Haut wie Seide, Küsse wie Samt

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Tagelang ist Tracy an Ricks Seite unterwegs - und noch bevor sie an ihrem Heimatort ankommen, wo Tracy zu einem Klassentreffen erwartet wird, ist nichts mehr wie es war. Jede Stunde, jede Sekunde in Ricks Nähe lässt Tracy spüren, wie sehr sie ihre heimliche Jugendliebe noch immer begehrt, und Rick, von Tracys Wandlung vom unsicheren Teenager in eine schöne, atemberaubend erotische Frau fasziniert, schmiedet einen Plan: Er wird die Rolle des Verlobten übernehmen, den Tracy für Ihre früheren Klassenkameradinnen erfinden will - und er wird gut sein! So gut wie in jener Nacht, in der Tracy nach sinnlichen Spielen vor Verlangen bebte. So gut, dass die Frau, die er so leidenschaftlich liebt, nicht länger Ausflüchte sucht, um seinen Küssen zu entgehen ...


  • Erscheinungstag 30.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733745622
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Ich hasse Ehemaligentreffen“, murmelte Tracy Hall ins Telefon. Dabei hatte sie es zuerst für eine gute Idee gehalten, nach Hause nach Oregon zu fahren und an einem Treffen aller ehemaligen Schüler ihrer kleinen Highschool teilzunehmen.

Schimpfend ließ sie sich auf ihren Koffer fallen und schloss ihn. Es waren genug Sachen für eine Weltreise darin. Auch die neue Reisetasche daneben platzte fast aus den Nähten.

Tracys Magen verkrampfte sich vor Nervosität. Was war, wenn jemand herausfand, was sie beabsichtigte? Allein der Gedanke an das Hohngelächter ließ sie innerlich aufstöhnen.

„Warum mache ich das alles nur?“, fragte sie laut.

„Weil es bestimmt Spaß machen wird“, erwiderte die Stimme ihrer Schwester am Telefon.

„Ja“, meinte Tracy, keineswegs überzeugt. Schon die Vorbereitungen für diese kleine Reise in die Vergangenheit hatten sie geschafft. Ganz abgesehen von ihrem Plan.

„Wirklich, Tracy“, sagte ihre Schwester Meg in dem Kommandoton, den sie auch gegenüber ihren Kindern benutzte, „du könntest zumindest versuchen, ein wenig Enthusiasmus zu zeigen.“

Das hatte Tracy getan. Vor ein paar Wochen, als ihr diese Idee durch den Kopf gegangen war. Doch jetzt, da sie sie umsetzen sollte, verlor die ganze Sache merklich an Reiz.

Sie schaute in den Spiegel, der genau gegenüber hing. Da das Bild, das sie wahrnahm, ein wenig verzerrt war, schloss sie das linke Auge. Sie war gerade dabei gewesen, ihre neuen Kontaktlinsen einzusetzen, als Meg anrief, sodass sie jetzt halb blind war.

Die Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegenschaute, sah elegant, professionell und selbstbewusst aus – wenn man von dem zusammengekniffenen Auge absah. Was wieder einmal bewies, wie irreführend der äußere Schein sein konnte. Denn unter der glänzenden neuen Oberfläche war sie noch immer die alte Tracy Hall. Der Freak. Die Außenseiterin. Ein hässliches Entlein im Vergleich zu ihrer älteren Schwester Meg, dem Schwan.

Sie würde nie ein Fotomodell sein. Damit konnte sie leben. Aber selbst kleine Enten wurden erwachsen. Und wurden, wenn auch nicht zu Schwänen, so doch zu nicht allzu hässlichen Enten.

„Tracy?“, sagte Meg laut. „Bist du noch dran?“

„Ja, ich bin hier“, erwiderte sie und musste lächeln, als sie am anderen Ende der Leitung zunehmenden Lärm vernahm. „Was ist denn bei dir los?“

„Nur das Übliche“, meinte ihre Schwester ergeben, bevor sie den Hörer mit der Hand halb verdeckte und rief: „Tony! Spring nicht von oben die Treppe runter. Du wirst dir den Hals brechen!“

„Ist er wieder der gute alte Superman?“, fragte Tracy, während sie sich ihren jüngsten Neffen bei seiner neuesten Heldentat vorstellte.

