Der Preis prickelnder Verführung

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Das hier war der Mann, der ihr nicht nur das Herz gebrochen, sondern auch all ihre romantischen Ideale zerstört hatte. Erst hatte sie ihn geliebt. Und dann gehasst. Wie versteinert tritt Champagner-Erbin Margot Duvernay dem neuen Firmen-Aktionär gegenüber. Max Montigny ihre Gefühle zeigen? Eher werden die Trauben ihres Weinguts im August zu Eis! Denn dass der arrogante Business-Tycoon ihr einst das Herz brach, ist eine Sache, aber dass seine tiefe Stimme ihr noch immer Schauer über den Rücken jagt, versetzt Margot in Panik. Nur um den Familienbesitz zu retten, macht sie mit ihm Geschäfte! Bis sie bebend erkennt, Max will nicht ihre Weinberge, sondern etwas völlig anderes …


  • Erscheinungstag 12.02.2019
  • Bandnummer 42019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733712006
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Als die Räder ihres Privatjets auf der Landebahn aufsetzten, sah Margot Duvernay von ihrem Laptop auf und blickte aus dem Fenster. Gedankenverloren spielte sie an dem Armband mit der Aufschrift „Team der Braut“, das sie am Handgelenk trug.

Als Geschäftsführerin des legendären Champagnerhauses Maison de Duvernay arbeitete sie fast rund um die Uhr. Die letzten fünf Jahre waren eine besondere Herausforderung gewesen, sowohl in emotionaler als auch in finanzieller Hinsicht, und zwar so sehr, dass Gisèles einwöchiger Junggesellinnenabschied in Monte Carlo Margots erster Urlaub seit vielen Monaten gewesen war.

Bis eine Nachricht ihres Vaters Émile ihrem Aufenthalt dort ein abruptes Ende bereitet hatte.

Zielstrebig ging sie über das Rollfeld zu der Limousine, die bereits auf sie wartete, stieg ein und nahm das Telefon aus der Handtasche. Noch einmal hörte sie sich an, was er auf ihrer Mailbox hinterlassen hatte, und legte angesichts seines Kicherns und der Musik im Hintergrund die Stirn in Falten. Wenn die Nachricht sie doch nur früher erreicht hätte! Émile war so unzuverlässig und ließ sich so leicht ablenken …

Andererseits hatte er definitiv davon gesprochen, seine Aktien verkaufen zu wollen, und das zum allerersten Mal in Margots Leben.

Als der wunderschöne Hauptsitz des zweihundertfünfzig Jahre alten Familienbetriebs in Sicht kam, lehnte sie sich im Wagen zurück und verspürte die altbekannte Mischung aus Stolz und Verantwortungsgefühl. Sie liebte alles an diesem Gebäude – das angenehm kühle, ruhige Innere, das geschichtsträchtige, holzverkleidete Vorstandszimmer und die ansprechende Symmetrie der Fassade. Für Margot war es sehr viel mehr als ein Haus. Es war ein Vermächtnis – und eine Bürde.

Genau wie ihr Posten als Geschäftsführerin.

Nie hätte sie geglaubt, dass sie einmal für die Geschicke von Duvernay verantwortlich sein würde. Sie hatte es auch nie gewollt. Persönlich hatte sie es immer gehasst, im Rampenlicht zu stehen, und nachdem sie ihren Universitätsabschluss gemacht hatte, war sie zufrieden damit gewesen, die neu geschaffene Abteilung für Biochampagner zu leiten.

Doch der tragische Tod ihres älteren Bruders Yves, der auf einer Skipiste von Verbier ums Leben gekommen war, hatte sie dazu gezwungen, die Führung des Familienbetriebs zu übernehmen. Ihr Vater Émile hätte sich natürlich gern darin gesonnt, ein weltweit agierendes Unternehmen zu leiten. Doch selbst wenn seine Schwiegereltern ihm nicht die kalte Schulter gezeigt hätten, zog er es doch vor, seine Sonnenbräune zu vertiefen, als sich mit nüchternen Marktanalysen zu beschäftigen. Und ihr jüngerer Bruder Louis mochte sie zwar körperlich damals schon überragt haben, war mit sechzehn Jahren aber noch viel zu jung für eine Führungsposition. Ihr Großvater hingegen war zu alt und vor Trauer völlig am Boden zerstört gewesen. Für ihn war es schlimm genug, mit dem Drogentod seiner Tochter, die an einer versehentlichen Überdosis gestorben war, fertigzuwerden, doch der Schock darüber, auch seinen Enkelsohn verloren zu haben, hatte zu mehreren Schlaganfällen geführt, von denen er sich bis heute nicht vollständig erholt hatte.

