Ein langer, heißer Sommer

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Der neue Nachbar ist ein toller Mann: groß, dunkelhaarig, durchtrainiert - und Single! Aber Maggie spürt mit dem Instinkt einer erfahrenen Frau, dass Rance erst für sich einige Dinge klären muss, bevor er wirklich zur Liebe bereit ist. Denn eines weiß Maggie genau: Diesmal soll‘s für immer sein …


  • Erscheinungstag 16.06.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733757595
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Rance, wach auf!

Rance Montoya vernahm die Stimme seiner Mutter so deutlich, als wäre sie Wirklichkeit. Gleichzeitig war ihm klar, dass er nur träumte.

Als kleiner Junge hatte er häufig von seiner Mutter geträumt. Damals war sie einfach aus seinem Leben verschwunden, und es hatte lange gedauert, bis er damit fertig geworden war.

Rance, wach auf!

Wieder hörte er die Stimme seiner Mutter. Die Erinnerung an ihre letzte Begegnung verfolgte ihn, seit er vor drei Tagen in sein Elternhaus zurückgekehrt war.

Ein Hund bellte. Wahrscheinlich hat mich das Gebell aufgeweckt, dachte Rance. Verschlafen tapste er zur Tür und ließ die trächtige Setter-Mischlingshündin herein, die ihn bei seiner Ankunft hier auf der Veranda begrüßt hatte. Offensichtlich war sie ausgesetzt worden.

Rance tätschelte der Hündin den Kopf, und sie winselte leise. „Es wird wohl nicht mehr allzu lange dauern“, vermutete er, während er ihren dicken Bauch abtastete. „Aber hier unter der Veranda hast du wenigstens ein schattiges Plätzchen.“

Rance hatte sich vorgenommen, heute die Malerarbeiten zu beenden, bevor die Möbel geliefert wurden.

Er fütterte die Hündin und trat dann auf den verdorrten Rasen, um das Haus zu betrachten. Zwanzig Jahre hatte er bei der Luftwaffe gedient und jeden Penny, den er von seinem Sold erübrigen konnte, für den Rückkauf des Familienbesitzes „Hightower“ zur Seite gelegt. Alles, was er über den Verlust der Grundstücke wusste, war, dass seine Mutter einen gewissen Drake dafür verantwortlich machte. Aber dann war sie verschwunden. Rance presste die Lippen zusammen. Es wurde langsam Zeit, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Kritisch betrachtete er das Haus, das er auf den ersten Blick in der Immobilienbroschüre wieder erkannt hatte. Der viktorianische Turm war unverwechselbar. Horace Hightower hatte ihn als Symbol für den Familiennamen anbauen lassen, obwohl er zu dem schlichten Holzhaus mit der breiten Veranda nicht so richtig passte.

Doch das war Rance gleichgültig. Mit dem Kauf der Farm hatte er sich einen Traum erfüllt. Nun musste er sie wieder zum Leben erwecken. Und er musste Drake finden, denn es gab Hinweise, dass der Selbstmord seines Vaters mit diesem Mann zusammenhing. Und wer weiß, vielleicht hatte er mit dem Verschwinden seiner Mutter auch etwas zu tun.

Maggie Callahan strich sich eine vorwitzige Strähne aus der Stirn und blickte zum Turm hinüber, der aus den Bäumen herausragte. Dann betrachtete sie ihre Kinder, die im Vorgarten spielten. Ein ganz alltäglicher Anblick, doch es hatte Momente in Maggies Leben gegeben, in denen sie geglaubt hatte, dass sie nie mehr zu einem normalen Leben zurückfinden würde.

Der Regen hatte aufgehört, und die Sonne kam hinter den Wolken hervor. Mit etwas Glück würden sie ihr alljährliches Familienfest sogar im Freien feiern können. Maggie freute sich darauf.

Da ihr Mann Chet bei der Luftwaffe gedient hatte, war die Familie viel unterwegs gewesen. Aber das Familienfest im Juli hatten sie nie versäumt. Doch dann war Chet bei einem Übungseinsatz ums Leben gekommen. Für Maggie hatte eine harte Zeit begonnen. Die Entscheidung, nach Alabama zurückzukehren und auch wieder am Familienfest teilzunehmen, bedeutete für Maggie, dass sie ihr inneres Gleichgewicht endlich wieder gefunden hatte.

