich darauf, das Gesicht in seine Halsbeuge gepresst, wie erstarrt dastand, waren ihre Sinne diesem Sturmangriff der Intimität schutzlos ausgeliefert. Sie konnte die Hitze spüren, die sein Körper ausstrahlte, während ihr sein männlicher Geruch in die Nase stieg, ein leichter Moschusduft, der sich mit dem Duft seines kühl würzigen Aftershaves mischte. Und sie spürte das Hämmern seines Herzens. Schlanke kraftvolle Finger drückten sich in ihren Arm, nackte Haut auf nackter Haut setzte eine Kettenreaktion in Gang, die in ihrem Körper eine gewaltige Explosion auslöste.

Erst in diesem Moment wurde ihr klar, dass sie an seinen Oberschenkel gepresst wurde, während sich ihre eigenen Oberschenkel unbemerkt geöffnet hatten, um Platz zu schaffen für den harten Beweis seiner Männlichkeit. Der glühende Lavastrom, der über sie hinwegfloss, verwandelte sich in eine nie gekannte sexuelle Begierde. Ihr Körper, der sich plötzlich selbstständig machte, schmiegte sich an ihn, und sie war völlig machtlos. Die Luft, die angereichert war mit seinem Duft, wurde zu einem Aphrodisiakum.

Diesen Irrsinn musste sie sofort stoppen. Deshalb war es natürlich ein Fehler, jetzt den Kopf von seiner warmen muskulösen Schulter zu heben, um ihm ins Gesicht zu sehen. Und erst recht, so sehnsüchtig auf seinen Mund zu schauen. Wie kam sie dazu, seufzend zu erschauern und ihre Handfläche auf seine Brust zu legen? Während sie ihm mit ihren Blicken zu verstehen gab, wie sehr sie sich danach sehnte, diese schön geformte Oberlippe mit dem Finger nachzuzeichnen oder noch lieber gleich mit der Zungenspitze.

Nein, all das sollte sie wahrlich nicht tun – aber sie tat es dennoch, und sein Blick ließ keinen Zweifel daran, dass er sich in demselben Zwiespalt befand.

Sam zitterte, aber nicht vor Kälte. Und als er den Kopf senkte und seine Finger in ihrem seidigen Haar vergrub, stöhnte sie laut auf.

Sein warmer Atem streifte ihre Haut und drang in jede Pore, was in ihr eine wilde Verzückung auslöste. In fiebriger Erwartung seines Kusses beobachtete sie, wie sich sein Mund quälend langsam auf ihren zubewegte – bis er schließlich abrupt innehielt. Als sie den Blick hob, sah sie in seinen smaragdgrünen Augen ein Feuer lodern, in dem die Luft zwischen ihnen verglühte.

Sam reckte sich ihm entgegen, dabei öffnete sich mit einem Aufseufzen ihr Mund. Ihre Knie waren so weich, dass sie sich an ihm festklammern musste. Was sie da einatmete und jetzt auch auf der Zunge schmeckte, war eine Droge, weit stärker als Wein.

Endlich streiften seine Lippen ihre. Es war eine entschiedene Berührung, köstlich sinnlich und unerhört zart. Gleich darauf zog er sich leicht zurück und schaute ihr tief in die Augen. Aber sie wollte mehr und presste sich wieder an ihn. Er umrahmte ihr Gesicht mit den Händen und tupfte ihr kleine Küsse auf den Mund, bis er endlich tat, wonach sie sich von Anfang an gesehnt hatte. Er zog sie an sich und eroberte mit einem leidenschaftlichen Kuss ihren Mund.

Als ein Stück weiter eine Tür ins Schloss fiel, fuhren sie schuldbewusst auseinander, und Sam rannte davon. Ihr Gesicht brannte, ihr Herz klopfte zum Zerspringen in einer Mischung aus Entsetzen und Ungläubigkeit.

Großer Gott! War sie verrückt geworden oder was? Sie war hierher an den arabischen Golf gekommen, um sich auf eine Stellenausschreibung zu bewerben und nicht, um sich einem wildfremden Mann an den Hals zu werfen.

