Im Zauber einer Nacht

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Nur ein glücklicher Traum? Nach einer zärtlichen Liebesnacht mit dem berühmten Schönheitschirurgen Ben McMahon fühlt Maggie sich wie verzaubert. Doch dann muss sie Ben ein Geständnis machen. Und so plötzlich, wie er in ihr Leben kam, droht er es wieder zu verlassen...


  • Erscheinungstag 29.01.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733729585
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Juliet! Können Sie mich hören? Juliet!“

Maggie fuhr aus dem Schlaf hoch. Sie befand sich in einer ihr fremden Umgebung, zusammengekuschelt auf einem Sessel. Sie fühlte sich verkrampft und rieb sich den Nacken, während sie überlegte, wo sie war. Sie schaute sich um. Ein Tropfständer, ein Betttisch, weiße Laken auf einem Bett – ein Krankenzimmer.

Jetzt fiel ihr wieder ein, wo sie war. Maggie wartete darauf, dass ihre Schwester aus dem OP kam.

Suchend blickte sie sich nach dem Mann um, dessen Stimme sie aus dem Schlaf gerissen hatte. Doch sie war allein.

Hatte sie geträumt?

Ihr Herz klopfte heftig. Ja, sie hatte von Juliets Operation geträumt. Juliets Herz war stehen geblieben, und sie musste mit Elektroschocks wiederbelebt werden. Davon war Maggie so abrupt aufgewacht. Und deshalb hämmerte ihr Herz auch so stark, als ob sie den Elektroschock selbst erlebt hätte.

Irgendetwas stimmte nicht, und sie musste unbedingt herausfinden, was.

Sie sprang auf und schaute auf die Uhr. Viertel nach zwei. Juliet hätte inzwischen schon längst aus dem OP zurück sein müssen.

Maggie wollte wissen, was passiert war und ob mit Juliet alles in Ordnung war.

Sie ging zum Schwesterntresen, wo die Krankenschwester saß, die Juliet zum OP gebracht hatte.

„Carol, wissen Sie, ob Juliet schon aus dem OP gekommen ist?“

Die Schwester schaute auf. „Ich habe noch nichts gehört. Soll ich mal nachfragen?“

„Ja, bitte. Die OP müsste inzwischen längst vorbei sein“, meinte Maggie.

Carol wählte die entsprechende Nummer, doch es nahm niemand ab. „Es meldet sich niemand. Aber wenn die Leute beschäftigt sind, gehen sie manchmal auch nicht ran. Ich versuch’s gleich noch mal. Wollen Sie solange in Juliets Zimmer warten?“

Maggie nickte. Sie tat so, als würde sie in das Zimmer zurückgehen. Aber sie konnte nicht einfach stillsitzen und warten. Daher ging sie zum Lift, um zu den Operationssälen und den Aufwachräumen hochzufahren.

Oben angekommen, eilte sie den Gang zu den Aufwachräumen hinunter und drückte den Rufknopf an der Tür.

Sobald eine Krankenschwester erschien, sagte Maggie: „Ich bin Juliet Taylors Schwester. Können Sie mir sagen, wie es ihr geht?“

Die Krankenschwester hatte einen seltsamen Gesichtsausdruck, und Maggie fragte sich, was das wohl zu bedeuten hatte. Sie vermutete, dass irgendetwas geschehen war, die Frau es ihr jedoch nicht sagen wollte.

„Was ist passiert? Geht es ihr gut?“

Hinter der Krankenschwester entstand plötzlich hektische Aktivität. Maggie blickte an ihr vorbei und sah, dass ein Patient in einen Aufwachraum geschoben wurde. Entschlossen stellte sie den Fuß zwischen die Tür, damit die Krankenschwester sie ihr nicht vor der Nase zumachen konnte, und versuchte, einen Blick auf den Patienten zu erhaschen.

Mehrere Leute standen um das Bett herum und schlossen den Patienten an verschiedene Monitore an. Da die Krankenschwester zurücktrat, hatte Maggie den starken Verdacht, dass es sich um Juliet handelte.

Die Schwester ging zu einem Mann in OP-Kleidung und zeigte zur Tür.

An alle Anwesenden gewandt, sagte Maggie: „Entschuldigen Sie, ich bin Juliet Taylors Schwester. Könnte mir bitte jemand sagen, was los ist?“

Der Mann schaute zu ihr herüber, gab einige Anweisungen und kam dann auf sie zu. „Sie sind Juliets Schwester?“

„Ja, ich bin Maggie Petersen.“

„Ben McMahon. Ich bin Juliets plastischer Chirurg.“ Er gab ihr die Hand. Sein Händedruck war warm und fest. Tröstlich. Maggie spürte, wie ihr Herzklopfen sich sofort beruhigte.

„Ist sie okay?“

„Ja. Allerdings gab es ein paar Komplikationen.“

„Was für Komplikationen?“ Maggie stockte das Herz, und sie atmete tief durch.

„Kommen Sie, wir suchen uns ein ruhiges Plätzchen.“ Der Arzt führte sie zu einem Raum, in dem mehrere Ruhesessel an der Wand standen. Offenbar ein Zimmer für ambulante Patienten, das im Augenblick jedoch frei war.

Ben wartete, bis Maggie auf einem der Sessel Platz genommen hatte, ehe er sich auf den daneben setzte. Er schien nach den richtigen Worten zu suchen, aber dafür fehlte Maggie die Geduld.

„Ich bin Krankenschwester. Sagen Sie mir einfach, was passiert ist.“

Er fuhr ein wenig zurück, offenbar erstaunt über ihre Direktheit, fasste sich jedoch rasch wieder. „Die Wiederherstellungsoperation bei Juliet ist gut verlaufen. Aber als der Anästhesist die Narkose rückgängig machen wollte, fiel ihr Blutdruck stark ab. Sie haben sie im Aufwachraum gesehen und wissen daher, dass Juliet es geschafft hat. Aber sie hatte einen Herzstillstand, und wir mussten sie wiederbeleben.“

Maggie dachte an ihren Traum. Gepresst fragte sie: „Jetzt geht es ihr wieder gut?“

„Wir werden sie natürlich genau beobachten, aber bisher ist alles in Ordnung.“

„Wie lange hat es gedauert, um sie zurückzuholen?“ Maggie wollte Fakten.

„Etwa neunzig Sekunden.“ Also innerhalb einer sicheren Frist.

„Was hat den Blutdruckabfall ausgelöst?“

„Der Anästhesist vermutet, dass es eine Reaktion auf das Brechreiz hemmende Medikament gewesen ist“, erwiderte Dr. McMahon. „Das kommt häufiger vor, aber glücklicherweise ohne irgendwelche späteren Nachwirkungen.“

Maggie hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl bei dieser Operation gehabt. Ihrer Meinung nach wäre der Eingriff auch nicht unbedingt nötig gewesen. Doch wenn Juliet sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, konnte man sie nicht mehr davon abbringen.

Vor einem Jahr war bei ihr Brustkrebs festgestellt worden. Sie hatte sich sicherheitshalber gleich beide Brüste abnehmen lassen, und der heutige Eingriff war der erste Schritt zu ihrer Brustrekonstruktion. Maggie hatte das Ganze für überflüssig gehalten, und nun wäre ihre Schwester beinahe daran gestorben.

„Alles in Ordnung?“ Besorgt legte Dr. McMahon ihr die Hand auf den Arm.

Maggie schaute hoch und nickte. Dabei fiel ihr auf, dass seine Augen denselben blauen Farbton hatten wie seine OP-Kleidung. Außerdem sah er umwerfend aus und war ihr viel zu nah.

„Kommen Sie mit. Dann können Sie sich selbst davon überzeugen, dass es Juliet gut geht. Vertrauen Sie mir.“

Aus irgendeinem Grund vertraute sie ihm tatsächlich.

Sie folgte ihm zurück zum Aufwachraum. Der Arzt war mindestens eins fünfundachtzig groß, schätzte Maggie, und kräftig gebaut. Nicht dick, sondern athletisch. Unter dem OP-Kittel zeichneten sich seine breiten Schultern ab, und die Hose saß ihm locker auf den Hüften. Normalerweise war OP-Kleidung nicht besonders schmeichelhaft. Aber irgendwie stand sie ihm. Ein Mann wie er würde sogar in einem Müllsack gut aussehen.

Maggie stand neben ihrer Schwester und blickte auf die angeschlossenen Monitore. Juliets Brustkorb hob und senkte sich in einem gleichmäßigen Atemrhythmus. Ben McMahon hatte recht. