Heißes Verlangen nach dem arroganten Tycoon

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London, Genf, Griechenland – quer durch Europa folgt die schöne Hotelerbin Marjorie dem arroganten Immobilientycoon Nikos Constantinos! Gemeinsam müssen sie ihre Geschwister finden, die miteinander durchgebrannt sind. Denn zwischen ihren Familien tobt seit Jahrzehnten eine erbitterte Fehde: Eine Liebesverbindung ist absolut unmöglich. Doch mit jeder Meile, die sie hinter sich lassen, wächst das Verlangen zwischen ihnen! Als Nikos sie heiß unter der Sonne des Südens küsst, weiß Marjorie, dass auch sie sich hoffnungslos in den Feind verliebt hat …


  • Erscheinungstag 27.12.2022
  • Bandnummer 2577
  • ISBN / Artikelnummer 9783751510172
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

MJ ließ den Blick über die Fassade des Anwesens der Constantinos schweifen und seufzte tief. Grosvenor Square in Mayfair, darunter taten sie es nicht. Als ob sie zum vornehmen Landadel gehörten.

„Da wären wir, Miss“, verkündete der Taxifahrer und riss sie aus ihren Gedanken.

Sie zuckte zusammen, dann drückte sie ihm mit einem flüchtigen Lächeln sein Geld in die Hand und stieg aus. Die Constantinos’ gehörten zwar nicht zum Landadel und waren erst in der zweiten Generation britische Staatsbürger. Das hielt ihren Vater allerdings nicht davon ab, sich über die exklusive Adresse seines Erzfeinds zu ärgern. MJ schüttelte den Kopf. Als ob das irgendeinen Unterschied machte.

Die Mabels konnten ihren Stammbaum bis zur Stewart-Restauration zurückverfolgen. Solche Dinge bedeuteten ihrem Vater viel. Ständig predigte er Siena und ihr, wie stolz sie auf dieses Erbe sein konnten. Zwar würde er das Familienanwesen in Knightsbridge für kein Geld der Welt verkaufen, trotzdem wurmte es ihn, dass die Constantinos’ am prestigeträchtigen Grosvenor Square residierten.

MJ war das alles zwar herzlich egal, doch sie vermutete, dass Nikos Constantinos ähnliche Abneigungen hegte wie ihr Vater. Was sie zum letzten Menschen auf der Welt machte, dem er würde behilflich sein wollen.

„Na, das wird ein Spaß“, meinte sie leise seufzend, als sie die Stufen zur imposanten Eingangstür hinaufstieg und den schweren Messingtürklopfer betätigte.

„Miss Mabel. Ich möchte Mr. Nikos Constantinos sprechen.“ Mit diesen Worten schob sie sich selbstbewusst am Butler vorbei in das noble Foyer, als hätte sie jedes Recht dazu – ja, als wäre sie die Queen höchstpersönlich. Sie hatte nicht die Absicht, dem Mann Gelegenheit zu geben, ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen oder sie auf der Türschwelle schmoren zu lassen.

„Erwartet Mr. Constantinos Sie, Miss Mabel?“

„Nein. Richten Sie ihm aus, dass er aber auf jeden Fall hören möchte, was ich ihm zu sagen habe.“

Sie pflanzte sich auf einen Stuhl in der Halle und schaute den Butler gelangweilt an, um sich ihre Unsicherheit nicht anmerken zu lassen. Es hatte sie einige Mühe gekostet, diese anmaßende Haltung zu perfektionieren. Das machte die Leute nervös und brachte sie innerlich zum Kochen. MJ setzte diesen Trick nicht allzu oft ein, weil sie ihn ziemlich unfair fand. Doch heute würde sie sämtliche Register ziehen, um ihr Ziel zu erreichen.

Einen Moment lang glaubte sie schon, der Butler würde die Beherrschung verlieren, doch dazu war er viel zu sehr Profi.

„Sehr wohl, Miss.“ Sein kaum merkliches Schnauben bedeutete ihr, dass er ihre Gegenwart in diesen ehrenwerten Hallen als böses Omen betrachtete. Sie sah ihm nach, wie er sich steif entfernte, zweifellos in Richtung Nikos’ Büro.