Was war in sie gefahren?

Wo sie doch genau wusste, dass sie in diesem Teil der Welt gerade als Frau ganz besonders vorsichtig sein musste. Hier konnte man schon in Schwierigkeiten kommen, wenn man einen Mann nur versehentlich am Arm berührte oder Blickkontakt mit ihm aufnahm.

Und was hatte sie getan?

Allein die Erinnerung daran verursachte ihr Schwindelgefühle. Hatte sie den Verstand verloren?

Was war los mit ihr? Hatte es mit ihrem Ausflug in die Wüste zu tun, von dem sie eben zurückgekehrt war? Irgendwann war ihr einmal zu Ohren gekommen, dass man in der Wüste verrückt werden konnte, aber doch bestimmt nicht, wenn man zwei Stunden in einem vollklimatisierten Geländewagen durch die Gegend fuhr, oder? Oh, was für ein aufregender Mann! Sie hatte ihn so sehr gewollt … wollte ihn immer noch. Noch nie im Leben hatte sie so etwas verspürt wie in dem Moment, in dem sich ihre Körper berührt hatten. Als ob sie von einem rasenden Strudel erfasst worden wäre.

Ein Blick in seine Augen, und sie war verloren gewesen. Wenn er sie in diesem Moment gefragt hätte, ob sie den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen wollte, hätte sie mit Freuden ja gesagt, dessen war Sam sich gewiss.

Sie versuchte das Gefühl von Intensität, das sie immer noch verspürte, abzuschütteln, indem sie es einfach weglachte. Wie töricht sie doch war! Oder vielleicht hatte sie ja einen Sonnenstich. Auch wenn diese Erklärungen sie nur wenig zufriedenstellten, waren sie immer noch besser als die Alternative. Und die lautete, dass sie sich soeben Hals über Kopf in einen wildfremden Mann verliebt hatte, mit dem sie sich von jetzt an für immer verbunden fühlen würde.

1. KAPITEL

Vere ließ seinen Blick durchs Fenster seines Arbeitszimmers in die Ferne schweifen. Er übersah die Schönheit des Parks, von dem der Palast umgeben war, weil er sich ganz auf die Wüste jenseits davon konzentrierte, die eine fast überirdische Ruhe ausstrahlte. In letzter Zeit sehnte er sich ganz besonders nach dem Frieden und der Einsamkeit der Wüste. Er wünschte sich, alle Pflichten abschütteln zu können, die ihm als Emir eines modernen arabischen Landes auferlegt waren, um sich an jenem Teil seines Erbes zu erfreuen, zu dem unabdingbar die Wüste gehörte.

Immerhin würde er noch heute dorthin fahren können, auch wenn es keine freiwillige Unternehmung war. Es war die Verantwortung, die er seinem Land und seinem Volk gegenüber trug, die ihn an die Grenze im Niemandsland führte, eine Grenze, die sich Dhurahn mit seinen beiden Nachbaremiraten teilte.

Vere durchquerte sein Arbeitszimmer, um auf der anderen Seite in den Hof des Palastes hinabzuschauen, wo geschäftig hin und her eilende Bedienstete alles für seine Abreise vorbereiteten. Er nahm die Verantwortung für sein Land, die er sich mit seinem Zwillingsbruder teilte, sehr ernst – ernster als Drax es je getan hatte. Aber er war ja schließlich auch der Ältere von ihnen beiden, außerdem war er schon immer gewissenhafter als Drax gewesen.

Für Vere war es fast eine heilige Pflicht, das Land so zu regieren, wie ihre Eltern es sich gewünscht hätten.

Bisher hatte es in seinem Leben nur eine einzige Gelegenheit gegeben, bei der er sich so sehr nach dem Trost der Wüste gesehnt hatte wie zurzeit. Das war nach dem tragischen Unfalltod seiner Eltern gewesen, wobei ihn der Verlust seiner Mutter besonders hart getroffen hatte. Allein die Erinnerung daran weckte eine wilde Entschlossenheit in ihm, seine Gefühle, die er nur als Schwäche betrachten konnte, so schnell wie möglich wieder unter Kontrolle zu bringen.

