Eine zweite Chance für den Playboy?

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Als ihr verschollen geglaubter Ehemann nach acht Jahren wieder vor ihr steht, darf sich die bezaubernde Priya auf keinen Fall ihre widerstreitenden Gefühle anmerken lassen. Nicht nur, weil aus dem hilflosen Mädchen von damals eine stolze Unternehmerin geworden ist. Sie muss Christian freigeben, schließlich verbindet sie außer einer einzigen Liebesnacht nur eine arrangierte Zweckehe. An eine zweite Chance mit dem freiheitsliebenden IT-Milliardär darf sie nicht mal denken. Denn es gilt, noch viel mehr zu schützen als nur ihr Herz …


  • Erscheinungstag 03.05.2022
  • Bandnummer 092022
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509671
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich denke, wir sollten heiraten.“

Priya Pillai sah von ihrem Computer auf. Christian Mikkelsen lehnte an ihrem Schreibtisch und sah sie aus tiefblauen Augen an. Sein Tonfall klang so beiläufig, als würde er fragen, ob sie ihn zu einer Konferenz in der Schweiz begleiten wollte.

Bei dem Vorschlag klopfte ihr Herz schneller. Normalerweise blitzten seine Augen vor Energie, aber heute sah sie Entschlossenheit darin.

Christian war ein genialer Computerprogrammierer, aber auch ein hoffnungsloser Playboy. Außerdem war er nicht nur der Firmenchef von Modi und Mikkelsen Tech und ihr Boss, sondern auch der beste Freund ihres verstorbenen Verlobten.

Jetzt lehnte er lässig an ihrer Schreibtischkante, seine muskulösen Arme vor der breiten Brust verschränkt. Kein Mann, den man einfach ignorieren konnte.

Wie so oft hielt er ein Stück Holz und einen Meißel in den Händen. Während er an der kleinen Skulptur schnitzte, wanderte sein Blick zwischen dem Holz und ihrem Gesicht hin und her.

Anfangs hatte es sie nervös gemacht, wenn er sie während der Arbeit ansah und kleine Holzskulpturen nach ihrem Abbild schnitzte. Aber ihr Verlobter Jai hatte einmal erwähnt, dass Christian besser nachdenken konnte, wenn er seine Hände beschäftigte.

Wenn es um Zahlen und Computercodes ging, war Christian ein Genie. Er sah Muster und Zusammenhänge, wo niemand anders sie fand.

Aber erst als Priya die kleine Skulptur gesehen hatte, die er nach dem Abbild von Jais Gesicht geschnitzt hatte, wurde ihr klar, wie viel mehr in ihm steckte. Viel mehr als nur gutes Aussehen, umwerfender Charme und ein messerscharfer Verstand.

Sie schüttelte den Kopf, um die unpassenden Gedanken zu vertreiben, und konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit. Es fehlten nur noch wenige Zahlen, um endlich das Computerprogramm fertigzustellen, an dem sie seit Tagen arbeitete. Sie trank einen Schluck Kaffee und drückte die Eingabetaste. Erst dann wandte sie sich wieder zu Christian.

„Es ist zu früh am Morgen für deine Scherze.“ Sie bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall. Auf keinen Fall durfte er merken, wie sehr er sie aus der Fassung brachte. Jeden Tag faszinierte er sie mehr … Sein Gesicht. Seine Gesten. Die Ausstrahlung von purer Kraft und Energie.

Wie immer war er makellos gekleidet. Heute trug er einen maßgeschneiderten grauen Anzug und die blaue Krawatte, die sie ihm vor zwei Jahren zu Weihnachten geschenkt hatte. Aber sie bemerkte dunkelblonde Stoppeln auf seinem Kinn und tiefe Schatten unter seinen Augen.

Aus wessen Bett war er heute Morgen gefallen? Hatte er bei dem Supermodel Stella geschlafen oder bei der Fußballspielerin Ellen?

Christian war ein rastloser Playboy. Jeden Tag interessierte er sich für eine andere Frau und blieb nie länger als einige Wochen bei einer Affäre.