Stumm zählte sie bis zwanzig, dann stand sie auf und folgte ihm. Normalerweise würde sie sich niemals so unverschämt aufführen, aber Not macht erfinderisch. Und sie würde nicht von hier verschwinden, bevor sie nicht mit Nikos gesprochen hätte. Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Sie durfte nicht versagen, es stand einfach zu viel auf dem Spiel.

Du hast Zeit. Es ist immer noch Zeit.

Klar doch, nur dass die Zeit die dumme Angewohnheit hatte, immer viel zu schnell zu vergehen.

„Wenn sie mich sprechen möchte, soll sie einen Termin ausmachen.“

Die dunkle Stimme, die durch die offene Tür gegenüber drang, gehörte zweifellos zu Nikos Constantinos: eine faszinierende Mischung aus Samt und Stahl, die MJ schon immer ziemlich attraktiv gefunden hatte.

Was sie natürlich niemals laut zugeben würde.

Mit demonstrativ zur Schau gestelltem Selbstbewusstsein marschierte sie in sein Büro. In ihrem Innern sah es zwar ganz anders aus, aber jetzt durfte sie keine Schwäche zeigen. „Wie ungalant von Ihnen, Nikos. Keine Sorge, ich werde Ihre kostbare Zeit nicht über Gebühr in Anspruch nehmen. Außerdem bin ich davon überzeugt, dass es auch in Ihrem Interesse liegt, was ich Ihnen zu sagen habe.“

Ein harter Zug erschien um seine Mundwinkel. „MJ, nehme ich an?“

Er war einer der wenigen Menschen, der sie und Siena auseinanderhalten konnte.

Mit einer knappen Handbewegung entließ er den Butler, der sich leise entfernte und die Tür hinter sich schloss.

„Hm. Sie haben sich wie Ihre Schwester gekleidet. Daher frage ich mich, ob Sie mich an der Nase herumführen wollten.“

„Sobald Sie gehört haben, weshalb ich hier bin, werden Sie sofort begreifen, dass Sie sich irren.“

Ihre blassrosa Caprihosen und die Flamingo-Bluse waren ein Geschenk ihrer Schwester gewesen. Aus diesem Grund hatte sie die Sachen heute gewählt. Sie wollte – musste – sich ihrer Zwillingsschwester nahe fühlen.

Seine Miene verdüsterte sich noch mehr. Er war nicht aufgestanden, als sie den Raum betreten hatte, was kaum verwunderte, denn er wollte sie absolut nicht hierhaben. Achselzuckend setzte sie sich auf den Stuhl gegenüber von seinem Schreibtisch, ohne auf eine Einladung zu warten. Sie hatte nicht die Absicht, wie ein ungezogenes Kind vor ihm stehen zu bleiben.

Um seine Mundwinkel zuckte es. „Bitte, nehmen Sie Platz.“

„Wie nett von Ihnen.“ Einen Moment musste sie gegen den Drang ankämpfen, laut herauszulachen. Die Situation war einfach zu absurd.

Nikos beugte sich zu ihr vor. In dem Moment wurde ihr seine kräftige Statur in dem makellos sitzenden Businessanzug erst richtig bewusst. Nicht, dass sie Angst hatte, er würde ihr wehtun. „Was wollen Sie hier, Marjorie?“

Bis jetzt hatten Nikos und sie kaum ein Wort miteinander gewechselt, obwohl sie in denselben Kreisen verkehrten, dieselben Partys besuchten. Doch dort waren sie immer von vielen anderen Leuten umringt gewesen, niemals alleine.

Na ja, bis auf das eine Mal … damals war sie sechszehn gewesen. Doch das zählte nicht, weil er kein Wort gesagt hatte. Oh, und das eine Mal in diesem lauten Nachtclub, als sie gerade neunzehn geworden war. Aber alleine waren sie dort auch nicht gewesen. Sie schluckte und schob diese ganz besondere Erinnerung schnell beiseite.

MJ hatte sich oft gefragt, wie sie einander in einem Vieraugengespräch ansprechen würden. Die meisten Leute nannten sie MJ, eine Abkürzung für Marjorie Joan. Ihre Schwester nannte sie Jojo. Niemand redete sie mit Marjorie an. Wollte er sie ärgern, indem er es tat? Dann musste sie ihn enttäuschen, denn die Anrede gefiel ihr. Jedenfalls, wenn sie über seine Lippen kam.