Also war es an Margot hängen geblieben, das zu tun, was sie immer tat: nämlich die Scherben aufzulesen, und so kam es, dass sie an diesem Morgen zurück nach Épernay geeilt war.

Sie betrat die Eingangshalle und fühlte sich in der gewohnten Umgebung sofort etwas weniger nervös, doch als sie zum Aufzug ging und ihr Handy zu vibrieren begann, schlug ihr Herz schneller. Sie atmete tief durch und sah mit einer Mischung aus Hoffnung und Erleichterung aufs Display.

Dem Himmel sei Dank, es war ihr Vater. Endlich!

„Émile! Ich wollte dich gerade anrufen.“

„Tatsächlich? Ich dachte, du schmollst vielleicht noch.“

Margot musste die Zähne zusammenbeißen. Ihr Vater konnte sie mit seiner Oberflächlichkeit zur Verzweiflung treiben. Als er auf ihre Nachrichten nicht reagiert hatte, war sie aus Sorge, er könnte seine Meinung geändert haben, fast in Panik verfallen. Aber anscheinend hatte er es nur spannend machen wollen.

Doch als sie jetzt das Hochgefühl in seiner Stimme hörte, waren ihr seine albernen Spielchen auf einmal egal. Alles, was zählte, war, dass er endlich bereit war, seinen Aktienanteil zu verkaufen.

Ihr Puls beschleunigte sich.

Das Timing könnte nicht besser sein.

Es würde nicht nur ihrem Großvater neue Kräfte verleihen, sondern auch bedeuten, dass der Betrieb rechtzeitig zur Hochzeit ihres Bruders Louis wieder vollständig im Besitz der Duvernays war. Und diese Hochzeit war sehr viel mehr als eine romantische Zeremonie – sie war die Grundlage dafür, den Familiennamen weiterleben zu lassen und die Zukunft der Duvernays sicherzustellen.

Außerdem würde der Aufkauf der Aktien ihres Vaters die Bank beruhigen, und sie, Margot, war die Einzige in der Familie, die wusste, wie wichtig das war.

„Oh, Papa.“ Ihr Vater konnte ein wahrer Kindskopf sein, aber heute würde sie nachsichtig mit ihm sein, und so sagte sie geduldig: „Du weißt, dass ich versucht habe, dich zu erreichen. Ich habe dich fast ein Dutzend Mal angerufen.“

Sie dachte an die Nachricht, die er ihr hinterlassen hatte. Er hatte erwähnt, nach Reims fliegen zu wollen, doch das war Stunden her. Sie sah auf ihre Armbanduhr. Er müsste inzwischen gelandet sein.

Ihr Mund fühlte sich plötzlich ganz trocken an, und sie schluckte. „Wo bist du? Ich kann dich abholen kommen oder dir einen Wagen schicken.“

Sie konnte es einfach nicht glauben. Émiles Aktien zurückzukaufen war das Ziel, das sie verfolgt hatte, seit sie die Firmenleitung übernommen hatte. Mit ihnen konnte sie nicht nur das Gut wieder ganz in die Hände der Duvernays bringen, sondern endlich auch das düstere Kapitel der Ehe ihrer Eltern und der Auswirkungen, die der tragische Tod ihrer Mutter gehabt hatte, schließen.

Ihr Vater und ihre Großeltern hatten schon immer ein angespanntes Verhältnis gehabt. Auch wenn Émile wie ein Filmstar aussah, so war er für die Großeltern doch immer nur der Pferdetrainer gewesen. Und mit der neunzehnjährigen Tochter des Hauses durchzubrennen hatte ihn bei deren prüder und standesbewusster Familie nicht eben beliebter gemacht, ebenso wenig wie sein Entschluss, von dem Geld aus Colettes Treuhandfonds zu leben.

