Die unschuldige Geliebte

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Nichts ahnend macht die hübsche Reporterin Suzy ein Foto von einer Villa in den Bergen - und findet sich wenige Sekunden darauf in den starken Armen eines faszinierenden Mannes wieder! Der Sicherheitsexperte Lucas Soames entwendet ihr die Kamera und besteht aus Gründen der Geheimhaltung darauf, dass sie die exklusive Anlage nicht mehr verlässt. Suzy ist hin- und hergerissen. Einerseits findet sie Lucas' dominante Art empörend: Er will sie vor seinem Auftraggeber als seine Geliebte ausgeben! Andererseits hat seine Umarmung ein nie gekanntes Verlangen in ihr ausgelöst ...


  • Erscheinungstag 08.09.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759223
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wow, sieh dir das mal an! Seine Königliche Hoheit und der Industrielle, der nun doch nicht in den Adelsstand erhoben werden soll. Dafür, dass sie angeblich eingeschworene Feinde sind, scheinen sie sich ja wirklich gut zu verstehen.“

Auf der Eröffnungsparty herrschte ein so hoher Geräuschpegel, dass Suzy Mühe hatte, Jeff Walker zu verstehen. Er war Fotograf bei dem Stadtmagazin, bei dem sie seit einigen Wochen arbeitete. „Das muss ich unbedingt fotografieren“, fuhr er fort. „Komm mit.“

Sie folgte ihm sofort, aber bereits nach wenigen Schritten hörte sie ihn bitter sagen: „Verdammt! Colonel Lucas James Soames ist bei ihm. Er war bei den Special Forces, ist ein Held und hasst die Presse!“, erklärte er, als er ihren fragenden Gesichtsausdruck bemerkte. „Obwohl die Reporterin eines britischen Nachrichtensenders sich immer förmlich nach ihm verzehrt hat, wenn sie ihn bei seinem letzten Einsatz interviewt hat.“

Suzy versuchte den Eindruck zu erwecken, dass sie im Bilde war. Tatsächlich hatte sie jedoch noch nie von Colonel Soames gehört. Da Jeffs Bemerkungen sie bereits nervös gemacht hatten, blickte sie sich verstohlen um, konnte aber niemanden in Uniform sehen.

Sie wusste, dass sie ihrem Tutor an der Uni dankbar dafür sein musste, dass er sie empfohlen hatte. Er hatte ihr gesagt, was für eine einmalige Chance es für sie wäre, und so hatte sie die Stelle auf Probe angenommen. Nach fast einem Monat in der Politikredaktion des kritischen Stadtmagazins argwöhnte sie allerdings, dass sie einen Fehler gemacht hatte.

Vielleicht lag es daran, dass sie inzwischen den Anschluss verloren hatte, denn in den letzten zwei Jahren hatte sie ihre Mutter gepflegt. Daher war sie mit den Methoden, die ihre Kollegen anwandten, um die besten Geschichten zu bekommen, nicht ganz einverstanden. Als sie ihr Studium wieder aufgenommen hatte, um es abzuschließen, hatte sie sich jedenfalls viel älter gefühlt als ihre Kommilitonen.

„Tut mir leid …“, entschuldigte sie sich unsicher bei Jeff. „Ich kann den Colonel nirgends sehen.“

Ihr fiel jedoch ein Mann auf, der nur wenige Meter von ihr entfernt war und alle anderen Männer im Raum überragte – zumindest kam es ihr so vor. Fasziniert betrachtete sie ihn. Ihr Mund war ganz trocken geworden, und ihr Herz schlug schneller. Dass er allein dort stand und sich ein wenig abseits hielt, erregte ihr Interesse umso mehr.