Plötzlich ertappte sie sich dabei, dass sie sich vorstellte, sie wären keine Feinde. Sie und Nikos kannten einander ja nicht mal. Man sollte einen Menschen, den man nicht kannte, nicht hassen.

Sie schob das Kinn vor. Tja, sie hatte ihr Bestes versucht, die alte Familienfehde zu begraben. Doch aus diesem Grund war sie heute nicht hier. Sie wünschte, sie brächte ein Lächeln zustande, wünschte sich Zuversicht und Lockerheit.

„Warum ich hier bin und was ich möchte?“, meinte sie gedehnt. „Nun, Nikos, ich brauche Ihre Hilfe.“

Sie rechnete schon mit einem höhnischen Lachen, aber das blieb aus. Kaum merklich hob er die Brauen und lehnte sich zurück. „Na, da bin ich aber gespannt, wie ich Ihnen helfen soll.“

Zumindest war das keine klare Abfuhr. Hm, wahrscheinlich spielte er mit verdeckten Karten wie ihre beiden Väter. Sie unterdrückte ein Seufzen. Nur weil sie beschlossen hatte, mit diesen Spielchen aufzuhören, hieß das noch lange nicht, dass Nikos es auch so sah. Das durfte sie nicht vergessen. Seine Fragen dienten nur dazu, eine verborgene Schwachstelle aufzudecken, um dann umso härter zuzuschlagen.

So hart, dass er ihre Familie ruinieren konnte.

„Meine Schwester wird vermisst. Ich möchte, dass Sie mir helfen, sie zu finden.“

Er blinzelte, kaschierte dann rasch seinen überraschten Blick. Sie nickte langsam. Er wusste es also nicht.

„Wie kommen Sie auf die Idee, ich wüsste, wo Siena ist? Und selbst wenn ich es wüsste, warum sollte ich Ihnen helfen?“

Weil sie etwas hatte, was er verzweifelt wollte.

„Ich glaube nicht, dass Sie es wissen, aber Christian weiß es. Und ich hoffe, dass Sie wissen, wo Ihr kleiner Bruder steckt.“

Obwohl er sich nicht gerührt hatte, spürte sie seine Anspannung. Mit seinem schwarzen Haar, den funkelnden dunklen Augen und dem olivfarbenen Teint sah er aus wie der Fürst der Finsternis höchstpersönlich.

Bis auf die etwas zu groß geratene Nase vielleicht. Eine Nase, die seinem Gesicht Charakter verlieh. Perfektion langweilte MJ. Und sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass Nikos sie niemals langweilen würde.

Nur dass sie das nie herausfinden würde. Sie vertraute ihm nicht. Dennoch konnte sie sich lebhaft vorstellen, mit ihm zusammen zu sein. Es wäre bestimmt wahnsinnig aufregend, aber auch sehr anstrengend. Sie müsste die ganze Zeit auf der Hut bleiben.

MJ riss sich zusammen. Wenn sie zuließ, dass er sie mit seinem Charme bezirzte, dann hatte sie verloren.

„Was bringt Sie auf den Gedanken, dass mein Bruder etwas über den Aufenthaltsort Ihrer Schwester weiß?“

Nun war es an ihr, die Augenbrauen hochzuziehen. „Offensichtlich arbeiten Sie zu hart. Man sagt, Sie sind ein Mann, dem nichts entgeht.“ Sie spitzte skeptisch die Lippen. „Vielleicht ist das ja nur ein Gerücht.“

Seine dunklen Augen verengten sich. „Was für ein Spiel spielen Sie, MJ?“

Er wirkte nicht im Mindesten aufgebracht. Gut. Sie hatte auch nicht vor, ihn wütend zu machen, sie wollte nur, dass er handelte. „Anscheinend treffen sich unsere Geschwister seit ungefähr zwei Monaten heimlich, obwohl ich vermute, dass die Sache schon länger geht.“

Ein Muskel in seiner Wange zuckte. „Haben Sie dafür Beweise?“

Nachdenklich zog sie die Unterlippe zwischen die Zähne und kaute darauf herum. Er starrte auf ihren Mund, und etwas flackerte in seinem Blick auf – etwas Warmes, Einladendes und sehr Faszinierendes. Fast hätte sie laut losgelacht. Bildete er sich etwa ein, sie wollte ihn verführen? Nur mühsam konnte sie sich beherrschen, doch sie musste. Niemand mochte es, wenn man sich über ihn lustig machte. So würde sie ihr Ziel nicht erreichen.