Nach ihrem Tod aber war es seine Weigerung, ihren Aktienanteil seinen Kindern zu übergeben, die ein schwieriges Verhältnis in eine erbitterte Fehde verwandelt hatte.

Émile hatte stets behauptet, aus reiner Selbsterhaltung so zu handeln, doch Margots Großeltern waren überzeugt, dass es schiere Bosheit war. Ihr Vater hatte Colettes Eltern damit gedroht, mit Margot und ihren Brüdern in die Schweiz zu ziehen, wenn er seinen Anteil nicht behalten durfte, und ihr Großvater hatte unter zwei Bedingungen nachgegeben: Er und seine Frau würden das Sorgerecht für die Kinder ihrer Tochter erhalten, und sie würden den Namen Duvernay tragen.

Margot fröstelte. Früher einmal hatte sie geglaubt, die Trauer würde die verfeindeten Parteien einander näherbringen, doch das Gegenteil war eingetreten. Sie ließen keine Gelegenheit aus, sich gegenseitig zu verletzen.

Aber vielleicht würde sich das jetzt endlich ändern.

Bei dem Gedanken machte ihr Herz einen kleinen Satz. Es wäre so schön, das alles noch vor Louis’ Hochzeit hinter sich zu lassen. Dafür müsste sie Émile aber erst einmal festnageln …

„Papa?“ Sie bemühte sich, beiläufig zu klingen. „Sag mir einfach, wo wir uns am besten treffen.“

„Genau deshalb rufe ich an.“

Er klang jetzt anders – unbehaglich, fast trotzig, und Margot fragte sich, warum. Doch bevor sie länger darüber nachdenken konnte, sprach Émile bereits weiter.

„Ich habe es versucht, also gib mir nicht die Schuld – nicht jetzt, chérie, stell es da drüben hin. Ich habe so lange gewartet, wie ich konnte …“

Margot runzelte die Stirn, als sie im Hintergrund eine leise, aber unverkennbar weibliche Stimme hörte. Nicht einmal in diesem Moment konnte ihr Vater ihr seine ungeteilte Aufmerksamkeit schenken. Sie kniff den Mund zusammen. Wahrscheinlich feierte Émile den bevorstehenden Aktienverkauf bereits mit seinen aktuellen Bewunderinnen.

Dann blieb ihr das Herz fast stehen, und unwillkürlich umklammerte sie den Hörer fester, als seine Worte schließlich zu ihr durchdrangen. „Woran soll ich dir keine Schuld geben?“

„Ich habe so lange gewartet, wie ich konnte, poussin, aber das Angebot war so gut …“

Die Tatsache, dass er den Kosenamen aus ihrer Kindheit benutzte, und sein einschmeichelnder Tonfall ließen Margot schaudern. Ihr Vater nannte sie nur poussin – Küken –, wenn er etwas wollte oder ein schlechtes Gewissen hatte.

„Was für ein Angebot?“

Die Aufzugtüren glitten auf, und Margot trat in ein lichtdurchflutetes Atrium mit einer Glasdecke. Vor ihrem Büro sah sie ihre Assistentin nervös auf und ab gehen.

„Was hast du getan, Papa?“

„Das, was ich schon vor langer Zeit hätte tun sollen.“ Das Schmeichlerische in seiner Stimme war in Abwehr umgeschlagen. „Ich hoffe also, dass auch du jetzt vernünftig bist, Margot. Ich habe das getan, was du mir jahrelang geraten hast, und meine Aktien verkauft. Und das zu einem sehr guten Preis.“

Es war, als hätte er eine Bombe hochgehen lassen. Das Blut rauschte dröhnend in Margots Ohren und der Boden unter ihren Füßen schien zu schwanken.

„Du hast gesagt, dass du zuerst mir deine Aktien anbieten würdest, solltest du sie jemals verkaufen.“ Heiße Panik stieg in Margot auf.