„Warum siehst du mich so an?“ Er hob eine Braue und fuhr mit einer Hand über sein stoppeliges Kinn.

Wie gerne würde sie der Linie seiner Augenbrauen mit ihrem Finger folgen. Sie unterdrückte ein Seufzen und wandte den Blick ab. Was stimmte nicht mit ihr? Woher kamen all diese seltsamen Gedanken? Seit wann dachte sie darüber nach, welchen Typ Frau Christian mochte?

Vor Jais Tod hatte ihre Mutter endlich aufgehört, sich jeden Tag in das Leben ihrer Tochter einzumischen. Endlich hatte Mama sich weniger Sorgen um ihre Gesundheit gemacht. Seit ihrer Kindheit lebte Priya mit einem Herzfehler und war immer wieder ins Krankenhaus eingeliefert worden. Das hatte dazu geführt, dass ihre Mutter sie mit ihrer übertriebenen Sorge erdrückte.

Mit Jai an Priyas Seite war es dann besser geworden, doch nach seinem Tod war sie zusammengebrochen. Seitdem behandelte ihre Mutter sie wie eine zerbrechliche Vase, nicht wie einen Menschen aus Fleisch und Blut.

Nur Christian hatte ihre Trauer um Jai akzeptiert. Nur er hatte ihr den Raum gegeben, um ihren Verlobten zu weinen. Bei ihm musste sie nicht vorspielen, es ginge ihr gut, nur damit er sich wohler fühlte.

Er war derjenige gewesen, der ihr irgendwann den nötigen Anstoß gegeben hatte, wieder ins normale Leben zurückzukehren.

Jetzt arbeitete sie als Datenschutzbeauftragte für Modi und Mikkelsen Technologie, kurz MMT. Nachdem sie die Stelle angenommen hatte, war Priya aus dem Haus ihrer Eltern ausgezogen und teilte sich seitdem die Wohnung mit Christian.

Als Priya ihrer Mutter zum ersten Mal von dem Plan erzählt hatte, bei Christian einzuziehen, war diese entsetzt gewesen. Aber Christian konnte sie schnell beruhigen. Sein Wort bedeutete ihr mehr als das ihrer eigenen Tochter.

Zusammen mit ihm hatte Priya einige der Partys besucht, auf die Christian ständig eingeladen wurde. Dabei hatte sie sogar etwas Spaß gehabt. Aber niemals hätte sie gedacht, dass sie Gefühle für ihren Boss und Mitbewohner entwickeln würde.

Keine Sekunde lang hatte sie damit gerechnet, dass die gemeinsame Wohnung eine Nähe schaffen würde, nach der sie sich beide sehnten. Und vor der sie sich fürchteten.

Außerdem hatte sie vorher nicht darüber nachgedacht, dass sie jeden Tag sein Liebesleben mitverfolgen würde. Jede Nacht teilte er mit einer neuen Geliebten das Bett.

Nein, sie war nicht eifersüchtig. Denn das würde heißen, dass sie sich nach seiner Aufmerksamkeit sehnte. Und das tat sie nicht. Zumindest versuchte sie, sich das einzureden. Außerdem begriff sie, dass Christians wechselnde Affären nichts als ein Versuch waren, seine Einsamkeit zu vergessen.

Priya rieb mit einer Hand über ihre Schläfe. „Lass mich arbeiten, Christian. Im Gegensatz zu dir habe ich einen Boss – und der erwartet, dass ich arbeite.“

„Noch. Hast du es nicht gehört? Grandpa und die Vorstandsmitglieder suchen nach einem Grund, mich aus der Firma zu werfen.“

„Wie bitte? Das darf doch nicht wahr sein. Jai und du habt die Firma vor dem Ruin gerettet.“

