Gefährlich süße Küsse

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Blumen, Heim und eine Familie - davon träumt die hübsche Floristin Maddy, seit sie denken kann. Doch seit Bryon mit ihr Schluss gemacht hat, ist ein Teil ihres Traums zerstört. Zum Glück gibt es einen neuen Mann: den Auslandskorrespondenten Rick Lawson. Keine Frage, er ist verrückt nach ihr. Aber Maddy hat zu Recht Bedenken, ob sie in sein abenteuerliches Leben passt …


  • Erscheinungstag 25.08.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733759124
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Nur noch ein kleines bisschen höher. Maddy Delancy balancierte auf der Stehleiter. Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellte, würde sie es schaffen, den üppig mit Grünpflanzen gefüllten Korb am Deckenhaken aufzuhängen – und ihre Schaufensterdekoration wäre perfekt!

Es war der reinste Drahtseilakt. Die Leiter schwankte bedrohlich, als Maddy bei einem flüchtigen Blick durchs Schaufenster den besorgten Gesichtsausdruck eines Mannes wahrnahm. Für einen kurzen Moment schoss ihr durch den Kopf, dass sie in die Tiefe gerissen werden und durch das Schaufenster stürzen könnte.

Zu ihrer großen Erleichterung behielt sie das Gleichgewicht, und die Kette mit dem Korb hing schließlich am Haken. Maddy stieg wieder hinunter und sah, wie der Mann durch den mit Rosengirlanden geschmückten Eingang stürmte und unmittelbar vor ihr stehen blieb.

Es schien, als ob dieser große dunkelhaarige Fremde nur gekommen war, um sie zu retten. Ein äußerst schmeichelhafter Gedanke. Hätte die Stehleiter nur ein bisschen mehr geschwankt, wäre sie ihm vielleicht direkt in die Arme gefallen.

Aber so war es auch nicht schlecht. Dieser Mann hatte wirklich alle Attribute eines Ritters in glänzender Rüstung: breite Schultern, kräftiges dunkles Haar und ein gut aussehendes Gesicht. Also alles, was einen wahren Helden ausmachte. Jetzt fiel ihr auch auf, dass es derselbe Mann war, der morgens einige Sachen in die obere Wohnung gebracht hatte.

Maddy fragte sich, ob jetzt nicht der richtige Zeitpunkt gekommen sei, ihren Entschluss, nie wieder einen Mann anzusehen, endgültig zu begraben. Vor sechs Wochen hatte sich ihr Verlobter nach einer heftigen Auseinandersetzung von ihr getrennt.

Sie hatte alles versucht, Byron zu vergessen. Als Erstes hatte sie ihr Konto bei der Bank aufgelöst, bei der er arbeitete, um ihm dort nicht ständig über den Weg zu laufen. Dennoch verspürte sie jedes Mal einen Stich im Herzen, wenn sie einen gut aussehenden hellblonden, jungen Mann mittlerer Größe in einem grauen Anzug sah. Sie brauchte nur an Byron zu denken, schon schlug ihr Herz schneller, und es dauerte eine Zeit lang, bis sie wieder einen klaren Gedanken fassen konnte.

Das Ganze war so schmerzlich gewesen, dass sie sich geschworen hatte, nie wieder eine Beziehung einzugehen.

Umso erstaunter war sie, wie sie plötzlich verstohlen prüfte, ob ihre Bluse noch korrekt in ihren Jeans steckte, und diesen wildfremden Mann förmlich anstrahlte. „Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie.

Mir helfen?“, erwiderte er erstaunt. Er schien also tatsächlich befürchtet zu haben, sie würde von der Leiter fallen.

„Ein paar Blumen vielleicht?“, fragte sie weiter.

„Ja, natürlich.“ Er ließ den Blick über das Warenangebot schweifen: über die Schnittblumen in den großen Eimern auf dem Boden, die Trockensträuße auf den Regalen und die Kühlvitrinen, in denen Blumenarrangements ausgestellt waren. „Ich … ich möchte jemanden im Krankenhaus besuchen“, sagte er.