„Das wollte ich ja.“ Gelächter drang schwach durch den Telefonhörer. Margot merkte, dass ihr Vater seine Aufmerksamkeit allmählich anderen Dingen zuwandte. „Aber du bist ja nicht ans Telefon gegangen.“

„Ich konnte nicht, weil ich da gerade eine Massage bekommen habe.“ Sie atmete schwer aus. „Sieh mal, Papa, wir können das noch regeln. Unterschreibe einfach nichts, okay? Bleib da, wo du bist, und ich komme zu dir.“

„Dafür ist es jetzt zu spät. Ich habe bereits heute Morgen in aller Frühe die Papiere unterschrieben. Und ich meine in aller Frühe. Er hat mich aus dem Bett geworfen“, grummelte Émile. „Sich mit mir zu streiten ergibt jetzt sowieso keinen Sinn mehr – rede mit ihm. Er sollte mittlerweile eingetroffen sein.“

„Wer …?“, setzte Margot an, aber auch ohne das verräterische Klimpern von Eiswürfeln in einem Glas wusste sie, dass ihr Vater schon nicht mehr zuhörte.

Sie vernahm das Klicken eines Feuerzeugs und hörte, wie er langsam ausatmete. „Wahrscheinlich musste deshalb alles so schnell gehen. Er wollte nach Épernay und sich den Firmensitz ansehen.“

Benommen starrte sie auf den honigfarbenen Parkettboden. Kein Wunder, dass ihre Assistentin so aufgeregt gewirkt hatte. Anscheinend war der neue Anteilseigner bereits da. Aber wer war er – und was hatte er den Angestellten erzählt?

Ihr Puls raste und ihre Schritte waren steif. Es kursierten schon so genug Gerüchte, was den Betrieb anging – und was würde sie der Bank sagen, wenn man dort erfuhr, dass Émile plötzlich doch beschlossen hatte, seine Aktien an ein Nichtfamilienmitglied zu verkaufen?

Sie verfluchte sich insgeheim dafür, ihre Nachrichten auf der Mailbox nicht früher abgehört zu haben – und ihren Vater dafür, dass er so unfassbar egoistisch war.

„Es wird schon gut gehen“, sagte er leichthin.

Jetzt, da er das Schwierigste hinter sich hatte, konnte er es offensichtlich nicht abwarten, das Gespräch zu beenden.

„Und du bist doch immer so rational und pragmatisch, poussin.“ Sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er bei dem Gedanken an derartige Eigenschaften schauderte.

„Sprich einfach mit ihm. Vielleicht kannst du ihn ja dazu überreden, die Aktien an dich weiterzuverkaufen.“

Wäre Margot ein Mensch, der andere anschrie oder laut verfluchte, so hätte sie ihrer Frustration jetzt freien Lauf gelassen. Doch so war sie nicht. Zu lange hatte sie das Desaster, das die Ehe ihrer Eltern gewesen war, mit ansehen müssen, als dass sie in irgendeiner Weise eine Szene machen würde – auch wenn sie ihrem Vater jetzt nur zu gern die Meinung gesagt hätte.

Aber was würde das schon bringen? Sein Egoismus war ja genau der Grund gewesen, aus dem er den Firmenanteil so lange behalten hatte.

„Obwohl ich es irgendwie bezweifle …“

Wieder atmete er hörbar Zigarettenrauch aus, und sie sah ihn vor sich, wie er die Asche mit derselben Mühelosigkeit abstrich, mit der er ihre Träume, wieder die volle Kontrolle über Duvernay zu erlangen, zerstört hatte.

„Er schien ziemlich versessen auf die Aktien zu sein. Aber ehrlich gesagt habe ich dir wahrscheinlich eher einen Gefallen getan. Ich meine, schließlich ist er der Mann der Stunde.“

Der Mann der Stunde.

Margot musste blinzeln, ihre Gedanken überschlugen sich. Sie hatte die Schlagzeile gelesen. Nicht den Artikel, das hätte zu sehr geschmerzt. Aber als sie letzten Monat durch Paris gelaufen war, hatte sie es nicht geschafft, die Titelseiten in den Zeitungsständern zu ignorieren. Oder, genauer gesagt, die Porträtaufnahme über dem Artikel und diese Augen – eins blau, eins grün –, die auf die Champs-Élysées sahen, als würde ihm die Straße gehören.

„‚Mann der Stunde‘?“, fragte sie schwach.