„Der Vorstand ist der Meinung, ich werfe mit meinem Liebesleben ein schlechtes Licht auf das Geschäft. Jai und ich hätten unsere Firma allein führen sollen, statt sie in Großvaters Konzern einzugliedern. Dann würde das jetzt nicht passieren. Dabei ist MMT seit Jahren das Rückgrat von Mikkelsen Technologie.“ Er zuckte mit den Schultern. „Ich glaube, der alte Chatsworth hat Grandpa aufgestachelt. Er ärgert sich, weil ich mit seiner Tochter Schluss gemacht habe.“

Bei der Erwähnung seiner Affäre blitzte Priya ihn an. Dass sie ihn verstand, hieß nicht, dass sie die Affären guthieß. Doch sie konnte nie lange ärgerlich auf Christian sein. Sobald sie das charmante Funkeln in seinen Augen sah, musste sie lachen. Schon früher hatte er sie mit Leichtigkeit zum Lachen gebracht.

„Ach komm schon, Pree. Ist es meine Schuld, dass Samantha nach einem Monat Beziehung denkt, ich mache ihr einen Heiratsantrag? Sie ist eine schöne intelligente Frau, aber sie kennt doch meinen Ruf. Außerdem war sie diejenige, die mich verführt hat.“

Priya schüttelte den Kopf. Nach Jais Unfall hatte sie sich monatelang von der Welt zurückgezogen. Christian dagegen war auf eine Party nach der anderen gegangen. Schon vorher war er ein unverbesserlicher Playboy gewesen. Aber ohne seinen verlässlichen, vernünftigen besten Freund an seiner Seite wurde er wilder und wilder. Kein Wunder, dass Mr. Mikkelsen drohte, ihn aus der Firma zu werfen.

Denn die Firma war das Einzige, was Christian noch etwas bedeutete. Die Softwarefirma, die Jai und er während ihrer Schulzeit und später an der Universität zusammen aufgebaut hatten.

„Auch wenn ich dir zustimme, dass Miss Chatsworth etwas Besseres verdient, hat sie vielleicht etwas Liebenswertes in dir gesehen, Christian.“ Priya lächelte. „Größere Wunder geschehen.“

„Jetzt machst du dich über mich lustig.“ Er tat übertrieben verletzt, doch als er sie anschaute, sah sie die Wärme in seinen blauen Augen. „Aber ich muss Großvaters Drohung ernst nehmen. Und du bist die Einzige, die mich retten kann.“

Verständnislos sah sie ihn an. „Dich retten? Ich? Dafür bin ich zu realistisch.“

„Heißt das, du stimmst mir zu, dass ich gerettet werden muss?“

Plötzlich kam es Priya vor, als wäre aus seinem Spaß Ernst geworden. In seiner Frage hörte sie einen Hunger, ein Bedürfnis, über das sie nicht länger nachdenken wollte.

Sie wich seinem Blick aus und tat, als müsste sie ihren Schreibtisch aufräumen. Aber sie spürte, dass er sie ansah. Auf ihre Antwort wartete.

„Wenn du die Wahrheit wissen willst, dann kann ich Ben sogar ein bisschen verstehen“, sagte sie, ohne ihn anzuschauen. „In letzter Zeit wirkst du wirklich etwas … außer Kontrolle. Ich kann deinem Großvater keinen Vorwurf machen, wenn er sich um dich sorgt.“ Sie hob den Blick und sah in seine Augen. „Ohne deine Unterstützung weiß ich nicht, wie ich das letzte Jahr überstanden hätte, Christian.“

„Du hättest es überlebt.“

„Dann hast du mehr Vertrauen in mich, als ich selbst.“ Ohne darüber nachzudenken, nahm sie seine Hand. Bei der Berührung erwachte etwas tief in ihrem Inneren. Das Bedürfnis nach mehr. Schnell ließ sie seine Hand los. „Es tut mir leid, dass ich dir keine bessere Freundin gewesen bin. Dass mir nicht früher klar gewordenden ist, wie sehr auch du um Jai trauerst.“

Er fuhr mit einer Hand durch sein Haar und sah zur Seite. „Ich bin aber keins von Großvaters wertvollen Rennpferden, die er nach einem Rennen einfach zurück in den Stall führen kann.“

