Friesenknöllchen mit Meerblick

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Friesennerz und Küstenküche: Sankt Peter-Ording war noch nie so lecker wie bei der Erfolgsautorin Tanja Janz

Friesenknöllchen sind das beliebteste Essen im gemütlichen Restaurant "Deichfürst". Mit ihm haben Martina und Björn sich einen Traum erfüllt: Ein eigenes Restaurant in einem der berühmten Pfahlbauten am Strand von Sankt Peter-Ording. Neben den Kartoffeln mit Dip gibt es aber auch gehobene Küche zu genießen. Als im Haus nebenan jedoch die Systemgastronomie einzieht, ist die wunderbare Lokalität bedroht. Das Paar ist entschlossen zu kämpfen, für ihre Gäste und für ihren Traum.


  • Erscheinungstag 15.09.2016
  • ISBN / Artikelnummer 9783955766252
  • Seitenanzahl 70
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Tanja Janz

Friesenknöllchen mit Meerblick

MIRA® TASCHENBUCH

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der HarperCollins Germany GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2016 by MIRA Taschenbuch

in der HarperCollins Germany GmbH

Deutsche Originalausgabe

Copyright © 2016 by Tanja Janz

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: büropecher, Köln

Titelabbildung: Thinkstock

Redaktion: Eva Wallbaum

E-Book ISBN 978-3-95576-625-2

www.harpercollins.de

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eBook-Herstellung:

readbox publishing, Dortmund

www.readbox.net

1. KAPITEL

Martina hatte es eilig. Nachdem sie einen Korb voll frischen Biogemüses bei Bauer Matthießen erstanden hatte, brauste sie mit ihrem Kombi in flottem Tempo die von saftigen grünen Weidenwiesen gesäumte Landstraße entlang und passierte bald das gelbe Ortseingangsschild von St. Peter-Ording.

Martina lebte zusammen mit ihrem Mann Björn und ihren Zwillingstöchtern Lisa und Kim in einem roten Backsteinhaus im Ortsteil Dorf des beliebten Urlaubsortes an der nordfriesischen Küste. Martina und Björn waren waschechte St. Peteraner und hatten sich schon damals im Kindergarten aus Sympathie den Sandkastenkuchen geteilt und manchmal auch die Plastikschippen gegenseitig auf die Köpfe gehauen. Einige Jahre später hatte ihr Bruder Tim mit Björn in derselben Fußballmannschaft gespielt und Martina Gefallen an dem selbstbewussten Stürmer gefunden. Sie hatte sich damals keine Gelegenheit entgehen lassen, die Mannschaft bei ihren Spielen lauthals anzufeuern. Aus der Sandkastenfreundschaft war Liebe geworden, dann der Bund der Ehe und zwei Jahre später die Geburt der Zwillinge.

Martina parkte den Kombi in der Autoeinfahrt neben ihrem Haus, öffnete die Garagentür und rollte einen großen hölzernen Bollerwagen heraus. Sie packte gerade Tomaten, Gurken, frischen Feldsalat, Möhren, Kartoffeln, Spinat und Zwiebeln in kleine Kisten, um sie dann in das Wägelchen zu räumen, als ihr Nachbar, der alte Hennes Farmsen, mit seinem klapprigen Hollandrad um die Straßenecke bog. Als er sie erblickte, hob er eine Hand zum Gruß, wobei das Rad bedenklich hin und her wackelte. „Moin Martina“, rief er lautstark und vergaß dabei, sich zu vergewissern, ob die Straße frei war. Bevor Martina ihn warnen konnte, war es schon geschehen: Ein gelber VW Beetle konnte nicht mehr rechtzeitig ausweichen und erwischte den Vorderreifen von Hennes Farmsens Hollandrad. Der alte Mann stürzte zu Boden, und der VW kam wenige Meter weiter mit quietschenden Reifen zum Stehen. Martina ließ die Kartoffeln achtlos in den Bollerwagen fallen und eilte zu ihrem Nachbarn, der auf der Straße lag und sich mit schmerzverzerrtem Gesicht das rechte Handgelenk hielt, das verdächtig verdreht aussah.

„Ah! Mein Handgelenk! So ein verdammtes Pech! Dabei wollte ich mich doch nur aufstützen, um den Sturz abzufangen“, fluchte der Mann.