„Sollen es frische Blumen sein?“

Er fuhr sich unentschlossen durchs regennasse Haar und betrachtete die verschiedenfarbigen Blumen: Rosen, Orchideen, Nelken, in Pink, Mauve und Weiss. Maddy wartete geduldig. „Die Rosen ‚Liebeszauber‘ und ‚Engelstraum‘ sind im Angebot.“

Mit einem vorwurfsvollen Lächeln entgegnete er: „Geben Sie sich keine Mühe. Rosen sind nicht das Richtige.“

„Dann vielleicht die blauen Iris hier?“ Sie deutete auf einen Eimer, in dem noch ein einziger Strauß steckte, die innen gelb gefärbt waren.

„Ja, das passt eher. Die nehme ich, danke.“ Er lächelte erneut, diesmal so warm, dass Maddy leicht errötete.

Als sie sich bückte, um den Strauß aus dem Wasser zu nehmen, merkte sie, wie er sie eindringlich musterte, jedoch sofort wegsah, als sie aufstand und interessiert ihr auffälliges Ladenschild in Pink und Lila betrachtete. Es war von Blumen umrahmt und hob sich deutlich von der weiß getünchten Wand ab. Blühende Fantasien … erobern jedes Herz.

„Guter Slogan“, sagte er.

„Danke“, antwortete Maddy. Um das Gespräch ein wenig aufzulockern, fragte sie schließlich mutig: „Sie sind eben erst oben eingezogen?“ Sie streckte ihm lächelnd die Hand entgegen. „Ich bin Madeline Delancy. Wir sind also Nachbarn. Ich wohne direkt hinter dem Blumengeschäft.“

Ihre plötzliche Offenheit schien ihn zu erstaunen. Er schüttelte ihr trotzdem die Hand und murmelte: „Rick Lawson.“

„Meine Freunde … ich meine die meisten nennen mich Maddy“, fügte sie hinzu und sah ihn erwartungsvoll an.

„Maddy?“ Seine Augen leuchteten kurz auf, aber sie wusste nicht, ob es ein Zeichen von Überraschung oder Interesse war.

„Sie haben Glück“, sagte sie und ließ sich von seiner zurückhaltenden Art nicht beeindrucken, „es ist der letzte Strauß“, fuhr sie fort.

Er folgte ihr zum Ladentisch, wo sie das Gebinde geübt in transparentes Zellophanpapier mit fröhlichen gelben Punkten einschlug. „Das wird den Patienten ein wenig aufheitern!“, erklärte sie.

Als sie ihm die Blumen übergab, huschte eine Gestalt in rotem Lackregenmantel in den Laden, die ziemlich durchnässt zu sein schien.

„Maddy! Gott sei Dank!“, sagte sie.

Maddy erkannte die hellblonde Frau sofort, und ihr Lächeln verschwand. „Cynthia? Ich … ich habe dich ja seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.“ Und auch nicht im Mindesten vermisst, hätte sie am liebsten hinzugefügt. Sie konnte Cynthia Graham nicht ausstehen.

Cynthia erwiderte nichts. Sie ließ den Blick über die Schnittblumen gleiten. „Oh nein! Keine mehr da!“, jammerte sie und sah Maddy entgeistert an. „Hast du denn keine blauen Iris mehr?“

Ihr enttäuschter Blick streifte Rick, der den Strauß Iris in der Hand hielt. Bestürzt zog Cynthia die Augenbrauen hoch. „Haben Sie die gerade gekauft? Waren das die Letzten?“

„Es tut mir leid, Cynthia“, mischte sich Maddy schnell ein, „ich bin sicher, wir werden etwas Passendes für dich finden, sobald ich den Herrn zu Ende bedient habe.“ Sie hatte bemerkt, wie Ricks Blick zwischen ihr und Cynthia hin und her geschweift war.

„Aber ich wollte doch unbedingt welche für Byron“, beharrte Cynthia ungeduldig.