„Was wäre, wenn Jai hier wäre und dir das Gleiche sagen würde?“

„Ich habe kein Interesse daran, ein ruhiges Leben zu führen, Pree. Verdammt, ich bin erst vierundzwanzig Jahre alt.“ Er hielt ihren Blick fest. „Aber ich meinte es ernst, wir sollten heiraten. Das löst mehr als eins unserer Probleme.“

Als wollte das Universum seinen Worten mehr Nachdruck verleihen, klingelte in diesem Moment Priyas Handy. Auf dem Bildschirm stand die Telefonnummer ihrer Mutter. Schnell drehte sie das Handy um und ignorierte den Anruf. Irgendwann verstummte es.

Sofort starrten beide auf das Festnetztelefon auf ihrem Schreibtisch. Genau wie erwartet, klingelte es wenige Sekunden später.

Priya seufzte.

„Sag mir nicht, dass du dich nicht ein kleines bisschen geschmeichelt fühlst, dass du die erste Frau bist, der ich einen Heiratsantrag mache“, neckte er sie.

Priya klimperte übertrieben mit den Wimpern und legte eine Hand auf ihr Herz. „Wie konnte ich nur übersehen, welche Ehre Sie mir erweisen. Die erste Frau, der der unbezähmbare Christian Mikkelsen einen Heiratsantrag macht. Vielleicht lasse ich mir das auf ein T-Shirt drucken und trage es dann jeden Tag.“

„Das wäre auf jeden Fall eine Verbesserung.“ Er musterte vielsagend ihren beigefarbenen Hosenanzug.

Sie beugte sich näher zu ihm und legte eine Hand über ihren Mund, als wollte sie ihm ein Geheimnis anvertrauen. „Dein Antrag ist noch überarbeitungswürdig. Versuch es einfach weiter, vielleicht nimmt die zwanzigste Frau ihn an.“

Er stieß sich von ihrem Tisch ab und richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Bei der Bewegung fiel das gerahmte Foto von Jai um, das neben ihrem Computer stand.

Gleichzeitig streckten sie die Hände aus, um es aufzurichten. Ihre Finger berührten sich. Bei der Bewegung schien ein Stromstoß durch ihren Arm zu schießen. Hastig zog sie ihre Hand zurück.

Mit einem Mal war sie sich seiner Nähe viel zu bewusst. Sein männlich herber Duft stieg in ihre Nase, es kam ihr vor, als könnte sie seine Körperwärme spüren. Ihre Haut prickelte. Sie schluckte.

„Ich meine es ernst, Priya. Denk darüber nach.“

Bei seinem sachlichen Tonfall strömte Erleichterung durch Priyas Adern. Also hatte er ihre lächerliche Reaktion auf seine Berührung nicht bemerkt. Zum Glück hatten sich seine Gefühle ihr gegenüber nicht verändert.

Jahrelang war sie für ihn nur die schüchterne, unbeholfene Freundin von Jai gewesen. Später dann die Verlobte seines besten Freundes. Es machte ihr Angst, dass sie sich seit einiger Zeit zu Christian hingezogen fühlte. Es kam ihr wie ein Betrug an ihrem Verlobten vor. Auch wenn seit seinem Tod inzwischen ein Jahr vergangen war.

Zu Jais Lebzeiten hatte Christian ihr immer das Gefühl gegeben, als wäre sie für ihn eine etwas nervige kleine Schwester oder Cousine. Jemand, mit dem er nur redete, weil sie zur Familie gehörte. Oder in ihrem Fall zu seinem besten Freund.

Aber jetzt war Christian … ihr Freund.

Die Erkenntnis überraschte sie. In den letzten Monaten war er in ihrem Leben immer wichtiger geworden. Als sie sich monatelang von der Welt zurückgezogen hatte, war er derjenige gewesen, der sie gedrängt hatte, wieder zu arbeiten. Derjenige, der ihrer Mutter erklärte, dass Priya in ihrem neuen Job keine Zeit hatte, sie zehnmal am Tag anzurufen. Derjenige, der sie in seiner Wohnung aufnahm. Nach und nach hatte er ihr geholfen, einen Weg aus ihrer Trauer zu finden.