Unvorstellbar, dass ihn seine Begierde bis an den Rand des Wahnsinns treiben könnte. Und das ausgerechnet im Zusammenhang mit einer dieser Westeuropäerinnen, die an den Golf kamen, um für ein Luxusleben ihren Körper zu verkaufen. Eine andere Frage war, warum er sich zu allem Überfluss auch noch einbildete, diesem Irrsinn nur an jenem Ort entkommen zu können, an dem er nach dem Verlust seiner Mutter Trost gefunden hatte. Es war mehr als unvorstellbar. Es wäre eine Entweihung und ein persönliches Versagen in unglaublichem Ausmaß.

Der Tod seiner Eltern lag lange zurück, aber in Veres Erinnerung hatte sich das tragische Ereignis unauslöschlich eingebrannt, vielleicht weil er noch so jung gewesen war. Damals hatte er sich geschworen, nie wieder einen Menschen so zu lieben, wie er seine Mutter geliebt hatte. Auf diese Weise wollte er verhindern, dass er je wieder einen solch schmerzlichen Verlust erleiden musste.

Problematisch dabei war nur das sexuelle Verlangen, das einem Mann in seiner Position gefährlich werden konnte, wie sich bei diesem mehr als peinlichen Zusammenstoß auf dem Hotelflur gezeigt hatte. Die meisten Männer lösten dieses Problem, indem sie heirateten oder sich eine Mätresse zulegten.

Sein Zwillingsbruder Drax war bereits verheiratet, und seine Frau erwartete demnächst ihr erstes Kind. Drax machte kein Geheimnis daraus, dass er Vere ebenfalls gern in festen Händen sähe.

Vere runzelte die Stirn, während er zuschaute, wie unten im Hof der schwere Geländewagen für die lange Fahrt ins Niemandsland beladen wurde.

Die Initiative für das Vorhaben war von Zuran ausgegangen. Der Scheich hatte vorgeschlagen, den Grenzverlauf zu überprüfen und, falls erforderlich, die alten Grenzen neu vermessen zu lassen, was Vere voll unterstützte. Alle drei Nachbarländer hielten Territorialrechte im Niemandsland, aber schon seit Längerem herrschte Einigkeit darüber, dass man bereit war, auf diese Rechte zugunsten der verschiedenen Nomadenstämme, die seit Jahrhunderten die Gegend bevölkerten, zu verzichten.

Der Scheich von Zuran strebte an, die im Niemandsland lebenden Beduinen von den öffentlichen Einrichtungen seines Landes profitieren zu lassen. Um diesen Plan umsetzen zu können, hatte er sich jedoch mit seinen Nachbarn an einen Verhandlungstisch setzen müssen: Mit dem Emir von Khulua sowie mit Vere und Drax, die das Emirat Dhurahn regierten.

Vere fand die Initiative unterstützenswert, vorausgesetzt natürlich, dass die Beduinenstämme nicht in ihrer Lebensweise beeinträchtigt wurden. Der Emir von Khulua, der offenbar nicht gewillt war, abseits zu stehen, hatte gebeten, in das Projekt mit einbezogen zu werden, obwohl er ein konservativer Herrscher war. In einem ersten Schritt hatte der Scheich von Zuran ein Team von Wissenschaftlern beauftragt, das Areal im Niemandsland sorgfältig zu vermessen.

Daraufhin hatte der Emir von Khulua vorgeschlagen, während dieses Vorhabens die einzelnen Landesgrenzen gleich mit vermessen zu lassen.

Dagegen war nichts zu sagen, solange der gelegentlich schlitzohrig agierende Emir nicht auf die Idee kam, die Gelegenheit für den Versuch zu nutzen, sich Land anzueignen, das ihm nicht gehörte. Dabei waren sich Drax, Vere und der Scheich von Zuran einig gewesen, ein Auge auf die Aktivitäten des Emirs zu werfen. Und so hatten sie durchgesetzt, dass jede Regierung für eine gewisse Zeit die Leitung über das Projekt übernehmen sollte, und nun war Vere an der Reihe, ins Niemandsland zu reisen.