Sie verspürte den unerwarteten Drang, zu ihm zu gehen und … Ja, was? Ihn auf sich aufmerksam zu machen? Ihn dazu zu bringen, mit ihr zu reden? Von ihm zu hören, dass er dasselbe überwältigende Bedürfnis verspürte, mit ihr zusammen zu sein? War sie im Begriff, den Verstand zu verlieren? Sie hatte ganz weiche Knie, und ihr Puls raste mittlerweile. Sie wusste nicht, ob sie unter Schock stand oder erregt war? Sie? Erregt von einem Mann? Einem Fremden? Für solche Dinge war sie viel zu vernünftig. Und zu misstrauisch.

Suzy wollte den Blick abwenden, aber er hatte den Kopf gewandt. Heißes Verlangen durchzuckte sie. Verlangen für einen Mann, den sie nur betrachtet hatte. Wie war so etwas möglich?

Erst jetzt merkte sie, dass er an ihr vorbeisah. Sie nutzte die Gelegenheit, um jedes Merkmal in sich aufzunehmen. Er war groß, dunkelhaarig und umwerfend, doch diese Beschreibung wurde ihm nicht annähernd gerecht. Suzy spürte, wie ihr Körper auf den verführerischsten Mann reagierte, dem sie je begegnet war und vermutlich je begegnen würde. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, als er erneut den Kopf wandte und sie ansah. Nachdem er sie von Kopf bis Fuß gemustert hatte, betrachtete er ihren Mund. Sie errötete und öffnete unwillkürlich die Lippen, als würde sie sich nach seinem Kuss sehnen. Schnell schloss sie sie wieder. Ihr brannten die Wangen.

Seine Augen waren dunkelblau, seine Haut tief gebräunt und sein Haar fast schwarz. Sein Profil war das eines griechischen Gottes, und als wäre das noch nicht genug, musste sie sich eingestehen, dass er eine unwiderstehliche Anziehungskraft besaß. Mit einem Liebhaber wie ihm hätte eine Frau den besten Sex ihres Lebens …

Irgendwie schaffte es Suzy, sich zusammenzureißen. Im nächsten Moment hörte sie Jeff sagen: „Du musst den Colonel ablenken, damit ich Fotos machen kann.“

„Was?“ Nervös ließ sie den Blick über die vielen Menschen schweifen, die den Prinzen umringten.

„Wo … wo ist er?“

„Da hinten –- neben dem Prinzen und dem Minister.“

Aufgeregt sah sie von ihrem Kollegen zu dem Mann, auf den er gerade gezeigt hatte. Den Mann. Ihren Mann …

„Aber … du hast doch gesagt, er wäre Colonel. Er trägt keine Uniform.“ Sie brachte kaum einen zusammenhängenden Satz zustande und benahm sich wie eine Frau, die bis über beide Ohren verliebt war. Nun wusste sie, dass sie den Verstand verloren hatte.

„Uniform?“, wiederholte Jeff verächtlich. „Nein, natürlich nicht. Er ist nicht mehr in der Army. Wo hast du in den letzten Jahren gelebt? Er hat sich selbstständig gemacht und arbeitet als Bodyguard. Nicht, dass er es nötig hätte. Er ist sehr wohlhabend und kommt aus einer guten Familie. Sein Vater gehörte dem Landadel an, und seine Mutter war Amerikanerin. Er hat in Eton studiert. Hat sich die ersten Sporen in Nordirland verdient und wurde zum Major befördert. Dann wurde er für überdurchschnittliche Leistungen in Bosnien ausgezeichnet und wieder befördert. Wie gesagt, er dient nicht mehr in der Army, aber er lebt immer noch gefährlich. Er ist sehr gefragt bei Personen, die sich für wichtig halten – Politiker auf Staatsbesuch, Staatsoberhäupter und so weiter.“

All das hatte er ihr in grimmigem Tonfall zugeflüstert, doch nun rief er plötzlich aufgeregt: „Sieh dir das an! Wenn ich das Bild bekomme, habe ich ausgesorgt. Ja, du bleibst hier, Baby“, sagte er leise zu sich selbst, bevor er im Befehlston an sie gewandt fortfuhr: „Komm! Du musst den Colonel ablenken, damit ich das Foto machen kann.“

„Was soll ich denn tun?“, fragte sie nervös und blickte dabei zu dem Colonel, der lässig vor den beiden Männern stand und sie abschirmte.

