Die Wahrheit liegt in deinem Kuss

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Die Sensationspresse nennt sie abfällig "Party-Prinzessin": Selfmade-Milliardär Damaso Pires sollte gewarnt sein! Aber seit er Marisa von Bengarien zum ersten Mal gesehen hat, weiß er, dass er sie haben muss. Doch als er sie zur Liebe verführt, sieht er in Marisas schönen Augen nicht nur Lust. Sondern auch den dunklen Schatten zerstörter Träume! Kann es sein, dass ihr oberflächliches Image nichts als eine Maske ist? Wenn das stimmt, will er unbedingt herausfinden, welches Geheimnis Marisa vor ihm und der Welt verbirgt. Und sie für immer mit seiner Liebe schützen …


  • Erscheinungstag 04.08.2015
  • Bandnummer 2191
  • ISBN / Artikelnummer 9783733701932
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Damaso sah sie, und sofort blieb ihm die Luft weg.

Er, dem alle Frauen dieser Welt zu Füßen lagen. Und das, seit er denken konnte. Also noch bevor er seine erste Million gemacht hatte.

Wie lange war es her, dass eine Frau sein Herz hatte schneller schlagen lassen? Er hatte sie alle gehabt – Diven und Herzoginnen, Models und Madonnen. Es waren Touristinnen gewesen, die sein Land besuchten. Und er erinnerte sich noch gut an die heiße Tangotänzerin, deren geschmeidiger Körper ihn in seinen jungen Teenagerjahren fast um den Verstand gebracht hatte. Keine der Frauen hatte eine solche Wirkung auf ihn gehabt wie sie. Sie war einzigartig.

Und jetzt war sie endlich allein. Ohne die Horde Männer, die sie sonst umzingelte. Überrascht beobachtete er, wie sie sich auf den feuchten Boden des Regenwalds kniete, um eine Blume zu fotografieren. Sie war so konzentriert, dass sie ihn nicht einmal bemerkte.

Das war neu für Damaso. Er war es gewöhnt, dass Frauen ihn mit Aufmerksamkeit nur so überschütteten. Es irritierte ihn, dass sie so gleichgültig schien, während er völlig auf sie fixiert war. Er konnte kaum den Blick von ihr abwenden. Und sie hatte ihm nicht mehr als ein kurzes, dafür aber umwerfendes Lächeln zugeworfen.

Fasziniert trat er näher an sie heran. Ignorierte sie ihn absichtlich, um seine Neugier anzustacheln? Wusste sie, dass er es vorzog, die Rolle des Jägers zu übernehmen?

In seiner Welt wimmelte es geradezu vor hübschen Blondinen. Und doch war bei ihr alles anders. Er hatte es von Anfang an gespürt. Als sie klitschnass, aber über das ganze Gesicht strahlend aus dem Boot gestiegen war nach der Wildwassertour. Es war ein Gefühl, das er nicht kannte. Ein Gefühl von Verbundenheit.

War es ihre grenzenlose Energie, die ihn so beeindruckte? Das spitzbübische Funkeln in ihren Augen, wenn sie wieder einmal ihren hübschen Hals riskierte auf der abenteuerlichen Trekkingtour? Oder ihr sexy Lachen, das einen animalischen Trieb in ihm weckte? Vielleicht war es auch nur die Courage einer Frau, die sich für keine Herausforderung zu schade war bei dieser Tour, die darauf ausgelegt war, das müde Interesse der übersättigten Reichen zu wecken.

„Marisa. Da bist du ja. Ich hab dich schon überall gesucht.“ Der junge Bradley Saltram war aus dem Unterholz vor ihnen aufgetaucht und hockte sich neben sie. Er sah aus wie achtzehn, war jedoch ein kleines Computergenie und setzte bereits siebenstellige Summen im Jahr um. Und jetzt erinnerte er Damaso an einen übergroßen Welpen, der kurz davor war, sich sabbernd über das saftige Stück Fleisch vor ihm herzumachen.