„Ja – Max Montigny. Es heißt, er könne Wasser in Wein verwandeln – ja, ich bin gleich da.“

Margot wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. „Papa …“, versuchte sie es erneut, aber er fiel ihr ins Wort.

„Ruf mich später noch mal an – nein, nicht später, sondern irgendwann mal. Ich hab dich lieb, aber ich muss jetzt los.“

Und dann war die Leitung tot.

Margot fühlte sich völlig leer.

Max Montigny.

Es war fast zehn Jahre her, dass sie ihn zuletzt gesehen hatte. Zehn Jahre, in denen sie versucht hatte, sich einzureden, dass es ihre Beziehung, seine Lügen, ihr gebrochenes Herz nie gegeben hätte.

Natürlich hatte es geholfen, dass nur Yves die ganze Geschichte kannte. Für alle anderen war Max zuerst ein treuer Angestellter gewesen und später ein guter Freund der Familie.

Für sie aber war er der Mann ihrer Träume gewesen. Mit seinem vollen dunklen Haar, dem wie gemeißelten Profil und dem schlanken, athletischen Körper, der vor Energie zu vibrieren schien, hatte er all ihre Sinne in den Bann gezogen, sobald sie in seiner Nähe gewesen war.

Margot aber schien für ihn unsichtbar zu sein. Nein, nicht unsichtbar. Er hatte sie durchaus wahrgenommen, aber auf dieselbe sorglose Art, wie ihre Brüder es taten – hatte sie beiläufig angelächelt, wenn er mit der Familie zu Abend aß oder ihr dann und wann angeboten, sie in die Stadt zu fahren, wenn es regnete.

Und dann, eines Tages, hatte er, anstatt wie sonst durch sie hindurchzusehen, sie so intensiv angeblickt, dass sie vergessen hatte zu atmen.

Als Margot an diesen Moment dachte, daran, wie sie den Blick nicht hatte abwenden können, begannen ihre Wangen zu glühen.

Er hatte sie gefangen genommen und verzaubert. Sie wäre ihm blind überallhin gefolgt – was sie letztendlich auch getan hatte, denn sie hatte sich von ihm verführen lassen und sich ihm willig und leidenschaftlich hingegeben.

Von da an hatte er ihr alles bedeutet, war ihr „Mann der Stunde“ gewesen, ihr Mann fürs Leben.

Bis zu dem Tag, als er ihr das Herz gebrochen und sie, ohne den geringsten Anflug von Bedauern in diesen unvergesslichen Augen, verlassen hatte.

Ihr Schmerz war unerträglich gewesen. Sie hatte vorgegeben, krank zu sein, und war tagelang im Bett geblieben, hatte sich unter der Bettdecke zusammengerollt. Ihr Brustkorb hatte vor Verzweiflung geschmerzt, Tränen, die sie nicht weinen konnte aus Angst, ihr Großvater würde sie bemerken, hatten in ihren Augen gebrannt.

Auch jetzt war nicht der Zeitpunkt für Tränen. Margot schluckte schwer und begrüßte ihre Assistentin mit etwas, das ihrer üblichen gefassten Haltung nahekam – hoffte sie jedenfalls.

„Guten Morgen, Simone.“

„Guten Morgen, madame.“ Simone zögerte. Sie lief rot an und wirkte angespannt. „Es tut mit leid. Ich wusste nicht, dass Sie heute kommen. Aber er – Monsieur Montigny, meine ich – sagte, Sie würden ihn erwarten.“

Lächelnd nickte Margot. Dann war es also wirklich wahr. Für einen Moment hatte sie gehofft – glauben wollen –, dass sie Émile falsch verstanden hatte. Aber jetzt hatte sie die Bestätigung. Max war hier.

„Ich hoffe, das ist in Ordnung …?“

Ihrer Assistentin versagte die Stimme, und Margots Gesichtsmuskeln begannen von der Anstrengung, ein Lächeln vorzutäuschen, zu schmerzen. Arme Simone! Die normalerweise gelassene Frau schien aufgescheucht und nervös zu sein. Immerhin hatte sie gerade mit dem berühmten, aber hoffnungslos oberflächlichen Charme des Max Montigny Bekanntschaft gemacht.

