Gefährlicher Pakt mit dem Verführer

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Sie hat einen Pakt mit dem Teufel geschlossen! So kommt es Georgia vor, seit sie auf der Privatinsel des griechischen Milliardärs Nikos Panos ist. Warum hat sie sich bloß darauf eingelassen, als seine Begleitung einzuspringen? Warum hat sie niemand vor dem verführerischen Zauber gewarnt, den Nikos auf sie ausübt? Georgia ist wehrlos gegen diese sinnliche Sehnsucht. Und als sie ihr nachgibt, weiß sie, dass sie ihn niemals in drei Monaten verlassen kann. Doch genau das hat sie in einem Vertrag unterschrieben …


  • Erscheinungstag 23.05.2017
  • Bandnummer 2285
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708382
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Ein kalter Februarnachmittag in Atlanta. Doch die Kälte draußen war nichts im Vergleich zu der in dem Rechtsanwaltsbüro von Lyles, Laurent & Abraham.

Der Staranwalt Anwalt James Laurent hantierte mit seiner Brille, und sein Blick war vernichtend. „Sie haben den Vertrag unterschrieben, Miss Nielsen. Und er ist in jedem Land bindend …“

„Mit dem Vertrag habe ich kein Problem“, unterbrach Georgia ihn, eher verärgert als eingeschüchtert von seiner herablassenden Art. Sie hatte sich verpflichtet, das Baby auszutragen und es danach abzugeben. Das war schließlich der Job einer Leihmutter, den sie sehr ernst nahm. „Das Baby gehört ihm. Aber in dem Vertrag steht nichts darüber, wo ich es zur Welt bringe. Außerdem hat mir im Vorfeld niemand gesagt, dass es im Ausland geboren werden soll. Sonst hätte ich niemals zugestimmt, als Leihmutter für Mr. Panos zu fungieren.“

„Miss Nielsen, Griechenland ist kein Entwicklungsland. Sie werden in Athen exzellente medizinische Betreuung erhalten, vor, während und nach der Geburt.“

Georgia sah ihn lange an, während ihre Hände locker auf den Armlehnen des Ledersessels lagen. „Ich studiere Medizin“, erklärte sie und versuchte, ihre Wut im Zaum zu halten. „Ich mache mir keine Sorgen um die medizinische Betreuung. Aber Ihre arrogante Art beunruhigt mich. Falls etwas schiefgelaufen ist, ist das Sache Ihres Klienten … nicht meine. Schließlich haben Sie den Vertrag über die Leihmutterschaft aufgesetzt. Sie wissen, was in der Vereinbarung steht. Und es steht definitiv nicht darin, dass ich mich in ein Flugzeug setzen und 5666 Meilen fliegen muss, um das Kind auf die Welt zu bringen.“

„Es geht um die Staatsbürgerschaft, Miss Nielsen. Das Baby muss in Griechenland zur Welt kommen.“

An der Wand hinter dem Anwalt hing eine große Karte. Sie war alt, ein Sammlerstück aus dem späten neunzehnten Jahrhundert. Doch auch wenn sie vergilbt war, Griechenland war deutlich zu erkennen. Die Wiege der westlichen Kultur.

Und genau dort sollte Georgia das Kind zur Welt bringen.

Wäre sie besser gelaunt gewesen, hätte dieser Umstand sie vielleicht amüsiert. Aber sie war nicht gut gelaunt, sondern wütend und frustriert. Von Anfang an hatte sie darauf geachtet, gesund zu leben und sich um das Wohlergehen des ungeborenen Kindes zu kümmern. Ihr Job als Leihmutter war es, ein gesundes Baby auf die Welt zu bringen, und sie tat alles, was nötig war. Sie aß das Richtige, schlief so viel wie möglich, trieb Sport und vermied Stress. Was nicht immer einfach war, wenn man Medizin studierte. Aber nach Griechenland zu fliegen – und schon so bald –, das stand nicht auf ihrem Plan.