Damasos Kiefer verspannte sich, als er sah, wie Saltram sie mit seinen Blicken verschlang. Wie er sich gar nicht losreißen konnte vom Anblick ihres runden Pos, während sie vor ihm kniete und mit der Kamera hantierte.

Marisa wandte den Kopf ein wenig zur Seite, und aus diesem Winkel sah Damaso, was Saltram nicht sehen konnte. Ihren entnervten Blick und ihr tiefes Luftholen, als müsste sie Kraft sammeln, damit sie nicht die Geduld verlor.

„Bradley! Ich hab dich ja seit Stunden nicht gesehen.“ Sie schenkte dem jungen Mann ein falsches Lächeln, doch das schien ihn in keiner Weise einzuschüchtern. In seinem Übereifer streckte er ihr die Hände entgegen, um ihr aufzuhelfen, obwohl klar war, dass sie gar keine Hilfe benötigte. Damaso hatte noch nie eine Frau gesehen, die sich so anmutig bewegte.

Saltram legte die Hand auf ihren Arm, und Marisa lächelte den jungen Mann an.

In diesem Moment juckte es Damaso in den Fingern, diesen verdammten Typen einfach zur Seite zu stoßen.

Doch Marisa schien sich mit der Situation arrangiert zu haben und zeigte sich nicht im Mindesten beeindruckt, dass Saltram ihr ohne jede Hemmung ins Dekolleté starrte.

Sie trug eine knappe kurze Hose und Wanderstiefel. Ihre schlanken gebräunten Beine erweckten seinen eigenen Hunger. Damaso schluckte. In der Luft hing der betörende Duft grüner Äpfel.

Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich, als er feststellte, dass es ihr Duft war, der ihm in die Nase stieg. Wie konnte das sein? Er war viel zu weit weg, um ihren Körperduft wahrzunehmen.

Jetzt beobachtete er, wie sie sich umwandte und sich von Saltram den Weg hinunter führen ließ. Ihr langer Pferdeschwanz wippte mit jedem ihrer Schritte über ihren schmalen Rücken. Seit einer Woche hatte Damaso ihre golden glänzenden Haare berühren wollen, um herauszufinden, ob sie so weich waren, wie sie aussahen.

Doch er hatte sich zurückgehalten. Er hatte genug von diesen zickigen Frauen, die mehr wollten, als er bereit war zu geben.

Aber sie würde keine Forderungen stellen, flüsterte eine Stimme in seinem Kopf verführerisch. Außer im Bett.

Prinzessin Marisa von Bengarien hatte einen recht zweifelhaften Ruf. Von Geburt an verwöhnt durch ihr milliardenschweres Erbe war sie als hemmungsloses Partygirl verschrien. Die Hochglanzmagazine zeigten sie regelmäßig als eigensinnige und abenteuerlustige junge Frau, die so rein gar nichts mit einer prüden, jungfräulichen Prinzessin gemeinsam hatte.

Damaso hatte im Grunde die Nase voll von solchen Frauen. Sie brachten einem nichts als Ärger ein mit ihren hohen Ansprüchen. Doch diese Woche mit ihr hatte ihm eine Sichtweise vermittelt. Sie mochte oberflächlich sein, aber sie wirkte nicht bedürftig.

Während der Trekkingtour hatte sie mit jedem Mann geflirtet. Außer mit ihm. Es gefiel ihm gar nicht, einsehen zu müssen, dass sie möglicherweise kein Interesse an ihm hatte.

Sie war genau das, was er brauchte. Er hatte kein Interesse an Jungfrauen. Eine junge wilde Amazone würde seinem Kurzurlaub erst die richtige Würze verleihen.

Damaso lächelte, als er ihr den Pfad hinunter folgte.

Dankbar wandte Marisa ihr Gesicht der Gischt des Wasserfalls entgegen. Die unerwartete Erfrischung war eine wahre Wonne in dieser schwülen Hitze. Das Blut rauschte nur so durch ihre Adern, und ihre Beine waren zittrig vor Anstrengung und Adrenalin, als sie sich an der Felswand festklammerte.