Konzentrier dich. Wie viel durfte sie ihm verraten? Wenn sie Siena finden wollte, musste sie bereit sein, das eine oder andere Risiko einzugehen. Kein Problem. Sie würde alles für ihre Zwillingsschwester riskieren.

MJ faltete die Hände in ihrem Schoß und beugte sich vor. „Vor zwei Wochen hatten Siena und mein Vater einen großen Streit. Und das meine ich wörtlich. Auf beiden Seiten sind ziemlich hässliche Worte gefallen.“

Worte, die sich nicht zurücknehmen ließen. Nicht einmal MJ in ihrer Funktion als Schlichterin in der Familie hatte sie es geschafft, die Wogen zu glätten. Dabei verstand sie beide so gut – und liebte sie von ganzem Herzen. Wenn sie bloß nicht immer so stur wären!

„In der Hitze des Gefechts hat sie vor Ihrem Vater also damit aufgetrumpft, dass sie mit Christian zusammen ist, weil sie wusste, wie wütend ihn das machen würde.“

Jetzt musste sie wirklich lachen. „Wenn das wirklich ihr Plan gewesen wäre, hätte sie ihm erzählt, dass sie mit Ihnen ausgeht. Immerhin sind Sie der CEO der Leto-Group, nicht Ihr Bruder.“

Die Constantinos’ und die Mabels waren Eigentümer zweier rivalisierender Fünfsternehotelketten. Die Mabel-Group war für ihre Gediegenheit und die schlichte Eleganz bekannt, während die Leto-Group mit pompösem Glanz und Glamour auftrumpfte.

„Wie auch immer. Es war ziemlich hässlich. Natürlich habe ich versucht, schlichtend auf die beiden einzuwirken, aber das ging voll nach hinten los. Wie heißt es so schön? Keine gute Tat bleibt unbestraft. Das Resultat des Ganzen ist, dass Siena jetzt nicht mehr mit mir spricht.“

„Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass mich Ihr kleines Familiendrama interessieren könnte, Miss Mabel?“, fragte er kühl.

„Hey, jetzt haben wir alles durch, angefangen bei Marjorie über MJ bis hin zur Miss Mabel. Was kommt als Nächstes? Madam?“

Um seine Mundwinkel zuckte es verdächtig, aber er sagte nichts.

„Na ja, ich erzähle Ihnen das nur, damit Sie die Hintergründe verstehen. Und ich bin nicht besonders stolz darauf, was ich dann getan habe. Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe mich als Siena ausgegeben und mich mit ein paar von ihren Freundinnen getroffen. Sie wollten von mir wissen, warum ich noch nicht mit Christian durchgebrannt bin, und schwärmten mir vor, wie romantisch das alles sei. Natürlich fragten sie auch, ob sie sich ihrer geliebten Zwillingsschwester schon anvertraut hat.“

Er beugte sich interessiert vor. „Wollen Sie damit behaupten, dass diese Freundinnen tatsächlich nicht den Unterschied zwischen Ihnen und Siena bemerkt haben?“

Ungeduldig warf sie die Hände in die Luft. „Das ist doch jetzt völlig egal.“ Was zählte, war, das Siena und Christian vorhatten, miteinander durchzubrennen. Sie zuckte die Achseln. „Menschen tendieren dazu, das zu sehen, was sie sehen wollen.“

„Vielleicht ist Ihnen genau das auch passiert, und Sie haben gesehen, was Sie sehen wollten. Vielleicht haben Sienas Freundinnen sich einfach nur über Sie lustig gemacht.“