Byron?“ Maddys Lächeln verschwand schlagartig. Sie fühlte, wie ihr der kalte Schweiß ausbrach. Was, in aller Welt, hatte ihr Exverlobter mit Cynthia zu tun? Sie hatte plötzlich eine böse Vorahnung und musste sich am Ladentisch festhalten. Obwohl sie mit ihrer Fassung rang, bemerkte sie, dass Rick Lawson langsam ungeduldig wurde und bezahlen wollte. Als sie sich räusperte und weitermachen wollte, wurde sie von Cynthia unterbrochen.

„Aber Maddy, wusstest du das noch nicht von Byron und mir?“ Ihre säuselnde Stimme verriet geheucheltes Bedauern. Nachdem sie sich kurz nach Rick umgesehen hatte, fuhr sie fort: „Es ist mir ja so unangenehm, dass du es ausgerechnet von mir erfahren musst, meine Liebe, da du doch ganz sicher warst, dass ihr beiden Hübschen heiraten würdet. Aber nachdem er mit dir Schluss gemacht hat … nun ja, hat er sich wohl Hals über Kopf in mich verliebt.“

„Er hat was?“ Maddy hätte am liebsten laut aufgeschluchzt.

„Byron und ich sind verlobt.“

Fassungslos presste sich Maddy die Hand auf die Lippen und versuchte, ihre aufsteigende Übelkeit niederzukämpfen. Es war ihr so peinlich, dass auch noch eine fremde Person, nämlich Rick Lawson, diese niederschmetternde Nachricht mit anhörte!

Er machte allerdings einen völlig unbeteiligten Eindruck, stand mit dem Rücken zu den beiden Frauen und schien etwas an der Decke zu betrachten.

Der Blick auf seinen breiten Rücken gab Maddy die Kraft, sich zusammenzureißen. „Ich freue mich ja so für dich, Cynthia“, erwiderte sie honigsüß und hoffte, dass es spontan und aufrichtig klang. Dann fügte sie trotzig hinzu: „Es braucht dir überhaupt nicht leidzutun, ich bin schon wieder in festen Händen.“

Cynthia zog ungläubig die Augenbraue hoch, und eilig fügte Maddy hinzu: „Ich habe einen neuen Freund.“ Sie wies mit dem Kopf auf Rick Lawson. „Er zieht sogar heute bei mir ein.“ Diese dreiste Lüge ließ Maddys Herz schneller schlagen.

Cynthias Gesichtsausdruck verriet deutlich, dass sie diese Neuigkeit nur widerwillig schluckte. Maddy hatte also den richtigen Nerv getroffen.

Rick Lawsons Geduld war nun endgültig erschöpft. Er drehte sich verärgert um und legte den Strauß auf den Ladentisch zurück. „Hier, Sie können ihn haben“, fuhr er Cynthia an. „Ich kann ein andermal wiederkommen. Der Patient wird noch länger im Krankenhaus bleiben.“

Maddy versuchte verzweifelt, die Situation in den Griff zu bekommen. „Ganz sicher? Aber das ist doch nicht nötig …“

„Kein Problem, wirklich“, versicherte Rick, machte eine beschwichtigende Handbewegung und ging zum Ausgang. Es war offensichtlich, dass er so schnell wie möglich entkommen wollte. „Nicht der Rede wert.“ Er rang sich ein Zahnpastalächeln ab, und schon war er draußen.

„Das ist wirklich sehr freundlich“, rief Maddy ihm nach.

Cynthia kniff die Augen zusammen. „Du kannst ihm sicher andere besorgen, da er doch jetzt bei dir einzieht, oder?“, fragte sie.

Maddy sah sie entgeistert an. Dann errötete sie. „Ja, ja natürlich, kein Problem. Grüß Byron von mir.“

Es gelang ihr, sich zusammenzureißen, bis Cynthia den Laden verlassen hatte, dann packte Maddy den leeren Eimer, in dem die Iris gestanden hatten, rannte in den kleinen Raum hinter dem Laden und knallte ihn auf den Boden.

Verdammte Cynthia! Verdammter Mistkerl Byron!

Nach sechs Wochen hatte sie gehofft, die Wunden wären einigermaßen verheilt. Und jetzt … Byron verlobt? Mit Cynthia Graham? Wie konnte er nur?