Ja! Es war genau das, was sie wollte. Nur für den Moment der Herausforderung leben. Und alles vergessen, was …

„Marisa! Hier drüben!“

Seufzend wandte sie den Kopf und sah, wie Bradley Saltram am Geländer des Aussichtspunkts lehnte und sie beobachtete. Er lächelte triumphierend.

„Hey, du hast es geschafft! Nicht schlecht!“

Sein Lächeln traf sie mitten ins Herz. Sie musste aufpassen, nicht den Halt zu verlieren. Denn es erinnerte sie an das strahlende Lächeln von jemand anderem.

Stefan hatte es mit einem Lächeln und einem Witz immer geschafft, dass sie all ihre Sorgen vergaß. Sie dachte daran, wie sie gemeinsam auf Abenteuerreisen gegangen waren und die freudlose Welt, in der sie gefangen waren, hinter sich zurückgelassen hatten.

Marisa blinzelte und wandte sich von dem jungen Amerikaner ab, der keine Ahnung hatte, welchen Schmerz er in ihr geweckt hatte.

Ein Klumpen so groß wie Bengariens ungemütlicher grauer Fürstenpalast saß ihr in der Kehle und drückte auf ihre Brust. Verzweifelt rang sie nach Luft.

Nein! Nicht jetzt. Nicht hier.

Mit einem gezwungenen Lächeln sah sie zu Bradley auf. „Wir sehen uns unten! Ich will noch ein Stück weiterklettern.“

Bradley rief ihr noch etwas zu, doch das Tosen des Wasserfalls übertönte ihn. Ohne sich noch einmal nach ihm umzusehen, kletterte sie leichtfüßig den Felshang weiter hinauf, um noch näher an den Wasserfall zu gelangen. Die Steine unter ihr waren gefährlich glitschig. Genau das, was sie gerade brauchte. Sich nur auf die Herausforderung und den Moment zu konzentrieren. Ihren Körper bis an seine Grenzen bringen. Und alle unangenehmen Gedanken verdrängen.

Sie war schon ziemlich weit hinaufgeklettert, höher, als sie eigentlich vorgehabt hatte. Aber der Aufstieg hatte sie alles um sich herum vergessen lassen. Selbst Juans Warnrufe aus der Ferne waren ihr entgangen.

Die Gischt war hier oben noch heftiger und ihre Kleidung mittlerweile komplett durchweicht. Marisa sog das Rauschen der Wassermassen in sich auf, als könnte es sie von allem Ballast reinigen, den sie mit sich herumtrug.

Noch ein bisschen weiter nach links, und sie würde direkt auf dem Felsvorsprung stehen, von dem sich laut einer Sage einmal ein besonders mutiger Junge hinuntergestürzt hatte und glücklicherweise mitten im aufgewühlten Wasser des Felspools gelandet war.

Die Versuchung war groß. Nicht weil sie Heldin spielen wollte, sondern um einfach abzutauchen und alles zu vergessen.

Nicht dass sie unbedingt sterben wollte. Es war das Spiel mit der Gefahr, das sie reizte. So weit war es schon mit ihr gekommen. Sie versuchte alles, um sich nur wieder ein klein wenig lebendig zu fühlen.

Ihre Welt war grau geworden. Außer in den Momenten, in denen die Trauer und Einsamkeit in ihr erwachten und so schmerzlich real waren. Es waren die Momente, in denen Marisa ihr unerträglicher Verlust wieder bewusst wurde.

Die Leute sagten, Zeit heile alle Wunden. Aber Marisa glaubte nicht daran. Ihr war, als wäre ihre andere Hälfte von ihr fortgerissen worden. Was blieb, war eine gähnende Leere, die sich durch nichts füllen ließ.

Das Dröhnen des Wasserfalls verschmolz wie der Puls eines riesigen Tieres mit ihrem eigenen pochenden Herzschlag. Es lockte sie. So wie Stefan sie immer wieder zu waghalsigen Aktionen überredet hatte. Als sie die Augen schloss, meinte sie, seine spöttische Stimme zu hören. Na los, Rissa. Jetzt sag nicht, du hast Angst.