„Ich hatte siebenundzwanzig Jahre Zeit, meine Schwester ausführlich zu studieren, Nikos. Wenn ich mich als Siena ausgebe, dann tue ich das verdammt gut.“ Auf jeden Fall besser als umgekehrt. „Ihre Freundinnen entstammen alle der Kunstszene und …“

„… sind keine knallharten Geschäftsfrauen, die es gewohnt sind, mit Lug und Trug ihre Ziele zu erreichen.“

War es das, wofür er sie hielt? Eine knallharte Geschäftsfrau? Sie schüttelte den Gedanken ab. „Egal jetzt. Jedenfalls habe ich daraufhin meine Großmutter, Lady Charlotte Hamilton, besucht.“

Er grinste süffisant. „Tottie Hamilton ist die schlimmste Klatschtante von ganz London.“

„Sagen wir mal so, sie hält die Ohren offen. Und sie plaudert nicht mal die Hälfte von dem aus, was sie weiß. Sie hat mir bestätigt, dass Siena und Christian sich seit zwei Monaten heimlich treffen.“

„Und jetzt wollen Sie, dass ich Ihnen helfe, diese Beziehung zu beenden.“

Ihr hätte vorher klar sein sollen, dass er das denken würde. „Nein“, erwiderte sie sanft. „Siena ist siebenundzwanzig und Christian … achtundzwanzig? Sie sind beide erwachsen. Ich werde meiner Schwester nicht vorschreiben, wen sie daten darf.“

„Hören Sie mir mal gut zu, Marjorie. Auf keinen Fall erlaube ich, dass es zu einer Verbindung unserer Familien kommt. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“

„Großartig!“ Sie strahlte ihn an. „Wir sind also wieder beim Vornamen. Das klingt wirklich viel freundlicher, finden Sie nicht auch?“

„Habe ich mich klar ausgedrückt, Marjorie?“, wiederholte er kalt.

Ungeduldig verdrehte sie die Augen. „Das überrascht mich jetzt nicht.“ Ihr Vater sah es sicher ganz genauso. „Trotzdem hätte ich ein bisschen mehr Weitsicht von Ihnen erwartet.“

Falls das überhaupt möglich war, verdüsterte sich sein Blick noch. „Was wollen Sie dann von mir?“

„Das habe ich Ihnen doch schon gesagt. Ich möchte Siena finden. Ich habe sie an all ihren Lieblingsorten gesucht – nirgends eine Spur von ihr. Was bedeutet, dass sie mit Christian zusammen ist.“

„Und Sie glauben, dass ich sie aufspüren kann?“

„Ja.“ Sie nahm all ihren Mut zusammen. „Und ich möchte, dass Sie mich bei Ihrer Suche mitnehmen.“

Ein entgeisterter Ausdruck huschte über sein Gesicht, bevor sich seine Miene wieder verschloss.

Nikos verschränkte die Arme. „Nein.“

„Ich habe Anlass, mich um die Gesundheit meiner Schwester zu sorgen.“ Weder Siena noch ihr Vater würden ihr verzeihen, wenn sie die gesundheitlichen Probleme ihrer Schwester ausgerechnet Nikos gegenüber ausplauderte. Es stand ihr nicht zu, Sienas Gesundheit mit anderen Leuten zu diskutieren. Ihre Zwillingsschwester achtete penibel auf ihre Privatsphäre, und normalerweise hätte MJ nichts über ihren Gesundheitszustand gesagt. Aber …

Mit der polyzystischen Nierenerkrankung war nicht zu spaßen. Wenn Siena doch bloß mal ans Telefon ginge!

MJ atmete tief ein und aus. Es blieb immer noch Zeit. Sobald sie mit Siena gesprochen hatte, wusste sie, was Sache war. Dann konnte sie alles in Ordnung bringen.

„Nein“, wiederholte Nikos.

Eindringlich lehnte sie sich vor und stützte die Arme auf die Schreibtischplatte. „Auch wenn ich Ihnen sage, dass es um Leben und Tod geht?“ Sie bohrte ihren Blick in seinen. „Hassen Sie uns wirklich so sehr?“

2. KAPITEL

Bei MJs Worten überlief es Nikos eiskalt. Sie hatte es tatsächlich geschafft, ihn aus dem Konzept zu bringen. Am liebsten hätte er dieses unerfreuliche Gespräch auf der Stelle beendet und sie vor die Tür gesetzt.