Unter der harten Schale und seinem unerbittlichen Charme versteckte Christian ein Herz aus Gold.

Vielleicht war es nur natürlich, dass ihre Trauer sie näher zusammengebracht hatte. Immerhin hatten sie beide Jai geliebt. Ihn angebetet. Aber diese Anziehung, die sie seit Neustem für Christian spürte, war die reinste Folter.

Wenn er nur das Geringste davon mitbekam, würde er für immer Witze darüber machen. Allein die Vorstellung ließ Hitze in ihre Wangen steigen.

„Erde an Priya“, riss er sie aus den Gedanken. „Worüber denkst du gerade nach?“ Seine vollen Lippen verzogen sich zu einem warmen Lächeln. Es verwandelte ihn von einem gut aussehendensehenden Mann in einen umwerfend attraktiven Mann.

Priya senkte den Blick, damit er die Sehnsucht in ihren Augen nicht sah. „Ich möchte die Dinge nicht noch komplizierter machen.“

„Das wird nicht passieren.“ Er seufzte. „Ich bin es leid, dass der Firmenvorstand mit allen Mitteln versucht, mich zu kontrollieren und zu lenken. Du weißt, das war selbst mit Jai an meiner Seite schon ein Problem. Wann immer wir MMT in eine neue Richtung lenken wollten, haben sie uns eine Million Gründe genannt, aus denen es angeblich nicht ging. Und du …“ Er verstummte mitten im Satz.

„Was ist mit mir?“ Priya hob ihr Kinn. Es machte ihr nichts aus, wenn er sie neckte und auf den Arm nahm. Aber sein Mitleid konnte sie nicht ertragen. „Du musst nicht meine Kämpfe für mich gewinnen, Christian. Zumindest jetzt nicht mehr.“

„Was wäre, wenn ich dein Schutzschild wäre? Wenn ich dir Raum zum Atmen verschaffe?“

Priya spürte eine ungute Ahnung. Das konnte nur eins bedeuten. „Mama hat dich schon wieder besucht?“

„Deine Eltern waren hier.“ Er räusperte sich. „Auf dem Weg ins Büro haben sie mich abgefangen. Deine Mutter hat mir erklärt, dass sie ihre Reise nach Indien absagen wollen. Sie haben kein gutes Gefühl dabei, dich allein zu lassen. Zumindest sieht deine Mutter das so. Dein Vater ist kein einziges Mal zu Wort gekommen.“

Priya schlug mit der flachen Hand auf ihren Schreibtisch und stand auf. „Sie planen die Feier in Indien schon seit zehn Jahren. Die ganze Familie kommt, sogar Mamas Schwester aus England und ihre Tante aus Australien. Verdammt. Wie kann ich ihr nur klarmachen, dass es mir gut geht? Dass ich keine Gefängniswärterin brauche?“

„Indem du mich heiratest.“ Christian trat einen Schritt auf sie zu. „Sieh mich an, Pree.“

Als sie nicht gehorchte, legte er einen Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht, bis sie in seine Augen sah.

Als hätte er sich verbrannt, trat er einen Schritt zurück. „Du vertraust mir, oder nicht?“

Sie glaubte einen Hauch von Schmerz in seiner Stimme zu hören. Nein, das war unmöglich. Es konnte nicht sein, dass ihm ihre Meinung so viel bedeutete. Und doch, je länger sie schwieg, desto dunkler wurden seine Augen.