„Du bist nicht auf dem Laufenden, Schwesterchen“, erwiderte Meg. „Der ist out. Power Rangers und Hercules sind in.“

Ein wehmütiges Gefühl überkam Tracy. Sie war wirklich nicht gut informiert, und sie wusste es. Im Alter von achtundzwanzig Jahren hatte sie sich inzwischen mit der Tatsache abgefunden, wahrscheinlich nie die Familie zu bekommen, die sie sich immer erträumt hatte.

Es war eben fast unmöglich, geeignete Männer kennenzulernen, wenn man zu Hause arbeitete.

„Ich gehe wohl lieber mal nachsehen“, meinte Meg mit einem Seufzer. „Jenny hat das Xena-Kampfprinzessinnen-Kostüm an und fordert Hercules zu einem Todeskampf heraus.“

Tracy lächelte. Sie würde zwar vermutlich selbst nicht mehr Mutter werden, aber sie genoss es, Tante zu sein. Und Ehemaligentreffen hin oder her, sie freute sich schon darauf, ein paar Tage mit ihren vier Neffen und Nichten zu verbringen. „Wo sind Becky und David?“, fragte sie ihre Schwester nach deren ältesten Kindern.

„Wahrscheinlich verkaufen sie die Tickets für den Kampf“, antwortete Meg. „Die halbe Nachbarschaft ist während unseres Gesprächs schon aufgetaucht.“

Eine Autohupe ließ Tracy aufhorchen, und sie ging zum Fenster und schaute hinaus. „Da wir gerade vom Auftauchen sprechen“, murmelte sie, während ein schwarzer Range Rover auf ihre Einfahrt fuhr. „Rick ist hier.“

Sie blinzelte in die Sonne und schloss ihr linkes Auge, konnte den Fahrer aber trotzdem nicht sehen. Während sie hinausstarrte, stieg eine große, schemenhafte Gestalt aus dem Wagen, schlug die Tür zu und verschloss sie.

„Wie sieht er aus?“, wollte Meg wissen.

„Verschwommen.“

„Setz gefälligst deine Brille auf.“

Tracy starrte weiter hinaus und fragte: „Was hat er gesagt, als du ihn gefragt hast, ob er mich mitnehmen würde?“

„Er sagte: ‚Sicher‘.“

Es war ein Fehler, dachte Tracy. Vielleicht sogar ein großer Fehler. „Weißt du“, sagte sie laut, „der Mechaniker meinte, dass mein Wagen jetzt wieder in Ordnung sei. Ich hätte wahrscheinlich gar keine Probleme, wenn ich selbst fahren würde.“

„Ach, ist das derselbe Mechaniker, der den Wagen beim letzten Mal repariert hat?“

„Eh, ja.“ Tracy runzelte die Stirn, als die schemenhafte Gestalt auf ihre Haustür zuging. „Aber seitdem hat er eine Menge gelernt.“

„Das will ich hoffen“, murmelte Meg.

„Jeder muss sich in seinem Beruf erst einmal qualifizieren. Jimmy wird immer besser.“ Dennoch traute sie, ehrlich gesagt, seinen Fähigkeiten noch nicht genug, um allein mit ihrem Auto nach Oregon zu fahren.

„Du kannst immer noch einen Flug buchen“, sagte Meg neckend.

„Oh, nein.“ Tracy schüttelte den Kopf. „Flugzeuge sind schwerer als Luft. Sie fallen. Und sie fallen von ziemlich weit oben.“ Nie im Leben würde sie ein Flugzeug besteigen. „Aber ich könnte ja den Zug nehmen.“

„Oh, hör schon auf, Tracy“, meinte Meg ungeduldig. „Wo ist das Problem? Rick fährt sowieso zu dem Ehemaligentreffen.“

Das stimmte. Und da er in Pendleton stationiert war, ungefähr zwanzig Meilen südlich von Tracys Haus, befand sie sich ohnehin auf seinem Weg. In den letzten Jahren war sie ein oder zwei Mal in Versuchung gewesen, Rick an seinem Arbeitsplatz zu besuchen – um der guten alten Zeiten willen. Aber sie hatte es sich immer wieder ausgeredet.