Verdammt. Auf keinen Fall würde er sich von einem Mitglied der Mabels dazu provozieren lassen, etwas zu tun, was er hinterher bereute.

Hassen Sie uns wirklich so sehr?

Die Antwort lautete: Ja!

Er war nicht stolz darauf, dass zugeben zu müssen. Aber Tatsache war, dass die Mabels den Constantinos’ nichts als Unglück gebracht hatten. Angefangen damit, dass Joan Mabel seinem Großvater weisgemacht hatte, dass sie ihn liebte, was letztlich dazu führte, dass der alte Mann sich von Selbsthass zerfressen von allen zurückgezogen hatte und zum Eremiten geworden war.

Dann hatte MJs Vater Graham Mabel auch noch Nikos’ Mutter verführt. Er ballte die Fäuste. Das hatte die Ehe seiner Eltern zerstört. Mit eigenen Augen war er Zeuge der schrecklichen Folgen geworden – der Streitereien, der Verzweiflung, der Angst. All diese hässlichen Dinge hatten seine Kindheit überschattet.

Obwohl er MJ persönlich nicht hasste – zum Glück kannte er sie dazu zu wenig –, hasste er sie dafür, wen sie repräsentierte. Hasste sie für den Schmerz, den ihre Familie seiner zugefügt hatte. Hasste sie auch dafür, dass sie vom Unglück seiner Familie profitiert hatte.

Also ja, vermutlich hasste er sie wirklich so sehr.

„Ihr Schweigen spricht Bände, Nikos.“

Gut.

Doch als er ihr in die Augen sah, schmolz sein Groll dahin. Ihr Blick war so tief, so offen und ehrlich. Vermutlich nichts als Schauspielerei, aber für den Moment fühlte er sich verunsichert.

„Ich merke schon, Sie haben nicht die Absicht, das Kriegsbeil zu begraben“, spottete sie.

Nikos ging nicht darauf ein, so dumm war er nicht. Sie spielte doch bloß mit ihm, aber er würde ihr nicht in die Falle gehen.

Denn er wusste ganz genau, wie gefährlich ihm MJ werden konnte. Unwillig dachte er an jenen Vorfall im Nachtclub vor acht Jahren zurück. Damals war sie neunzehn gewesen und er vierundzwanzig – alt genug, um es besser zu wissen. Trotzdem war er ihrer sexy Ausstrahlung hoffnungslos verfallen. Bevor ihm bewusst wurde, was geschah, war er auf die Tanzfläche gesprintet und hatte MJ aus der Gefahrenzone bugsiert, als ein Betrunkener die Kellnerin mit ihrem voll beladenen Tablett anrempelte. Sekunden später ergoss sich ein Regen aus schaumigem Bier und Glassplittern auf die Tanzfläche und die umstehenden Gäste.

Ihre Blicke trafen sich, und MJ schmiegte sich in seine Arme. Sie sah ihn aus großen Augen an, ein leises Lächeln um die Lippen – und er war verloren.

Zum Glück bewahrte ihn ein letzter Rest Verstand davor, den Kopf zu senken und ihre verführerischen Lippen zu küssen. Stattdessen schob er sie zurück, und sie strich sich über die pfirsichfarbene Seidenbluse und schüttelte ihr seidig glänzendes Haar aus. „Vielen Dank, das hätte übel enden können.“

„Gerne geschehen.“ Wieder trafen sich ihre Blicke, und ihn überkam das unwirkliche Gefühl, dass er sie schon lange kannte. Die Atmosphäre knisterte vor Spannung wie elektrisch aufgeladen.

Mit bebender Hand deutete sie auf die Tanzfläche, ohne seinen Blick nur eine Sekunde loszulassen. „Wollen wir …?“

Er nickte, wünschte sich nichts sehnlicher, als dass dieser Moment nie zu Ende gehen möge. Doch in der nächsten Sekunde spürte er einen harten Griff um seinen Arm, was ihn unsanft in die Realität zurückkatapultierte.