„Natürlich vertraue ich dir.“ Sie wich seinem Blick aus. Es gab nur eine Person, der sie nicht traute, und das war sie selbst. Aber das durfte er auf keinen Fall merken. „Ich verstehe sogar, warum du es für eine gute Idee hältst“, sagte sie. „Aber ich …“

„Was ist es dann, Priya?“

Sie rieb mit einer Hand über ihren Bauch. Erst jetzt merkte sie, wie viel Angst ihr der Gedanke machte. „Also gut. In Ordnung. Lass es uns als Vernunftehe sehen. Ich unterschreibe jeden Ehevertrag, den du möchtest.“

„Bitte beleidige mich oder unsere Freundschaft nicht. Ich vertraue dir mit jedem einzelnen Cent, den ich besitze.“

Sie nickte. „Am Ende ist für mich nur wichtig …“ Als sie in seine Augen sah, kam es ihr vor, als flatterten tausend Schmetterlinge in ihrem Bauch. „Ich möchte dich nicht verlieren, Christian. Als Freund, meine ich. Ich könnte es nicht ertragen, wenn wir unsere … Freundschaft kaputtmachen.“

Sie hatte erwartet, dass er über ihre Sorge lachen würde. Sich darüber lustig machte. Oder ihr sagte, dass sie sich vollkommen umsonst sorgte. Dass es keinen Grund gab, aus dem sich etwas an ihrer Freundschaft ändern sollte.

Stattdessen nahm er sie in den Arm. Genau wie er es im Krankenhaus getan hatte, als sie nach Jais Tod zusammengebrochen war.

Priya vergrub das Gesicht in seinem Hemd und atmete tief seinen Duft ein. Gegen ihren Willen legte sie die Arme um ihn. Seine Wärme und männliche Stärke gaben ihr das Gefühl von Geborgenheit. Gleichzeitig fühlte sich sein Körper an ihrem furchtbar aufregend an.

Mit ihrer ganzen Willenskraft kämpfte sie gegen den Drang, sich enger an ihn zu schmiegen. Sie wollte mehr, so viel mehr.

„Ich verspreche dir, ich lasse nicht zu, dass irgendetwas zwischen uns kommt“, flüsterte er in ihr Ohr. Dann schob er sie von sich.

Seine Miene wirkte undurchdringlich, gefasst, ungerührt. Zeigte nichts von den Gefühlen, die sie gerade noch in seiner Stimme gehört hatte.

Das hier war der Christian, den die Welt kannte. Geschmeidig mit einer Prise Skrupellosigkeit.

„Ich lasse so schnell wie möglich einen standesamtlichen Termin festlegen.“

Sie nickte stumm.

„Halte dir einfach vor Augen, warum wir es tun, Pree. So können deine Eltern ihre Reise nach Indien ohne Schuldgefühle genießen. Mir hält es den Firmenvorstand vom Hals. Und du kannst friedlich weiter im Apartment leben und hast deine Ruhe. Wenn wir erst mal den Auftrag von Swiss Team angenommen haben, wirst du mich ein halbes Jahr lang sowieso kaum sehen.“

„Und was ist mit deinen Affären?“ Die Worte purzelten aus Priyas Mund, bevor sie sie zurückhalten konnte. Sie spürte, wie Röte in ihre Wangen stieg. „Vergiss einfach, dass ich das gerade gesagt habe. Es geht mich nichts an.“

„Bist du sicher?“ Seine Stimme klang so sanft, dass ein Schauer über ihren Rücken lief.

Sie nickte. Aber sie wusste nicht genau, wen sie damit überzeugen wollte. Wieder glaubte sie, diesen seltsamen Ausdruck in seinen Augen zu sehen. Als wollte er sie herausfordern, ihm die Frage zu stellen. „Natürlich bin ich mir sicher, Christian. Dein Liebesleben geht mich nichts an.“

Den restlichen Tag über fragte sie sich, ob das nicht der seltsamste Satz war, den eine Frau zu einem Mann sagen konnte, der ihr gerade einen Heiratsantrag gemacht hatte.

2. KAPITEL

Achteinhalb Jahre später drückte Priya Mikkelsen dem Taxifahrer einige Scheine in die Hand und stieg aus.

Während sie im strömenden Regen stand, spürte sie den Blick des Taxifahrers in ihrem Rücken. Wahrscheinlich fragte er sich, ob sie noch alle Sinne beisammen hatte. Immerhin trug sie weder eine Regenjacke noch einen Schirm, um sich vor dem Regen zu schützen. Nur ihr heller Kaschmirschal lag um ihre Schultern.

