Gibt es noch einen Weg ins Glück?

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Fast scheint es Schicksal zu sein, dass Gloria mit dem anziehenden Geschäftsmann Jack gemeinsam in einem Fahrstuhl stecken bleibt. Nach Jahren finden sie endlich in Liebe zueinander. Aber besiegen sie auch die Schatten der Vergangenheit?


  • Erscheinungstag 11.10.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733753610
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

„Ach je, was ist denn nicht in Ordnung?“, fragte die dunkelhaarige Frau, die gerade den Laden betreten hatte.

Maria Mendoza blickte von den bunten Wollknäueln hoch, die sie auf der Verkaufstheke ihres Ladens arrangiert hatte, der viel erfolgreicher lief als erwartet. Trotzdem war ihre Laune im Keller.

„Wie kommst du darauf, dass etwas nicht in Ordnung sei?“, erwiderte sie und rang sich ein Lächeln ab.

Ihre Cousine und beste Freundin Rosita Perez schüttelte bloß den Kopf. „Wir beide kennen uns schon länger, als meine Falten es erahnen lassen. Ich weiß, wann mit dir was nicht stimmt. Du siehst aus, als hättest du deine beste Freundin verloren. Aber ich lebe noch.“

„Nicht meine beste Freundin, sondern meine Töchter“, erwiderte Maria seufzend. Und weil Sierra noch in Red Rock lebte, schränkte sie ein: „Christina und Gloria.“

Rosita legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter. „Aber das ist doch nicht neu. Die Mädchen sind schon seit fünf Jahren fort und …“

„Eben“, rief Maria betrübt. „Fünf Jahre! Rosita, ich bin nicht Mutter geworden, um nur ab und zu was von meinen Töchtern zu hören. In meinem Herzen klafft eine Wunde!“, fügte sie hinzu und legte dramatisch die Hand auf die Brust.

„Aber Sierra und Jorge sind noch immer in deiner Nähe“, hielt Rosita ihr vor und erwähnte vorsichtshalber nicht Roberto, der nach Denver gezogen war.

„In meinem Herzen klafft eine Wunde“, wiederholte Maria.

„Dann nähe sie“, riet Rosita.

Als ob das so einfach gewesen wäre. „Wie denn?“

Rosita sah sich im Stocking Stitch um, Strumpfnaht, wie Maria ihren Laden genannt hatte. „Hol die Mädchen heim.“

Ungeduldig baute Maria sich vor ihrer Cousine auf. „Und wie soll das gehen?“

„Dir ist doch noch immer was eingefallen, Ria“, entgegnete Rosita. „Veranstalte ein Fest.“

Natürlich! Wieso hatte sie nicht gleich daran gedacht? Jose könnte kochen, und sie hätte wieder alle unter ihrem Dach versammelt. „Ein großes Fest“, sagte Maria lächelnd.

„Ein großes Familienfest“, bestätigte Rosita.

Doch Maria wurde sofort wieder ernst. „Die Mädchen würden nicht kommen. Da ist doch diese Geschichte zwischen ihnen.“ Maria hatte nie genau erfahren, worum es bei dem Streit gegangen war, aber vermutlich war ein Mann der Grund gewesen. Christina, die Älteste, und Gloria, die Wilde, hatten sich mächtig in die Haare bekommen.

Rosita ließ sich nicht beeindrucken. „Na und? Lass dir was einfallen“, riet sie erneut.

Plötzlich lächelte Maria. „Ich könnte behaupten, dass ihr Vater einen Herzinfarkt hatte. Dann wären sie sofort daheim.“

„Nein, sie wären nicht daheim, sondern im Krankenhaus“, entgegnete Rosita.

„Dann eben kein Herzinfarkt, sondern ernste Schmerzen in der Brust“, meinte Maria. „Ich sage den Mädchen, dass wir ein Familientreffen veranstalten. Und wenn sie diesmal nicht dabei wären, könnten sie ihren Vater beim nächsten Mal vielleicht nicht mehr lebend antreffen. Was meinst du?“, fragte sie ihre Cousine und griff nach Notizblock und Stift.

Rosita lachte. „Ich bin froh, dass wir Freundinnen und nicht Konkurrentinnen sind.“

Doch das hörte Maria schon nicht mehr, weil sie bereits einen Plan für die Feier erstellte, die sie zusammen mit ihrem Mann veranstalten wollte.

1. KAPITEL

Gloria Mendoza Johansen kam sich völlig fehl am Platz vor. Alles wie früher, dachte sie, während sie sich die Leute im Wohnzimmer ihrer Eltern ansah. Das ganze Haus wimmelte von Gästen. Wegen der Kälte ging keiner nach draußen. Schließlich war es Februar, und um diese Jahreszeit war es sogar in Red Rock, Texas, sehr kühl. Im Haus dagegen war es warm und gemütlich.

Gloria blickte sich um und hielt dabei ein Weinglas mit Mineralwasser in der Hand. Niemand brauchte sofort zu merken, dass sie als trockene Alkoholikerin Wein und dergleichen meiden musste. Seit zwei Jahren hatte sie keinen Tropfen mehr getrunken, und dabei sollte es auch bleiben.

Es kam ihr seltsam vor, wieder daheim zu sein. Darum nickte sie nur lächelnd den Leuten zu, die sich mit ihr unterhielten. Es war geradezu, als hätten die letzten fünf Jahre gar nicht stattgefunden. Aber sie hatten stattgefunden und Spuren hinterlassen. Daran wollte sie im Moment jedoch nicht denken. Denn das brachte nichts.

Immer nach vorne blicken, befahl Gloria sich täglich. Und mittlerweile gelang es ihr auch, sich daran zu halten.

„Das sind alles deine Verwandten, Gloria. Die beißen dich nicht. Rede mit ihnen.“

Natürlich ihre Mutter! Gloria drehte sich zu der zierlichen Frau um. Mit zweiundsechzig Jahren besaß Maria Mendoza noch immer die Figur, die vor langer Zeit Jose Mendozas Blicke angezogen hatte. Nach fünf Kindern war das eine reife Leistung. Das schulterlange schwarze Haar trug sie heute hoch gesteckt, silbergraue Strähnen verliehen ihr ein würdevolles Aussehen.

Die Königinmutter, die ihre Töchter nach Hause befohlen hatte. Gloria amüsierte sich darüber, weil sie selbst schon mit dem Gedanken an Heimkehr gespielt hatte. Dabei war es ihr allerdings nicht um ein Familientreffen gegangen, auch nicht um ein Wiedersehen mit ihrem angeblich kränkelnden Vater, der trotz der „ernsten Schmerzen“ in seiner Brust äußerst gesund wirkte. Nein, sie hatte für immer heimkommen wollen, um wieder dort zu leben, wo sie aufgewachsen war.

Vor fünf Jahren hatte sie Red Rock fluchtartig verlassen, als Alkohol und Drogen ihr Leben zu zerstören begannen. Sie hatte gedacht, sich nicht mehr betäuben zu müssen, wenn sie sich der starken Hand ihrer Mutter und allen anderen Widrigkeiten entzog.

Was für ein Irrglaube!

Sie hatte einsehen müssen, dass es sie selbst war, vor der sie hatte fliehen wollen. Nach langem Grübeln und nachdem sie volltrunken fast von einem Balkon gestürzt wäre, hatte sie eingesehen, dass die Probleme in ihr und nicht bei anderen Menschen lagen. Wenn sich etwas in ihrem Leben ändern sollte, musste sie sich selbst ändern. Und nicht die Menschen um sich herum.

Als Erstes hatte sie sich daher von ihrem jämmerlichen Ehemann getrennt, dies allein schon war eine große Befreiung. Und auch der Alkoholentzug, so hart er auch gewesen war, hatte ihr viel Freiheit zurückgegeben. Freiheit, sich selbst anzunehmen. Die Freiheit, von vorne zu beginnen. Und schließlich, ganz langsam, hatte sie gelernt, sich selbst zu mögen. Das erste Mal in ihrem Leben.

Natürlich war das alles ein langwieriger und mühevoller Prozess, doch jeder kleinste Fortschritt half. Und je stärker sie wurde, desto klarer erkannte sie, dass sie dorthin zurückkehren wollte, wo man sie mochte.

Nach Hause.

Nach Hause. Das bedeutete nicht nur Red Rock, sondern auch ihre Eltern und ihre Schwestern. Diese Hürde würde sie wohl erst noch nehmen müssen. Ein Schritt nach dem anderen. Das hatte Gloria sich fest vorgenommen.

Vielleicht machte sie heute Abend keine Fortschritte, aber das war ihr egal. Allein hier zu sein, war eine ungeheure Leistung, fand sie. Und außerdem hatte sie ihre beiden Schwestern schon gesehen, wenn auch nur von weitem. Und dabei sollte es vorerst bleiben.

„Für einen überstandenen Herzinfarkt sieht Dad großartig aus“, sagte Gloria lächelnd zu ihrer Mutter.

„Brustschmerzen“, erwiderte Maria unbeeindruckt. „Ich habe nur von ernsten Brustschmerzen gesprochen.“

Gloria durchschaute ihre Mutter. „Hat er was Falsches gegessen?“

Maria zuckte mit den Schultern. „Er wollte euch eben genau wie ich wieder hier haben.“

Gloria legte den Arm um ihre Mutter. „Dann habe ich euch etwas zu sagen“, begann sie, doch Maria ließ sie nicht aussprechen.

„Ach, Schatz, bevor du weiterredest, hole mir doch bitte erst meinen Schal.“

„Deinen Schal?“, fragte Gloria verblüfft. Schließlich war es im Haus nicht kühl.

„Ja, ich habe ihn im Hobbyraum liegen lassen“, erwiderte ihre Mutter und versetzte ihr einen leichten Stoß in die richtige Richtung.

Gloria sträubte sich nicht, weil sie dadurch Zeit gewann. Ganz wohl war ihr eben doch noch nicht bei der Vorstellung, wieder heimzukehren. Je später sie es ihrer Mutter sagte, desto besser, dachte sie.

Es gab einen ganz konkreten Grund, warum sie damals Red Rock verlassen hatte. Sie war nach einer durchzechten Nacht neben einem Mann aufgewacht, den sie nicht kannte. Was hatte sie mit ihm gemacht? Wie weit war sie gegangen? Die Scham darüber hielt bis heute an. Allerdings war sie auch geflohen, weil sich das Verhältnis zwischen ihr und ihren Schwestern verschlechtert hatte. Dabei hatten sie einander als Kinder sehr nahe gestanden.

„Bitte, Gloria“, drängte ihre Mutter. „Mir ist kalt.“

Da stimmte doch etwas nicht. Wurde ihre Mutter vielleicht krank? Sie sah allerdings nicht danach aus. „Schon gut, Mom, ich hole deinen Schal.“ Ob ihr Vater wusste, wie seltsam sich seine Frau verhielt?

Sobald Gloria den Hobbyraum betrat, erkannte sie, dass ihre Mutter sie ausgetrickst hatte. Ihre jüngere Schwester Sierra stand vor einem Bücherregal. Und auch ihre ältere Schwester Christina war hier. Das hätte sie sich eigentlich denken können.

Obwohl sie sich alles andere als wohl in ihrer Haut fühlte, sagte Gloria: „Jetzt fehlt nur noch ein kleiner belgischer Detektiv mit gezwirbeltem Schnurrbart und einer Tasse Schokolade, der sagt: ‚Sie alle fragen sich natürlich, warum ich Sie heute Abend hierher gebeten habe.‘“ Gloria liebte Agatha Christies Romane über den Meisterdetektiv Hercule Poirot.

Christina drehte sich überrascht um. Sierra war sichtlich betroffen.

„Mom hat mich hergeschickt“, erklärte Gloria.

„Dad hat mich hergeschickt“, sagte Christina.

„Bei mir war es Rosita“, fügte Sierra hinzu.

Gloria erhielt unvermittelt einen kräftigen Stoß in den Rücken und taumelte vorwärts. Als sie sich umdrehte, knallte ihr die Tür vor der Nase zu. Was war das denn? Ihre Schwestern waren sofort bei ihr und versuchten, gemeinsam mit ihr die Tür zu öffnen. Sie gab keinen Millimeter nach.

„Verschlossen“, rief ihre Mutter von draußen. „Und sie bleibt verschlossen, bis ihr drei euch versöhnt habt und euch wieder wie Schwestern benehmt!“

„Mom!“, rief Gloria, die nichts mehr hasste, als manipuliert zu werden. „Du wirst den Schal brauchen, denn wir werden uns auch in hundert kalten Wintern nicht versöhnen!“

Die Tür blieb zu. Maria Mendoza meinte es offenbar absolut ernst.

Verärgert drehte Gloria sich zu ihren Schwestern um. „Sie stellt sich stur.“

Christina zuckte mit den Schultern. „Ihr kennt doch Mom, wenn sie sich etwas in den Kopf setzt.“

Wer im Glashaus sitzt, dachte Gloria. „Du bist genau wie sie.“

„Du vielleicht nicht?“, entgegnete Christina.

Sierra, die ewige Friedensstifterin, schob sich zwischen ihre Schwestern. Nicht umsonst war sie Sozialarbeiterin geworden. „Tina und Glory, fangt nicht wieder da an, wo ihr vor fünf Jahren aufgehört habt!“

Gloria fühlte sich in die Ecke getrieben. Schließlich war sie damals fortgegangen, und Christina und Sierra hatten sich gemeinsam gegen sie gestellt. „Und warum sollten wir eben genau dort nicht wieder anfangen?“, fragte sie gereizt.

Sierra ließ sich nicht beeindrucken. „Weil Mom und Dad wollen, dass wir uns versöhnen und nicht erneut zerstreiten.“

Gloria sah Sierra an, dass sie es ernst meinte. Es war ihrer Schwester offensichtlich wichtig, dass sie drei sich versöhnten. „Wir haben uns einmal sehr nahe gestanden“, sagte sie vorsichtig. „Es wäre schön, wenn wir die Zeit zurückdrehen könnten.“

„Oder einfach vergessen, was passiert ist?“, schlug Sierra vor.

Gloria warf Christina einen forschenden Blick zu. Das böse Blut war hauptsächlich zwischen ihr und ihrer älteren Schwester geflossen, Sierra war lediglich in den Streit hineingezogen worden. Außerdem wusste Gloria heute, dass die Hauptschuld bei ihr und ihrer Trinkerei gelegen hatte.

„Da müssten wir aber sehr viel vergessen“, räumte Gloria behutsam ein.

Christina holte tief Atem und wirkte gefasst wie stets. Nur wer sie sehr gut kannte, merkte, dass sie Schmerz und Aufruhr sorgfältig in sich verschloss. „Ich kann vergessen, wenn du auch dazu bereit bist“, sagte sie schließlich.

Und damit habe ich wieder den Schwarzen Peter, dachte Gloria. Allerdings wollte sie keinen Streit aufwärmen oder auf verletzten Gefühlen herumtrampeln. Vergangen war vergangen. War nicht sie es, die die letzten fünf Jahre am liebsten begraben hätte? Die das Leben wieder, wie einst, rosig sehen wollte? Ohne Krücken und Hilfsmittel aus der Flasche? Eine Versöhnung mit ihren Schwestern wäre ein optimaler Start in das neue Leben, das sie hier in Red Rock führen wollte.

Zu ihrer größten Überraschung hielt Christina ihr die Hand hin. „Neubeginn?“

Gloria atmete erleichtert auf und griff nach der Hand ihrer Schwester. „Neubeginn.“

Sierra drückte die verschlungenen Hände ihrer Schwestern und lächelte strahlend. „Neubeginn“, sagte auch sie.

Im nächsten Moment lagen sie einander in den Armen, während die Last von Jahren von ihnen abfiel. Danach ließen sie sich auf das Ledersofa nieder.

Auf dem Tisch standen eine Flasche Wein und drei Gläser. Gloria kümmerte sich nicht darum, sondern trank einen Schluck Wasser aus dem Glas, das sie mitgebracht hatte.

„Wisst ihr“, sagte sie, „wir müssen uns anstrengen, damit es wirklich ein Neubeginn wird.“

„Ganz meine Meinung.“ Christina füllte für Sierra ein Glas Wein und schenkte sich selbst ein. Dann zögerte sie und sah Gloria an.

Gloria schüttelte lächelnd den Kopf und hob ihr Glas. „Das hier reicht mir.“

„Du hast also schon einen Neubeginn hinter dir“, bemerkte Christina und stellte die Flasche auf den Tisch zurück.

„Ein Schritt nach dem anderen.“ Gloria stieß mit ihren Schwestern an und meinte dann nachdenklich: „Ich bin so froh, dass wir einander wiederhaben. Wisst ihr, was unsere größte Herausforderung ist?“

Sierra stellte ihr Glas auf einem Tablett ab. „Nein, was denn, Gloria?“

Gloria dachte an ihre gescheiterte Ehe und die Männer davor. Christina war es nicht viel besser ergangen, und auch Sierra hatte niemanden gefunden, der sie glücklich gemacht hätte. „Männer“, erklärte sie.

„Die sind tatsächlich ein Problem“, bestätigte Christina lachend. „Soll sie der Teufel holen.“

„Nein“, widersprach Gloria, „wir sind das Problem. Wir haben uns bisher nicht die Richtigen ausgesucht.“

Dem konnten Sierra und Christina nur zustimmen.

„Das kommt daher“, meinte Sierra, „dass die gemeinsten Kerle immer am besten aussehen.“

Christina nickte. „Vorne hui und hinten pfui.“

Gloria konnte ihren Schwestern nur recht geben. Ihrer Erfahrung nach wussten attraktive Männer, dass sie auf Grund ihres Aussehens mit allem durchkamen. Das waren die Typen, die nie Verantwortung übernahmen. Solchen Kerlen hatte sie abgeschworen, und ihre Schwestern sollten ihrem Beispiel folgen. „Dann lasst uns einfach enthaltsam sein“, erklärte sie. „Vorübergehend.“

Christina beugte sich zu ihr und warf einen Blick in ihr Glas. „Wo wir gerade beim Thema sind: Ist das bestimmt kein Wodka?“, fragte sie und roch daran, als Gloria es ihr unter die Nase hielt. „Nein, Mineralwasser“, bestätigte sie.

„Wir sollten uns die Männer einfach aus dem Kopf schlagen“, fuhr Gloria ungerührt fort.

Sierra schüttelte den Kopf. „Wie soll das gehen? Schließlich machen sie die Hälfte der Bevölkerung aus. Ständig läuft man einem über den Weg.“

„Ich meine“, stellte Gloria klar und ließ den Blick von Christina zu Sierra wandern, „dass wir uns zurückhalten. Keine Dates mehr.“

„Keine Dates mehr“, wiederholte Sierra.

Christina erhob die Hand wie zum Schwur und lachte. „Keine Dates mehr.“

„Ich meine es ganz ernst“, versicherte Gloria. „Völlig egal, wie sehr wir in Versuchung geraten, wir sollten für mindestens … sagen wir, für ein Jahr enthaltsam sein. Keine Dates, keine Affären, nichts. Die Zeit müsste reichen, um unsere Leben wieder in den Griff zu kriegen.“

Sierra zuckte mit den Schultern. Da es in ihrem Leben im Moment keinen Mann gab, verlor sie nichts. „In Ordnung.“

Christina lachte. „Mir ist das nur recht.“

Gloria merkte, dass die beiden den Schwur noch immer nicht ganz ernst nahmen. „So redet ihr jetzt, aber sobald euch ein süßer, aber grottenschlechter Kerl über den Weg läuft …“

„Werde ich ihn ignorieren“, fiel Christina ihr ins Wort.

Gloria war noch immer nicht zufrieden. Ihrer Meinung nach lenkten Männer nicht nur ab, sondern störten und zerstörten auch alles. Damit sie und ihre Schwestern überhaupt etwas im Leben erreichten, mussten sie standhaft sein. „Wisst ihr auch“, fragte sie, „warum ihr die Kerle ignorieren werdet?“

„Weil wir endlich einen Funken Verstand haben?“, erwiderte Christina.

„Nein, sondern weil wir uns andernfalls … bestrafen. Ich dachte an eine Art … Buße.“ Gloria brauchte nicht lange zu überlegen. „Wenn ich gegen die Abmachung verstoße, kleide ich mich als Hausmädchen und putze eure Wohnungen von oben bis unten.“

Christina sah sie ungläubig an. „Das heißt, falls du dich im Laufe des nächsten Jahres privat mit einem Mann triffst, wirst du von Denver zu uns …“

„Nicht von Denver“, unterbrach Gloria ihre Schwester, „sondern von hier.“

„Du bist hierher gezogen?“, fragte Christina ungläubig.

„Ich bin gerade dabei“, erklärte Gloria. Da ihre Mutter sie nicht hatte aussprechen lassen, erfuhren es eben ihre Schwestern zuerst.

„Das ist doch nicht die Möglichkeit!“, rief Christina verblüfft. „Ich habe auch vor, wieder nach Red Rock zu ziehen. Ich habe mich so nach Dads Kochkünsten gesehnt.“ Das war eine durchaus glaubwürdige Erklärung. Ihr Vater betrieb ein Restaurant, dessen Gäste wegen des guten Essens aus der ganzen Gegend kamen.

„Schön, dann sind wir uns einig.“ Gloria hob die Hand. „Ich verspreche, jeder von euch einen ganzen Tag lang demütig zu dienen, sollte ich unsere Abmachung brechen.“ Sie wandte sich an Sierra. „Du bist dran.“

„Also, ich … ich koche euch ein tolles Essen.“

„Du meinst, du bestellst es bei einem Lieferdienst“, sagte Christina lachend.

„Nein, nein, ich koche richtig“, versicherte Sierra. „Und ihr wisst, wie ungern ich koche.“

„Das hört sich gut an“, stellte Gloria fest. „Tina?”

Christina seufzte. „Na schön, ich arbeite einen ganzen Tag in der Autowaschstraße, und ihr könnt meinetwegen eure Wagen bei mir waschen lassen. Das Geld spende ich für einen wohltätigen Zweck. Zufrieden?“

„Zufrieden“, bestätigte Gloria. „Wir sind uns also einig?“

„Aber ja, wir sind uns einig“, erwiderte Christina und nahm einen Schluck Wein, um die Abmachung zu besiegeln.

„Einig“, wiederholte Sierra. „Du ziehst wieder hierher?“, fragte sie Gloria.

„Sobald ich eine Wohnung finde“, bestätigte Gloria.

„Du hast Glück“, erklärte Sierra. „Ich weiß eine sehr hübsche Wohnung. Eine meiner Freundinnen zieht an die Ostküste und möchte ihr Apartment untervermieten. Bist du interessiert?“

„Aber sicher“, beteuerte Gloria. Wenn sie ihre Schwestern ansah, merkte sie deutlich, wie ihr die Nähe zu den beiden gefehlt hatte.

Christina fasste dieses Gefühl in Worte. „Die Mendoza-Mädchen sind wieder vereint. Wer hätte das gedacht?“

Gloria lachte, stand auf, ging zur Tür und klopfte laut dagegen. „Hey, Mom, du kannst aufschließen. Wir haben uns wieder lieb.“

Christina folgte ihr mit Sierra. „Kann sie uns denn hören?“

„Wir sprechen von unserer Mom. Natürlich kann sie uns hören“, entgegnete Gloria. Zur Bestätigung flog die Tür auf, und Maria kam strahlend herein. „Vor allem“, fuhr Gloria fort, „wenn sie das Ohr an die Tür drückt.“

Alle lachten und umarmten sich, wie sie das früher getan hatten. Gloria war schon ewig nicht mehr so glücklich gewesen. Endlich war sie wieder zu Hause.

2. KAPITEL

Jack Fortune verließ das Büro, ging zum Aufzug und drückte ungeduldig den Rufknopf, obwohl der bereits leuchtete. Er fühlte sich alles andere als wohl, und das hatte nichts mit der Zeitverschiebung zu tun, auch wenn er erst vor zwei Stunden aus New York eingetroffen war. Es hatte vielmehr damit zu tun, was ihn gleich erwartete.

Für gewöhnlich folgte er den Wünschen seines Vaters blind, denn er respektierte Patrick Fortune als Geschäftsmann und als Mensch. Hätte er sich einen Vater aussuchen können, er hätte keinen anderen gewählt. Nein, Jack hätte praktisch alles für seinen Vater getan.

Aber diesmal ging es nicht um seinen Vater, zumindest nicht unmittelbar. Jack hatte zahlreiche wichtige Termine im New Yorker Büro der Fortune-Rockwell-Bank absagen müssen, um hierher zu kommen und der Tochter einer Freundin seines Vaters zu helfen. Gestern hatte Patrick ihn angerufen und gebeten, sich um den Aufbau dieses Geschäfts zu kümmern. Geschäft? In seinen Ohren klang das eher nach einer unwichtigen und ebenso läppischen Laune einer Frau.

Wahrscheinlich hatte die Lady nicht die geringste Ahnung, worauf sie sich einließ.

Sie wollte Schmuck herstellen! Du lieber Himmel! Was war bloß in seinen Vater gefahren? Vermutlich hatte sie irgendwo einen kreativen Kurs besucht und meinte nun, den Markt erobern zu können, wenn sie Perlen auffädelte.

Liebend gern hätte Jack das seinem Vater gesagt. Doch aus Respekt und Liebe hatte er den Mund gehalten und war brav hierher geflogen.

Wo blieb der verdammte Aufzug?

Jack seufzte. Was ging nur in seinem Vater vor? Patrick betonte doch ständig, wie wichtig sein Sohn für Fortune-Rockwell war. Nun, dann hätte Jack in New York bleiben sollen, anstatt sich in San Antonio um eine Anfängerin zu kümmern und ihr das manikürte Händchen zu halten.

Früher wäre sein Vater nie auf eine solche Idee gekommen. Seit einiger Zeit stellte Jack jedoch fest, dass sein alter Herr irgendwie zum Romantiker wurde. Das machte ihm Sorgen. Patrick Fortune sprach gelegentlich davon, dass er Zeit haben wollte, den Duft der Rosen zu genießen. Nur Leute, die das Ende nahen fühlten, redeten so. Dabei wirkte sein Vater auch mit siebzig stark wie immer, und auf Jacks Frage, ob er sich nicht gut fühlte, hatte er nur herzhaft gelacht. Was hatte er noch gleich geantwortet? Zum ersten Mal in seinem Leben wäre alles in Ordnung. Was zum Teufel sollte das bedeuten?

Jack fand das alles jedenfalls sehr beunruhigend. Je länger er darüber nachdachte, desto sicherer war er, dass mit seinem Vater etwas nicht stimmte. Der Mann, der die Fortune-Rockwell-Bank aufgebaut hatte und führte, würde keine Zeit haben wollen, nur um an Rosen zu riechen. Der Patrick Fortune, den er kannte, zog auch keinen leitenden Mitarbeiter ab und holte ihn nach San Antonio, nur weil ihn die Mutter eines verrückten Huhns darum gebeten hatte.

Und das war noch nicht einmal alles! Jacks Vater hatte sich nicht nur bereit erklärt, dieser Gloria Mendoza zu helfen. Nein, er wollte sich auch noch um deren Schwester Christina kümmern. Er hatte ihr eine Anstellung bei Jacks bestem Freund verschafft, bei Derek Rockwell, einem der Namensgeber der Bank.

Hier stimmte eindeutig etwas nicht.

Vielleicht kam sein Vater ja in den zweiten Frühling. Immerhin war er bereits im siebten Lebensjahrzehnt – und trotz Macht, Einfluss und einer liebevollen Familie glaubte Patrick Fortune möglicherweise, dass ihm etwas entgangen war. Dass er etwas nachholen musste.