Und wie hatte sie das bloß geschafft?

Eigentlich war die Antwort ganz einfach: Cynthia Graham war schon in der High School Maddys erbitterte Rivalin gewesen. Was sie auch tat, die intrigante Cynthia schreckte vor nichts zurück, noch eins draufzusetzen …

Cynthia Graham hatte immer das haben wollen, was Maddy gerade hatte, ob es darum ging, im Baseballteam mitzuspielen oder eine Auszeichnung im Fach Kunst zu bekommen. Später hatte sie sich dann buchstäblich an jeden Jungen herangemacht, mit dem Maddy je ausgegangen war. Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen, wann sie auch Byron nachstellen würde.

Was hatte sie, Maddy, da nur angerichtet? Die Nachricht war solch ein Schock gewesen, dass sie Cynthia allen Ernstes glauben machen wollte, Rick Lawson sei ihr Freund. Zum Glück hatte er von alldem nichts mitbekommen. Es gab ja bereits eine Frau in seinem Leben, der er sogar Blumen schenken wollte.

Und diese Freundin verdiente die Blumen ganz sicher mehr als Byron!

Sie konnte sich die Szene so richtig vorstellen, wie er dieser Frau den Blumenstrauß ans Bett bringen, sich zu ihr hinunterbeugen und sie zärtlich küssen würde. Einfach rührend! Er sah ja so fabelhaft aus, ganz besonders, wenn er lächelte.

Maddy überlegte, wo sie Rick schon einmal gesehen haben könnte. Irgendwie kamen ihr sein Name und auch sein Gesicht bekannt vor. Er war am frühen Morgen öfter an ihrem Schaufenster vorbeigegangen, aber außer einigen vollen Rucksäcken und einer teuren Kameraausrüstung schien er nicht allzu viel zu besitzen.

Sie zuckte die Schultern, nahm den Telefonhörer ab und suchte die Nummer eines anderen Floristen heraus. Die Art, wie Rick heute in ihrem Laden aufgetaucht war, war irgendwie seltsam gewesen, als wäre er in Schwierigkeiten. Er hatte erst eine Ewigkeit gebraucht, um die passenden Blumen auszusuchen, und diese dann galant Cynthia überlassen.

Maddy blickte gedankenverloren durch das kleine Fenster auf der Rückseite des Ladens. Es regnete immer noch. Sie hatte zwar keinerlei Lust, den Laden zu verlassen, aber sie fühlte sich verpflichtet, Rick Lawson wenigstens einen angemessenen Ersatz zu besorgen.

Abends um achtzehn Uhr dreißig klopfte Maddy beherzt an die Tür ihres neuen Nachbarn und setzte ihr nettestes Lächeln auf, als diese sich öffnete. Aber ihr Lächeln verschwand schlagartig, als sie in die eisblauen Augen blickte, die sie misstrauisch ansahen, als wäre sie eine Hausiererin.

Als sie Rick den Strauß entgegenhielt, runzelte dieser nur die Stirn. „Guten Abend“, sagte sie und versuchte, ganz selbstbewusst zu wirken. „Ich habe noch ein paar Iris bekommen und wollte sie Ihnen vorbeibringen, falls Sie vielleicht nochmals zum Krankenhaus gehen.“

„Danke“, murmelte er und nahm den Strauß entgegen. Er war zwar nicht direkt unfreundlich, aber doch sehr zurückhaltend.

„Es war gar kein Problem“, versicherte sie. „The Golden Wattle hatte noch genügend, und … da wir ja jetzt Nachbarn sind …“ Sie verstummte unsicher.

Rick betrachtete die Blumen.

„Der kleine Zwist heute Nachmittag tut mir sehr leid“, begann Maddy erneut. „Ich hoffe, Ihre … die Patientin … ich hoffe, sie war nicht allzu enttäuscht.“

„Sam?“ Der Anflug eines Lächelns umspielte seinen Mund. „Nicht der Rede wert.“

Sie biss sich unentschlossen auf die Lippe. Warum war er nur so unfreundlich? Sie hatte bis jetzt immer ein glückliches Händchen im Umgang mit Menschen bewiesen. In ihrem Metier war Kommunikationsgeschick das A und O. Und sie hatte sich auch stets um ein gutes Verhältnis zu den Nachbarn bemüht, damit konnte man sich viele Unannehmlichkeiten ersparen.