Jeff verzog verzweifelt das Gesicht. „Warum mussten sie mir bloß so eine blutige Anfängerin wie dich zur Seite stellen? Ich habe gehört, dass Roy dich eingestellt hat, weil er jemandem einen Gefallen schuldete und weil er deine Beine mochte. Wahrscheinlich hat er sich beim Bewerbungsgespräch vorgestellt, wie du sie um ihn schlingst.“

Suzy versuchte sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr seine Worte sie aus der Fassung brachten. Die verbalen sexuellen Belästigungen ihres Chefs waren nur einer der Gründe, warum sie sich in ihrem Job zunehmend unwohler fühlte.

„Du bist doch eine Frau, oder? Geh hin und tu das, was dir leicht fällt“, stieß Jeff unwirsch hervor, bevor er sich einen Weg durch die Menge zu bahnen begann.

Ihr blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Oh ja, bei Colonel Soames brauchte sie sich wirklich nicht zu überwinden … Nie gekannte, gefährliche Empfindungen überkamen sie, als sie in das Gesicht des Mannes blickte, der jetzt direkt vor ihr stand.

Allmählich war sie alarmiert, weil sie so auf ihn reagierte. Ihre Freundin Kate schimpfte immer mit ihr und warf ihr vor, sie würde zu selten ausgehen. Nun dachte Suzy daran, dass sie vielleicht recht hatte. Wenn allein der Anblick eines Mannes solche Gefühle bei ihr auslöste … Sie schloss die Augen und beschwor sich, vernünftig zu sein. Dann öffnete sie sie wieder.

Was hatte ein Mann in einem Smoking bloß an sich? Was hatte dieser Mann bloß an sich? Zum einen wirkte er darin so lässig, als wäre er es gewohnt, sich so anzuziehen, zum anderen saß der Anzug perfekt. Wie mochte er wohl in Uniform ausgesehen haben? Im Kampfanzug? Suzy erschauerte leicht.

Und seine Sonnenbräune und die strahlend weißen Zähne … Außerdem musste er sehr muskulös sein.

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass Jeff sie mit finsterer Miene anblickte. Ein wenig unbehaglich atmete sie tief durch, bevor sie weiterging. Sie wollte den Colonel anlächeln wie einen Bekannten und sich dann entschuldigen und sagen, sie hätte ihn verwechselt. In der Zeit müsste Jeff es schaffen, das Foto zu machen.

Suzy verdrängte ihre Gewissensbisse, ignorierte die Tatsache, dass ihr Magen sich zusammenkrampfte, und trat auf den Colonel zu.

Dabei stieß sie fast mit ihm zusammen. Wie war das möglich? Sie hatte doch nur einen Schritt gemacht. Wie hatte er es geschafft, auf sie zuzugehen, ohne dass sie es merkte? In nicht einmal einer Sekunde hatte er mehrere Meter zurückgelegt.

Sobald sie den Duft seines After Shaves wahrnahm, drohte sie die Beherrschung zu verlieren.

Der Colonel streckte die Hand aus und umfasste mit eisernem Griff ihren Arm. Wie gebannt blickte sie zu ihm auf. Sie fühlte sich, als wäre sie ferngesteuert, und konnte nichts dagegen tun. Er sah ihr in die Augen. Ihr Herz klopfte zum Zerspringen, und sie brachte kein Wort über die Lippen. Benommen ließ sie den Blick zu seinen Lippen schweifen. Dabei erschauerte sie einige Male leicht und seufzte leise auf.