Nein, sie hatte vor fast nichts Angst. Außer vor dem überwältigenden Gefühl der Einsamkeit, das sie gefangen hielt, seit Stefan nicht mehr da war.

Instinktiv begann sie, auf den glitschigen Felsen weiter in Richtung des winzigen Vorsprungs vor dem Wasserfall zu klettern.

Bis ein Geräusch sie innehalten ließ. Erstaunt wandte sie den Kopf und sah Damaso Pires, den gut aussehenden, ungewöhnlich groß gewachsenen Brasilianer, einige Meter hinter sich am Abhang stehen. Sie war ihm seit Beginn ihrer Tour aus dem Weg gegangen. Es war irgendetwas an der Art, wie er sie aus seinen wissenden dunklen Augen beobachtete, das sie nervös machte. Als sähe er direkt durch sie hindurch. Hindurch durch ihre Maske der „Partyprinzessin“, wie Stefan sie bezeichnet hatte.

Doch jetzt sah sie etwas anderes in seinem Blick. Etwas Ernstes, Bezwingendes. Unwillkürlich musste sie an den vernichtenden Gesichtsausdruck ihres Onkels denken, dem selbst ernannten Richter über die gesamte Menschheit. Doch plötzlich lächelte Damaso. Es war das erste aufrichtige Lächeln, das er ihr schenkte.

Verunsichert klammerte Marisa sich an den Fels hinter ihr. Mit einem Mal war ihr ganz zittrig zumute.

Er war ein ganz anderer Mann mit diesem Lächeln.

Mit seiner dunklen geheimnisvollen Ausstrahlung hatte er ohnehin eine Präsenz und ein Aussehen, das alle Blicke auf sich zog. Marisa war nicht entgangen, wie die anderen Frauen in der Gruppe sich förmlich überschlagen hatten, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.

Das dunkle Haar klebte ihm eng am Kopf und betonte sein maskulines Gesicht. Wassertropfen perlten in kleinen Bächen über seine olivfarbene Haut und den kräftigen Hals.

Erst jetzt fiel Marisa auf, dass er gar keinen Sicherheitshelm trug. Stefan hatte Helme auch immer gehasst, egal in welche waghalsige Aktion er auch verwickelt war. War das die Erklärung für das unerwartete Gefühl von Seelenverwandtschaft, das sie spürte?

Der Brasilianer deutete mit dem Kopf in Richtung des Wasserfalls und hob fragend die Augenbrauen.

Marisa folgte seinem Blick und erinnerte sich, dass Juan ihnen von einem Aussichtspunkt hinter dem Wasserfall erzählt hatte, den man über einen steilen Pfad erreichte.

Wieder trafen sich ihre Blicke. Dieses Mal irritierte sie sein unergründlicher Blick nicht mehr. Ganz im Gegenteil. Sie genoss den Kontakt. Ihr war, als hätte sie jemanden getroffen, der ihr ebenbürtig war.

Mit einem Nicken begann sie, weiter hinaufzuklettern, fort von dem Sprühregen der Gischt. Er war nun direkt hinter ihr. Jede seiner Bewegungen war gezielt und präzise. Marisa musste sich zwingen, sich nicht ständig umzudrehen, um ihn anzusehen. Sie brauchte jetzt all ihre Konzentration für den Aufstieg. Der Überschuss an Energie, der sie noch Minuten zuvor angetrieben hatte, war mit einem Mal verflogen.

Sie war fast oben, den Blick auf den nächsten winzigen Absatz im Fels gerichtet, wo sie ihren Fuß hinsetzen konnte, als sich ihr eine Hand entgegenstreckte. Sie war ungewöhnlich groß, kräftig und mit winzigen Narben übersät. Eine Hand, die viel gesehen hatte, der man Vertrauen schenken konnte.