„Während wir uns unterhalten, werden die letzten Vorbereitungen für den Abflug getroffen“, fügte Mr. Laurent hinzu. „Mr. Panos schickt Ihnen seinen Privatjet. Wie Sie sich sicher denken können, ist es ein hochmodernes und sehr luxuriöses Flugzeug. Ihnen steht genügend Personal zur Verfügung, Sie können sich ausruhen, und ehe Sie sich versehen, sind Sie da …“

„Ich bin noch nicht mal im sechsten Monat. Ist das nicht ein bisschen früh, um jetzt schon Reisepläne zu machen?“

„Mr. Panos zieht es vor, Sie und das Baby keinem unnötigen Stress auszusetzen. Und die Spezialisten empfehlen keine langen Reisen mehr ab dem sechsten Monat.“

„Ja, für Risikoschwangerschaften, aber das ist bei mir ja nicht der Fall.“

„Es war eine künstliche Befruchtung.“

„Die keine Komplikationen zur Folge hatte.“

„Und mein Klient möchte, dass es so bleibt.“

Georgia biss sich auf die Zunge, um nicht mit etwas herauszuplatzen, das sie später bereuen würde. Sie verstand, dass Nikos Panos sich Sorgen um das Kind machte, seinen Sohn. Und sie verstand auch, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse keine Rolle spielten. Sie stellte nur ihren Schoß zur Verfügung, nicht mehr. Und so sollte es auch bleiben, bis sie ein gesundes Baby auf die Welt gebracht hatte. Damit wäre ihr Job beendet, und sie hätte Geld, um ihre Schwester zu unterstützen.

Was jedoch nicht hieß, dass sie Atlanta verlassen wollte oder die Welt, die sie kannte. Es wäre sehr stressig, um die halbe Welt zu fliegen. Außerdem fiel es ihr immer schwerer, keine Gefühle für das Leben, das sie in sich trug, zu entwickeln. Auch ihre Hormone spielten inzwischen verrückt. Wie würde sie sich da erst in dreieinhalb Monaten fühlen?

Georgia hatte nie Mutter werden wollen, sondern Ärztin. Und das würde auch so bleiben.

Für einen langen Moment herrschte Schweigen in der Kanzlei.

Dann presste Mr. Laurent die Fingerspitzen gegeneinander und sagte: „Was wäre denn nötig, um Sie diesen Freitag in das Flugzeug zu bekommen?“

Auf keinen Fall würde sie schon so bald fliegen. „Ich muss studieren“, erklärte sie mit Nachdruck.

„Sie müssen jetzt für Ihr Examen lernen. Das können Sie in Griechenland genauso gut wie in Atlanta.“

„Ich werde meine Schwester nicht dreieinhalb Monate allein lassen.“

„Sie ist einundzwanzig und lebt in North Carolina.“

„Ja, aber sie ist finanziell und emotional abhängig von mir. Ich bin ihre einzige noch lebende Verwandte.“ Georgia hielt seinem Blick stand. „Ich bin alles, was sie noch hat.“

„Und das Kind, das Sie in sich tragen?“

„Ist nicht meines.“ Ihr Mund wurde schmal. „Ihr Klient bezahlt für die Eizellenspende und die Leihmutterschaft. Wenn Mr. Panos also bei der Geburt seines Sohnes dabei sein will, muss er nach Atlanta kommen. Falls nicht, wird das Kindermädchen des Kleinen ihn zu ihm bringen. Wie vereinbart.“

„Mr. Panos ist nicht in der Lage zu fliegen.“

Georgia hob ihr Kinn. Ein Vertrag war ein Vertrag. „Das geht mich nichts an. Und sobald ich das Kind zur Welt gebracht habe, geht es mich auch nichts mehr an. Ich werde nicht dafür bezahlt, dass ich mich darum kümmere, und ich habe vor, mich an die Abmachung zu halten, Mr. Laurent.“

Der Anwalt schloss die Augen und rieb sich über die Nasenwurzel. Für einen Moment hörte man nur die alte Wanduhr ticken.