Ohne sich dessen bewusst zu sein, hob sie die freie Hand, um die Konturen seines Mundes nachzuziehen, ließ sie jedoch wieder sinken, als ihr etwas Besseres einfiel. Sie musste sich zwar auf die Zehenspitzen stellen, um die Lippen auf seine pressen zu können, aber der Colonel schien sie zu stützen. Die Geräusche im Raum verklangen, sobald sie herausfand, dass allein diese intime Berührung ihr die Tür zu einer ganz anderen Welt öffnete.

Ohne irgendetwas um sich her wahrzunehmen, seufzte Suzy noch einmal auf. Sie schloss die Augen und lehnte sich an den Colonel, während sie sehnsüchtig darauf wartete, dass er ihren Kuss erwiderte, indem er ein erotisches Spiel mit der Zunge begann, das ihrem Verlangen gleichkam.

Und tatsächlich spürte sie den Druck seiner Lippen. Er schob die freie Hand in ihre rotbraunen Locken, während er die andere, mit der er sie festgehalten hatte, auf ihren Rücken gleiten ließ, um sie an sich zu pressen.

Suzy wusste, dass sie sexuell nicht besonders erfahren war und das, was hier passierte, eine Nummer zu groß für sie war. Die Art, wie er sanft die Lippen über ihre gleiten ließ, eröffnete ihr ganz neue Dimensionen der Erotik. Selbstvergessen drängte sie sich ihm entgegen.

Das war es! Das war er! Ihr edler Ritter und Beschützer, der magische Liebhaber, von dem sie in ihren schwächsten Momenten geträumt hatte. Der Held, nach dem sie sich ihr Leben lang in ihren geheimsten Träumen gesehnt hatte. Ihr Seelenverwandter.

So gern hätte sie ihm gesagt, was sie empfand, wie überglücklich sie war, weil er endlich vor ihr stand, wie …

Suzy stieß einen schockierten Laut aus, als sie plötzlich weggeschoben wurde. Verwirrt blickte sie zu dem Colonel auf. Schmerz und Verzweiflung überkamen sie, sobald sie den Ausdruck in seinen Augen bemerkte, der nichts als Wut und Verachtung verriet.

„Nein!“, hörte sie sich gequält flüstern, aber es nützte nichts, denn er schien kein Mitgefühl für sie zu empfinden. Sie fühlte sich entsetzlich gedemütigt. Ihr Seelenverwandter? Er betrachtete sie, als wäre sie seine schlimmste Feindin!

Was hatte sie bloß getan? Und warum hatte sie sich dazu verleiten lassen? Sie hatte sich unsterblich blamiert. Wie hatte sie nur so naiv sein können, ihre alten Träume wieder aufleben zu lassen? Sie hatte ohnehin viel zu lange daran festgehalten, wie ein Kind, das sich nicht von seinem geliebten Teddy trennen wollte.

Ihr brannten die Wangen, und das nicht nur, weil der Colonel sie mit Verachtung gestraft hatte. Das Gefühl, das sie überkam, musste die körperliche Reaktion auf ein emotionales Trauma sein. Widerstrebend gestand sie sich ein, dass sie tatsächlich traumatisiert war. Und dafür gab es noch einen anderen Grund. Ihre Empfindungen hatten sie schockiert …

Suzy spürte, wie der Colonel sich auf sie konzentrierte, weigerte sich allerdings, seinen Blick zu erwidern. Weil sie Angst davor hatte? Irgendwo in ihrem Kopf geisterten die drei Worte „Ich liebe dich“, herum. Ihr war jedoch klar, dass sie sie niemals aussprechen konnte, ja durfte, wenn sie nicht den Verstand und ihre Selbstachtung verlieren wollte.

„Ah, Sie kommen von dem Magazin Down and Dirty.“ Er hatte also ihr Namensschild gesehen. „Das hätte ich mir denken können. Ihre Taktiken sind genauso geschmacklos und billig wie Ihre Artikel.“

Heftiger Schmerz durchzuckte sie und wich dann einer unbändigen Wut. Unerklärlicherweise fühlte sie sich, als hätte er sie verraten, indem er nicht den Menschen in ihr erkannte, der sie wirklich war, sie also völlig falsch einschätzte.

„Ich glaube, Ihr Freund wartet auf Sie.“

Seine Worte klangen sehr unfreundlich, und der Blick, mit dem der Colonel sie bedachte, war abfällig. Dennoch spürte sie immer noch seine Lippen auf ihren.

Zitternd wandte sie sich ab, um zur Tür zu gehen. Dort stand Jeff. Ein unbeteiligt wirkender Sicherheitsbeamter hatte ihn in Gewahrsam genommen. Er umfasste seinen Arm und hielt in der anderen Hand seine Kamera. Unbehaglich stellte sie fest, dass Jeffs Gesicht rot vor Zorn war.

„Was zum Teufel hast du dir eigentlich dabei gedacht?“, fragte er, sobald sie bei ihm war. „Ich habe dir gesagt, du sollst ihn ablenken, nicht verschlingen!“

Suzy errötete ebenfalls. Sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. „Hast du das Foto gemacht?“

„Ja! Aber wenn du nicht so damit beschäftigt gewesen wärst, mit dem Feind zu schmusen, hättest du gemerkt, dass einer seiner Gorillas mir die Kamera abgenommen hat! Er war gut, stimmt’s? Ja, darauf wette ich. Schließlich hat er eine Menge Erfahrung. Er soll ein echter Frauenheld sein, der Colonel. Ist berühmt für seinen Killerinstinkt – im Bett und außerhalb.“

Seine Worte verursachten ihr Übelkeit. Noch mehr widerte allerdings ihre Naivität sie an. Suzy konnte einfach nicht begreifen, wie sie sich so hatte verhalten können. Wahrscheinlich verlor sie tatsächlich den Verstand. Kate würde es jedenfalls annehmen, falls sie je so dumm wäre, ihr davon zu erzählen.

Sie hatte mit Kate zusammen studiert, und Kate hatte den Kontakt zu ihr aufrechterhalten, nachdem sie die Universität verlassen hatte, um ihre schwer kranke Mutter zu pflegen. Inzwischen war Kate verheiratet und leitete zusammen mit ihrem Mann ein kleines Reisebüro, das sehr gut lief. Sie drängte sie ständig, sie solle das Leben mehr genießen, doch sie hatte immer noch Schulden. So musste sie das Darlehen zurückzahlen, das sie fürs Studium aufgenommen hatte, und für die Miete für die kleine Wohnung aufkommen, die sie mit ihrer verwitweten Mutter geteilt hatte.

Bei dem Gedanken an ihre Mutter verdunkelten sich Suzys grüne Augen. Ihre Mutter war bereits vor ihrer Geburt Witwe geworden, denn ihr Vater war bei einer Bergtour ums Leben gekommen. Ihrer Meinung nach hatte sie den Tod des geliebten Mannes nie verkraftet und ihm außerdem stets die Schuld daran gegeben, dass er sie so früh verlassen hatte.

Später war sie immer diejenige gewesen, die für ihre Mutter gesorgt hatte, nicht umgekehrt. Da das Geld immer knapp gewesen war, hatte sie bereits als Teenager etwas dazuverdient – erst durch das Austragen von Zeitungen und dann mit verschiedenen anderen Aushilfstätigkeiten.

Nun erinnerte Suzy sich daran, dass Kate oft gesagt hatte, sie hätte ein übermäßig ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein und würde sich von anderen ausnutzen lassen. Bitter dachte sie an Colonel Lucas James Soames. Er ließ sich bestimmt von niemandem ausnutzen. Falls jemand so dumm war, ihn um Hilfe zu bitten oder Mitgefühl von ihm zu erwarten, würde er ihn sofort zurückweisen!