Martina kniete sich neben ihn. „Hättest du das mal besser nicht gemacht, Hennes. Dein Handgelenk sieht ziemlich böse aus. Tut dir sonst noch was weh?“

Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich glaub nicht.“

„Du machst aber auch Sachen! Einfach auf die Straße zu fahren, ohne nach links und rechts zu schauen! Kannst du aufstehen?“ Martina lehnte das zerbeulte Rad an einen Laternenmast, um dann ihrem Nachbarn auf die Beine und von der Straße zu helfen, ehe ein weiteres Fahrzeug angedüst kam und ihm womöglich noch bei allem Unglück über das Bein fuhr.

„Ich wollte dir nur Moin sagen“, brachte Hennes Farmsen nun zu seiner Verteidigung vor, während er sich mit Martinas Hilfe aufrichtete.

Die Fahrerin des Beetles stürmte nun ebenfalls zu ihnen und ließ im Eifer des Gefechts dabei die Fahrertür einfach sperrangelweit offen stehen. Sie wedelte aufgeregt mit einem Smartphone in ihrer Hand hin und her. Ihre überdimensional große Sonnenbrille war ihr auf die Nasenspitze verrutscht. „Meine Güte! Ich habe Sie viel zu spät gesehen, sonst hätte ich doch gebremst. Ich bin hier auf Urlaub und noch nicht ganz ortskundig“, rief die Frau völlig aufgelöst. Ihr schien gar nicht in den Sinn zu kommen, dass sie womöglich im Recht gewesen und Vorfahrt gehabt hatte, ortskundig oder nicht, und Martinas Nachbar schlichtweg die Straßenverkehrsregeln missachtet hatte. „Sind Sie verletzt? Brauchen Sie einen Arzt?“, fragte die Autofahrerin. In ihrer Aufregung hatte sie wohl noch keinen Blick auf das verletzte Handgelenk geworfen.

„Nee, nee. Kein Arzt. Ist nur eine Schramme. Das geht schon“, antwortete der alte Mann und ignorierte dabei die Tatsache, dass sein Handgelenk mittlerweile so dick angeschwollen war, dass es aussah, als gehörte es nicht zu seinem restlichen Körper.

„Jetzt mach mal ’nen Punkt, Hennes! Du spinnst doch!“, warf Martina entrüstet ein. „Natürlich brauchst du einen Arzt.“

„Ich kann Sie ins Krankenhaus bringen“, bot die Frau sogleich an.

„Nicht nötig. Das übernehme ich“, entgegnete Martina und bereute das Gesagte schon im nächsten Moment. Nicht dass sie nicht hilfsbereit war, doch mit einem Blick auf ihre Armbanduhr stellte sie fest, dass sie nicht nur spät, sondern mittlerweile schon viel zu spät dran war. Björn würde ihr den Hals umdrehen. Ging es um seine Gäste im Deichfürsten, dem Restaurant, das sie gemeinsam am Böhler Strand führten, kannte er kein Pardon. Doch Hennes war nun mal ein Notfall, und Notfälle gingen immer vor, auch vor zahlender Kundschaft! Dann mussten die Gäste eben mal auf Friesenknöllchen, die Spezialität des Hauses, verzichten. Oder etwas später wiederkommen.

Nachdem sie Name, Adresse und Telefonnummer mit der Autofahrerin ausgetauscht hatten, verstaute Martina das zuvor gekaufte Gemüse samt Bollerwagen wieder in der Garage und schnallte stattdessen Hennes Farmsen auf dem Beifahrersitz ihres Kombis fest, da er dies aufgrund seines Handgelenks (das inzwischen mehr aussah wie ein verbeulter Elefantenfuß) nicht mehr allein schaffte.

