Im Rausch der Begierde

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"Ich habe noch nie eine Kundin geküsst!" Bis jetzt hat Bauunternehmer Tony Paladino erfolgreich Bett und Business getrennt. Bei Catherine Fox jedoch wird er zum ersten Mal schwach. Ein Fehler? Im Rausch der Begierde setzt er für eine Affäre mit ihr bald alles aufs Spiel …


  • Erscheinungstag 21.01.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733739287
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wo zum Teufel bist du gewesen?“

Tony Paladino blieb stehen, als Gina, seine Cousine und die Büroleiterin von Paladino & Sons, mit einem Stapel rosa Telefonnotizen auf ihn zukam. Er hielt seine Hand hoch, um sie zu stoppen, während er rasch eine SMS auf seinem Smartphone überflog.

Rita wollte sich mit ihm treffen. Sie war nur heute Abend in der Stadt. Das würde er sich garantiert nicht entgehen lassen. Er hatte schon lange keinen Sex mehr gehabt, und Rita war ein Geschenk des Himmels. Unkompliziert, war nur gelegentlich in New York und wollte nichts weiter von ihm als eine heiße Nacht. Perfekt.

Rasch gab er eine Antwort ein. Kaum hatte er auf „Senden“ gedrückt, stürzte Gina sich auf ihn.

„Du solltest schon vor zwei Stunden hier sein. Alex sagt, das ganze Rohrsystem des Ortega-Hauses muss von Grund auf erneuert werden. Das war in seinem Budget nicht vorgesehen. Sal hat aus dem Haus von Catherine Fox angerufen. Er sagt, die Frau ist verrückt, und falls du ihn nicht sofort zurückrufst, packt er seine Sachen und geht.“

„Na, das läuft doch alles super!“

„Ich bin noch nicht fertig“, erklärte Gina rasch. „Der Assistent des Bürgermeisters versucht, deinen Vater zu erreichen. Er will ihn zum Abendessen einladen als Dank für den Umbau seiner Büros. Lucas Wagen ist liegen geblieben, deswegen ist er noch nicht auf der Baustelle der Walkers. Es sind noch ein paar mehr Anrufe gewesen, aber das sind die, um die du dich als Erstes kümmern solltest.“

„Das passt alles perfekt zu dem Morgen, den ich hinter mir habe. Danke, Gina.“

Sie stemmte eine Hand in die Seite und musterte ihn abwägend.

„Hey, Gina, ich habe dir doch gesagt, dass ich zu Tante Miriam musste.“

„So lange?“

„Ich musste jeden einzelnen Punkt ihrer Mängelliste mit ihr durchgehen, während der Projektmanager danebensaß und Kaffee trank. Plötzlich bin ich der Einzige, dem sie vertraut.“

„Trotzdem hättest du meine SMS beantworten können.“

„Ich habe vergessen, mein Smartphone einzuschalten. Ich sage dir, Miriam ist …“

„… eine Verrückte mit zu viel Zeit.“ Ginas Lächeln verriet, dass sie ihm noch einmal verziehen hatte. Sie reichte ihm die Telefonzettel. „Ich dachte, dir läge vielleicht nicht so viel daran, hierherzukommen. Ich meine, der erste Tag und so …“

„Nein, nein, wieso es hinauszögern?“ Er zuckte mit den Schultern, obwohl er eine gewisse Anspannung nicht leugnen konnte.

„Herzlichen Glückwunsch, Tony. Dein Vater ist mit Sicherheit stolz darauf, dass du die Firma übernimmst. In seinem Büro habe ich nichts geändert, weil ich dachte, du willst es dir selbst einrichten.“

„Ich glaube, es wird immer Dads Büro bleiben. Einen kleinen Veränderungswunsch habe ich allerdings: keine rosa Telefonzettel mehr. Das können wir alles auf unseren Tablets erledigen, oder?“

„Gott sei Dank“, sagte sie. „Hinter deinen Brüdern und dir herzulaufen, ist wie Flöhe hüten. Auf die Weise könnt ihr mir nicht die Schuld in die Schuhe schieben, wenn ihr Mist baut.“

„Danke für das Vertrauen.“

Gina lachte nur.

„Tust du mir einen Gefallen? Ruf Luca an. Er soll seinen Wagen in die Werkstatt bringen lassen. Und dann frag Dom, ob er statt Luca zu den Walkers fahren könnte.“

Sie wählte bereits.

Tony betrat das Büro und nahm in dem schwarzen Ledersessel hinter dem großen Eichenschreibtisch Platz. Es würde nicht leicht sein, die Position seines Vaters zu übernehmen. Als der älteste Sohn war Tony seit 2004 in der Firma – seit er sein Studium an der New York University abgeschlossen hatte. Im Grunde war er dabei, seit er laufen konnte. Es war nicht die Arbeit, die ihm Beklemmungen verursachte, sondern die Verantwortung für das Erbe der Paladinos. Ihr Name stand für etwas. Wer einen Job gut gemacht haben wollte, pünktlich und im Rahmen des verabredeten Preises, der rief die Paladinos. Sie hielten Wort. Und sie hielten Little Italy zusammen, wie jeder wusste, der in diesem Teil Manhattans in New York lebte.

Sie kümmerten sich um die Häuser in den neun Blocks an der Lower East Side. Das taten sie bereits seit 1912, als der erste Paladino von Sizilien in die Staaten gekommen war.

Glücklicherweise hatte sein Vater den zweiten Herzinfarkt gut überstanden. Der Arzt hatte ihm allerdings streng verboten, weiter zu arbeiten, dennoch war davon auszugehen, dass Joe immer wieder einmal hier im Büro auftauchen würde. Tony konnte ihm keinen Vorwurf dafür machen. Das Baugewerbe lag den Paladinos im Blut.

Er rief Sal an, einen alten Freund und einen ihrer besten Projektmanager. In der Vergangenheit hatte er schon manches schwierige Projekt glatt über die Runden gebracht. Was ging ihm jetzt bei dem Fox-Projekt gegen den Strich?

„Wurde aber auch Zeit“, knurrte Sal. Er hatte gleich nach dem ersten Klingeln abgenommen. „Deine Kundin ist verrückt.“

„Wieso?“

„Sie sagt, wir dürfen bei den Renovierungsarbeiten nichts beschädigen, was noch vom ursprünglichen Zustand des Hauses stammen könnte. Art déco, sagt sie. So wäre es vereinbart. Es soll alles restauriert werden, von den Fliesen an den Wänden bis zum Stuck an der Decke. Erstens – es steht nichts davon im Auftrag. Zweitens – woher sollen wir wissen, was an diesem Haus der Originalzustand ist? Es wurde 1902 gebaut. Hör mal, Tony, es tut mir wirklich leid, dir an deinem ersten Tag als Boss mit so einem Problem zu kommen, aber du kennst unseren Zeitplan. Ich habe noch eine ganze Latte von Jobs abzuarbeiten. Was soll ich jetzt machen?“

Tony seufzte stumm. Der Fox-Auftrag war einer der letzten gewesen, die sein Vater angenommen hatte. Schon vor ein paar Monaten waren ihm gelegentlich Fehler unterlaufen. Die meisten konnte Tony ausbügeln. Um den Fox-Auftrag hatte er sich nicht weiter gekümmert, weil er Sal vertraute. Dies war allerdings ein großes Projekt, eine komplette Renovierung – und nun offenbar auch Restaurierung. Das konnte er nicht einfach am Telefon entscheiden.

„Am besten ist, du arbeitest erst mal an den Punkten, die nicht betroffen sind. Ich nehme Kontakt zu Catherine Fox auf und finde heraus, was sie will. Dann melde ich mich wieder bei dir, okay?“

„Okay. Aber, Tony, die Sache muss bis morgen geklärt sein. Ich habe gleich im Anschluss noch einen anderen Job. Wir sollen da ein paar Wände abtragen, sobald die Baubehörde die Sache freigegeben hat.“

„Wird erledigt.“

Er ging nach vorn zu Gina. „Sag mal, waren meine Brüder heute Vormittag hier?“

Sie nickte.

„Bitte versuch doch, für morgen ein gemeinsames Mittagessen zu arrangieren.“

„Das habe ich schon gemacht. Luca wird auf jeden Fall da sein. Dom hat die SMS noch nicht beantwortet, aber er kommt bestimmt auch. Sie waren enttäuscht, als du nicht da warst. Sie hätten gern mit dir darauf angestoßen, dass du nun in das Büro deines Dads ziehst. Dom hatte sogar Donuts dabei.“

„Sag nicht, dass er tatsächlich dafür gezahlt hat.“

Gina lachte. „Er hatte sie von diesem Carveccio-Mädchen.“

„Natürlich.“ Tony überlegte. Zuerst einmal musste er sich mit Catherine Fox in Verbindung setzen. Dann wollte er frei sein für Rita.

„Little Italy, bitte. Ecke Grand Street, Lafayette Street.“ Catherine ließ sich auf den Rücksitz des Taxis sinken. Vom Gebäude der UNO zu ihrem neuen Zuhause waren es knapp zehn Kilometer, aber man brauchte wenigstens fünfundzwanzig Minuten. Wenn man Glück hatte.

Heute hatte sie kein Glück.

Das ganze Bau-Debakel war ein ziemlicher Schock für sie gewesen. Nicht nur, dass der Projektmanager so tat, als wisse er nichts von ihren geänderten Plänen. Es ärgerte sie, dass sie sich auf eine mündliche Vereinbarung eingelassen hatte.

Statt die Sache jetzt mit Joseph zu diskutieren, musste sie sich mit seinem Sohn begnügen. Wollte Paladino & Sons sie über den Tisch ziehen? Die sollten sie kennenlernen! Es gab auch andere Baufirmen! Dennoch hoffte sie inständig, dass es sich nur um ein Missverständnis handelte. Der alte Paladino hatte wirklich den besten Eindruck auf sie gemacht. Gerade sie sollte doch wohl in der Lage sein, einen Menschen zu durchschauen. Ihr Job hing davon ab, dass sie Untertöne heraushörte und die Körpersprache richtig deutete.

Sie bogen in die Grand Street ein. Tony Paladino wartete bereits vor ihrem Haus. Groß, dunkelhaarig und schlank. Dunkle Jeans und ein weißes Hemd ohne Krawatte. Dazu eine schwarze Schultertasche.

Catherine bezahlte das Taxi und stieg aus. Verstohlen strich sie sich den Rock glatt, während sie auf Tony zutrat. Er drehte sich um, als er ihre Absätze auf dem unebenen Pflaster hörte. „Hallo.“ Er reichte ihr die Hand. „Tony Paladino.“

Sie sah ihm in die dunkelbraunen Augen, und ihr Puls ging unerklärlich schneller. „Catherine Fox. Es enttäuscht mich, dass Ihr Vater nicht hier ist.“

„Er wäre gekommen, wenn es ihm möglich wäre, glauben Sie mir.“

Sie schob den Schlüssel ins Schloss. Das gab ihr den Moment, den sie brauchte, um sich davon abzulenken, dass Tony ein ausgesprochen attraktiver Mann war. Sollte er sie mit seinem Charme einlullen, damit sie neu verhandelten und sie dann blind unterschrieb? Darauf konnten sie lange warten! Sie würden den Job ganz genauso machen, wie Joseph Paladino es ihr versprochen hatte.

Einen Moment später waren sie im Haus. Das Gros des Baumaterials befand sich im Erdgeschoss. Sie mussten sich den Weg bahnen zwischen Gerüsten, Abdeckplanen und herumliegenden Rohren. Bisher hatte sich die Firma in erster Linie mit den elektrischen Leitungen und den Rohren befasst. Das waren Grundarbeiten, um die sie sich weiter keine Sorgen machte. Sie führte Tony in die kleine Suite im ersten Stock, in der sie sich für den Moment provisorisch eingerichtet hatte – mit Schlafzimmer, Bad, Küche und einem kleinen Wohnbereich, wo sie fernsehen konnte.

Catherine legte ihre Tasche ab und befahl sich, cool zu bleiben. Sie atmete einmal tief durch, bevor sie sich zu ihm umwandte. „Ich habe Wein, Kaffee und Tee. Was darf ich Ihnen anbieten?“

Er sah wirklich gut aus. Sehr männlich. Ein Mann, dem der Smoking mit Sicherheit genauso stand wie die Arbeitsmontur. Sie fand die dichten Brauen ausgesprochen sexy. Ihr Blick wurde jedoch magisch zu seinen Lippen hingezogen, die gleichzeitig männlich und trotzdem weich wirkten. Eine wunderbare Kombination.

„Wenn es Ihnen keine Mühe macht, nehme ich einen Kaffee.“

Sie wandte sich rasch ab, um den Eindruck zu vermeiden, sie starre ihn an. „Kein Problem. Sind Sie schon einmal hier gewesen?“

„Nein, ich musste mich um einen Auftrag für den Bürgermeister kümmern.“

„Aha.“ Sie musste lächeln. Wollte er sie etwa beeindrucken? Da musste er schon schwereres Geschütz auffahren. Beruflich hatte sie regelmäßig mit allen möglichen Staatsoberhäuptern zu tun.

„Ich glaube, Sie haben meine Brüder schon kennengelernt.“ Tony war ihr in die Küche gefolgt. Es war eng hier, und sie hatte nicht erwartet, dass er ihr so nahe kommen würde. Nah genug, um ihren Puls erneut durchstarten zu lassen.

„Ja, natürlich, Luca und …“ Sie hatte einen Blackout. „Entschuldigen Sie, der Name Ihres zweiten Bruders fällt mir nicht ein.“

„Dom.“ Um Tonys Mundwinkel zuckte es verdächtig.

„Richtig.“ Sie wusste nicht, was ihn so amüsierte. „Dom. Aber die Änderungen am ursprünglichen Auftrag habe ich mit Ihrem Vater besprochen.“

„Ich weiß, mein Vater ist der Beste in diesem Bereich, er hat mir von Kindheit an alles beigebracht. Ich übernehme nicht nur die Arbeit, sondern auch seinen Anspruch auf beste Qualität. Falls es ein Missverständnis gegeben hat, werden wir es lösen.“

Catherine musterte ihn kritisch. Glaubte sie ihm wirklich, oder wollte sie ihm einfach glauben? Die Firma hatte einen guten Ruf. Wahrscheinlich waren sie ausgebucht und hatten einfach keine Kapazitäten frei für ihre Restaurierungsarbeiten. Etwas abzureißen und dann etwas Neues hochzuziehen, war schneller, einfacher und billiger.

Sie öffnete die Kaffeedose und begann, das Pulver in den Filter zu löffeln.

„Soweit ich das verstanden habe, haben Sie mit meinem Vater darüber gesprochen, möglichst viel von dem ursprünglichen Gebäude zu erhalten?“

Sie nickte und hätte fast das Zählen vergessen. „Ja. Er sagte, er würde die Notizen dem ursprünglichen Auftrag hinzufügen. Er wollte den richtigen Mann für das Projekt finden. Ich habe mich förmlich verliebt in das Art déco und Art nouveau der 1930er-Jahre, und ich weiß, dass es Spuren davon überall im Haus gibt. Ihr Vater hat den Speiseaufzug auf die Liste gesetzt, die Kamine, die Stuckdecken, alte Fliesen, die Treppe und einige der Türbögen. Das war das Ergebnis der ersten flüchtigen Begutachtung. Ich habe auch Wandteller gefunden und Griffe von Kommodenschubladen, die ich erhalten möchte.“

Sie drehte sich zu ihm herum, als der Kaffee durchlief. „Verstehen Sie mich nicht falsch. Ich möchte natürlich allen modernen Komfort und trotzdem gleichzeitig die Schönheit des Historischen erhalten.“

„In Ordnung“, sagte Tony nach kurzem Zögern. „Ich werde die Notizen meines Vaters suchen, aber auch wenn ich sie nicht finde, werde ich dafür sorgen, dass Sie bekommen, was Sie wollen.“

Catherine atmete erleichtert auf. Sie hätte es gehasst, wenn Joseph oder sein Sohn sie enttäuscht hätten. Das war ja einer der Punkte, der sie zu dieser kleinen Gemeinschaft hingezogen hatte: die Menschen und ihre Kultur. Sie hatte sie durch ihre verstorbene Nanny kennen- und lieben gelernt.

Belaflore Calabrese war in Little Italy aufgewachsen. Anfangs hatte sie für Catherines Eltern als Haushälterin gearbeitet, als sie in New York lebten. Dann war sie mit ihnen durch Europa gereist und hatte Catherine praktisch aufgezogen. Belaflore hatte ihr Geschichten über dieses Haus und Little Italy erzählt, an die Catherine sich immer noch gern erinnerte.

„Als Erstes müssen wir alle Details festhalten“, sagte Tony. „Das können wir machen, während Sal die Grundsanierungen zu Ende bringt. Wir werden sehen, was wir finden. Nicht jeder Fund wird ein Juwel sein.“ Tony warf rasch einen Blick auf die Uhr. „Mein Vater hat Ihnen noch keine Kosten angegeben, oder?“

Catherine spürte, wie Hoffnung und Glaube schwanden. Das war der Punkt, an dem sie der Firma ausgeliefert war. Sie konnten jeden Preis nennen. Es sah ganz so aus, als würden der charmante Tony Paladino und sein Vater sie doch noch enttäuschen.

2. KAPITEL

Tony war sich nicht sicher, was gerade passiert war. Vor ein paar Sekunden schien noch alles bestens gewesen zu sein zwischen ihm und Ms. Fox, doch dann ging sie plötzlich auf Distanz.

Geld. Es ging immer um Geld. „Ich kann Ihnen die Kosten erst nennen, wenn Sie Ihre Entscheidungen gefällt haben. Mein Vater müsste erwähnt haben, dass solche Restaurierungen nicht ganz billig sind.“

Sie nickte kühl. „Ich verstehe.“

„Hey, ich will Sie nicht entmutigen.“ Tony wollte, dass sie wieder lächelte. Wollte wieder die Fältchen in ihren Augenwinkeln sehen. „Vielleicht müssen Sie hier und da ein paar Abstriche machen, aber wir werden einen Weg finden, innerhalb Ihres Budgets zu bleiben.“

„Das hat Ihr Vater auch gesagt.“ Catherine führte ihn zur Couch und nahm ihm gegenüber auf einem Sessel Platz. Ihre Knie berührten sich fast. Sie zupfte ihren Rock zurecht. „Bevor Sie fragen – ich bleibe bei meinem Wunsch, dass ich die Räume größer haben möchte als bisher. Es soll keine Puppenstube sein.“

Tony warf nochmals einen Blick auf die Uhr. Er wollte unbedingt noch duschen, bevor er Rita traf, aber es war noch Zeit genug, um Catherines Sorgen zu zerstreuen. „Es dürfte kein Problem sein, Ihnen diesen Wunsch zu erfüllen. Meist legen wir in diesen alten Häusern mehrere Zimmer zusammen. Zurzeit ist es Mode, weitgehend offene Etagen zu haben, daher sind wir in dieser Hinsicht sehr kreativ geworden. Es ist eine nette Überraschung, dass Sie auch die Ursprünge des Gebäudes berücksichtigen möchten. Ich habe schon jemanden im Sinn, der sich sehr gut mit Restaurierungen auskennt.“

„Sie werden es nicht selbst machen?“

„Nicht jetzt, nachdem ich gerade die Firma übernommen habe. Ungeachtet dessen habe ich eng mit allen Teams zusammengearbeitet, und keiner meiner Männer wäre noch dabei, wenn er nicht zu den Besten gehörte.“

„Sie haben die Firma übernommen? Was ist mit Ihrem Vater?“

„Dad hatte gesundheitliche Probleme. Sein Arzt hat ihm geraten, sich von der Firma zurückzuziehen. Manche Menschen haben doch wirklich Glück, oder?“

Sein Versuch, die Stimmung zu heben, schlug fehl. Ein Ausdruck des Mitgefühls verdunkelte ihren Blick. „Das tut mir leid.“

„Es geht ihm gut. Er wird noch eine Weile brauchen, bis er wieder richtig fit ist, aber er wird uns erhalten bleiben. Und er wird dafür sorgen, dass wir nichts machen, das nicht seine Zustimmung finden würde.“

Catherine beugte sich ein wenig vor, sodass er die helle Haut im Ausschnitt ihrer Bluse sehen konnte. „Bitte, denken Sie nicht, ich wollte Ihre Fähigkeiten in Abrede stellen.“

Er räusperte sich – und gewann damit gerade genug Zeit, sich wieder an den roten Faden ihres Gesprächs zu erinnern. „Nein, das habe ich nicht gedacht. Die Firma ist bereits seit Generationen in der Familie, und das haben wir nur über Empfehlungen schaffen können.“

„Daran habe ich keinen Zweifel.“

„Catherine …“ Tony konnte sich gerade noch davon abhalten, nach ihrer Hand zu greifen. „Ms. Fox …“

„Catherine ist in Ordnung“, sagte sie mit einem unerwartet scheuen Lächeln.

Er nickte. „Es war mir ernst, was ich über Ihr Budget gesagt habe. Sie behalten immer die Kontrolle und können jederzeit aussteigen.“

Catherine war eine attraktive Frau. Ihrem Selbstvertrauen und ihrer ganzen Haltung nach schätzte er sie auf Ende zwanzig. Irgendetwas in ihrem Gesicht ließ sie jünger wirken. Deswegen hätte er sich fast vergessen. Hätte er sie berührt, hätte sie ihn vielleicht auf der Stelle gefeuert, und niemand hätte ihr dafür einen Vorwurf machen können, am wenigsten er selbst. Sie war eine Auftraggeberin, das durfte er nicht vergessen.

Verdammt. So etwas war ihm bisher noch nie passiert. Er musste aufhören, sie anzustarren. Es war keine Hilfe, dass ihre Kleidung ihn ebenso anmachte wie ihr Gesicht. Aber … ein schwarzer Rock, der ihre Schenkel bis hin zu den Knien bedeckte. Eine gestärkte weiße Bluse. Wieso war das so heiß? Und doch …

Sie strich sich das blonde Haar zurück, und er verfolgte die Bewegung ihrer Finger wie hypnotisiert.

Der Kaffee lief mit einem letzten lauten Gurgeln durch. Catherine erhob sich so rasch, dass Tony zurückschreckte und die ganze Couch verschob. Er nutzte die Gelegenheit, ein paarmal tief durchzuatmen, bevor er ihr folgte. Was auch immer da gerade in ihm vorging – es war verrückt. Er kannte sie überhaupt nicht. Und sie war eigentlich gar nicht sein Typ.

Nicht, dass er es im Moment auf irgendeine Frau abgesehen hätte – außer auf Rita. Die witzige, unkomplizierte Rita. An sie sollte er denken. Und Catherine Fox? Ein Irrtum der Hormone. Nach diesem Abend würde wieder alles normal sein.

Bevor er die Küche erreichte, warf er einen Blick auf das Display seines Smartphones. Er stellte immer den Vibrationsalarm ein, wenn er bei einem Kunden war. Bisher lagen keine Nachrichten vor, das war ein gutes Zeichen.

„Nehmen Sie Sahne? Zucker?“

„Einfach schwarz, bitte.“

Catherine schenkte den Kaffee ein und nahm sich selbst Zucker. Sie wirkte beherrscht. Perfekt. „Zuletzt habe ich in London gelebt“, erzählte sie. „Ich war gern dort, aber ich glaube, New York passt besser zu mir. Die Stadt hat einen Rhythmus, der mich anspricht. Ich mag die Hektik und die Geräusche. Die Luft könnte man vielleicht verbessern, doch alles in allem bin ich froh, hierhergekommen zu sein.“

Europa, London, New York? Womit verdiente sie ihr Geld? Wahrscheinlich irgendetwas Glamouröses, vermutete er. Auf jeden Fall hoch oben auf der sozialen Leiter.

Sie hatten Platz genommen.

„Ich habe noch ein wenig Zeit vor dem nächsten Termin“, sagte er. „Wieso erzählen Sie mir nicht mehr von Ihren Plänen mit dem Haus?“

Sie stellte ihre Tasse ab. „Ich habe ein paar Fotos gesammelt.“

„Das ist gut. Je mehr ich weiß, was Sie mögen, desto leichter kann ich Ihre Wünsche erfüllen.“

Sie verschwand, um kurze Zeit später mit einer dicken Mappe zurückzukehren.

„Keine Angst“, sagte sie, „Sie müssen sich nicht alles ansehen. Ich zeige Ihnen nur, was mir gefällt.“ Sie schlug die Mappe auf. Einige Blätter waren mit Haftzetteln markiert.

Am liebsten hätte Tony sich ganz auf ihr Gesicht konzentriert. Auf ihren exotischen Duft. Aber letztlich siegte dann doch ihre Begeisterung und riss ihn mit.

Ihr Geschmack war breit gefächert – sie zeigte ihm Fotos von klassischen Shaker-Möbeln wie auch von Objekten im asiatischen Stil. Ihr Herz gehörte jedoch eindeutig dem Art déco, das spürte er. Während sie die Räume nach ihren Vorstellungen beschrieb, sah er vor sich, wie sich die verschiedenen Stilrichtungen harmonisch zu etwas Neuem vereinten.

Viele Fotos betrafen Little Italy. Während sie ihnen zum zweiten Mal Kaffee nachschenkte, betrachtete er Fotos von Gebäuden, die er kannte, weil er in ihnen gewesen war, sie studiert oder an ihnen gearbeitet hatte. So vieles hatte sich im Laufe der letzten sechzehn Jahre verändert. Er wusste, dass die Veränderungen schon wesentlich früher eingesetzt hatten, aber erst seit er sein Studium an der NYU aufgenommen hatte, war ihm der Wandel bewusst geworden.

Wie im Rest der City waren in Little Italy die Immobilienpreise durch die Decke geschossen. Die meisten alten Bekannten seiner Familie waren nach Queens, New Jersey oder in den sonnigen Süden gezogen.

Mit jedem weiteren Foto erwachte Tonys Liebe zu dem Stadtteil neu. „Was hat Sie hierher gezogen?“, fragte er. „Ich meine, in diese Nachbarschaft? In dieses Haus?“

„Ich kannte das Haus. Und ich weiß, wie selten Einfamilienhäuser hier sind.“

„Haben Sie schon einen Käufer im Sinn?“

Sie runzelte die Stirn. „Einen Käufer? Nein. Ich möchte den Rest meines Lebens hier verbringen.“

Sie hatte das Haus nicht gekauft, um es wieder zu verkaufen? Nach den Umbauten würde sie viel Geld dafür verlangen können. Leider war das Gebäude problematisch – wegen der Nachbarn zu beiden Seiten. Die Häuser waren schon seit Generationen im Besitz derselben Familien, und die alten Damen, die im Moment dort wohnten, würden Catherine mit Sicherheit nicht willkommen heißen.

„Tony? Stimmt etwas nicht?“

„Nein, nein. Ich bin es nur gewohnt, dass Käufer die alten Gebäude entweder zu Büroflächen umbauen oder zu Mehrfamilienhäusern. Die Preise steigen ständig, deswegen ist viel Bewegung im Markt. Ich ging davon aus …“

„Das Haus ist für mich. Bisher habe ich noch nie ein eigenes Zuhause auf Dauer gehabt. Deswegen sind mir auch Kleinigkeiten so wichtig. Es tut mir nur leid, dass ich bisher noch keine Nachbarn kennengelernt habe. Überhaupt bin ich noch nicht wirklich dazu gekommen, mir die unmittelbare Umgebung näher anzusehen. Aber ich habe ja Zeit – vorausgesetzt, ich überlebe die Umbauarbeiten.“

Er lächelte, trotzdem wuchsen seine Beklemmungen. Catherine konnte ein Schmuckstück aus diesem Haus machen, dennoch stand ihr ein aussichtsloser Kampf bevor. Die Leute hier waren fest verwurzelt mit der Vergangenheit. Die meisten waren strikt gegen jeden Wandel. Sie wollten die Gepflogenheiten ihrer Kindheit, die kleinen Läden und die Straßenmärkte. Sie waren nicht freundlich zu Menschen, die sie als Eindringlinge in ihre Welt betrachteten.

Sollte er ihr das jetzt sagen? Ihr klarmachen, worauf sie sich einließ?

Sein Blick fiel auf ihr Traumbuch. Nein, er konnte es ihr nicht sagen. Vielleicht lief es bei ihr anders. So etwas konnte ja vorkommen. Er wollte nicht derjenige sein, der ihr diese Möglichkeit nahm.

Autor

Jo Leigh
<p>Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...
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