Sie warf ihre langen dunklen Locken zurück und hoffte, er würde sich endlich ein wenig zugänglicher zeigen. Aber Rick Lawson hatte offensichtlich keine Lust auf Small Talk.

Sie zuckte die Schultern. Wenn ihr neuer Nachbar so gesellig wie ein Kaktus sein wollte, war das zwar schade, aber sie würde es überleben. Sie wagte einen letzten Versuch. „Sie sind gerade hier eingezogen. Ich möchte auch bestimmt nicht aufdringlich sein, sondern mich nur entschuldigen, und vielleicht könnte ich … ich könnte Ihnen vielleicht mal etwas kochen, sozusagen als Wiedergutmachung …“, fügte sie mit ihrem gewinnendsten Lächeln hinzu. „Ich meine nur, wenn Sie oft im Krankenhaus sind, haben Sie sicher wenig Zeit … ich koche auch immer für meinen jüngeren Bruder mit, der zur Uni geht.“

„Das ist nicht nötig“, antwortete Rick Lawson.

Seine ablehnende Haltung ärgerte Maddy, und sie versteifte sich. Wieso war er nicht ein bisschen liebenswürdiger? Es wäre eine willkommene Abwechslung, sich ein wenig um ihn zu kümmern. Es würde ihr helfen, ihre Sorgen zu vergessen, und sie hätte weniger Gewissensbisse, ihn als Waffe gegen Cynthia benutzt zu haben. „Sie bleiben also stur?“, fragte sie herausfordernd.

„Liebe Güte!“, entgegnete er und zog verzweifelt die Schultern hoch. „Ich sage Ihnen, dass Sie mir kein Essen zubereiten brauchen, und Sie nennen mich stur?“

Maddy schüttelte verlegen den Kopf. „Heute Nachmittag war es Ihnen noch so wichtig, Blumen mit ins Krankenhaus zu nehmen. Dann kam Cynthia Graham und hat sie Ihnen einfach weggeschnappt, wegen … wegen nichts und wieder nichts. Ich habe mich nur schlecht gefühlt … Sie sind schließlich nicht irgendein Kunde, sondern mein Nachbar. Ich möchte nun einmal gut mit meinen Nachbarn auskommen und mich einfach nur revanchieren.“

Rick Lawson zog eine Augenbraue hoch und sagte betont nachsichtig: „Miss Delancy, wie wäre es, wenn wir uns darauf einigten, dass ich Ihnen mitteile, wenn ich mit Ihnen oder Ihrem Service nicht zufrieden sein und dafür eine Wiedergutmachung erwarten sollte. Wäre das okay?“

Für Maddy war dies eindeutig eine Abfuhr. Es war schon schlimm genug, dass Byron sie für Cynthia hatte sitzen lassen, aber nun erdreistete sich dieser flegelhafte Kerl auch noch, ihr entgegenkommendes Angebot einfach abzulehnen. Glaubte er vielleicht, sie hätte es nötig?

„Die gute Nachbarschaft ist damit wohl erledigt“, sagte sie beleidigt.

„Verdammt noch mal!“, rief Rick Lawson und fuhr sich entnervt durchs Haar. „Sie sind doch nicht bei der Heilsarmee! Wir wohnen nur zufällig im selben Gebäude und müssen deswegen nicht unbedingt eine Beziehung haben. Kümmern Sie sich lieber um Ihren Freund, der bei Ihnen einzieht!“

Maddy blickte ihn starr an und suchte vergeblich nach einer passenden Antwort.