Belustigt über ihre eigenen Gedanken sah Marisa auf und musste feststellen, dass Damaso bereits oben angekommen war und sie nach oben auf den Felsabsatz ziehen wollte. Er musste die letzten Meter einen anderen Weg genommen haben. Den Kopf in den Nacken gelegt begegnete sie Damaso Pires’ dunklem Blick und spürte erneut eine unerwartete Hitze in sich aufsteigen. Was war das bloß mit diesem Mann? Er war irgendwie anders als die anderen … authentischer. Das war es.

„Nimm meine Hand.“

Langsam sollte sie sich an diesen weichen Akzent gewöhnt haben. Es war bereits eine Woche her, seit sie in Brasilien angekommen war. Doch die Kombination mit Damasos samtiger tiefer Stimme war Verführung pur. Es weckte ein sinnliches Verlangen in ihr, das sie mit aller Macht versuchte zu ignorieren.

Entschlossen zwang sie sich, nach seiner Hand zu greifen, und spürte, wie seine Finger sich hart um ihre schlossen. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich ein befriedigtes Lächeln auf seinen Lippen breitmachte.

Die Berührung ihrer beiden Hände kam einem Stromschlag gleich. Sie war sicher, dass er es auch gespürt hatte. Und für einen Augenblick bekam sie Angst, als sein Gesicht einen besitzergreifenden Ausdruck annahm, der in der nächsten Sekunde schon wieder verflogen war.

Dann zog er sie mit einem Ruck nach oben, obwohl sie ihren Fuß noch gar nicht platziert hatte. Die angeberische Darbietung seiner Kraft hätte sie eigentlich nicht beeindrucken dürfen. Als sie noch trainiert hatte, war sie ständig von sportlichen und starken Männern umgeben gewesen.

Aber keiner von diesen Männern hatte ihr dieses Gefühl vermittelt, so unglaublich begehrenswert und weiblich zu sein. Und das obwohl sie gerade vollkommen verschwitzt und dreckig vor diesem Mann stand.

Sein Blick ließ sie nicht los, als er geschickt den Verschluss ihres Kletterhelms unter ihrem Kinn löste und den Helm vorsichtig von ihrem Kopf nahm. Die frische Brise zerzauste ihr Haar und blies ihr nasse Strähnen ins Gesicht. Sie wusste, sie sah unmöglich aus, aber sie widerstand der Versuchung, ihr Haar zu richten. Stattdessen studierte sie unauffällig sein Gesicht. Die ausgeprägten Wangenknochen, die gebräunte Haut, die markant gebogene Nase und die halb geschlossenen Augen, die so viele ungelüftete Geheimnisse zu verraten schienen.

Der ernste Blick, mit dem er sie ansah – so eindringlich, so direkt – vermittelte ihr das Gefühl, dass er wirklich sie sah. Nicht die berühmte Prinzessin, sondern die Frau dahinter, die so verloren und allein war.

Im nächsten Moment betrachtete er ihren Mund, und sie spürte, wie ihre Lippen zu kribbeln begannen. Sie schluckte hart. Schließlich war sie nicht vorbereitet auf die sexuelle Lust, die sie mit einem Mal überkam. Es musste sein Duft sein, diese leichte Note aus männlichem Schweiß, Seife und noch etwas anderem – etwas, das sie an das Meer erinnerte.

Bem vinda, Pequenina. Willkommen, meine Kleine. Ich bin froh, dass wir zusammen hier sind.“

Den Kopf in den Nacken gelegt, sodass die blasse Haut ihres schlanken Halses zum Vorschein kam, sah sie zu ihm auf. Ihre Augen … So türkisblau wie das Meer. Ohne zu zwinkern, hielt sie seinem Blick stand. Und er spürte, wie sich alles in ihm spannte. Ihr Anblick und ihre Berührung hatten ihn ungewöhnlich stark erregt.

Wie sie wohl schmecken würde?

Der Gedanke allein ließ seinen Mund ganz trocken werden.