„Verzieh dich, MJ“, zischte Cynthia, sein Date.

MJ blinzelte kurz, dann hob sie beschwichtigend beide Hände und zog sich zurück. Während er ihr hinterherblickte, durchströmte ihn ein schwindelerregendes Verlustgefühl, was ihn sogar heute noch ab und zu bis in seine Träume verfolgte.

Brauchte er noch mehr Beweise dafür, welche Gefahr MJ darstellte? An jenem Abend war er mehr als bereit gewesen, ihr auf die verdammte Tanzfläche zu folgen – oder sonst wohin, wo sie ihn auch hinlocken mochte.

Idiot! Diesen Fehler würde er nicht noch einmal machen.

Was ihre Sorge um ihre Schwester betraf … Nikos’ Herz kannte kein Mitgefühl mehr. Es war nicht sein Problem, was mit Siena passierte. Doch sosehr er sich das auch einzureden versuchte, empfand er genau das Gegenteil.

Ernst sah MJ ihn an, der Spott war aus ihrem Blick verschwunden. „Ist es nicht ziemlich anstrengend, ständig diesen ganzen Hass mit sich herumzuschleppen? Wollen Sie diese Last wirklich auch noch Ihren Kindern aufbürden?“

Nikos versteifte sich. Nie würde er zulassen, dass einer der Mabels seinen zukünftigen Kindern auch nur ein Haar krümmte.

„Vielleicht wäre es gar nicht so schlecht, wenn Siena und Christian zusammenbleiben“, überlegte sie laut. „Vielleicht würde das die alten Wunden heilen.“

Er schlug mit der flachen Hand auf die Schreibtischplatte. „Nur über meine Leiche!“

Ein herausforderndes Grinsen erschien um ihre Mundwinkel. „Sie ahnen gar nicht, wie sehr es mich reizt, darauf in bester Gangstermanier zu antworten: Das ließe sich arrangieren. Aber womöglich verstehen Sie den Spaß nicht und nehmen mich beim Wort.“

Ihre Augen blitzten. Sie waren grün wie Lorbeerblätter – zu dunkel für Smaragde, aber nicht dunkel genug für einen Regenwald. Sein Pulsschlag beschleunigte sich. Ihre Augen versprachen Schatten. Und Ruhe. Und Entspannung.

Verdammt! Wen scherte schon die Farbe ihrer Augen? Außerdem war ihr Mund zu breit. Was durch ihr Grinsen noch betont wurde.

Ha! Er wollte einen Makel darin sehen, doch das Gegenteil war der Fall. Dieser etwas zu breite Mund war einfach umwerfend sexy.

Das war die wahre Crux an der Geschichte. Ganz offensichtlich hatten bestimmte Mitglieder der Mabels etwas an sich, worauf bestimmte Mitglieder der Constantinos’ abfuhren. Dummerweise schien er dazuzugehören.

Oh nein, er war aus härterem Holz geschnitzt. Wieder ballte er die Fäuste. Er würde widerstehen. Das hatte er vor acht Jahren geschafft, und er würde es wieder schaffen.

Ihr Blick fiel auf seine Hände, und sie seufzte tief. Etwas schien sie wirklich sehr zu bedrücken.

Sie spielt mit dir.

Er verschloss sein Herz.

Schließlich lehnte sie sich zurück und schlug die Beine übereinander. „Na gut, dann rede ich jetzt eine Sprache, die Sie verstehen, und halte mich nicht mehr damit auf, an Ihr besseres Ich zu appellieren. Ich weiß, dass Sie tief in Ihrem Innern eins verstecken, aber für mich werden Sie es wohl kaum hervorkramen. Also, Mr. Constantinos …“

Mit zusammengebissenen Zähnen wartete er darauf, was nun kam.