Rick nutzte diese Pause, um die Situation zu entschärfen. „Ich kann ja verstehen, dass Ihnen die Trennung von Ihrem Verlobten schwergefallen ist, aber das hat doch nichts mit mir zu tun.“

Maddy spürte, dass ihr Gesicht rot vor Zorn war. Er hatte also das ganze Gespräch zwischen ihr und Cynthia im Laden mitbekommen. Es war nur ein schwacher Trost, dass er nicht gesehen hatte, wie sie auf ihn als den neuen Freund gezeigt hatte.

Sie hob stolz den Kopf und blickte Rick Lawson ins Gesicht. „Mein Liebesleben ist absolut intakt, vielen Dank. Sie müssen wirklich eine völlig abartige Einstellung haben, wenn Sie bei jeder freundlichen Geste gleich an … Sex denken!“

Sie hob den Kopf noch etwas höher und drehte sich heftig auf dem Absatz um.

In der darauf folgenden Woche zuckte Maddy jedes Mal zusammen oder ärgerte sich, wenn sie dieses Scheusal von Nachbar auch nur zu Gesicht bekam. Es war ein Wechselbad der Gefühle: Einerseits haderte sie mit sich, dass sie aus einer Mücke einen Elefanten und damit alles kaputtgemacht hatte, andererseits befand sie selbstgerecht, dass ihr Zorn über seine zynische Art absolut angebracht war. Wie konnte sie ihn bloß jemals für so etwas wie einen Helden gehalten haben?

Sie übersahen einander die ganze Woche über geflissentlich. Ein kurzes „Guten Morgen“ oder ein knappes Kopfnicken, das war alles.

Am Freitagabend schließlich hatte Maddy den dummen Vorfall so gut wie vergessen. Mr. Lawson war es nicht wert, auch nur einen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden. Es kümmerte sie auch nicht mehr, dass er wohl inzwischen mitbekommen hatte, dass es gar keinen neuen Mann in ihrem Leben gab.

Um neunzehn Uhr schloss sie die Holzfensterläden, sperrte die Welt einfach aus, legte ihre Lieblings-CD auf und machte es sich auf dem Sofa bequem.

Sie hatte sich Toast mit Bohnen und heißen Mokka gemacht, und ein langes Wochenende lag vor ihr.

Chrissie, eine Teilzeitkraft, vertrat sie am Samstagvormittag im Laden. Maddy brauchte sich also nur noch um die Blumen für die Hochzeit der Jamesons am Nachmittag zu kümmern und hatte schon so gut wie alles vorbereitet. Der Sonntag gehörte somit ihr.

Eigentlich zwei lange trostlose Tage ohne Verabredung oder Einladung …

Und – natürlich ohne Byron.

Maddy versuchte, auf andere Gedanken zu kommen. Sie konnte sich schließlich nicht ewig in Selbstmitleid ergehen. An Byron und Cynthia zu denken war noch weit schlimmer als an Rick Lawson.

Als es plötzlich an der Tür klingelte, blieb sie ganz ruhig. Wochenlang hatte sie auf einen Anruf oder einen Besuch gewartet und schließlich endgültig die Hoffnung aufgegeben, dass Byron sich noch einmal melden würde. Sie stand langsam auf, strich einige Toastkrumen von ihrem T-Shirt. Als sie barfuß zur Wohnungstür ging, bemerkte sie, dass eine Bohne eine hellbraune Spur in Höhe ihrer Brust hinterlassen hatte. Als sie rasch mit einem Küchentuch darüber wischte, machte sie den Fleck nur noch schlimmer.

Dann riss sie die Tür auf und wich sofort zwei Schritte zurück.

„Hi“, sagte Rick Lawson.

„Oh!“ Damit hatte sie nicht gerechnet. Der Anblick dieser durch und durch männlichen Gestalt, die den Türrahmen fast ausfüllte, verschlug ihr den Atem. Was, um alles in der Welt, wollte er denn hier?

„Mr. Lawson?“ Es konnte nur einen Grund für sein Auftauchen geben. „Sind Sie gekommen, um sich zu entschuldigen?“

Er zog fragend die Augenbraue hoch. „Wie bitte?“

Maddy verdrehte die Augen. „Sie haben also eingesehen, dass Sie letzte Woche sehr unfreundlich zu mir waren, nachdem ich alle Mühe hatte, Ihnen neue Blumen zu besorgen?“

Er betrat einfach ihre Wohnung, und Maddy wich zurück.