Als er auf dem Balkon über sich etwas hörte, schaute Vere nach oben und sah dort seinen Zwillingsbruder eng umschlungen mit seiner Frau Sadie. Der Anblick der beiden berührte eine Seite in Vere, deren Existenz er fast vergessen hatte.

Drax und Vere waren zeitlebens ein Herz und eine Seele gewesen, doch nach dem tragischen Tod ihrer Eltern waren sie noch enger zusammengerückt. Von Rechts wegen hätte eigentlich Vere als der erstgeborene Zwilling in die Fußstapfen seines Vaters treten müssen. Aber ihr Vater hatte sich immer gewünscht, dass Vere und Drax die Regierungsverantwortung für Dhurahn eines Tages gemeinsam übernehmen sollten. Deshalb hatten sie die Nachfolge im Sinne ihres Vaters geregelt, auch wenn Vere offiziell als der Mann an der Spitze galt.

Bis vor Kurzem hatte er diese Pflichten nie als lästig betrachtet. Während Drax, besonders in Kunst und Architektur, die Moderne begrüßte, zog Vere es vor, an althergebrachten Traditionen festzuhalten. Drax war ein ausgesprochen geselliger Mensch, Vere hingegen neigte eher zur Verschlossenheit. Wo Drax den Trubel liebte, bevorzugte Vere die Stille der Wüste. Deshalb wurden sie von den Menschen, die sie am besten kannten, die zwei Hälften eines Ganzen genannt.

Vere liebte wie viele kultivierte Araber die Poesie und las die Werke der großen arabischen Dichter, in letzter Zeit jedoch hatte ihm die Schönheit dieser Worte mehr Seelenqualen als Freude bereitet.

Eigentlich hätte er die Gelegenheit, Zeit in der Wüste zu verbringen, begrüßen müssen, und doch war er aus einem unerfindlichen Grund nervös. Vielleicht weil er wusste, dass sich in der Einsamkeit dieses Gefühl von Leere und Verlust in den Vordergrund drängen würde, das bei ihm dicht unter der Oberfläche lag, und mit ihm seine Verletzlichkeit?

Vere gab sich alle Mühe, diese Gedanken aus seinem Kopf zu verbannen. Er verabscheute jede Art von Unvollkommenheit an sich selbst und betrachtete seinen momentanen Zustand als Schwäche, die es auszumerzen galt.

Doch das war leichter gesagt als getan. Egal wie erbittert er gegen das Gefühl auch ankämpfte, nach kurzer Zeit kehrte es zurück – wie ein geschlagenes Ungeheuer, das immer wieder den Kopf hob.

Durch Veres Adern rann das Blut stolzer Männer, deren Moralkodex er übernommen hatte. Seine Vorfahren hatten den Wert von Selbstdisziplin und Abstinenz gekannt und wussten, wie Körper und Geist in einer harten Wüstenregion überlebten. Ein richtiger Mann – und Vere hatte sich immer als einen solchen betrachtet – würde sich hüten, sich von seinen Begierden treiben zu lassen.

Und schon gar nicht würde ein richtiger Mann auf einem Hotelflur eine wildfremde Frau …

Angespannt vor Verärgerung fuhr er wieder herum und schaute in die Ferne. Dabei störte es ihn nicht, dass das grelle Sonnenlicht ihn blendete. Vere brauchte keine Sonnenbrille, weder zum Schutz seiner Augen noch als Weichzeichner für die Wirklichkeit.

Gier gehörte zweifellos zu den größten Untugenden der Menschheit. Und war nicht selten eine Quelle großen Unglücks.

Bisher war Vere davon überzeugt gewesen, dass er selbst über dieser menschlichen Schwäche stand, jetzt aber wusste er, dass er zumindest bei einer Gelegenheit versagt hatte. In seinem Fall war es sexuelles Begehren gewesen. Er verurteilte sein Handeln und befand es für durch und durch unwürdig. Der Scheich von Dhurahn musste sich jederzeit hundertprozentig unter Kontrolle haben.