„Ist das der Aussichtspunkt, von dem Juan gesprochen hatte?“ Sie blieb neben ihm stehen, zog jedoch ihre Hand aus seiner, als sie sich umwandte, um den sagenhaften Ausblick zu genießen. Dafür würden eine Menge Leute über ganze Kontinente reisen. Damaso jedoch hatte das Gefühl, sie nutzte es nur als Ausrede, um ihn nicht ansehen zu müssen.

Es war ohnehin zu spät. Die Spannung zwischen ihnen war ihm nicht entgangen. Selbst als sie wie eine Klette an der vertikalen Felswand hing, hatte er das unbändige Verlangen in ihren Augen gesehen.

Was zwischen ihnen war, konnte nicht mehr ignoriert werden. Denn der Funke hatte das Feuer der Leidenschaft zwischen ihnen längst entzündet.

„Was hast du da drüben am Wasserfall gemacht?“ Seine Worte klangen vorwurfvoller, als er beabsichtigt hatte. Er hatte Angst um sie gehabt. Ohne jegliche Sicherheitsausrüstung war er ihr völlig überstürzt hinterhergeklettert.

Es war die Art, wie sie sich bewegt hatte. Mit einer solchen Entschlossenheit. Als wollte sie bis raus zum äußersten Teil des Felshanges klettern. Der Gedanke hatte ihm einen Schauder über den Rücken gejagt.

Was hatte sie sich bloß dabei gedacht?

Und dann ihr dunkler, seltsam abwesender Blick, als sie sich zu ihm umgewandt hatte. Dort, wo Damaso aufgewachsen war, hatte er äußerst feine Antennen für Gefahren jeglicher Art entwickelt. Und das, was er in den Augen der Prinzessin gesehen hatte, hatte ihm nicht gefallen.

Sie zuckte die Schultern. „Ich hab mich bloß umgesehen.“ Ihr Ton war belanglos. Als wäre es ihr gar nicht bewusst, dass sie gerade ihr Leben riskiert hatte auf einem der berüchtigsten Kletterpfade des Landes. „Juan hatte uns doch von diesem Jungen erzählt, der in das Bassin des Wasserfalls gesprungen war.“

Langsam wurde Damaso wirklich ärgerlich. War sie eigentlich lebensmüde? Gerade wollte er sie heftig zurechtweisen, als er ihre hart angespannten Muskeln am Hals bemerkte. Und ihre seltsam steife Haltung. Sie war wachsam.

Oder wich die Prinzessin bloß unangenehmen Fragen aus? Dann sollte sie sich besser vorsehen. So leicht ließ er sich nicht abwimmeln.

Lächelnd streckte er die Hand aus und strich ihr eine ihrer langen goldenen Haarsträhnen aus dem Gesicht.

Ihr Haar war genauso weich, wie er es sich vorgestellt hatte.

Sie schwieg. Und drehte sich nicht einmal um. Doch er beobachtete mit Genugtuung, wie sie schluckte.

„Der Regenwald scheint gar kein Ende zu nehmen“, murmelte sie. In ihrer Stimme lag ein heiserer Unterton, der vorher nicht da gewesen war.

Damaso lächelte.

Sie war außer Gefahr, und sie war hier. Mit ihm. Warum sie also drängen, wenn sie doch einfach nicht darüber sprechen wollte?

„Es würde Tage dauern, ihn einmal zu durchqueren. Und das auch nur, wenn man sich nicht verläuft.“ Er konnte nicht widerstehen und strich ihr erneut über das Gesicht, um eine Phantomlocke hinter ihr Ohr zu streichen. Ihre Haut glühte noch immer von der anstrengenden Klettertour. Aber sie war so unglaublich weich, dass er am liebsten ihren ganzen Körper gestreichelt hätte.

Er sah, wie ihr Puls am Hals pochte. Aufgeregt wie ein im Netz gefangener Schmetterling.

Hitze strömte durch Damasos Körper, als er sich vorstellte, die Stelle mit seiner Zunge zu liebkosen.

In dem Moment wandte sie ihren Kopf zu ihm, und er war wie elektrisiert von dem Blick aus ihren leuchtend blauen Augen.