„Ich war nicht unfreundlich, Madeline, nur zurückhaltend.“

„Und heute bin ich zurückhaltend. Was wollen Sie?“, fragte sie.

„Ich brauche einen Rat.“

„Tatsächlich?“

„Ja, wirklich“, antwortete er und lächelte belustigt. „Nachdem Sie mir die kleine Lektion in Sachen Nachbarschaft erteilt haben, gedenke ich, Ihr Angebot anzunehmen.“

„Mein Angebot?“, wiederholte sie und bemerkte im selben Moment, wie albern das war. Wollte sie noch einmal alles vermasseln?

„Abendessen“, wiederholte er mit einem Wort. Er zauberte eine teuer aussehende Rotweinflasche hinter dem Rücken hervor.

„Sie hatten abgelehnt“, entgegnete Maddy und stemmte die Hände in die Hüften.

Rick rieb sich nachdenklich das Kinn. Dann lächelte er jungenhaft. „Ich brauche Tapetenwechsel. Sam geht es viel besser, und die Besuche sind recht anstrengend. Ich bin sicher, Sie können mir helfen.“

„Ich wüsste nicht, wie ich Ihnen helfen könnte, Rick“, erwiderte Maddy völlig verwirrt. „Ich glaube nicht, dass Sie von mir Ratschläge benötigen, wie Sie Ihre Freundin während ihrer Genesung bei Laune halten können.“

Rick musste lachen. Er übergab Maddy die Weinflasche und kratzte sich am Kopf. „Ich hätte gern einen geschäftlichen Rat. Sie scheinen einen gut florierenden Laden zu haben, und ich würde gern etwas im Interesse meines Partners unternehmen.“ Maddy lächelte verlegen. Sie hatte das Geschäft vor ungefähr eineinhalb Jahren von ihrem Großvater geerbt und fühlte sich gar nicht so erfahren. Aber schließlich war ihr an einem einsamen Freitagabend alles willkommen, wenn es nur von Byron ablenkte.

Rick folgte seiner Nase und ging auf die Küche zu. „Was essen Sie denn da? Ist das Chili?“

„Chilibohnen“, antwortete sie trocken. „Auf Toast.“ Er musste ausgerechnet an einem Abend auftauchen, an dem sie sich für schnelle Küche entschieden hatte.

„Mit Käse?“

Beinahe hätte sie sich wie üblich sofort erboten, all ihre Schätze aus dem Kühlschrank zu holen und daraus ein respektables Mahl zu zaubern. Aber nicht für Rick Lawson, dieses launische Scheusal. Für ihn wollte sie nicht auch nur einen Finger krumm machen.

„Ohne Käse“, log sie ungeniert.

„Salsa?“

„Nein.“

„Mit Maischips oder Sauerrahm liege ich wohl auch völlig falsch?“

„Völlig.“

Er hatte die Daumen in die Gürtelschlaufen seiner Jeans geschoben, und Maddy konnte nicht umhin, zu bemerken, dass sie perfekt saßen und sich darunter seine wohlgeformten Muskeln abzeichneten.

„Ich habe Sie nicht erwartet“, sagte sie.

„Natürlich nicht“, antwortete Rick und zuckte die Schultern. „Hätte Ihr Freund etwas dagegen?“

Maddy hatte plötzlich ein flaues Gefühl in der Magengegend. Sie schüttelte den Kopf. Wenn sie nur ein Fünkchen Mut hätte, würde sie ihm jetzt gestehen, dass es gar keinen Freund gab und sie diesen nur erfunden hatte, um Cynthias Triumph im Keim zu ersticken.