„Ja, Simone, das ist es. Außerdem ist es meine Schuld – ich hätte Ihnen vorher Bescheid sagen sollen. Wartet er in meinem Büro?“

Verärgert stellte sie fest, dass Max erst seit wenigen Minuten wieder in ihrem Leben war und sie schon seinetwegen log.

Erleichtert schüttelte Simone den Kopf. „Nein. Er wollte gern das Vorstandszimmer sehen. Ich dachte, das wäre sicher kein Problem …“

Margot lächelte noch immer, auch wenn sie am liebsten laut geschrien hätte.

Doch eine Duvernay schrie und wütete nicht – jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit –, also nickte sie nur freundlich. „Nein. Ich werde zu ihm gehen und ihm persönlich alles zeigen.“

Ganz besonders, wo die Tür nach draußen ist, dachte sie zornig.

Sie drehte sich um und schritt, den Blick auf die Türklinke aus Messing gerichtet, auf das Vorstandszimmer zu. Am liebsten wäre sie immer weitergelaufen, doch was würde das schon helfen? Max Montigny würde nicht einfach wieder verschwinden. Ob es ihr nun passte oder nicht: Sie musste ihm erst gegenübertreten, bevor sie ihn wieder ins Reich der schmerzhaften Erinnerungen verbannen konnte.

Also reckte sie das Kinn vor, drückte die Klinke herunter und trat in den Raum.

Sie sah ihn sofort, und obwohl sie damit gerechnet hatte, dass sein Anblick irgendetwas in ihr auslösen würde, war sie nicht auf die Woge von Verzweiflung und Reue gefasst gewesen, die sie jetzt durchflutete.

Es war beinahe zehn Jahre her, dass er aus ihrem Leben verschwunden war. Zehn Jahre waren eine lange Zeit, und die heilte ja angeblich alle Wunden. Aber wenn das wirklich stimmte, warum zitterte Margot dann jetzt so sehr? Und warum fühlte ihr Herz sich bleischwer an?

Es konnte doch nicht sein, dass er ihr noch etwas bedeutete, dass sie noch genauso auf ihn reagierte wie mit neunzehn! Er hatte es sich in einem der Ledersessel, die um den langen, ovalen Tisch gruppiert waren, bequem gemacht, die langen Beine lässig von sich gestreckt, und genoss offensichtlich die Aussicht aus dem Fenster.

Margots Puls raste, doch Arme und Beine schienen ihren Dienst eingestellt zu haben. Sie starrte auf seinen Hinterkopf, auf sein glattes dunkles Haar, durch das sie so gern mit den Fingern gefahren war, und hätte sich am liebsten übergeben.

Wie konnte es nur so weit kommen? fragte sie sich benommen. Doch das war die falsche Frage. Viel wichtiger war es, herauszufinden, wie sie diese Situation sofort beenden konnte. Wie sie Max aus diesem Zimmer und aus ihrem Leben verbannen konnte.

Sie atmete langsam aus, schloss die Tür hinter sich und beobachtete wie hypnotisiert, wie er sich in seinem Sessel zu ihr umdrehte und sie ansah. Er konnte nicht wirklich von dieser Welt sein! Es war nicht möglich, dass ein Mann aus Fleisch und Blut so unglaublich gut aussah. Es war nicht nur unmöglich, es war auch nicht fair.

Schweigend erwiderte sie seinen Blick. Das hier war der Mann, der ihr nicht nur das Herz gebrochen, sondern auch ihren Stolz gebrochen und all ihre romantischen Ideale zerstört hatte. Erst hatte sie ihn geliebt. Und dann gehasst.

Doch ganz so einfach war es hier und jetzt um ihre Gefühlswelt nicht bestellt – oder sie hatte lediglich vergessen, wie leicht Max sie aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Denn die Hitze, die sie in sich aufsteigen spürte, entsprang nicht ihrer Abneigung, sondern ihrem brennenden Verlangen.

Sie blickte in seine unglaublichen Augen und sah ihre eigene Reflektion in den grünen und blauen Iris. Margot war keine neunzehn mehr, aber noch immer wie betäubt und geblendet.