„Ich weiß nicht“, sagte Tracy und beugte sich vor, bis sie mit der Stirn gegen die kalte Fensterscheibe stieß. „Es kommt mir nur so komisch vor, das ist alles. Ich habe ihn seit über zehn Jahren nicht gesehen. Was ist, wenn wir uns nichts zu sagen haben? Es ist eine lange Fahrt bis nach Oregon.“

Meg musste lachen. „Seit wann hast du Probleme, wenn es ums Reden geht?“

Da hatte sie recht. Seit sie der Pubertät entwachsen war, hatte Tracy verlorene Zeit aufgeholt. Ihr Vater meinte immer, wenn man ihr nur genügend Zeit gab, redete sie wie ein Wasserfall.

Allerdings schafften es gut aussehende Männer noch immer, dass sie sich unsicher und unbehaglich fühlte. Und das hier war Rick! Sie konnte schon spüren, wie sich ihr Magen in einem wohlbekannten Panikanfall verkrampfte. Sofort schossen ihr Erinnerungen durch den Kopf, die sie zusammenzucken ließen.

Als könnte sie Tracys Gedanken lesen, fügte Meg hinzu: „Ich bin sicher, er hat inzwischen vergessen, dass du ihm immer wie ein Schatten gefolgt bist.“

Tracy richtete sich auf. „Das habe ich nicht getan. Ich … ich habe ihn nur ein bisschen beobachtet. Aus diskreter Distanz.“

„Ja“, erwiderte Meg lachend. „Von jedem Busch und jedem Baum aus, der in der Straße zu finden war.“

Die Erinnerungen an die längst vergangenen Tage machten auch die Angst des Teenagers wieder gegenwärtig. Sie war so verliebt gewesen in Rick Bennet, den Freund ihrer großen Schwester.

Von unten hörte sie ihn jetzt an die Tür klopfen. Sie riss sich aus ihren Gedanken und kam wieder zurück in die Gegenwart.

„Ich muss Schluss machen, Meg“, sagte Tracy und ignorierte den Protest ihrer Schwester. „Bis bald.“ Sie legte auf und eilte ins Badezimmer. Rick würde noch ein oder zwei Minuten warten müssen. Sie würde ihm nicht mit nur einer Kontaktlinse gegenübertreten. Wenn sie ihren kleinen Plan durchziehen wollte, musste sie es von Anfang an richtig machen.

Nachdem sie das Licht angeschaltet hatte, nahm sie die Kontaktlinse und legte den Kopf zurück. Seit einer Woche übte sie schon, diese verflixten Dinger einzulegen, doch es war ihr immer noch unangenehm, Fremdkörper in ihre Augen zu tun.

Es würde schon noch besser werden. Es musste einfach. Ihre dicken Brillengläser waren Teil der alten Tracy. Und die würde nicht zum Ehemaligentreffen gehen.

„Geschafft“, murmelte sie und versuchte dann, das heftige Blinzeln ihres linken Auges unter Kontrolle zu bekommen. Anscheinend saß die Linse nicht richtig.

In diesem Moment klingelte es unten.

„Verflixt“, rief sie und hielt sich die Hand über das linke Auge. Rick stand unten, und nach all den Jahren musste sie ihm wie ein einäugiger Pirat gegenübertreten.

Während sie die Treppe hinunterstolperte, fluchte sie leise vor sich hin. Ihr Auge tränte und juckte, aber sie hatte Angst, daran zu reiben.

Kurz bevor sie unten ankam, klingelte es erneut. Sie riss die Tür auf und stand einem Teil ihrer Vergangenheit gegenüber.