„Er … er kommt nicht“, sagte sie. „Er … macht einen Abendkurs.“

Rick sah sie erstaunt an. „Und es macht ihm nichts aus, wenn Sie mit einem fremden Mann zu Abend essen?“

„Oh, nein, nein. Er ist nicht besonders eifersüchtig und … Sie sind schließlich mein … ich meine unser Nachbar, und kein Fremder.“ Sie wusste nicht mehr ein noch aus und stürzte an ihm vorbei in die Küche. „Ich sehe mal nach, ob noch etwas übrig ist.“

Er folgte ihr. „Obwohl Ihre Wohnung kleiner ist als meine, ist sie viel edler.“ Interessiert betrachtete er die Holzböden und Fensterläden, die königsblau gestrichenen Wände, die ihre bunten Bilder gut zur Geltung kommen ließen. „Ich habe einen mottenzerfressenen quietschgelben Teppich und dasselbe geschmackvolle Blau an den Wänden.“

Maddy übergab ihm die Weinflasche samt Korkenzieher und ging sofort wieder auf Distanz. In der kleinen Küche wirkte er noch viel größer und fast übermächtig männlich. „Inneneinrichtung ist mein Hobby“, sagte sie. „Ich lege viel Wert darauf, meine Wohnung so gemütlich und ansprechend wie möglich zu gestalten.“ Sie schob zwei Scheiben Brot in den Toaster.

„Das haben Sie toll gemacht“, bestätigte Rick. Er lächelte spöttisch. „Dann haben Sie also einen überentwickelten Nesttrieb?“

Maddy rümpfte die Nase. „Was ist daran so komisch? Ich investiere viel Zeit und Energie auf mein Geschäft, aber meine Wohnung ist schließlich auch wichtig.“

„Klingt nett.“ Er hob beschwichtigend die Hand. „Deshalb müssen Sie mich aber nicht gleich mit dem Kochlöffel bedrohen. Er hat anderswo bereits deutliche Spuren hinterlassen.“

Sie blickte auf ihr weißes T-Shirt. Der Fleck hatte längst Gesellschaft bekommen. Schlimmer als das war jedoch, dass ihre Brustspitzen unter Ricks höhnischem Blick hart geworden waren und sich deutlich unter dem dünnen Stoff abzeichneten. Sie verschränkte so unauffällig wie möglich die Arme.

Der Toast sprang heraus, und Maddy war dankbar für die kleine Ablenkung. Sie legte die Scheiben auf einen Teller und belegte sie mit Bohnen. „Das Besteck ist in der Schublade, und Weingläser finden Sie im Schrank.“

Sie trug die Teller ins Wohnzimmer, und Rick folgte ihr mit dem Rest. Sie warf sich bereits jetzt vor, dass sie sich so leicht hatte überrumpeln lassen. Er war einfach hereingeplatzt und hatte ihren gemütlichen Abend gestört. Und sie ließ das auch noch zu.

„Sie verdienen also gut an Leuten, die Besuche im Krankenhaus machen“, sagte er.

Er will wirklich übers Geschäft reden, stellte sie überrascht fest. „Es gibt dort in der Nähe mehrere Blumengeschäfte, die gutes Geld damit verdienen. Ich habe ganz unterschiedliche Kunden.“

Rick trank einen kräftigen Schluck Wein. „Machen Sie viel für Hochzeiten und festliche Anlässe?“ Sein Ton klang betont unverbindlich.

Maddy spielte mit ihrem Glas. Was sollte das? War er vielleicht von einer großen Kette und wollte ihr Geschäft übernehmen? Der bloße Gedanke jagte ihr Angst ein. Aber diese Befürchtung war sicher unbegründet. „Es läuft ganz gut“, sagte sie deshalb nur.

Rick führte die letzten Bohnen zum Mund und nickte anerkennend. „Lecker! Der Wein passt nicht schlecht dazu, oder?“

Autor

Barbara Hannay
Die Kreativität war immer schon ein Teil von Barbara Hannays Leben: Als Kind erzählte sie ihren jüngeren Schwestern Geschichten und dachte sich Filmhandlungen aus, als Teenager verfasste sie Gedichte und Kurzgeschichten. Auch für ihre vier Kinder schrieb sie und ermutigte sie stets dazu, ihren kreativen Neigungen nachzugehen. Doch erst als...
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