Es war höchste Zeit, dass Jack ein ernstes Wort mit seinem Vater redete. Doch nicht heute. Heute sollte er erst einmal seinen Vater und diese Gloria treffen.

Zum dritten Mal drückte er den Rufknopf des Aufzugs. Hätte sich das Büro seines Vaters nicht im dreißigsten Stock befunden, wäre er zu Fuß gegangen. Das hatte er nun davon, dass er zuerst in den zweiten Stock gefahren war, um nach einem alten Bekannten in der Firma zu sehen. Es wäre besser gewesen, er wäre gleich zu seinem Vater hinaufgefahren und hätte sich erst hinterher nach dem Bekannten erkundigt.

Vielleicht gelang es ihm, seinen Vater zur Einsicht zu bringen. Dann konnte er nach New York zurückkehren, wo er auch hingehörte. Bestimmt hatte er Wichtigeres zu erledigen, als den Schutzengel für eine hohlköpfige Frau zu spielen. Schließlich hatte sein Vater schon Derek hergeholt. Auch dies war, wie Jack fand, eine Verschwendung von wertvoller Arbeitszeit.

Endlich öffneten sich die Türen des Fahrstuhls. Tief in Gedanken versunken betrat Jack den Aufzug, in dem sich mehrere Personen aufhielten. Eine Frau stand vor den Tasten und wich nicht zur Seite.

„Dreißigster Stock“, sagte Jack schroff.

Gloria kämpfte gegen Platzangst wie stets, wenn sie sich in einem Aufzug befand. Dass sich mehrere Leute mit in der Kabine befanden, machte alles noch schlimmer. Verkrampft warf sie dem Mann, der soeben eingestiegen war, einen Blick zu. Im ersten Moment fand sie, dass er toll aussah. Toll? Der Mann war so attraktiv, als wäre er direkt einem Hollywoodfilm entsprungen.

Dann jedoch öffnete er den Mund und die Attraktivität nahm Schaden. So ein arroganter Kerl. Doch Gloria war im Moment nicht in Stimmung, sich darüber aufzuregen. Sie war nervös. Schließlich bot einem Patrick Fortune nicht täglich an, finanziell zu helfen.

Eigentlich brauchte sie diese Hilfe nicht so sehr, wie ihre Mutter dachte. Gloria hatte ihr Geschäft in Denver gut verkauft und stand finanziell auf soliden Füßen. Sie hatte sogar noch etliche Aufträge, das würde sie die erste Zeit über Wasser halten. Trotzdem schadete zusätzliche Hilfe nicht, schon gar nicht, wenn sie von Patrick Fortune kam. Bei dem Familientreffen hatte sie sich mit ihm unterhalten, und dabei hatte er einen sehr netten Eindruck gemacht. Er hatte sogar die Halskette bewundert, die sie für sich selbst angefertigt hatte.

Gloria warf dem unhöflichen Kerl einen Blick zu. Er hatte nicht einmal Bitte gesagt. „Ich bin nicht die Fahrstuhlführerin“, erwiderte sie knapp.

„Dann stehen Sie nicht wie angewurzelt vor den Knöpfen“, erwiderte er unfreundlich.

Hoppla, der nahm sich aber was raus! Doch nicht mit ihr! Sie würde sich nie wieder von einem Mann herumkommandieren lassen. Davon hatte sie mehr als genug. „Wissen Sie“, sagte sie und trat einen Schritt zur Seite, „nette Menschen sind beliebter als die mit den schlechten Manieren.“

„Geben Sie es ihm“, ermutigte sie eine Frauenstimme aus dem Hintergrund.

Autor

Marie Ferrarella
<p>Marie Ferrarella zählt zu produktivsten US-amerikanischen Schriftstellerinnen, ihren ersten Roman veröffentlichte sie im Jahr 1981. Bisher hat sie bereits 300 Liebesromane verfasst, viele davon wurden in sieben Sprachen übersetzt. Auch unter den Pseudonymen Marie Nicole, Marie Charles sowie Marie Michael erschienen Werke von Marie Ferrarella. Zu den zahlreichen Preisen, die...
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