„Kennen Sie den Wald gut, Senhor Pires?“

Sie hatte einen leichten Plauderton angeschlagen. So als seien sie zwei entfernte Bekannte auf einer Gartenparty. Doch ihre kühle Fassade ließ erst recht eine heiße sexy Frau dahinter vermuten. Und die Tatsache, dass ihr Haar zerzaust und ihre Wangen gerötet waren – wie bei einer Frau, die geradewegs aus dem Bett ihres Liebhabers kam –, verstärkte diesen Eindruck noch.

Damaso hatte Mühe, sich noch unter Kontrolle zu halten.

Und sie wusste es. Er sah es in ihrem Blick.

Die Spannung zwischen ihnen war kaum noch auszuhalten.

„Nein, eher nicht. Ich bin ein Stadtkind, Eure Hoheit. Aber ich versuche, so oft wie möglich raus in die Natur zu fahren.“ Damaso nahm jedes Jahr einen längeren Urlaub, den er gleichzeitig dafür nutzte, einige seiner weiter entfernten Unternehmen zu besuchen. Dieses Jahr war es eine exklusive Agentur für Abenteuerreisen.

Und in diesem Moment hatte er das Gefühl, das Abenteuer fing gerade an.

„Marisa, bitte schön. ‚Eure Hoheit‘ klingt so abgehoben.“ Ein Fünkchen Humor blitzte in ihren hellen Augen auf, was sein Herz noch einen Takt schneller schlagen ließ.

„Marisa also.“ Er mochte den Klang ihres Namens auf seiner Zunge. So weiblich und verheißungsvoll. „Ich bin Damaso.“

„Ich kenne Südamerika noch nicht besonders gut, Damaso.“ Sie stockte kurz, nachdem sie seinen Namen ausgesprochen hatte, während Damaso mit seinen Gedanken bereits ganz woanders war. Würde sie genauso kühl und gefasst sein, wenn er ihren nackten Körper verwöhnte?

Er wusste nicht, was ihm lieber sein würde. Das oder dieser erregte heisere Unterton.

„Von den großen Städten hab ich noch kaum was gesehen.“ Mit einer schnellen Bewegung zog sie ein trockenes Blatt vom Ausschnitt seines Hemds. Für eine Sekunde berührten ihre Fingerspitzen seinen Hals, und ihm stockte der Atem.

Ihre Mundwinkel umspielte ein winziges Lächeln. Und er wusste, die beiläufige Berührung war beabsichtigt gewesen. Wie unglaublich frech von ihr!

„Meine Heimatstadt gehört nicht gerade zu den Orten, die man unbedingt gesehen haben muss.“ Wenn das keine Untertreibung war.

„Das überrascht mich jetzt aber“, entgegnete sie. „Du bist doch quasi eine Legende in Geschäftskreisen. Allein deswegen müsste die Stadt schon einen Besuch wert sein.“

Damaso lächelte in sich hinein. Er würde ihr nicht sagen, dass niemand wusste, wo genau er überhaupt geboren war. Ob er überhaupt ein Dach über dem Kopf gehabt hatte.

„Na ja, ich bin ja nun nicht gleich mit goldenem Löffel im Mund auf die Welt gekommen.“

Marisa blinzelte irritiert, sodass er schon fürchtete, einen großen Fehler begangen zu haben. Doch dann zuckte sie die Schultern und lächelte. Und ihm wurde ganz warm ums Herz. Alle Gedanken waren vergessen, als sie für einen kurzen Moment sanft seine Hand berührte. Leicht wie eine Feder.

„Sag es nicht weiter“, flüsterte sie lächelnd, als würde sie ein Geheimnis enthüllen. „Aber goldene Löffel sind gar nicht so toll wie alle denken.“

Einer plötzlichen Eingebung folgend griff er nach ihrer Hand, die sie soeben zurückgezogen hatte. Beide wurden ganz still. Es war eine Stille voller unausgesprochener Versprechen. In ihren Augen funkelte es, und sie erwiderte seinen hungrigen Blick.