Einem verschwommenen Teil.

Aber ihre Erinnerung füllte die leeren Stellen aus, und genau wie früher begann ihr Herz heftig zu klopfen.

Es würde wirklich eine lange Reise werden.

„Tracy?“

„Hallo“, sagte sie und zuckte zusammen, als sie den krächzenden Ton vernahm, der statt ihrer normalen Stimme aus ihrer Kehle drang. Himmel, seine Stimme besaß noch immer die Fähigkeit, ihr einen Schauer über den Rücken zu jagen. Tracy musste schlucken, um den Kloß in ihrem Hals loszuwerden, traute sich aber nicht, noch etwas zu sagen. Stattdessen trat sie einen Schritt zurück und winkte ihn mit ihrer freien Hand herein. Gleichzeitig ermahnte sie sich, dass sie nicht mehr vierzehn war. Der schüchterne, unbeholfene Teenager hatte sich in ein viel begehrtes Computergenie verwandelt.

Warum, überlegte sie jetzt, konnte sie dann fast das Metall ihrer damaligen Zahnspange an ihren Lippen spüren? „Komm rein“, brachte sie schließlich heraus.

Rick Bennet hatte sich auf diese Begegnung nicht gerade gefreut. Eigentlich hatte er nur zugestimmt, Tracy mitzunehmen, um Meg, seiner ehemaligen Freundin, einen Gefallen zu tun. Aber die Tracy, an die er sich erinnerte, hatte nichts mit der Frau zu tun, die vor ihm stand.

Er entsann sich an eine schüchterne, leicht übergewichtige, Fingernägel kauende Nervensäge. Die jüngere Schwester, die er immer ertragen musste, wenn er zu den Halls kam, um Meg zu sehen.

Das Mädchen, das mindestens ein Dutzend Mal täglich am Haus seiner Eltern vorbeiging. Das Mädchen, das ihm wie ein kleinerer Schatten gefolgt war.

Ganz offensichtlich hatten sich die Zeiten – und Tracy – geändert.

Voller Bewunderung schaute er sie an. Es war schon eine ganze Zeit her, dass eine Frau ihn sofort so in ihren Bann gezogen hatte. Der Bewunderung folgte Verlangen.

Ihr kurzes blondes Haar war gelockt und führte ihn in Versuchung, es zu berühren. Sie trug eine schlichte gelbe Bluse zu einem wadenlangen Sommerrock und Sandalen an den zierlichen Füßen. Hellrosa Nagellack zierte ihre Zehennägel, und überrascht bemerkte er den winzigen silbernen Ring an ihrem Zeh. Sie trug lange, abstrakte Silberohrringe, die in der Nachmittagssonne glitzerten. Ihr honigfarbener Teint unterstrich ihr blondes Haar und die blauen Augen.

Bei ihrem Anblick stockte ihm fast der Atem. Und während sein Gehirn noch Probleme hatte zu begreifen, dass dieses begehrenswerte Geschöpf tatsächlich Tracy Hall war … scherte sich sein Körper nicht im Geringsten darum.

„Wow“, murmelte er. „Du siehst fantastisch aus.“ Dann bemerkte er ihre Hand über dem einen Auge und das Blinzeln des anderen.

„Ja“, brummte sie. „Für eine einäugige Piratenbraut.“„Stimmt etwas nicht?“„Nein“, meinte sie, während er hinter ihr in die Eingangshalle trat. „Es sind nur diese verflixten Kontaktlinsen.“

Nun, das erklärte immerhin die Abwesenheit der Nickelbrille mit den dicken Gläsern, an die er sich noch erinnerte. Aber wie erklärt sich der Rest ihrer Verwandlung? fragte er sich.

„Pass auf“, sagte sie, während sie die Hand noch immer fest auf ihr Auge drückte. „Warum gehst du nicht ins Wohnzimmer, und ich laufe schnell nach oben und versuche, dieses verflixte Ding wieder rauszubekommen, ohne dass ich erblinde.“

Sie griff nach ihrem Rock, zog den Saum bis zu den Knien hoch und flitzte die Treppe in den ersten Stock hinauf. Rick sah ihr nach und bewunderte den Anblick ihrer Beine und die hübschen Kurven ihres Pos.