Manchmal waren ihr Zweifel gekommen, ob es richtig gewesen war, die Kinder aus ihrer gewohnten Umgebung in Virginia herauszureißen. Doch an Tagen wie diesem war sie sicher, auch für ihre Kinder die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Das Klingeln des Küchenweckers ließ Maggie hochschrecken. Es gab noch viel zu tun, doch die Arbeit würde sie ablenken.

Rance war gerade am Malen, als ihn ein lauter Knall und ein Heulton aufschreckten. Was konnte das sein?

Er blickte auf. In panischer Angst kam die Hündin die Stufen heraufgeschossen. Da knallte es schon wieder. Allein schon wegen der völlig verängstigten Hündin musste er dem Krach ein Ende bereiten.

„Anscheinend hat jemand Hightower gekauft“, meinte Tess Hampton und machte es sich auf einem Hocker in Maggies Küche bequem.

Maggie fuhr fort, den Senf auf die Eihälften zu streichen.

„Es interessiert dich wohl nicht, wer in deine nächste Nachbarschaft zieht?“

Ein lautes Krachen und Knallen unterbrach Maggies Gedanken. „Musstest du den Kindern unbedingt diese Kracher geben?“

„Sei doch nicht so empfindlich. Schließlich feiern wir heute Independence Day. Da muss man Krach machen.“

„Sie sind auch so schon laut genug.“ Maggie arrangierte die Eihälften auf einem Teller und stellte ihn in den Kühlschrank.

„Bist du endlich fertig?“ Tess gab sich keine Mühe, ihre Ungeduld zu verbergen.

„Ja.“ Maggie folgte Tess ins Wohnzimmer. „Was gibt es so Dringendes?“

„Der Mann, der Hightower gekauft hat.“ Tess zog die Beine aufs Sofa. „Hast du ihn schon gesehen?“

„Nein, ich habe eben erst von seiner Existenz erfahren.“ Maggie blickte zu ihrer Schwester. Warum fühle ich mich neben Tess immer so unscheinbar? fragte sie sich.

„Mary Lou hat ihn gesehen, als er sich auf dem Rathaus angemeldet hat. Er ist ungefähr vierzig, war bei der Luftwaffe und soll sehr gut aussehen.“

„Denk daran, wer dir das erzählt hat, Tess. Du weißt doch genau, dass Mary Lou hinter allem her ist, was Hosen trägt. Wahrscheinlich ist er ein grauhaariger alter Sergeant, dessen Bauch über den Hosenbund hängt. Außerdem wird er es im Haus auch nicht länger aushalten als die Vorbesitzer.“

„Wer weiß, wenn ihm niemand erzählt, dass es in dem Haus spukt …“

Maggie lachte laut auf. „Das braucht ihm niemand erzählen. Luther Hightowers Geist wird sich schon früher oder später vorstellen.“ Sie fröstelte trotz der Hitze. „Mit läuft es jetzt noch kalt den Rücken hinunter, wenn ich nur daran denke …“

Tess kicherte. „… wie wir dich dazu brachten, die Nacht dort zu verbringen. Unser Spuk war doch nicht schlecht, oder?“

„Ich hatte sofort gewusst, dass ihr das wart.“ Maggie war damals nicht vor dem Gespenstergeheul ihrer Schwester davongelaufen. Etwas anderes, Unerklärliches hatte sie vor zwanzig Jahren aus dem leer stehenden Haus verscheucht. „Als ich weggerannt bin, war von euch niemand mehr da.“

„Willst du damit sagen, dass es dort tatsächlich spukt?“

„Wir sind wohl etwas zu alt, um an Gespenster zu glauben. Aber in jener Nacht hatte ich das Gefühl, nicht allein dort zu sein.“

„Heißt es nicht immer, das Landleben sei friedlich?“, murmelte Rance, während er in seinen alten Lieferwagen kletterte. Er war schon öfter an dem gepflegten Wohnwagen vorbeigefahren, doch hatte er noch nie so viele Kinder dort gesehen.

Rance parkte den Wagen und ging zu einem der Jungen. „Wenn du noch einen einzigen Knallfrosch anzündest, dann bekommst du es mit mir zu tun.“ Kaum hatte er es gesagt, tat ihm sein schroffer Ton leid. „Ist ein Erwachsener in der Nähe?“, erkundigte er sich freundlicher.