Ein anderer Mann hätte es vielleicht hingenommen, dass er – eben weil er ein Mann war – für derartige Versuchungen empfänglich war. Doch dagegen bäumte sich Veres Stolz auf. Vere weigerte sich schlicht zu akzeptieren, dass er derart verletzlich sein könnte. Er war seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht geworden, und das empfand er als tiefes Versagen.

Aber jetzt galt es nach vorn zu schauen. Am vordringlichsten war, diese Frau und den besagten Vorfall endlich und für immer aus seiner Erinnerung zu löschen. Später konnte er dann Bilanz ziehen und überprüfen, ob und inwieweit sein Stolz bei diesem bedauerlichen Vorfall Schaden genommen hatte.

Das Problem war nur, dass er nicht vergessen konnte. Die Erinnerung an sie war schier unauslöschlich. Seit ihrer Begegnung hatte er keine Nacht mehr richtig geschlafen, da er ständig befürchten musste, von ihr zu träumen. Und dann würde ihn womöglich im Schlaf das Verlangen überwältigen, das er tagsüber inzwischen zumindest notdürftig im Zaum hielt. Es war schlimm genug, vor sich selbst zugeben zu müssen, dass jedes Mal, wenn seine Konzentration nur ganz leicht nachließ, die Erinnerung an sie wieder frisch war wie am ersten Tag.

Wie konnte es passieren, dass sich eine wildfremde Frau in die hintersten und bestbewachten Winkel seines Herzens einschlich, um ihm von dort aus Folterqualen zu bereiten?

Der Nachmittag neigte sich seinem Ende entgegen. Gleich nach Sonnenuntergang würde er sich mit einer kleinen Mannschaft auf den Weg ins Niemandsland machen. Doch vorher hatte er noch einiges zu tun.

2. KAPITEL

Sam stellte sich unter die erstaunlich gut funktionierende Dusche im „Badezimmer“ des traditionellen Beduinenzeltes, das sie gegenwärtig bewohnte. Nachdem sie sich von Kopf bis Fuß eingeseift hatte, ließ sie Wasser über ihren Körper laufen, wobei sie sorgsam darauf achtete, keinen Tropfen zu vergeuden. Obwohl man ihr versichert hatte, dass es dank der modernen Entsalzungsanlagen, über die Zuran verfügte, nicht erforderlich war, mit dem Wasser zu sparen, das fast täglich in riesigen Containern angeliefert wurde.

Sam war überglücklich, als ihr mitgeteilt wurde, dass man die Stelle, auf die sie sich beworben hatte, mit ihr besetzen wollte. Hier in der Golfregion durfte sie jetzt als Mitglied eines wissenschaftlichen Teams, das aus Kartografen, Anthropologen, Statistikern, Geologen und Historikern bestand, die Grenzen und die traditionellen Karawanenrouten dieser magischen alten Welt neu vermessen. Allein bei der Vorstellung rieselte ihr immer noch ein ehrfürchtiger Schauer über den Rücken.

Normalerweise teilte sich Sam ihre recht komfortable Unterkunft mit ihrer Kollegin Talia Dean. Aber die junge amerikanische Geologin hatte sich vor zwei Tagen eine böse Schnittwunde am Fuß zugezogen und lag derzeit in Zuran im Krankenhaus.

Sie waren nicht die Ersten, die das Niemandsland vermaßen, und die Grenzen zwischen den drei arabischen Ländern waren längst einvernehmlich definiert. Jetzt war es, dank der modernen Technologie und den guten nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen den drei Staaten, jedoch möglich geworden zu erforschen, welche Schäden die Sandstürme in den vergangenen fünf Jahrzehnten seit der Grenzziehung angerichtet hatten.

Das Camp machte sich zum Schlafengehen bereit, als Sam frisch geduscht den abgetrennten Schlafraum ihres Zeltes betrat.