Schließlich öffnete er wieder die Augen und musterte sie eindringlich. „Wie viel würde es kosten, Sie am Freitag in den Flieger zu bekommen? Und bevor Sie mir vorhalten, dass ich nicht zuhöre, sage ich Ihnen, dass alles seinen Preis hat. Auch Sie. Darum haben Sie zugestimmt, eine Eizelle zu spenden und das Kind nach der Befruchtung auszutragen. Mit der Abfindung waren Sie doch sehr zufrieden. Also lassen Sie uns nicht herumfeilschen. Sagen Sie mir, wie viel Sie wollen, und ich sorge dafür, dass das Geld morgen auf ihrem Konto ist.“

Georgia starrte den älteren Mann an. Sie war knapp bei Kasse, aber sie wollte nicht noch mehr Geld, sondern nur das zu Ende führen, womit sie begonnen hatte. Es war ein Fehler gewesen. Eine Zeit lang hatte sie geglaubt, mit der Rolle als Leihmutter zurechtzukommen, aber seit Kurzem fand sie es immer schwieriger, mit ihren Gefühlen zurechtzukommen. Doch jetzt war es zu spät, um noch einen Rückzieher zu machen. Die Verträge waren bindend. Das Kind gehörte ihr nicht. Sicher, sie trug es aus, und jeder kleine Fußtritt machte ihr das Herz schwer. Aber das Baby gehörte Nikos Panos, das durfte sie nie vergessen.

Sobald man ihr das Baby nach der Geburt weggenommen hatte, würde sie dieses Jahr aus ihrer Erinnerung streichen. Nur so könnte sie die Herausforderung durchstehen. Glücklicherweise hatte sie Übung darin, Herausforderungen zu meistern. Trauer war eine gute Lehrerin.

„Nennen Sie eine Summe“, forderte Mr. Laurent ruhig.

„Es geht nicht um Geld …“

„Aber Sie können damit Ihre Rechnungen bezahlen und Ihrer Schwester unter die Arme greifen. Soweit ich verstanden habe, möchte sie auch Medizin studieren. Nutzen Sie das Angebot, dann müssen Sie nie wieder so etwas tun.“

Mit diesem Argument landete er einen Treffer. Georgia sah ihn an und grub ihre kurzen Nägel in die Handflächen.

Mr. Laurent hatte recht. Das könnte sie nicht noch einmal tun. Es würde ihr das Herz brechen. Obwohl sie schon Schlimmeres überlebt hatte. Außerdem war es nicht so, dass sie das Kind einem Monster überließ. Nikos Panos wollte dieses Baby unbedingt.

Nachdem sie einmal tief eingeatmet hatte, nannte Georgia eine unverschämt hohe Summe, mit der sie Savannahs Studium, ihre Lebenshaltungskosten und noch mehr bezahlen könnte. Sie hatte bewusst eine hohe Summe genannt, um den Anwalt zu schockieren.

Doch Mr. Laurent zuckte nicht einmal mit der Wimper. Stattdessen kritzelte er etwas auf ein Formblatt. „Der Nachtrag“, erklärte er und schob das Formular über den Tisch. „Hier unterschreiben, da das Datum eintragen.“

Es entsetzte sie, dass er dieser ungeheuerlichen Summe zugestimmt hatte. Er musste auf einen noch höheren Betrag vorbereitet gewesen sein. Wahrscheinlich hätte sie eine Million fordern können, und er hätte trotzdem Ja gesagt. Dummer Stolz. Warum bin ich nicht geschäftstüchtiger?

„Damit stimmen Sie zu, am Freitag zu fliegen“, sagte Mr. Laurent, als er nach dem Formular griff. „Sie werden die letzten drei Monate Ihrer Schwangerschaft in Griechenland verbringen, in Nikos Panos’ Villa auf Kamari. Die Insel ist von Athen aus schnell mit dem Flugzeug zu erreichen. Sobald Sie nach der Geburt wieder reisen können, lässt mein Klient Sie nach Atlanta zurückbringen, entweder in seinem Privatjet oder erster Klasse in einem Flugzeug Ihrer Wahl. Noch Fragen?“

„Und das Geld? Ist es morgen früh auf meinem Konto?“

Der Anwalt reichte ihr einen Stift. „Um neun Uhr.“ Er lächelte, als sie unterschrieb.

„Ich bin sehr froh, dass wir uns einigen konnten“, schloss er ihr Gespräch ab.

Bedrückt stand Georgia auf. Jetzt konnte sie nicht mehr zurück. „Wie Sie schon sagten: Alles hat seinen Preis. Auf Wiedersehen, Mr. Laurent.“

„Genießen Sie Ihre Zeit in Griechenland, Miss Nielsen.“

2. KAPITEL

Es war ein langer Flug von Atlanta. Fast dreizehn Stunden, so hatte Georgia Zeit zu schlafen, ihre Fachbücher zu lesen und zwei Filme zu sehen, wenn sie zu müde zum Lernen war.

Die Filme halfen ihr, sich abzulenken, denn sie wollte nicht ständig daran denken, wie sie Savannah Lebwohl gesagt hatte. Ihre Schwester hatte sie besucht, um sich von ihr zu verabschieden.

Besser gesagt, sie hatte Georgia angefleht, nicht zu fliegen.

Savannah hatte völlig neben sich gestanden, in einer Minute geweint und in der nächsten getobt. Immer wieder hatte sie Georgia gefragt, was sie überhaupt über diesen griechischen Tycoon wusste.

Was weißt du von ihm? Es ist doch völlig egal, dass er Milliardär ist. Er könnte gefährlich sein, geistesgestört. Und wer hilft dir dann, wenn du auf seiner Insel bist, mitten im Niemandsland?

Savannah war nie die Praktische gewesen, aber in diesem Fall hatte sie recht.

Georgia hatte Nachforschungen über Nikos Panos angestellt. Er war tatsächlich ein griechischer Milliardär, der das angeschlagene Familienunternehmen mit gerissenen Investitionen wieder saniert hatte. Mit Mitte zwanzig hatte er das Ruder übernommen. Über seine Moralvorstellungen und seinen Charakter hatte sie nichts gefunden.

Ihr Bauch war inzwischen deutlich gerundet, die Haut empfindlich. Und selbst wenn sie nicht an die Schwangerschaft denken wollte, war sie sich bewusst, dass ein neues Leben in ihr heranwuchs.

Nicht nur ein neues Leben, sondern ein Junge. In ihrer Familie gab es keine Jungen, nur Mädchen. Drei Schwestern. Georgia konnte sich nicht vorstellen, wie es war, einen kleinen Jungen großzuziehen.

Sie wollte auch gar nicht darüber nachdenken und in die Sache hineingezogen werden. Doch als der Flieger über einem endlos scheinenden blauen Meer zum Landeanflug ansetzte, spürte sie einen kleinen Tritt, als würde das Baby merken, dass es bald zu Hause war. Georgia hielt die Luft an und kämpfte gegen ihre Panik an.

Ich kann und werde es schaffen.

Das Baby ist nicht meins.

Ich hänge nicht an ihm.

Und bin nicht dafür bezahlt worden, mich um es zu kümmern.

Und das werde ich auch nicht.

„Nur noch dreieinhalb Monate“, flüsterte sie. Dreieinhalb Monate, dann wäre es vorbei mit dieser schrecklichen Sache, der sie zugestimmt hatte.

Dreieinhalb Monate, sagte sich Nikos Panos. Er stand an der Landebahn und sah zu dem weißen Dassault Falcon Jet. Der Wind, der zu dieser Jahreszeit oft über die Kykladen fegte, hatte die Landung erschwert. Aber nun stand der Jet sicher da, und die vierundzwanzigjährige Georgia Nielsen stieg aus.

Von seinem Platz aus kam sie ihm sehr schlank und sehr blond vor. Sie trug eine apricotfarbene Stricktunika, dunkelgraue Strümpfe und hochhackige Stiefel, die bis übers Knie gingen. Stirnrunzelnd warf er einen Blick auf ihre hohen Absätze und fragte sich, warum eine schwangere Frau solche Stiefel trug. Aber nicht nur die Stiefel waren ein Problem, sondern auch die Tunika, die nur den halben Oberschenkel bedeckte und viel von ihren Beinen enthüllte.

Nikos wusste von ihrem Foto, dass Georgia Nielsen hübsch war, aber das hatte er nicht erwartet.

Wie sie dort oben an der Treppe stand und ihre Haare in der Sonne golden aufleuchteten, sah sie Elsa so ähnlich, dass sich sein Herz zusammenzog.

Er hatte eine Leihmutter gewollt, die wie Elsa aussah.

Aber er hatte nicht Elsa gewollt.