Das brachte ihn wieder zur Besinnung. Tracys Po? Die kleine Tracy? Ein Bücherwurm und Genie in Mathe? „Wow“, meinte er zu sich selbst und rieb sich den Nacken. Kopfschüttelnd über diese unerwartete Entwicklung, drehte Rick sich um und ging zur Tür, die ins Wohnzimmer führte.

Noch eine Überraschung.

Er wusste nicht warum, aber er hatte sich Tracy nicht in solch einer schlichten Eleganz vorgestellt. Zwei weiße Sofas mit bunten Kissen standen sich gegenüber. Dazwischen befand sich ein niedriger Couchtisch, der aussah wie ein polierter Redwood-Baumstumpf. Zwei der vier Wände waren vollgestellt mit Bücherregalen. Eine andere Wand bestand aus einem riesigen Fenster, von dem aus man in der Ferne den Ozean sehen konnte, und die letzte Wand wurde von einem großen Kamin eingenommen. Der Dielenfußboden glänzte im Sonnenlicht.

Eine Überraschung nach der anderen. Als er zugestimmt hatte, Tracy mit nach Oregon zu nehmen, hatte er eine kleine Wohnung vor Augen gehabt, in der Tracy sich vor der Welt versteckte. Allerdings war es wohl ziemlich naiv gewesen zu glauben, dass eine erwachsene Frau noch genauso war wie als vierzehnjähriges Mädchen. Auch wenn sie damals die meiste Zeit hinter einem Buch verbracht hatte, hieß das nicht, dass sie es noch immer tat.

Er überlegte, ob ihre Persönlichkeit sich wohl ebenso sehr verändert hatte wie ihr Aussehen.

Oben raste Tracy in ihr Schlafzimmer, stieß sich die Hüfte an ihrer Kommode und lief ins Badezimmer, während sie über den Schmerz aufstöhnte. Noch ein blauer Fleck. Sie war schon so grün und blau, dass man glauben konnte, sie würde regelmäßig geschlagen.

Aber sie musste zu ihrer eigenen Verteidigung einräumen, dass sie eigentlich gar nicht so tollpatschig war. Sie war nur ständig in Eile und dachte schon an ihren nächsten Schritt, ohne darauf zu achten, was sie gerade tat.

Und im Moment dachte sie an die nächsten drei Tage, die sie im Auto – und in Motels – mit Rick Bennet verbringen würde.

Sie stützte beide Hände auf die Waschbeckenkante, lehnte sich vor und holte tief Luft. „Du meine Güte, warum muss er immer noch so gut aussehen? Warum hat er nicht einen Buckel, Akne oder schlechte Zähne bekommen?“

In ihrem Bauch begannen Schmetterlinge zu tanzen. Sein Anblick hatte ihre Gefühle in Aufruhr versetzt.

Wenn sie sich vorstellte, er hätte womöglich auch noch seine Marineuniform angehabt! Allein der Gedanke jagte ihr einen Wonneschauer über den Rücken.

Was war nur an Rick Bennet, das sie so faszinierte? Selbst als Kind hatte sie jeden seiner Schritte beobachtet und davon geträumt, dass er mit ihrer Schwester Schluss machen würde, um sich ihr zuzuwenden. Jeden Abend hatte sie das Kopfkissen geküsst und sich eingebildet, er wäre es. Sie hatte Dutzende von Tagebüchern gefüllt, indem sie jedes einzelne Wort, das er zu ihr gesagt hatte, akribisch aufschrieb. Das war allerdings nicht weiter schwer gewesen, da ihre Unterhaltungen sich auf „Hallo, Rick“ von ihrer Seite und „Hallo, Kleines, wo ist Meg?“ von seiner Seite aus beschränkten.

Das war nicht viel, aber genug, um das Herz eines verliebten Teenagers zu erwärmen.