Wahrscheinlich fragte er sich auch, was sie bei einem der teuersten Anwesen in ganz Nordamerika zu suchen hatte. Bestimmt glaubte er nicht, dass dies ihr Zuhause war.

Aber das interessierte sie nicht. Heute war sie keine Mutter, die für ihren siebenjährigen Sohn ein Lächeln aufsetzen musste. Heute war sie nicht die Tochter, die jeden Tag ihre übervorsichtige besorgte Mama beruhigen musste.

Oder die Frau, die sich um den Großvater ihres verstorbenen Ehemannes kümmern musste. Heute war sie nicht die Firmenchefin eines gigantischen Technologiekonzerns, die sich täglich mit dem Firmenvorstand und dem habgierigen Cousin ihres verstorbenen Mannes auseinandersetzen musste.

Heute war sie einfach nur Priya. Eine Frau voller Einsamkeit. So einsam, dass das Gefühl jeden einzelnen Atemzug begleitete.

Sie drückte den Daumen ihrer rechten Hand auf das elektronische Schloss am Eingang, und die riesigen Tore öffneten sich. Hinter sich hörte sie, wie das Taxi drehte und davonfuhr.

Auf ihren hochhackigen Schuhen ging sie den Weg hinauf. Die Regentropfen durchnässten den Schal und ihr Kleid.

Wenn Mama sie jetzt sehen könnte … Priya lachte laut auf.

Mama würde sich fragen, ob ihre ruhige, besonnene Tochter den Verstand verloren hatte. Wahrscheinlich würde sie sie erst zu einem Therapeuten und danach zu einem Heiratsvermittler schleppen. Nicht, dass eine Therapie eine schlechte Idee wäre.

Leider konnte kein Therapeut der Welt ihr Problem lösen.

Ihre Einsamkeit und Sorgen mit ihrer Mutter zu teilen, wäre schön. Aber Mama würde ihr nicht einfach zuhören, wenn sie über ihre Sorgen reden wollte. Nein, sie würde mit aller Macht nach einer Lösung für ihre Probleme suchen.

Und das hieß, dass sie für Priya eine Ehe arrangieren würde. Aber Priya wollte keinen Ehemann. Sie wollte keine Beziehung und all das Leid, das damit verbunden war. Sie wollte keinen Mann, der ihr Leben genauso bestimmen wollte, wie es ihre Mutter tat.

Stattdessen sehnte sie sich nach etwas anderem. Nach … einem Flirt. Sie wünschte sich Blicke, die ein Feuer in ihrem Inneren entzündeten, wollte Küsse, körperliche Nähe – und Sex, ja. Das gab sie zu.

Sich wie eine Frau zu fühlen, das war ihr Wunsch. Nicht wie eine Mutter oder Tochter oder Enkelin oder Firmenmanagerin.

Sie sehnte sich nach einer sündigen Nacht der Verführung. Nach Nähe. Wärme. Nach männlicher Haut unter ihren Fingern. Nach breiten Schultern und harten Muskeln.

Um genau zu sein, sehnte sie sich nach einem ganz bestimmten Mann. Einem Mann mit blauen Augen und dunkelblondem Haar. Das Gesicht, das vor ihrem inneren Auge aufstieg, sollte sie nicht überraschen. Aber das tat es trotzdem.

Christian war ein umwerfend gut aussehender Mann gewesen. Aber mehr noch, ihn hatte eine Aura umgeben. Ein Magnetismus, der die Menschen in seinen Bann zog. Eine Lebenslust, die Priya bezaubert, ihr aber auch Angst gemacht hatte.

Eigentlich war es nicht weiter verwunderlich, dass sie sein Bild immer wieder vor sich sah. Auch wenn er ihr in ihrer kurzen Ehe gründlich aus dem Weg gegangen war. Es hatte sie selbst überrascht, wie gut es ihr gefiel, seine Ehefrau zu sein. Bis sie es plötzlich nicht mehr war.