„Es gefällt mir, wie du dich Herausforderungen stellst“, murmelte er schließlich und runzelte im selben Augenblick die Stirn. Normalerweise wählte er seine Worte sorgfältiger. Sie waren ihm einfach so herausgerutscht.

„Und mir gefällt’s, dass meine adlige Abstammung dich nicht zu beeindrucken scheint.“

Er spürte, wie sie mit dem Daumen leicht über seine Hand strich. Es gefiel ihm, dass sie weder so tat, als sei er ihr gleichgültig, noch unangemessen heftig mit ihm flirtete, wie er es sonst von Frauen gewöhnt war. Das Gefühl von Ausgeglichenheit zwischen ihnen machte den innigen Moment umso wertvoller.

„Marisa, dein Adelstitel interessiert mich ehrlich gesagt ziemlich wenig.“ Jetzt klang ihr Name in seinen Ohren sogar noch besser. Damaso trat einen kleinen Schritt näher. Er wollte ihre Lippen kosten. Doch er hielt sich zurück. So weit waren sie noch nicht.

„Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, das zu hören.“ Sie legte die Hand auf seine Brust, und Damasos Herz machte einen Satz. Ihre Berührung brannte wie Feuer auf seinem Körper. Er wollte sie jetzt und hier. Wollte schnell und hart und leidenschaftlich über sie herfallen. Und so wie sie ihn ansah, die Lippen leicht geöffnet und heftig atmend, wollte sie es auch. Sein Instinkt sagte ihm jedoch, er würde mehr brauchen als nur ein schnelles Abenteuer, um seine Lust zu befriedigen.

Wie hatte er ihr die ganze Woche über widerstehen können?

„Vielleicht könntest du mir auf dem Weg zurück nach unten erzählen, was dich dann interessiert, Damaso.“

Er half ihr, vom Felsvorsprung herunterzuklettern. Wie selbstverständlich blieben ihre Hände ineinander verschlungen, als sie den Pfad weiter hinabstiegen, fort von dem Aussichtspunkt. Ihre Berührung hatte ein erotisches Feuerwerk in ihm entfacht, das sich auf eigenartige Weise fast unschuldig anfühlte. Wie lang war es her, dass er einfach nur die Hand einer Frau gehalten hatte?

Während Marisa ihr Haar trocken rubbelte blickte sie hinaus auf ihren hübschen Balkon in dem luxuriösen Eco-Resort. Ein Schmetterling tanzte durch das leuchtende Grün unter dem Balkon.

Sie versuchte, sich darauf zu konzentrieren, wie sie ihn am besten fotografieren könnte, doch alles, woran sie denken konnte, war Damaso Pires. Wie er sie an der Hand gehalten hatte, als sie zusammen den steilen Pfad hinabgeklettert waren. Und das Gefühl von Verlust, als er sie schließlich losließ, um zu den anderen zu gehen. Die Art, wie sie sich unter seinem stechenden Blick splitternackt gefühlt hatte.

Kein Wunder, dass sie ihm die ganze Zeit aus dem Weg gegangen war!

Aber jetzt verzehrte sie sich nach ihm. Ausgerechnet sie, die sich geschworen hatte, niemals mehr irgendwelche leidenschaftlichen Gefühlen zuzulassen! Und doch war mit ihm alles anders. Es gab eine Verbindung zwischen Damaso Pires und ihr. Es fühlte sich fast wie ein Erkennen an. Ein Gefühl, das sie noch niemals zuvor erlebt hatte. Ein wenig erinnerte es sie an die ungewöhnliche Seelenverwandtschaft, die sie mit Stefan geteilt hatte.

Autor

Annie West
<p>Annie verbrachte ihre prägenden Jahre an der Küste von Australien und wuchs in einer nach Büchern verrückten Familie auf. Eine ihrer frühesten Kindheitserinnerungen besteht darin, nach einem Mittagsabenteuer im bewaldeten Hinterhof schläfrig ins Bett gekuschelt ihrem Vater zu lauschen, wie er The Wind in the Willows vorlas. So bald sie...
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