Der größte Junge fragte zurück: „Ja, und wer sind Sie?“

„Genug, Tom. Entschuldigen Sie meinen Sohn.“ Eine langbeinige Blondine trat aus dem Wohnwagen. Sie kam auf die Gruppe zu und reichte Rance die Hand. „Mein Name ist Tess Hampton. Wir sind hier zu Besuch bei meiner Schwester. Was können wir für Sie tun?“

Rance ergriff ihre Hand und wollte gerade etwas erwidern, als eine Frau mit flammend rotem Haar hinter Tess auftauchte. Mit blitzenden Augen blickte sie zu der Kinderschar. Trotz der kühlen Schönheit der blonden Frau gehörte seine Aufmerksamkeit ihrer Schwester. Sie war kleiner und nicht so schlank, erschien ihm aber weiblicher. Ihm gefiel, wie ihre üppige Figur in dem bunten Sommerkleid zur Geltung kam.

Rance fuhr sich durchs Haar. „Ich habe ein Problem mit dem Krach, den Ihre Kinder veranstalten.“ Seine Verlegenheit nahm noch zu, als jetzt alle Augen auf ihn gerichtet waren.

„Geht in den Garten, Kinder“, befahl die rothaarige Frau. Unter Protest machten sie sich auf den Weg.

Rance fühlte sich verunsichert. Er hatte in der Vergangenheit nur selten mit nachbarschaftlichen Problemen zu tun gehabt. „Ich habe die Hightower-Farm gekauft“, begann er. „Ich bin Rance Montoya.“

„Tatsächlich?“ Die Rothaarige musterte ihn interessiert, was es für Rance nicht gerade leichter machte. Hinter dem Wohnwagen explodierten wieder Feuerwerkskörper.

„Ich habe eine trächtige Hündin zu Hause“, erklärte er, „und sie ist kurz vor dem Werfen. Der Lärm macht sie völlig verrückt.“

„Genug jetzt!“, rief die Rothaarige. Die Kinder sahen neugierig um die Ecke. „Keine Feuerwerkskörper mehr.“

Noch bevor die Kinder protestieren konnten, fuhr sie resolut fort: „Packt alles zusammen und geht zu Grandma. Ihr könnt heute Abend beim Fest nach Herzenslust Krach machen. Doch jetzt wollen wir Mr. Montoyas trächtige Hündin nicht aufregen.“

Die Kinder gehorchten und trollten sich. Nun war Rance allein mit den beiden Frauen. „Es tut mir leid, dass ich den Kindern den Spaß verdorben habe.“ Ihm fiel nichts Besseres ein.

„Glauben Sie mir, Sie haben mir damit einen Gefallen getan.“ Die Rothaarige lächelte Rance an. Ihre Augen waren von einem strahlenden Türkis.

„Sie sind übrigens herzlich eingeladen“, meinte die Blondine. „Das Fest der Popwells ist in der ganzen Gegend bekannt.“

„Vielen Dank, aber es geht leider nicht.“ Rance betrachtete sein bekleckstes T-Shirt. „Außerdem habe ich …“

„Die Hündin.“ Es lag ein neckender Unterton in der Bemerkung der Rothaarigen.

„Dann ein anderes Mal“, schlug die Blondine vor. „Und wenn Sie Probleme mit Ihrer Hündin haben sollten, dann rufen Sie an. Mein Mann ist Tierarzt.“

Rance sah wie unter Hypnose in Maggies türkisfarbene Augen, sodass er kaum mitbekam, was Tess gesagt hatte. „Danke“, sagte er schließlich und wandte sich zum Gehen.

„Verflixt“, fiel ihm beim Wegfahren ein. „Ich weiß gar nicht, wie die Rothaarige heißt.“

Er ist keineswegs ein grauhaariger Sergeant mit dickem Bauch, dachte Maggie, während sie Rance nachblickte. Im Gegenteil, er schien gut durchtrainiert zu sein. Das T-Shirt hatte seinen muskulösen Körper betont. Sein volles Haar war schwarz und begann an den Schläfen grau zu werden. Maggie versuchte, das Flattern in ihrem Magen zu ignorieren.

„Was für ein Mann!“, machte Tess ihrer Begeisterung Luft.