Und jetzt … hatte er ihr sogar ein Kompliment gemacht. Anscheinend war die Verwandlung, die sie hatte vornehmen lassen, jeden Dollar wert gewesen.

Sie hob den Kopf und starrte in den Spiegel. Stöhnend meinte sie: „Oh ja, du bist wirklich eine Schönheit.“

Mühsam öffnete sie ihr linkes Auge, fummelte einen Moment daran herum und schaffte es schließlich, die Kontaktlinse richtig einzusetzen.

Während sie sich betrachtete, überlegte sie, ob sich dieser ganze Aufwand wirklich lohnen würde. Nicht nur die Kontaktlinsen. Daran würde sie sich schon noch gewöhnen. Nein, sie fing langsam an, an ihrem gesamten Plan zu zweifeln.

Aber solche Ehemaligentreffen gab es nicht alle Tage. Und außerdem hatte sie schon häufig von Leuten gehört, die an ihre alte Schule zurückgekehrt waren und den anderen das Blaue vom Himmel über ihre großartigen Leistungen im Leben vorgelogen hatten. Immerhin würde sie nicht nach Hause fahren und so tun, als wäre sie Präsident der Vereinigten Staaten geworden.

Das schlechte Gewissen plagte sie trotzdem.

„Na, toll“, murmelte sie, während sie zum Bett ging, um ihren Koffer zu nehmen. „Zum Glück habe ich keine Verbrecherlaufbahn eingeschlagen. Und auch keine als Spionin. Ich hätte nicht die Nerven dafür.“

Es war nicht der Gedanke, dass sie sich für das Ehemaligentreffen eine kleine Lüge zusammengebastelt hatte, der ihr Magenschmerzen bereitete. Es war das Wiedersehen mit Rick. Es war das Aufleben der alten Gefühle. Es war die Erkenntnis, dass einige Dinge, egal wie viel Zeit verstrichen war, sich nicht geändert hatten.

Sie schlang sich die Reisetasche über die Schulter, stöhnte unter deren Gewicht, griff nach dem Koffer und ging langsam zum Flur.

„Reiß dich zusammen, Tracy“, ermahnte sie sich. Wenn sie während der nächsten zwei Wochen bei jeder kleinen Notlüge – nein, korrigierte sie sich, bei jeder Übertreibung – in Schweiß ausbrach, würde sie es nie schaffen.

Und vor allem musste sie aufhören, nervös zu werden, wann immer sie in Ricks Reichweite kam. Er tat lediglich ihrer Schwester einen Gefallen. Er war schließlich nicht ihr Liebhaber.

Oh. Der Gedanke ließ ihren ganzen Körper vibrieren. Langsam und bewusst holte sie tief Luft, um ihr Nervenkostüm zu beruhigen.

Als sie sich wieder erholt hatte, hob sie ihr Kinn und murmelte: „Du schaffst es. Es sind nur wenige Tage, in denen du allein mit ihm bist. Dann wirst du ihn die nächsten zehn Jahre nicht wieder sehen. Das kann doch wohl nicht so schlimm sein, oder?“

2. KAPITEL

Tracy und Rick ließen Meile um Meile hinter sich.

Innerhalb weniger Stunden waren sie dem Verkehrschaos von Los Angeles entronnen und brausten den Highway entlang, der auf beiden Seiten von Weideland gesäumt war. Orangen- und Apfelhaine vermischten sich mit Weinbergen und Pistazienplantagen. Der Himmel hier schien blauer, die Sonne wärmer und der Wind sauberer zu sein.

Tracy starrte aus dem Fenster auf die vorbeifliegende Landschaft. Hin und wieder brachte ein Bauernhaus Farbe in das vom Regen satte Grün. Je weiter sie sich von zu Hause und ihrer Arbeit entfernten, desto mehr entspannte Tracy sich auf dem Beifahrersitz.

Das ist doch gar nicht so schlecht, dachte sie. Eigentlich war es sogar bisher ganz nett gewesen. Sie war während der Unterhaltung nicht ins Stottern gekommen, und inzwischen hatte sie sich sogar fast an Ricks Nähe gewöhnt.