Sie fischte ihr Handy aus dem Handschuhfach. „Ich sage Björn kurz Bescheid, was passiert ist – und dass ich jetzt zuerst mit dir nach Tönning in die Notaufnahme fahre, bevor ich zum Deichfürsten gehe.“

„Pfft. Notaufnahme. Wie dramatisch sich das schon anhört!“ Hennes Farmsen schnaubte abfällig. „Ist doch nur ein Kratzer. Du kannst Björn ruhig sagen, dass er sich keine Sorgen machen muss. Die Türklinke in der Küche repariere ich nachher trotzdem.“

Martina schüttelte den Kopf ob des Gedankens, Hennes könnte in der nächsten Zeit auch nur irgendeine Tätigkeit ausführen, bei der er zwei Hände brauchte – gesunde Hände, wohlgemerkt. Hennes übernahm gerne kleine hausmeisterliche Tätigkeiten in ihrem Restaurant, doch um eine defekte Klinke an der Küchentür sollte er sich im Moment wirklich die allerwenigsten Sorgen machen. „Das werden wir sehen. Zuallererst musst du wieder repariert werden.“

Im Krankenhaus stellte sich heraus, was Martina schon vermutet hatte: Hennes’ Handgelenk war gebrochen. Sogar mehrfach gebrochen, sodass er im Krankenhaus bleiben und operiert werden musste. Hennes gab Martina seinen Haustürschlüssel mit, damit sie ihm später das Nötigste für die kommenden Tage in die Klinik bringen konnte. Doch zunächst musste sie endlich die Lebensmittel zu Björn in das Restaurant im Pfahlbau an den Strand schaffen. Ihr Mann saß auf heißen Kohlen und hatte schon mehrmals per SMS nachgefragt, wie lange es noch dauern würde. Martina konnte seine Ungeduld nur allzu gut verstehen. Warum musste sich Hennes auch ausgerechnet an diesem Tag verletzen? Es war Juli, mitten im Sommer und noch dazu Hochsaison. Die Sonne strahlte von einem nahezu wolkenlosen Himmel und in St. Peter-Ording waren alle Betten mit Urlaubern belegt. Der Deichfürst war ein beliebtes Ziel für Touristen, sowohl zur Mittags- als auch zur Abendzeit. Wenn die angebotenen Speisen auch hochpreisiger waren als in manch anderen Restaurants in St. Peter-Ording, würde das Restaurant doch vermutlich mal wieder bis auf den letzten Platz ausgebucht sein. Wenigstens waren Lisa und Kim mit ihrer Klasse an diesem Tag zu einem Schulausflug aufgebrochen, sodass sie erst am späten Nachmittag zurück sein würden und Martina sich nicht auch noch Gedanken darüber machen musste, wie sie es zeitlich schaffen sollte, ihre Töchter von der Schule abzuholen. Manchmal machte sich Martina allerdings Sorgen, ob ihre Töchter nicht etwas zu kurz kamen, seitdem sie und Björn sich ihren Traum vom eigenen Restaurant am Strand von St. Peter-Ording erfüllt hatten. Doch die Tatsache, dass ihre Zwillinge Lisa und Kim nach den Sommerferien von der Grundschule auf das Gymnasium wechseln würden, machte sie nicht nur stolz, sondern beruhigte sie und zeigte ihr auch gleichzeitig, dass sie und Björn ihre Töchter zu recht selbstständigen Mädchen erzogen hatten, die gegenseitig darauf achteten, stets alle Hausaufgaben zu erledigen.

Martina parkte den Kombi vor der Garage. Sie packte das restliche Gemüse in den Bollerwagen und war schon wieder halb zum Wagen gegangen, als ihr einfiel, dass sie fast das Wichtigste vergessen hätte: den selbst gemachten Inselkäse, ohne den sie den Gästen die beliebten Friesenknöllchen nicht servieren konnten.

Sie konnte nicht sagen, wie oft Gäste schon versucht hatten, ihr das Rezept für den Käse zu entlocken. Ein Ehepaar, das sich als Eigentümer einer Käserei herausgestellt hatte, war besonders hartnäckig gewesen: Jeden Tag waren die beiden zum Essen gekommen und hatten wieder und wieder nach dem Rezept gefragt. Am Ende hatten sie Martina und Björn sogar eine hohe Geldsumme geboten, um die Rezeptur zu erfahren, die sie dann für ein neues Produkt verwenden wollten. Doch Martina und Björn blieben standhaft: Für kein Geld der Welt würden sie ihr Geheimrezept verkaufen. Es hieß ja nicht umsonst Geheimrezept.