„Also hör mal, Tess“, ermahnte Maggie sie lachend. „Immerhin bist du glücklich verheiratet.“

„Das heißt noch lange nicht, dass ich mir keine Männer mehr ansehen darf.“ Sie musterte Maggie aufmerksam. „Er hat übrigens keinen Ehering getragen.“

„Typisch! Es fällt auch nur dir ein, bei einem Mann, der gerade deinen Sohn angeschnauzt hat, auf einen Ehering zu achten.“

Tess lachte. „Mir kannst du nichts vormachen. Glaubst du etwa, dass ich nicht bemerkt habe, wie interessiert du ihn angesehen hast?“

Maggie verdrehte die Augen. Doch sie musste sich eingestehen, dass Tess nicht ganz Unrecht hatte. Aber niemals hätte sie zugegeben, dass ihr der neue, gut aussehende Nachbar tatsächlich gefiel.

Unwillkürlich musste sie an seine schwarzen Augen denken, die zunächst vor Zorn geblitzt hatten. Eine angenehme Wärme durchströmte sie. Trotzdem sagte sie: „Wir wissen nichts über ihn. Wie kommst du eigentlich dazu, ihn einfach zu unserem Fest einzuladen?“

„Das gehört sich so unter Nachbarn.“

„Er ist nicht dein Nachbar“, widersprach Maggie. „Du hast dich wieder einmal eingemischt.“

„Ich wusste, dass er nicht kommen würde.“

„Wieso?“

„Weil seine Hündin kurz davor ist zu werfen, und dann die Farbe.“

„Er hat nichts davon gesagt, dass er beim Malen ist.“

„Du hättest die Farbe auf seinem T-Shirt auch bemerkt, wenn du nicht von seinen wunderbaren schwarzen Augen fasziniert gewesen wärst und mit ihm geflirtet hättest.“

„Ich habe nicht mit ihm geflirtet“, wehrte sich Maggie.

„Ich hatte einen anderen Eindruck. Aber warum auch nicht? Du brauchst einen Mann. Es ist nun über zwei Jahre her.“

„Ich brauche keinen Mann!“, empörte sich Maggie hitzig.

„Also gut, lassen wir das Thema“, gab Tess nach. „Trotzdem denke ich, dass Rance Montoya reelle Chancen bei dir hat.“

Maggie hob abwehrend die Hände. „Du bist unverbesserlich.“

Rance betrachtete die säugende Hündin. Er hatte ihr und ihren Welpen ein Lager in der Küche eingerichtet. Zum ersten Mal in seinem Leben hatte er eine Geburt erlebt. Die Hündin hatte ihn aus sanften braunen Augen angesehen, als er ihr ungeschickt helfen wollte, und hatte sich dann an ihre Aufgabe gemacht.

Zwei Stunden hatte es gedauert, bis die vier Jungen geboren waren. Natürlich war es für Rance nun völlig unmöglich, sich wieder von ihr zu trennen. Außerdem war es an der Zeit, ihr einen Namen zu geben. Nach längerem Nachdenken kam er auf Rusty.

Sie winselte und richtete ihre Augen sorgenvoll auf Rance und dann zum Fenster. Inzwischen war es dunkel. Waren die Nachbarn bei ihrem Fest beim Feuerwerk angelangt? Rance konnte keine Knallerei vernehmen, aber die Hündin verfügte natürlich über ein viel besseres Gehör.

Er tätschelte ihr sanft den Kopf. „Du heißt jetzt Rusty. Und ich werde immer gut für dich sorgen. Was hältst du davon?“

Die Hündin wedelte zustimmend mit dem Schwanz.

Rance schloss die Tür und das Fenster, die er weit geöffnet hatte, um die kühle Nachtluft hereinzulassen. So würde vielleicht auch Rusty nichts mehr von den Geräuschen wahrnehmen. Er trat auf die Veranda hinaus.

Die Popwells hatten mit dem Feuerwerk begonnen. Über dem Wald konnte Rance den bunten Widerschein sehen, doch hörte er keine Knallerei. Er lehnte sich an einen Holzpfosten der Veranda und beobachtete das Schauspiel. Ohne sich dessen bewusst zu sein, zog er ein Streichholz heraus und begann darauf herumzukauen. Eine schlechte Angewohnheit, aber immerhin gesünder als rauchen.

Das Feuerwerk dauerte fast eine halbe Stunde, aber Rance blieb noch länger im Dunkeln stehen. Er überlegte, wie es war, zu einer großen Familie zu gehören.