Viele Jahre zuvor hatte er das gute Aussehen eines Models besessen und Frauen den Kopf so leicht verdreht, wie er heute Trauben in Wein und Wein in Geld verwandelte. Schon damals hatte sein klares klassisches Profil angedeutet, dass er als erwachsener Mann atemberaubend schön sein würde, und so war es auch gekommen. Margot kroch ein Schauer über die Haut. Unterstrichen wurde seine umwerfende Attraktivität durch einen dunkelgrauen Anzug, der nur dafür entworfen zu sein schien, ihre Aufmerksamkeit auf Max’, wie sie wusste, spektakulären Körper zu lenken, der sich darunter verbarg.

Sie hielt den Atem an, und voller Angst, ihr Gesichtsausdruck könnte ihre Gefühle offenbaren, schob sie das Bild von Max, wie er nackt im Bett lag, beiseite und zwang sich, seinem Blick standzuhalten.

Das Lächeln, das er ihr schenkte, traf sie wie ein Pfeil.

„Margot … es ist lange her.“

Als er sprach, überlief sie ein heißes Prickeln. Seine Stimme hatte sich kein bisschen verändert, und auch das war nicht fair, denn wie seine Augen war sie absolut unverkennbar und verwandelte jedes Wort in ein lockendes Versprechen. Sie war so sanft, so sexy …

Und trügerisch, rief Margot sich gereizt ins Gedächtnis. Schließlich wusste sie aus eigener Erfahrung, dass diese Sanftheit nicht mehr war als ein cleveres Instrument zur Verführung, zur Verschleierung der Lügen, die aus Max’ Mund kamen.

„Nicht lange genug“, erwiderte sie kühl.

Sie ignorierte die Gluthitze in ihrem Inneren und ging zum anderen Ende des Zimmers, wo sie ihre Handtasche auf den Tisch legte. „Warum hast du nicht weitere zehn Jahre gewartet oder noch besser zwanzig?“

Er schien von ihrer Grobheit wenig beeindruckt; vielmehr deuteten seine leicht gehobenen Mundwinkel Erheiterung an. „Es tut mir leid, dass du so empfindest, doch angesichts unserer veränderten Beziehung …“

„Wir haben keine Beziehung“, fuhr sie ihn an.

Und sie hatten nie eine gehabt. Das war eine der Tatsachen, die sie in all den Jahren allmählich hatte akzeptieren müssen –, dass, egal wie nahe sie sich auch körperlich gewesen waren, sie Max nie wirklich gekannt hatte. So verliebt, wie sie gewesen war, und berauscht davon, dass sie sich im Bett mit ihm unglaublich lebendig und schön gefühlt hatte, war ihr entgangen, dass alle Voraussetzungen für eine gesunde, glückliche Beziehung fehlten. Nämlich Ehrlichkeit, Offenheit, Vertrauen …

Er hingegen hatte sie erschreckend leicht durchschaut, was aber auch kein Kunststück gewesen war. Sie war das Sinnbild eines jungen Mädchens gewesen: ein ahnungsloser Teenager, der sich in den besten Freund des großen Bruders verliebt hatte.

„Wir haben keine Beziehung“, wiederholte sie. „Und eine Unterschrift auf einem Stück Papier wird daran nichts ändern.“

Max sah ihr in die Augen, um seine Mundwinkel spielte nun ein spöttisches Lächeln.

„Ist das so?“ Er klang so beiläufig, als würden sie übers Wetter sprechen. „Wir sollten meinen – oder auch deinen – Anwalt anrufen, um herauszufinden, ob sie dem zustimmen würden.“

„Das wird nicht nötig sein. Das ist eine Angelegenheit zwischen dir und mir.“

„Hast du nicht gerade gesagt, zwischen uns besteht keine Beziehung?“

Wütend über seinen stichelnden Tonfall funkelte sie Max an.

„Haben wir auch nicht. Ich meinte damit, dass es sich um eine Privatangelegenheit handelt, und ich beabsichtige, es auch dabei zu belassen.“

Kalt sah Max sie über den Tisch hinweg an. Glaubte sie wirklich, er würde zulassen, dass sie die Kontrolle über die Lage behielt?