Prompt verspannte sie sich. Sie war wütend, weil sie überhaupt an den Colonel dachte. Und dennoch spürte sie, wie sich ein unerwünschter Schmerz in ihren Zorn mischte. Angst überkam sie. Warum reagierte sie so heftig auf ihn? Es war völlig untypisch für sie. Derart starke Emotionen, dieses ungezügelte Verlangen, passten einfach nicht zu ihr. Sie schauderte leicht.

Es war eine Erfahrung, die sie am besten vergaß. Und genau das hatte sie auch vor.

Lucas betrachtete die Termine, die vor ihm lagen, sorgfältig ausgearbeitete Pläne für seine anstehende Arbeit. Der Prinz hatte angedeutet, dass er ihn fest engagieren wollte, doch eine solche Rolle lag ihm nicht. Vielleicht lag es bei ihm in den Genen, denn seine Mutter war Amerikanerin gewesen. Tägliche Routine war noch nie etwas für ihn gewesen. Selbst als Junge hatte er die Herausforderung gesucht, Grenzen zu überschreiten und immer etwas dazuzulernen und sich weiterzuentwickeln.

Seine Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen, als er elf war. Die Army hatte ihn nach Hause zu seiner Großmutter aufs Land geschickt, wo auch sein Vater aufgewachsen war. Obwohl sie ihr Bestes tat, fühlte er sich wie ein Gefangener in dem Internat, auf das sie ihn geschickt hatte. Schon damals wusste er, dass er wie sein Vater zur Army gehen würde. Es war der glücklichste Tag seines Lebens, als er diesen Wunsch endlich in die Tat umsetzen konnte.

In der Army hatte er nicht nur Karriere gemacht, sondern diese war auch seine Familie gewesen. Bis vor Kurzem. Bis er eines Morgens aufgewacht und ihm klar geworden war, dass er genug Menschen leiden und sterben gesehen hatte. Dass er die Schreie verwundeter Kinder nicht mehr hören und den Anblick ausgemergelter Körper nicht mehr ertragen konnte. Seine Gefühle machten es ihm unmöglich, weiterhin professionell zu arbeiten. Es war Zeit, etwas Neues anzufangen!

Seine Vorgesetzten versuchten ihn von seinem Entschluss abzubringen und schlugen vor, ihn weiter zu befördern. Doch er war standhaft geblieben, denn seiner Meinung nach war er kein guter Soldat mehr. Hätte man ihn vor die Entscheidung gestellt, einen Feind zu vernichten oder ein Kind zu schützen, hätte er nicht länger die Hand dafür ins Feuer legen können, dass er seiner Pflicht nachkommen würde.

Und für Seine Königliche Hoheit zu arbeiten war ganz bestimmt nichts für ihn! Nach den Anforderungen, die seine frühere Tätigkeit mit sich gebracht hatte, wäre es ihm zu langweilig, auch wenn es Parallelen zwischen beiden Berufen gab. Lucas runzelte die Stirn. Reporterinnen! Er verachtete sie. Seiner Ansicht nach waren sie hundertmal schlimmer als ihre männlichen Kollegen. Er hatte aus erster Hand erfahren, welchen Schaden sie anrichten konnten, wenn sie hinter einer Story her waren. Ein gequälter Ausdruck trat in seine Augen, und die frisch verheilte Wunde an seiner Hüfte begann zu schmerzen.

Und was solche Frauen auf sich zu nehmen bereit waren!

Lucas presste die Lippen zusammen. Für ihn waren Suzy Roberts und Konsorten genauso verachtenswert wie die Käseblätter, für die sie arbeiteten. Reporter? Aasgeier war ein viel passenderer Ausdruck.

Lucas richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Pläne, musste allerdings verärgert feststellen, dass er Suzy Roberts nicht aus seinen Gedanken verbannen konnte.

Was zum Teufel war bloß mit ihm los, dass er seine Zeit damit vergeudete? Der Anblick ihres rotbraunen Haars und der Ausdruck in ihren grünen Augen mussten ihm den Verstand vernebelt haben.