In diesem Moment fragte er sich, ob er einen schrecklichen Fehler gemacht hatte. Er war schon mehr als ein bisschen verrückt, sich eine Frau auszusuchen, die so aussah wie seine verstorbene Ehefrau. Dass er diese Doppelgängerin nun auch noch nach Kamari geholt hatte, war eindeutig verrückt.

Die amerikanische Leihmutter musste ihn entdeckt haben, denn plötzlich richtete sie sich gerade auf, strich sich die goldene Mähne aus dem Gesicht und stieg schnell die Stufen hinunter. Nicht dass sie rannte, aber sie ging sehr schnell und mit entschiedenem Schritt.

Nein, sie ist nicht Elsa, verbesserte er sich grimmig und ging auf sie zu.

Seine Elsa war still und sanft gewesen, fast ein bisschen schüchtern. Die langbeinige Blondine dagegen überquerte die Rollbahn, als würde sie ihr gehören. Er kam ihr auf halbem Weg entgegen, weil er nicht wollte, dass sie so schnell ging.

„Vorsicht“, rief er.

Georgia hob den Kopf und sah ihn fragend an. „Warum?“ Sie klang leicht irritiert. Schon von Weitem hatte sie sehr gut ausgesehen, doch aus der Nähe war sie erstaunlich schön. Vielleicht sogar noch schöner als Elsa, falls das überhaupt möglich war.

Zum zweiten Mal befürchtete Nikos, dass es ein fataler Fehler gewesen war, sie hierherzubringen, da bis zur Geburt des Babys noch viel Zeit war. Nicht, weil er Gefahr laufen könnte, sich in den Geist seiner verstorbenen Frau zu verlieben, sondern weil seine Beziehung zu Elsa nie einfach gewesen war und ihr sinnloser Tod bei ihm schwere Schuldgefühle ausgelöst hatte. Er hatte gehofft, das Baby würde ihm Erleichterung bringen. Dass er als Vater gezwungen wäre, wieder zu leben. Zu fühlen.

Denn Elsa war nicht der einzige Geist in seinem Leben. Auch er war zu einem Geist geworden.

„Sie könnten stolpern und hinfallen“, antwortete er knapp, und seine tiefe Stimme klang selbst in seinen Ohren zu barsch. Er redete nicht viel hier auf Kamari, nicht einmal mit seinen Hausangestellten. Sie kannten ihre Pflichten und kamen ihren Aufgaben ohne unnötige Konversation nach.

Eine ihrer geschwungenen Augenbrauen hob sich, und sie sah ihn lange und mit forschendem Blick an. „Das wird nicht passieren“, erwiderte sie schließlich und streckte die Hand aus. „Aber ich weiß Ihre Sorge zu schätzen, Mr. Panos.“

Er sah etwas zu lange auf ihre Hand. Doch er hatte sich schon vor der Katastrophe nicht viel um Manieren und Anstandsformen geschert, und jetzt war ihm all das völlig egal. Alles war ihm egal, und genau das war das Problem. Trotzdem, die Familie Panos durfte nicht mit ihm aussterben. Nicht nur, weil das Unternehmen einen Erben brauchte, sondern weil er der letzte Panos war. Er durfte nicht zulassen, dass eine jahrhundertalte Familiengeschichte mit seinen Verfehlungen ihr Ende nahm. Seine Familie durfte nicht für das bezahlen, was er getan hatte …

Das Baby würde all das hoffentlich ändern. Es wäre die Zukunft, die er so dringend brauchte.

Er nahm ihre Hand und umschloss ihre Finger. Ihre Haut fühlte sich warm an. „Nikos“, verbesserte er sie.

Dann wandte er den Kopf, damit sie seine rechte Gesichtshälfte sah und wusste, wie er aussah. Wer er seit dem Drama war.

Ein Monster.

Die Bestie von Kamari.

Anschließend sah er sie wieder an.

Georgia erwiderte seinen Blick, ohne Angst oder Entsetzen zu zeigen. Sie wirkte auch nicht überrascht, sondern sah ihn aus blauen Augen offen an. Es faszinierte ihn, dass sie sich von den Verbrennungen an seiner Schläfe und Wange nicht aus der Fassung bringen ließ.