Und genau das versuchte sie jetzt. Mit kleinen Schritten das Gefühl wiederzufinden, am Leben zu sein.

Aber die Chance, einen Mann zu finden, dem sie genug vertrauen konnte, um ihm ihre innersten Gefühle zu zeigen, vor dem sie sich verwundbar zeigen konnte … war mehr als gering.

War es denn zu viel verlangt, sich wenigstens einen Abend lang ein gutes Gespräch zu wünschen? War es eine zu große Hoffnung, dass wenigstens einer der Männer, die sie über das Internet kennenlernte, nicht entweder todlangweilig oder entsetzlich von sich selbst überzeugt war? Oder lag der Fehler bei ihr?

Vielleicht besaß sie zu viele Erwartungen. Vielleicht waren ihre Wünsche unverschämt, zu viel verlangt. Immerhin hatte sie in ihrem Leben zwei wundervolle Männer an ihrer Seite gehabt. Vielleicht war das alles, was ihr zugedacht war. Auch, wenn sie beide verloren hatte.

Trauer war ein seltsames Gefühl. Es hatte sie zerstört und ihr Leben verändert. Nicht einmal, sondern zweimal. Als Christians Flugzeug abgestürzt war, hatte sie die Trauer in eine Ecke ihres Herzens verbannt und sich gezwungen, weiterzumachen.

Sie hatte nicht nur einen Technologiekonzern geerbt, sondern einen Großvater, der um seinen geliebten Enkel trauerte.

Nach der Geburt ihres Sohnes hatte ihr Baby sie gebraucht. Mutter zu werden, noch dazu ohne Mann an ihrer Seite, stellte ihr ganzes Leben auf den Kopf. Es war eine Herausforderung, die sie nie vorhergesehen hatte, aber sie war daran gewachsen.

Jetzt überflutete Priya ihre Trauer und drohte, sie in die Knie zu zwingen. Vielleicht lag es daran, dass Christian in dieser Woche seit genau acht Jahren nicht mehr an ihrer Seite war. Oder daran, dass ihr Sohn immer öfter nach seinem Vater fragte. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie niemals zugegeben hatte, wie viel Christian ihr bedeutete. Nicht einmal vor sich selbst.

Durchnässt bis auf die Haut, begann sie zu zittern. Tränen perlten über ihre Wangen und mischten sich mit dem Regen. Als sie das Haus erreichte, flackerte das Licht des Bewegungssensors. Die Außenlampen schalteten sich ein und erleuchteten den Brunnen, den Innenhof und die riesigen Stufen, an deren Seiten majestätische Säulen standen.

Sie blieb stehen und atmete tief ein. Der kalte Regen traf auf ihre Haut wie tausend kleine Nadelstiche. Dann sah sie ihn dort stehen. Die Lichter erhellten sein Gesicht.

Die gebogene Nase, die dunkelblonden Augenbrauen, das glitzernde Blau seiner Augen. Sein regennasses Haar und dieser sinnliche, volle Mund, teilweise verdeckt von einem Bart … Aber er war es.

Christian. Er wartete auf sie. Starrte sie an.

Eine fiebrige Hitze stieg in ihrem Körper auf, aber das hatte nichts mit dem kalten Regen zu tun. Wie tief ging ihre Sehnsucht, damit sie einen längst verschwundenen Mann vor sich stehen sah, als wäre er wieder zum Leben erwacht? Als könnte sie die Hand ausstrecken und ihn berühren.

„Pree.“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.

Er war es wirklich. Nur Christian nannte sie so.

Autor

Tara Pammi
<p>Tara schreibt sexy Romanzen mit anbetungswürdigen Helden und sexy Heldinnen. Ihre Heldinnen sind manchmal laut und rebellisch und manchmal schüchtern und nerdig, aber jede von ihnen findet ihren perfekten Helden. Denn jede Frau verdient eine Liebesgeschichte! Tara lebt in Texas mit ihrem ganz persönlichen Helden und zwei Heldinnen in der...
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