Hier lagen Seidenteppiche auf dem Boden, und die beiden Schlaflager waren mit orientalisch gemusterten Kissen und Decken aus Samt bestückt. Von der Decke hingen kleine langsam hin und her schwingende Duftkessel herab, aus denen wunderbare orientalische Düfte aufstiegen. Diese Mischung aus modernem Komfort und landesüblicher Tradition mutete fast märchenhaft luxuriös an, ein Gefühl, das in einem scharfen Kontrast zu der schroffen Landschaft stand.

Die Wüste in ihrer Kargheit besaß jedoch ihren ganz eigenen Reiz. Sam liebte die Wüste, obwohl sie sich von ihrer Erhabenheit immer wieder eingeschüchtert fühlte. Die Natur strahlte eine Dominanz aus, der man sich nur unterwerfen konnte, eine Wildheit, die verlangte: Wenn du mich willst, musst du mich nehmen wie ich bin, weil ich mich nie ändern werde. Über der Landschaft schwebte eine Ahnung von Ewigkeit, bei der Sam ganz feierlich zumute wurde.

Aber die Wüste war auch grausam. Sam hatte die Geier gesehen, die über den in der Gluthitze verendeten Tierkadavern kreisten. Man erzählte sich Geschichten von ganzen Fahrzeugkolonnen, die in Sandstürmen vom Weg abgekommen und verschollen waren, von Oasen, die heute noch da und morgen schon unauffindbar waren, oder von Wüstenstämmen und ihren Führern, die so im Einklang mit der Natur lebten, dass sie kein anderes Gesetz akzeptierten als das der Wüste.

Einer dieser Führer sollte morgen im Camp eintreffen. Prinz Vereham al a’ Karim bin Hakar, der Scheich von Dhurahn, war nach allem, was Sam gehört hatte, ein bewunderter und allseits geachteter Mann.

Als Sam es sich auf ihrem Schlaflager bequem gemacht hatte, konnte sie trotz ihrer Müdigkeit nicht einschlafen. Schlimmer noch, inzwischen war sie wieder hellwach, aber daran war sie selbst schuld. Sie selbst oder genauer gesagt dieses süße Verlangen, das sie seit Wochen quälte.

Warum musste sie bloß ständig an einen Kuss denken, den sie eigentlich längst vergessen haben sollte?

Es war immerhin drei Monate her – drei Monate, eine Woche und viereinhalb Tage, um genau zu sein – seit sie auf diesem Hotelflur mit einem traditionell gekleideten Araber zusammengestoßen war und …

Und was? Von dem sie drei Monate später immer noch besessen war? Wie vernünftig war das? Überhaupt nicht vernünftig, oder? Sie hatten die Gelegenheit genutzt, um sich zu küssen, na und? Zweifellos waren sie beide neugierig und erregt gewesen von den kulturellen Unterschieden zwischen ihnen. So oder ähnlich hatte Sam versucht, sich die Geschichte rational zu erklären. Und vielleicht hätte sie damit ja sogar Erfolg gehabt, wenn sie nicht gleich nach dem Vorfall in eine hormonell bedingte Falle getappt wäre und sich eingeredet hätte, dass es Liebe auf den ersten Blick gewesen war. Und dass sie jetzt dazu verdammt war, sich für den Rest ihres Lebens nach diesem Fremden zu sehnen.

Was für ein blühender Unsinn! Das klang ja fast wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, nur noch fantastischer.

Warum hatte sie die Sache nicht sofort ad acta gelegt? Oder sogar eine gewisse Scham verspürt und versucht, das Ganze zu verdrängen?

Scham? Nur weil es zwischen ihr und einem fremden Mann zu einem läppischen Kuss gekommen war? Wie spießig. Besser und weitaus ehrlicher war es, die Wahrheit zuzugeben.

Und was war die Wahrheit? Dass es eine ziemlich verrückte Erfahrung gewesen war, die Spaß gemacht hatte?

Spaß gemacht?

Wenn es doch bloß so luftig leicht, so nebensächlich gewesen wäre, dass sie es mit einem Schulterzucken abtun könnte!

Autor

Penny Jordan
<p>Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...
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