Martina eilte zu dem großen Kühlschrank, der in einer Ecke der geräumigen Garage untergebracht war, um zwei Schüsseln von der Frischkäsezubereitung zu holen. Eigentlich wurde die überdachte Parkmöglichkeit mehr als Lagerraum denn als Parkmöglichkeit benutzt, der Kombi parkte jedenfalls ausschließlich in der Einfahrt. Als Martina mit den Schüsseln in der Hand zu dem Wägelchen zurückkam, thronte eine Katze auf den Kisten.

„Das war ja klar, dass du wieder aufpassen musst, Paul“, sagte Martina. „Nun geh mal ein Stück zur Seite.“

Erst als Martina die erste Schüssel auf eine der Kisten gestellt hatte, sprang der Kater schließlich widerwillig aus dem Wägelchen. Das war ihm zu ungemütlich, da verzog er sich doch lieber auf die Bank im Garten, um in der Sonne zu dösen oder vielleicht ein paar Goldfische zu ärgern. Martina schaute dem Tier hinterher, das nun zielstrebig, hocherhobenen Schwanzes um die Ecke, in Richtung Gartenteich, bog.

Als Martina den Bollerwagen über den Holzsteg zum Restaurant zog, war es schon nach dreizehn Uhr. Sie blieb einen Moment stehen, um zu verschnaufen. Sie hatte den voll beladenen Wagen den ganzen Weg vom Ortsteil Dorf bis an den Böhler Strand gezogen. Das war nicht ohne, dachte sie und rieb sich über ihre vor Anstrengung brennenden Arme. Dann legte sie eine Hand an die Stirn, um das Sonnenlicht abzuschirmen und besser zum Deichfürsten hinüberschauen zu können. Wie erwartet war die Terrasse voll besetzt mit Gästen. Sie konnte sich ausmalen, wie ihr Ehemann in der Küche rotierte und ihre Ankunft mit dem frischen Gemüse und dem Inselkäse sehnsüchtig erwartete. Selbstverständlich wurden die meisten Getränke und Lebensmittel direkt zum Deichfürsten geliefert, doch es gab bestimmte Gerichte, die ausschließlich aus den Zutaten vom Biobauern zubereitet wurden, um deren Auswahl und Einkauf sich stets Martina kümmerte. Dazu gehörte auch die Spezialität des Hauses: Friesenknöllchen, kleine mit Pesto marinierte Kartöffelchen, die zusammen mit Cherrytomaten, Spinat und Martinas Inselkäse serviert wurden und sich längst von einem Geheimtipp zu einer Art „Institution“ gemausert hatten. Viele Gäste kamen ausschließlich wegen der Friesenknöllchen und natürlich wegen des wundervollen Meerblicks, den sie während des Verzehrs von der Terrasse aus genießen konnten. Martina ließ ihren Blick nach links schweifen. Neben dem Deichfürsten existierte noch ein weiterer Pfahlbau, in dem das alteingesessene Café Sandkuchen untergebracht war. Dort saßen ebenfalls jede Menge Gäste auf der Außenterrasse. Das Café Sandkuchen war um diese Uhrzeit besonders bei Langschläfern beliebt, die dort bis fünfzehn Uhr ein Spätaufsteher-Frühstück genießen konnten, während im Deichfürsten das Mittagsmenü serviert wurde. Beide Gastronomien kamen sich durch das unterschiedliche Angebot nicht in die Quere und existierten in trauter Nachbarschaft nebeneinander.

Martina blickte noch einmal über den Strand zum Meer hinüber, das in der Ferne im Sonnenlicht glitzerte. Schließlich zog sie den Wagen auf dem Steg bis zu den ersten Treppenstufen weiter, die zum Restaurant hinaufführten. Nun ging es mit dem Bollerwagen nicht weiter; ab hier musste die Ware zum Restaurant hochgeschleppt werden. Sie stellte die Kisten und Schüssel auf der untersten Holzstufe ab und überlegte, wie oft sie wohl rauf und runter laufen musste, um alles ins Restaurant zu schaffen. Doch sie hatte Glück: Boje, einer ihrer Saisonkräfte im Service, hatte sie bereits kommen sehen und half ihr zusammen mit einem anderen jungen Kellner, die Lebensmittel hinauf zu transportieren. Zusammen mussten sie nur zwei Mal gehen.

Björn stand in kompletter Kochmontur an der Arbeitsfläche und würzte gerade ein Fischfilet, als Martina mit einer Gemüsekiste die Küche betrat. „Moin Chef.“

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