Hatte sie wirklich geglaubt, er wäre so idiotisch, auf ihren aufgesetzten schmachtenden Blick hereinzufallen? Auf den ebenso gespielten Schauer, der sie überlaufen hatte, als er sie berührt hatte? Und was den schwachen, aber unverwechselbaren Duft betraf, den er immer noch wahrnehmen konnte …

Wütend stand Lucas auf. Dann ging er zum Fenster und öffnete es, um kalte Luft hereinzulassen. Vielleicht machte sich allmählich bemerkbar, dass er in den letzten Jahren unfreiwillig enthaltsam gelebt hatte. Aber in einem solchen Ausmaß, dass er eine Frau wie Suzy Roberts begehrte?

Den Teufel tat er! Das Verlangen, das er plötzlich verspürte, sprach jedoch eine andere Sprache.

Es war spät, und er hatte noch einen Geschäftstermin. Nachdem er seine Arbeit beendet hatte, ging er vom Büro in sein Apartment. Dabei sah er sich automatisch um und überprüfte einige Dinge. Einmal Soldat, immer Soldat, selbst wenn er nicht mehr …

Schnell verdrängte Lucas diese unliebsamen Gedanken. Er betrat seine Suite und ging ins Bad. Schnell streifte er seine Sachen ab, bevor er sich unter den Wasserstrahl stellte. Das Licht fiel auf die alten Narben auf seiner Brust und die neue an seiner Hüfte.

Als er fertig geduscht hatte, trat Lucas auf den Marmorfußboden und ging nackt ins Schlafzimmer, um eine frische Boxershorts aus der Schublade zu nehmen. Nachdem er oft Wochen, sogar Monate im Feld verbracht hatte, ohne die Sachen wechseln zu können, wusste er fließendes Wasser und frische Wäsche umso mehr zu schätzen.

2. KAPITEL

Sechs Monate später

Suzy blieb stehen und betrachtete die schnittigen Yachten, die im Hafen des italienischen Küstenstädtchens vor Anker lagen. Zwei perfekt frisierte Frauen in teuren Designersachen gingen an ihr vorbei. Für diesen exklusiven Urlaubsort hatte sie sich so schick wie möglich gemacht. Sie trug ein kurzes, ärmelloses weißes Leinentop und eine dazu passende Hose, Sandaletten und eine teure Sonnenbrille. Trotzdem konnte sie sich mit diesen mondänen Gästen nicht messen, und sie fühlte sich hier fehl am Platz.

Genau Letzteres hatte sie Kate prophezeit, als diese ihr die einwöchige Reise, das Geschenk eines Vertragspartners, angeboten hatte. Sie und ihr Mann konnten sie nämlich nicht antreten.

„Nein, Kate, das ist viel zu großzügig. Ich kann das unmöglich annehmen!“, protestierte Suzy.

„Du brauchst unbedingt etwas Abstand, Suzy“, konterte Kate. „In den letzten Jahren hast du eine Menge durchgemacht. Du hast deine schwer kranke Mutter gepflegt und sie dann verloren. Du hast deine ganze Freizeit geopfert, um dein Studium beenden zu können. Und dann hattest du auch noch diesen furchtbaren Job.“

Suzy seufzte. „Ich hätte wirklich nicht kündigen dürfen. Es war so nett von meinem Tutor, mich bei der Zeitung zu empfehlen. Ich fühle mich schuldig.“

„Wie bitte?“, brauste ihre Freundin auf. „Warum denn das? Du hast doch selbst gesagt, dass du dich mit den Methoden der Mitarbeiter dieses Käseblatts nicht identifizieren kannst. Und wenn ich daran denke, wie dein schleimiger Chef sich dir gegenüber aufgeführt hat! Wenn jemand sich schuldig fühlen müsste, dann die und nicht du, Suzy! Es überrascht mich, dass sie überhaupt damit davonkommen. Du kennst ja meine Meinung. Eigentlich hättest du sie wegen sexueller Belästigung anzeigen müssen!“