Vor zehn Jahren war er bereit gewesen – wenn auch nicht glücklich darüber –, ihre Beziehung geheim zu halten. Margot hatte ihm gesagt, sie brauche Zeit. Sie müsse den richtigen Moment finden, ihrer Familie die Wahrheit zu sagen. Und er hatte sich von ihrer Schönheit und Verführungskraft blenden lassen und die Augen vor der Wahrheit verschlossen. Und die lautete, dass er ein Geheimnis war, zu dem sie niemals öffentlich stehen würde.

Er würde nicht zulassen, dass die Geschichte sich wiederholte.

„Bist du dir da ganz sicher, Margot?“, fragte er gefährlich leise.

Sie erwiderte seinen Blick kühl. „Willst du mir etwa drohen?“

Voller Genugtuung bemerkte Max die Röte, die sich über ihren Hals ausbreitete, und genoss für einen Moment Margots Rage. Nie zuvor hatte er sie wütend erlebt – genau genommen hatte Margot nie starke Gefühle gezeigt.

Wenigstens nicht außerhalb des Schlafzimmers.

Sein Puls ging schneller, als sich die Erinnerung daran, wie sie das erste Mal zu ihm gekommen war, in seinen Kopf schlich. Der Blick, mit dem sie ihm direkt in die Augen gesehen und sich an ihn gepresst hatte, ihre Fingerspitzen auf seinem Rücken, ihr warmer Atem an seinen Lippen.

Nach außen hin mochte Margot ernsthaft und ruhig wirken, doch als er sie das erste Mal geküsst hatte, war es wie eine Offenbarung gewesen. Sie war so leidenschaftlich gewesen, so hemmungslos. Es war wie ein Rausch gewesen – ein Rausch aus Leidenschaft und Begierde nach einander.

Plötzlich lief ihm ein heißer Schauer über die Haut. Langsam ließ er die Hände über die Armlehne des Sessels gleiten, um sich davon abzuhalten, sie nach Margot auszustrecken und sie an sich zu ziehen. Er spannte die Kiefermuskeln an und knirschte mit den Zähnen.

„Drohungen sind ein Zeichen von Schwäche. Ich versuche lediglich, mich mit dir zu unterhalten.“ Max sah direkt in ihr erhitztes Gesicht. „Du weißt doch noch, wie das geht, oder? Auch wenn du mich früher immer dabei unterbrochen hast, um mich ins Bett zu schleifen.“

Sie starrte ihn an. Ihr Körper pulsierte gleichermaßen vor Abscheu wie vor Erregung. Sie wünschte, sie könnte Max etwas entgegenschleudern, doch er hatte recht. Ihr Verlangen nach ihm war unermesslich und unstillbar gewesen.

Sie hob das Kinn. Und wenn schon. Spaß an Sex zu haben war schließlich kein Verbrechen. Und ganz sicher war es nicht hinterhältig und verlogen – wie zum Beispiel jemanden nur wegen seines Geldes zu verführen.

Mit zusammengezogenen Brauen riss sie ungewohnt heftig einen Stuhl zu sich heran und ließ sich darauf nieder. Dann nahm sie ihre Handtasche und griff hinein.

Schweigend beobachtete Max, wie sie einen Füller und ein ledergebundenes Heft herausnahm. Ohne ihm Beachtung zu schenken, schlug sie es auf und schrieb etwas mit schnellen, sicheren Zügen hinein. Dann legte sie den Stift nieder, riss die Seite heraus, die sie beschrieben hatte, und schob sie ihm über den Tisch zu.

Es war ein Scheck.

Ein Scheck!

Max holte tief Luft, seine Gesichtszüge waren wie versteinert. Er bewegte sich nicht, senkte nicht den Blick, sondern sah Margot weiter an, während er darum kämpfte, seine Wut im Zaum zu halten.

Autor

Louise Fuller
<p>Louise Fuller war als Kind ein echter Wildfang. Rosa konnte sie nicht ausstehen, und sie kletterte lieber auf Bäume als Prinzessin zu spielen. Heutzutage besitzen die Heldinnen ihrer Romane nicht nur ein hübsches Gesicht, sondern auch einen starken Willen und Persönlichkeit. Bevor sie anfing, Liebesromane zu schreiben, studierte Louise Literatur...
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