Aber nun hatte auch Rance sein Zuhause gefunden. Sein Traum war Wirklichkeit geworden, denn er hatte Hightower gekauft. Ein Geräusch von der Straße riss ihn aus seinen Gedanken. Autoscheinwerfer leuchteten durch die Bäume. Es folgten noch mehr Wagen. So viel Verkehr hatte es in den vergangenen Tagen nicht gegeben. Das Fest schien zu Ende zu sein.

Rance musste an die Familienmitglieder denken, die er bisher kennengelernt hatte. Die eine Schwester war groß und schlank, die andere kleiner, etwas fülliger und hatte eine rote Lockenmähne. Dann ihre Kinder. Die Ehemänner hatte er nicht kennengelernt.

Auch Rance hatte immer von einer Familie geträumt, doch zunächst hatte er alles darangesetzt, Hightower zu kaufen.

Und nun war die erste Frau, die sein Interesse erweckte, verheiratet. Nur mit Mühe konnte er den Gedanken an das glänzende rote Haar und die ungewöhnlichen türkisfarbenen Augen verdrängen. Er nahm das Streichholz und zerbrach es.

Rance wusste nicht, wie er mit den Empfindungen, die in ihm geweckt worden waren, fertig werden sollte. Er war noch nicht so weit, sein Leben mit jemandem zu teilen.

Erst musste er den Mann finden, der Luther Hightower um seine Zukunft betrogen hatte und Rance um seine Familie. Dabei wusste er nur, dass er Drake hieß und aus Mattison stammte. Nicht viel, aber es musste genügen.

2. KAPITEL

Maggie blickte aus dem Fenster und seufzte. Der Regen war nach der Trockenheit zwar ein Segen, doch langsam könnte er auch wieder aufhören. Bei Regenwetter gab es immer besonders viel in der Bücherei in Pittsville zu tun, wo sie arbeitete.

Sie war gerade dabei, zurückgegebene Bücher einzuordnen, als ihr neuer Nachbar durch die Eingangstür trat. Überrascht setzte sie den Bücherstapel ab.

Er blickte sich suchend um und ging dann zur Information, um ein Anmeldeformular auszufüllen. Maggie musterte ihn neugierig. In seiner dunkelgrauen Hose und dem blauen Poloshirt, das seine gebräunte Haut besonders gut zur Geltung brachte, wirkte er ganz anders als in seiner Arbeitskleidung. Wieder fiel ihr sein muskulöser Körperbau auf.

Plötzlich wurde Maggie bewusst, dass sie Rance regelrecht anstarrte. Sie wandte sich hastig ab und kehrte an ihre Arbeit zurück, auf die sie sich jedoch nicht richtig konzentrieren konnte. Als sie mit dem Einsortieren fertig war, konnte sie Rance nirgends mehr entdecken.

Sie setzte sich an ihren Schreibtisch, um die Neuanschaffungen zu katalogisieren. Eines war sicher: Am Ende ihrer Schicht würde sie die Personalien von Rance überprüfen. Schließlich wollte sie wissen, wer ihr neuer Nachbar war, woher er kam und was er tat.

Rance hatte sich vorgenommen, seine Suche in der Stadtbücherei zu beginnen. An der Information fragte er nach der Zeitungsabteilung. Bei seiner Suche konnte er jedoch nur aktuelle Ausgaben entdecken. Das half ihm nicht weiter.

Dann fiel sein Blick auf ein Schild: „Wenn Sie etwas nicht finden können, fragen Sie einfach uns. Es muss hier irgendwo sein!“

Ganz humorlos scheinen sie hier jedenfalls nicht zu sein, dachte Rance und ging wieder zur Information, an der die ältere Dame von vorhin saß. „Kann ich Ihnen behilflich sein, Mr. Montoya?“

„Ja …“ Rance schielte auf das Namensschild der Dame. „Mrs. Larson. Ich suche die alten Ausgaben des Pittsville Partners.“

„Tja, die Nachfrage danach ist nicht groß. Aber ich werde sehen, was ich für Sie tun kann.“ Mrs. Larson hievte ihre massige Gestalt vom Stuhl hoch und trat vor die Theke. „Wie weit möchten Sie zurückgehen?“

Rance sagte es ihr.