„Georgia“, entgegnete sie und schüttelte seine Hand ebenfalls mit festem Griff.

Trotz des langen Flugs und der Schwangerschaft – oder vielleicht auch gerade deshalb – sah sie frisch aus und strahlte vor Gesundheit und Vitalität.

Nikos, der seit fast fünf Jahren nichts und niemanden mehr gewollt hatte, spürte Neugier und einen dumpfen Schmerz des Verlangens. Das überraschte ihn, weil er so lange nichts mehr empfunden hatte.

Fühle ich mich zu ihr hingezogen, weil sie Elsa ähnelt oder weil sie beim Anblick meiner Narben keine Angst gezeigt hat?

Als Nikos ihre Hand berührt und ihre Wärme gespürt hatte, hatte sich etwas in ihm geregt, und er fragte sich, wie sie nackt aussehen, wie sie schmecken würde …

Sein Körper hatte auf sie reagiert, auch wenn es in seinem Kopf ganz anders aussehen mochte.

Doch das durfte nicht sein. Deshalb lebte er auf Kamari, fernab anderer Menschen. Nicht, um sich selbst zu schützen, sondern andere.

Mit aller Macht unterdrückte er sein Verlangen, indem er sich daran erinnerte, was er Elsa angetan und was ihr Tod aus ihm gemacht hatte.

Aber sie war nicht Elsa und nicht seine Ehefrau. Trotzdem durfte er kein Risiko eingehen. Sie trug seinen Sohn in sich. Ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen waren essenziell für dessen Gesundheit und Wohlbefinden. Darum würde er sich auf bestmögliche Weise um die Leihmutter kümmern. Aber darüber hinaus hatte sie keine Bedeutung für ihn.

Er sah an ihr vorbei zu der Crew und bedeutete den Männern, dass ihr Gepäck hinten in dem restaurierten Landrover von 1961 verstaut werden sollte. Es war das ideale Fahrzeug für Kamaris unebenes Gelände und die steilen, gewundenen Straßen, die der Wagen mit Leichtigkeit bewältigte. Außerdem konnte er damit im Sommer ohne Verdeck fahren. Im Winter klappte er es natürlich herunter, aber es gab keine Scheiben, die ihn einengten.

Er wollte schon zu dem Wagen gehen, als ihm das lächerliche Schuhwerk der Amerikanerin einfiel. „Diese Stiefel sind nicht geeignet für Kamari“, erklärte er knapp.

Wieder sah sie ihn lange an, dann zuckte sie mit den Schultern.

„Ich werde daran denken“, sagte sie und ging mit ausholenden Schritten zum Beifahrersitz des Landrovers, während der Wind sich in ihren langen Haaren verfing und sie leuchten und herumtanzen ließ.

Nein, sie ist definitiv nicht Elsa, dachte Nikos.

Nichts an Elsa hatte geleuchtet. Aber früher ist sie doch anders gewesen, oder nicht? Bevor sie mich geheiratet hat. Bevor sie ihr Leben bedauert hat …

Nikos ballte die Hand zur Faust und kämpfte gegen die Vergangenheit an, die ihn unentwegt verfolgte. Er betete darum, dass das Baby neues Leben bedeuten würde – nicht nur für das Kind, sondern auch für ihn. Und er hoffte, dass er ein guter Vater sein würde, um endlich Frieden zu finden – und etwas wiedergutzumachen.

Oder war es dafür schon zu spät?

Er zwang sich, seine Aufmerksamkeit Georgia zuzuwenden. Eine Fußbank stand für sie bereit, damit sie leichter in den Geländewagen steigen konnte. Was sie zu amüsieren schien, denn sie verzog die vollen Lippen zu einem Grinsen, während sie einen Fuß auf die kleine Bank stellte und sich ohne Probleme auf den Beifahrersitz schwang.

Er verstand nicht, warum sie lächelte und sich so selbstbewusst gab. Wollte sie ihn herausfordern?

Nikos war nicht sicher, ob ihm das gefiel. Sie war doch eben erst angekommen.

Auch wenn sein Puls schneller schlug, hatte er sich doch unter Kontrolle. Früher war er für seine Wutausbrüche bekannt gewesen. Aber zum Glück war er älter geworden, erwachsener. Zwar hatte er bei Elsa nie die Geduld verloren, aber sie war in seiner Nähe immer nervös gewesen. Launisch.