„Stellen Sie sich mal die Schlagzeilen vor, falls Siena ernsthaft erkrankt – oder schlimmer –, solange sie mit Ihrem Bruder zusammen ist.“

Es dauerte einen Moment, bis er begriff, was sie sagen wollte. Aufgebracht schoss er hoch. „Sehen Sie mich nicht so an. Natürlich möchte ich eine solche Entwicklung genauso sehr vermeiden wie Sie.“

Er ging zum Fenster und blickte hinaus auf den ruhig daliegenden Hinterhof. Doch die friedliche Stimmung färbte nicht auf ihn ab, dazu war er viel zu aufgewühlt. Die Fehde zwischen ihren Familien war kein Geheimnis. Falls Siena in Christians Gesellschaft zu Schaden kam, würde man sofort darüber spekulieren, ob etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Sein Bruder war völlig harmlos und naiv, doch das würde die Gerüchte nicht stoppen. Auf jeden Fall würde Graham Mabel die Sache zu seinen Gunsten ausschlachten.

Das würde er nicht zulassen. Seine Familie hatte genug durchgemacht. Nikos würde nicht erlauben, dass jetzt auch noch sein Bruder Opfer der Mabels wurde.

Abrupt drehte er sich um.

„Sie schauen mich ja immer noch so an, als hätte ich die ganze Sache eingefädelt“, meinte MJ vorwurfsvoll.

„Das würde mich absolut nicht wundern!“ Im selben Moment, als die Worte über seine Lippen kamen, bereute er sie auch schon. Es war eine kindische Anschuldigung, seiner nicht würdig.

„Wow“, hauchte sie leise. „Vergessen wir mal, was Sie gerade gesagt haben. Sie haben es nicht so gemeint, da bin ich mir sicher.“ Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: „Also, werden Sie mir helfen, die beiden zu finden?“

„Sie können sicher sein, dass ich sie finde, MJ. Daran besteht kein Zweifel.“

„So weit, so gut.“

„Aber Sie werden mich auf meiner Suche nicht begleiten und an mir hängen wie …“

Er sprach den Satz nicht zu Ende, schließlich wusste er, was sich gehörte.

Ihre faszinierenden Augen blitzten. „Wie ein Klotz am Bein? Wollten Sie das sagen? Oder eine Klette? Ein Stachel in Ihrer Seite vielleicht?“ Plötzlich fing sie an zu lachen.

Unbehaglich wippte er auf den Ballen. Diese Frau war ihm ein absolutes Rätsel.

„Hm, darüber bin ich jetzt nicht sehr erfreut.“ Sie neigte den Kopf zur Seite. „Vielleicht könnte ich Ihnen ja ganz nützlich sein, wissen Sie?“

Das bezweifelte er stark.

„Ich kenne meine Schwester besser als irgendjemand anders auf der Welt. Vermutlich kennen Sie Christian genauso gut. Stehen Sie einander nah?“

Nikos setzte sich wieder hinter seinen Schreibtisch. „Das geht Sie nichts an.“

Abschätzig sah sie ihn aus ihren grünen Augen an. „Also ja.“

Verdammt, war er wirklich so leicht zu durchschauen?

„Das bedeutet, wenn wir uns zusammentun, wären wir relativ gut in der Lage, vorauszusehen, wo sie sind und was sie vorhaben.“

„Falls ich Ihren Ratschlag brauche, rufe ich Sie an.“ Je weniger Zeit er mit dieser Frau alleine verbrachte, desto besser. Nichts, was sie sagte, würde ihn veranlassen, seine Meinung zu ändern.

„So unerbittlich“, sinnierte sie laut. „Trotzdem glaube ich, dass ich Sie doch noch davon überzeugen kann, mich mitzunehmen.“

„Das bezweifle ich.“

„Nikos, wenn Sie mich mitnehmen, dann verspreche ich, Ihnen die Ananke-Halskette zu überlassen.“

Sein Herz machte einen heftigen Satz. Hatte sie gerade gesagt …?

„Das ist gelogen“, brachte er rau hervor. „Sie können mir das gar nicht versprechen.“

„Doch. Meine Großtante hat mir die Kette nämlich zu meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag geschenkt.“ 

Autor

Michelle Douglas
Das Erfinden von Geschichten war schon immer eine Leidenschaft von Michelle Douglas. Obwohl sie in ihrer Heimat Australien bereits mit acht Jahren das erste Mal die Enttäuschung eines abgelehnten Manuskripts verkraften musste, hörte sie nie auf, daran zu arbeiten, Schriftstellerin zu werden. Ihr Literaturstudium war der erste Schritt dahin, der...
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