Suzy schauderte leicht. „So einfach war es nicht, Kate“, erinnerte sie sie. „Erstens war ich die einzige Frau in der Redaktion. Niemand hätte mir den Rücken gestärkt.“

Als sie ihren gequälten Tonfall wahrnahm, warf Kate ihr einen besorgten Blick zu. „Suzy, ich weiß, was für eine starke Frau du bist, aber denk bitte ausnahmsweise mal an dich. Du hast etwas Abstand bitter nötig. Du brauchst Zeit, um abzuschalten und dir Gedanken darüber zu machen, wie dein Leben weitergehen soll. Ich möchte dir die Reise schenken und bin sehr verletzt, wenn du ablehnst.“

Wie hatte sie dieses Angebot ablehnen können? Außerdem hatte sie eingesehen, dass Kate recht hatte.

Noch immer begann Suzy vor nervöser Anspannung zu zittern, wenn sie an jene Szene in der Redaktion dachte, als sie ihre Kündigung eingereicht hatte. Die unflätigen Worte, die ihr Chef ihr an den Kopf geworfen hatte, ließen sie auch jetzt vor Scham und Verachtung erröten.

„Du kündigst nicht – ich werfe dich raus“, fuhr er sie an. „Von einem Niemand wie dir lasse ich mir so etwas nicht bieten!“

Dann hatte er überall herumerzählt, er hätte sie gefeuert, weil sie ihm Sex als Gegenleistung für einen festen Job angeboten hatte – obwohl er ihr gesagt hatte, er würde die Kündigung zurücknehmen, wenn sie mit ihm ins Bett ging.

Auch nun wurde ihr bei dem Gedanken daran übel.

Roy Jarvis mochte der Chefredakteur von Down and Dirty sein, doch für sie war er der unmoralischste Mann, dem sie je begegnet war. Und das nicht nur wegen seines Verhaltens ihr gegenüber, sondern wegen seiner Geschäftsmethoden. Seine Reporter durften vor nichts zurückschrecken, um eine Story zu bekommen. In diesem Umfeld hatte sie sich wie ein Fisch auf dem Trockenen gefühlt.

Ja, Kate hatte wirklich recht, gestand Suzy sich jetzt unglücklich ein. Sie brauchte wirklich etwas Abstand, um sich darüber klar zu werden, wie es weitergehen sollte. Und um ihre Gefühle in den Griff zu bekommen.

Sie schloss die Augen und schluckte, denn die Kehle war ihr wie zugeschnürt. Panik überkam sie, als sie sich dagegen wehrte, über die Ursache für ihren Schmerz nachzudenken. Also zwang sie sich, sich mit Dingen zu befassen, die leichter zu lösen waren. Die Probleme der vergangenen Jahre und die Erkenntnis, dass sie ihren Job hasste und mit Leuten zusammenarbeitete, deren Moralvorstellungen sie niemals akzeptieren würde, hatten ihr zugesetzt. Aber irgendwie musste sie sich ihren Lebensunterhalt verdienen. Und dass sie sich von Kate zu diesem Kurzurlaub hatte überreden lassen, half ihr bestimmt nicht weiter.

Doch es hielt sie vielleicht davon ab, von einem Mann zu träumen, den sie längst hätte vergessen müssen.

Autor

Penny Jordan
<p>Am 31. Dezember 2011 starb unsere Erfolgsautorin Penny Jordan nach langer Krankheit im Alter von 65 Jahren. Penny Jordan galt als eine der größten Romance Autorinnen weltweit. Insgesamt verkaufte sie über 100 Millionen Bücher in über 25 Sprachen, die auf den Bestsellerlisten der Länder regelmäßig vertreten waren. 2011 wurde sie...
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