„Du liebe Zeit! Was suchen Sie denn so weit in der Vergangenheit?“

Sollte er sie einweihen? Eigentlich widerstrebte es ihm, etwas über seine Motive zu verraten. Aber als Besitzer von Hightower hatte er alles Recht, sich für die Vergangenheit des Hauses zu interessieren. „Ich habe gerade Hightower gekauft und bin nun einfach ein wenig neugierig.“

Auf Mrs. Larsons Gesicht zeigten sich die widersprüchlichsten Gefühle. „Dann haben Sie wohl schon gehört, dass es …“

„… dort spukt?“, fiel ihr Rance ins Wort. „Das Gerücht ist mir nicht neu.“

„Und haben Sie schon etwas bemerkt?“

„Nein, alles ist völlig normal. Das einzig Ungewöhnliche war eine streunende Hündin, die mich adoptiert hat.“

„Hoffentlich bleibt es dabei. Mehrere Familien, die sich dort niederlassen wollten, haben sich recht schnell wieder von dem Haus getrennt.“

„Auch davon habe ich gehört.“ In jedem Geschäft hatte man ihm davon erzählt, außer beim Makler.

„Seltsam, jetzt da Sie Hightower erwähnen, fällt mir ein, dass jemand Blumen auf Luther Hightowers Grab gelegt hat. Dreißig Jahre hat sich niemand darum gekümmert.“

Rance versuchte unbeteiligt zu wirken. Nie hätte er gedacht, dass seine kleine Geste bemerkt würde. „Haben Sie die Ausgaben, die ich brauche, Mrs. Larson?“, kam er wieder zum Thema.

„Das weiß ich gar nicht.“ Mrs. Larson war sichtlich verlegen. „Wissen Sie, unser Ablagesystem ist nicht gerade auf dem neuesten Stand. Die Zeitungen sind noch nicht elektronisch archiviert. Wir lagern sie einfach im Archiv.“ Sie sah Rance nachdenklich an. „Da fällt mir gerade ein, dass schon einmal Blumen auf Luthers Grab waren, und zwar damals, als Rose und der Junge wegzogen. Das war vor etwa dreißig Jahren.“

Eine Frau kam auf Mrs. Larson zu. „Entschuldigen Sie, ich muss meiner Kollegin helfen.“ Mrs. Larson eilte davon.

Rance wollte sich gerade enttäuscht auf den Weg machen, als sie wieder auf ihn zugeeilt kam und auf jemanden zeigte. Es war seine rothaarige Nachbarin.

„Hallo. Ich freue mich, Sie wieder zu sehen“, wandte sich Maggie an Rance.

„Oh, du kennst Mr. Montoya, Maggie?“, wunderte sich Mrs. Larson.

„Ja, er ist mein neuer Nachbar.“

„Ach, natürlich, ich habe ganz vergessen, dass du in der Nähe von Hightower wohnst.“

„Und wie geht es der Hündin?“ Maggie beachtete ihre Kollegin nicht weiter, ihre Aufmerksamkeit galt Rance.

„Bestens. Sie hat vier Junge bekommen.“

Mrs. Larson schaltete sich ein. „Dann kannst du deinem neuen Nachbarn behilflich sein, Maggie. Ich muss Mae Ellen helfen.“

„Womit kann ich Ihnen helfen, Mr. Montoya?“, fragte Maggie.

„Bleiben wir doch bei Rance. Mr. Montoya ist für mich immer noch mein Großvater.“ Er lächelte. „Und Ihr Name ist also Maggie. Dazu sind wir am Sonntag nicht mehr gekommen.“

Maggie streckte ihm die Hand entgegen. „Maggie Callahan. Freut mich, Sie nun offiziell kennen zu lernen.“ Es war ein angenehmes Gefühl, als Rance ihre Hand umschloss.

„Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“

„Also, womit kann ich Ihnen helfen?“, wiederholte Maggie. Sie wunderte sich, dass sie in normalem Ton sprechen konnte. Ihr Herz klopfte bis zum Hals.

„Mrs. Larson meinte, dass Sie mir einige alte Ausgaben des Pittsville Partner heraussuchen könnten.“

„Sicher. Sie sind im Lager hinten.“ Maggie wandte sich um. So konnte sie dem Blick seiner durchdringenden schwarzen Augen entgehen. „Ich hoffe, Sie haben keine Stauballergie.“

„Das dürfte kein Problem sein.“

„Für welches Jahr interessieren Sie sich?“

Rance nannte es ihr.

Maggie stöhnte auf. „Da können wir nur hoffen, dass die Zeitungen wenigstens der Reihenfolge nach geordnet sind.“

Sie gingen auf eine Tür zu, die Maggie aufschloss. Rance trat zuerst ein und machte Licht.

Autor

Bonnie Gardner
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