Natürlich würde es ihr noch besser gehen, wenn er nicht ganz so dicht neben ihr säße.

Tracy warf ihm einen Seitenblick zu. Mit beiden Händen auf dem Lenkrad blickte er konzentriert auf die Straße vor sich. Aber selbst im Profil konnte sein gutes Aussehen eine Reihe von sehr interessanten Fantasien in einer Frau hervorrufen.

Sein hellbraunes Haar war militärisch kurz geschnitten, doch immer noch lang genug, um die Locken, an die sie sich von früher erinnerte, zu erahnen. Er trug eine silberne Sonnenbrille, die seine smaragdgrünen Augen verbarg. Mit seinem einen Meter fünfundachtzig war er um einiges größer als sie. Ein blaues Polohemd spannte sich über einer breiten Brust, die vermuten ließ, dass er mehr als nur eine oberflächliche Bekanntschaft mit einem Fitnessstudio gemacht hatte.

Sie ließ ihren Blick tiefer gleiten und schaute kurz auf seine ausgeblichene Jeans und die Segelschuhe. Nicht schlecht! Sie unterdrückte ein Stöhnen und wandte sich wieder der Straße zu.

„Musterung abgeschlossen?“, fragte Rick.

„Bitte?“ Sie schaute ihn, Verwirrung vortäuschend, an.

„Habe ich bestanden?“ Er warf ihr einen amüsierten Blick zu. Ganz offensichtlich kaufte er ihr die Unschuldsmiene nicht ab.

„Du hast mich ertappt.“ Es hatte keinen Sinn, etwas zu leugnen, was er genau gesehen hatte.

„Diskretes Zartgefühl gehörte weniger zu deinen Stärken, Tracy“, meinte er lächelnd.

„Hat sich leider nicht geändert“, gab sie zu. Sie drehte sich herum, um ihn direkt anschauen zu können. „Obwohl ich mich heutzutage selten hinter Bäumen verstecke.“

Er lachte.

„Auf jeden Fall habe ich festgestellt, dass du dich in den letzten Jahren nicht sehr verändert hast.“

„Dafür hast du dich umso mehr verändert“, erwiderte er. „Du siehst toll aus.“

„Danke, sollte ich wohl sagen“, meinte sie.

Er lachte kurz auf. „Okay, es klang nicht ganz so, wie ich es meinte.“

„Ist schon gut, ich weiß, was du meintest.“ Durch das offene Fenster kam eine Windbö herein und wehte ihr die Haare in die Augen.

Ich sollte eigentlich froh sein, dachte sie. Sah er sie nicht genau so, wie die Leute sie zu Hause sehen sollten? Verändert? Erwachsen? Hübsch? Warum irritierte es sie also, dass Rick Bennet genau das Bild wahrnahm, an dem sie so lange gearbeitet hatte?

Vielleicht, weil ein Teil von ihr wollte, dass ein Mann sich zu der wahren Tracy hingezogen fühlte? Sie konnte nicht umhin, sich zu überlegen, wie es wohl gewesen wäre, wenn Rick sie so gesehen hätte, wie sie normalerweise herumlief, in Jeans und T-Shirt. Ob er sie dann immer noch für hübsch halten würde?

„Also“, fragte er und drehte das Radio etwas leiser, „wie kommt es, dass du diese Reise nach Hause machst?“

„Wahrscheinlich aus dem gleichen Grund wie du“, erwiderte sie. „Um meine Familie wieder zu sehen. Um durch die Schule zu schlendern und zu sehen, ob sie so furchtbar ist, wie ich sie in Erinnerung habe.“

„Furchtbar?“, wiederholte er. „Ich habe immer gedacht, du mochtest die Schule.“

„Warum?“, fragte sie. „Weil ich die ganze Zeit gelernt und gute Noten bekommen habe?“