Er schüttelte den Kopf, um die Erinnerungen zu verscheuchen. Denn er wollte jetzt nicht an Elsa denken und sich noch länger von der Vergangenheit quälen lassen. Deshalb hatte er sich für eine Leihmutter entschieden. Er wollte weiterleben und versuchen, sich eine Zukunft aufzubauen, an die er lange nicht mehr geglaubt hatte.

Als er im Wagen saß, warf er einen Blick auf Georgia. Sie schnallte sich gerade an, und ihre hellen, glänzenden Haare fielen wie ein Wasserfall über ihre Schultern und den Rücken. Wunderschöne Haare. Und länger, als Elsas je gewesen waren.

Nikos fühlte sich zu ihr hingezogen und unterdrückte dieses Gefühl, das ihn sehr verwirrte. Er wollte Georgia Nielsen nicht attraktiv finden. Nichts an ihr. Sie war nur hier, weil sie sein Kind in sich trug.

Doch sein Körper sagte etwas anderes. Das Sehnen in seinen Lenden wuchs, und seine Anspannung machte ihn rastlos. Wie ein Tiger auf Beutefang. Eine Bestie, die aus dem Käfig ausgebrochen war.

Doch er wollte nicht so fühlen. Wollte sich von nichts und niemandem herausfordern lassen, weil ihn das nur an seine dunklen Seiten erinnerte. Dabei hatte er nichts von seiner furchteinflößenden Persönlichkeit gewusst, bis er Elsa geheiratet hatte. Erst als Elsa sich vor ihm versteckt hatte, war ihm bewusst geworden, dass er eine Bestie sein musste … ein Monster.

Hätte er vor seiner Hochzeit gewusst, dass er seine schöne Frau mit seiner Wut zerstören würde, wäre er Junggeselle geblieben.

Aber er hatte Kinder gewollt. Sich eine eigene Familie gewünscht.

Aus dem Augenwinkel sah er, dass Georgia ein Bein über das andere legte, was seinen Blick auf ihre langen Beinen lenkte.

„Es ist etwa eine Viertelstunde bis zum Haus“, sagte er barsch, startete den Wagen und kämpfte gegen sein Verlangen an.

„Und bis zur Stadt?“, fragte sie und richtete den Gurt über ihrem Schoß.

Sein Blick folgte ihrer Bewegung, und zum ersten Mal nahm er bewusst ihren sanft gerundeten Bauch wahr, den die Kaschmirtunika bisher kaschiert hatte.

Mein Kind. Mein Sohn.

Für den Bruchteil einer Sekunde verschlug es ihm den Atem. Plötzlich war es sehr real, das Leben, das er geschaffen hatte … sein Same … ihre Eizelle …

„Wollen Sie ihn berühren?“, fragte sie.

Er sah in ihr Gesicht, und sie erwiderte seinen Blick. „Er bewegt sich“, fügte sie mit einem verhaltenen Lächeln hinzu. „Ich glaube, er will Hallo sagen.“

Erneut warf Nikos einen Blick auf ihren Bauch. „Ist es nicht ein bisschen zu früh, um ihn jetzt schon zu spüren?“, fragte er.

„Vor ein oder zwei Wochen schon, aber jetzt nicht mehr.“

Hin- und hergerissen starrte er auf die Rundung. Er wollte seinen Sohn spüren, wagte es jedoch nicht, sie zu berühren. Eigentlich sollte er nichts anderes in ihr sehen als die Leihmutter, doch plötzlich war sie für ihn eine umwerfende junge Frau, die seinen Sohn in sich trug.

„Jetzt noch nicht“, beantwortete er ihre Frage, legte den Gang ein und fuhr los. Sein Magen krampfte sich zusammen, und es fiel ihm schwer zu atmen. Was habe ich mir nur dabei gedacht, diese Frau hierherzuholen? „Aber es ist gut zu wissen, dass er sich bewegt und gesund zu sein scheint.“

„Ja, er ist sehr gesund. Sie haben doch bestimmt die Arztberichte bekommen?“

„Sicher.“ Er wollte nicht über das Baby sprechen. Wollte überhaupt nicht reden. Sie war hier, damit sie nicht kurz vor der Geburt noch fliegen musste, aber er hatte sie nicht nach Kamari geholt, um Freundschaft mit ihr zu schließen. Es würde keine Beziehung zwischen ihnen geben. Vielmehr wollte er sie nur in Sicherheit wissen, darüber hinaus wollte er nichts mit ihr zu tun haben. Je eher sie das verstand, desto besser.

„Und die Stadt?“, wiederholte sie ihre Frage.

Er legte den nächsten Gang ein. „Eine Stadt gibt es nicht. Es ist eine kleine Privatinsel.“

Jetzt sah sie ihn an. „Ihre?“

„Meine“, bestätigte er.

„Und das Haus? Wie ist das?“

„Es liegt nah am Wasser, was im Sommer schön ist.“

„Aber nicht so schön im Winter?“

Schnell warf er ihr einen Blick zu. „Es ist ein altes, schlichtes Haus. Aber das reicht mir.“

Sie fuhr sich durch die Haare. „Mr. Laurent hat es als Villa bezeichnet.“ Neugierig musterte sie ihn. „Liegt er da falsch?“

„In Griechenland wird ein Landhaus üblicherweise als Villa bezeichnet. Also hatte er nicht unrecht, aber ich benutze das Wort nicht. Es ist mein Zuhause, wo ich jetzt lebe.“

Sie öffnete den Mund, um noch eine Frage zu stellen, doch er schnitt ihr in kaltem Ton das Wort ab. „Ich bin nicht besonders gesprächig, Georgia.“

Wäre Georgia nicht übel gewesen, hätte sie vielleicht gelacht. Will er mir damit sagen, dass ich keine Fragen mehr stellen soll?

Kurz sah sie zu ihm herüber. Ihn nur anzusehen, machte sie nervös, und ihr hob sich der Magen, als säße sie wieder im Flugzeug und würde die holprige Landung noch einmal erleben.

Sie hatte sich Nikos Panos als soliden, etwas übergewichtigen und bequemen Milliardär von Mitte dreißig vorgestellt. Doch er hatte nichts Bequemes an sich. Nikos Panos war groß, hatte breite Schultern und lange Gliedmaßen. Dichte glänzende schwarze Haare, einen stechenden Blick und sehr schöne Gesichtszüge … zumindest was die eine Hälfte betraf. Die andere Seite war an der Schläfe und der Wange vernarbt. Die Narben waren deutlich zu sehen, doch sie entstellten ihn nicht. Die Haut war bei einem Feuer verbrannt worden, und sie konnte sich vorstellen, wie schmerzhaft der Heilungsprozess gewesen sein musste.

Doch abgesehen von den Narben war er genau der Typ Märchenprinz.

Falsch – wenn man von den Narben und seinem Benehmen absah.

Ich bin nicht sehr gesprächig, Georgia.

Was sollte das überhaupt heißen? Dass sie während ihres Aufenthalts hier niemanden zum Reden hätte?

Mr. Laurent hatte ihr erzählt, dass es keine Mrs. Panos gab. Und dass Mr. Panos sein Kind allein aufziehen würde. Würde es hier aufwachsen?

Auf dieser kargen Vulkaninsel, mitten im Meer?

„Wo werden Sie leben, wenn das Baby da ist?“, platzte es aus ihr heraus.

Er zog die Brauen zusammen. „Hier. Das ist meine Heimat.“

Georgia hielt die Luft an und starrte auf die enge Straße, neben der sich ein Berg erhob. Die Straße war einspurig, nur unzureichend asphaltiert und schlängelte sich auf und ab durch die Hügellandschaft. Sie wünschte, dass es wenigstens eine Leitplanke gäbe.

Sie wünschte, sie wäre wieder in Atlanta.

Autor

Jane Porter
Bereits in der Grundschule schrieb Jane ihr erstes Manuskript: Es war 98 Seiten lang und wurde von einem Jungen in ihrer Klasse zerrissen. Jane weinte, der Junge musste die zerrissenen Seiten zusammenkleben und kam mit einer Verwarnung davon, während Jane fürs Schreiben im Unterricht bestraft wurde und so lernte, dass...
Mehr erfahren