„Nun“, Rick zuckte mit den Schultern. „Ja.“

Davon waren wohl die meisten ausgegangen. Es war ihm anscheinend nie in den Sinn gekommen, dass sie die meiste Zeit mit dem Lernen verbracht hatte, weil sie einfach zu schüchtern und zu unbeholfen gewesen war, um Freundschaften zu schließen. Die Schule war der einzige Ort, an dem Tracy glänzte, was ihren stolzen Eltern mehr als gefallen hatte. Ihr Schicksal war dann besiegelt gewesen, als sie eine Klasse übersprungen hatte. Jetzt war sie nicht nur jünger als alle anderen, sondern galt auch noch als Streberin. Jedes Mal, wenn irgendein Lehrer sie als Beispiel dafür pries, was man durch Lernen alles erreichen konnte, wurde sie von ihren Mitschülern nur noch mehr verachtet.

„Ich habe letzte Woche mit meiner Mutter gesprochen“, sagte Rick, und Tracy kam zurück in die Gegenwart. „Sie erzählte, dass Meg wieder schwanger ist.“

„Ja.“ Tracy spürte einen Anflug von Neid.

„Das wievielte Kind ist es?“ „Ihr fünftes“, sagte Tracy und lächelte bei dem Gedanken an ein neues Baby. Die Wärme und die Leichtigkeit eines winzigen Kindes in den Armen waren das Schönste, was sie sich vorstellen konnte. Sie würde ein paar Wochen Urlaub nehmen, wenn ihre neue Nichte oder neuer Neffe auf der Welt war, damit sie ihren Status als Lieblingstante genießen – und ihre eigenen Babysehnsüchte befriedigen konnte.

„Fünf Kinder!“ Rick schüttelte den Kopf und stieß einen Pfiff aus.

„Was ist daran so schlimm?“, fragte sie, sofort in Verteidigungshaltung.

„Oho, Tante Tracy“, sagte er und hob kurz eine Hand vom Lenkrad, so als wollte er sich ergeben. „Ich meinte nur, dass es schwer ist, sich vorzustellen, dass Meg und John fünf Kinder haben.“

„Oh.“ Ihr Beschützerinstinkt beruhigte sich wieder. „Okay. Es ist nur so, dass viele völlig entgeistert sind, wenn sie hören, wie viele Kinder sie hat. Aber ich denke, das geht nur Meg und John etwas an. Außerdem, wer sagt denn, dass eine Familie nur die statistischen 2,5 Kinder haben darf.“

Er lachte und schüttelte den Kopf. „Ich nicht. Ich mache mir nicht viel aus Kindern, aber wie du schon sagtest, es ist ihre Entscheidung.“

„Gut, denn sie wird bestimmt dafür sorgen, dass du die ganze Meute triffst.“

Rick riss die Augen auf. Anscheinend brachte den großen Marinesoldaten allein der Gedanke, von Kindern umringt zu werden, ins Schwitzen. Er ist also immer noch überzeugter Junggeselle, dachte Tracy mit einem kleinen Seufzer.

Nicht dass sie je eine Chance bei ihm gehabt hätte. Aber sie wollte einen Mann, der die gleichen Wünsche hatte wie sie. Ein Heim. Eine Familie. Einen großen, zotteligen Hund.

„Du freust dich offenbar schon darauf, die Kinder zu sehen.“

„Ist es so offensichtlich?“

„Ja“, meinte er grinsend. „Dein Gesicht glüht geradezu, und deine Augen glänzen, wenn du von ihnen sprichst.“

„Ich bin eine gute Tante“, meinte sie.

Er schaute sie ein wenig nachdenklich an. „Das kann ich mir vorstellen.“

Autor

Maureen Child
<p>Da Maureen Child Zeit ihres Lebens in Südkalifornien gelebt hat, fällt es ihr schwer zu glauben, dass es tatsächlich Herbst und Winter gibt. Seit dem Erscheinen ihres ersten Buches hat sie 40 weitere Liebesromane veröffentlicht und findet das Schreiben jeder neuen Romance genauso aufregend wie beim ersten Mal. Ihre liebste...
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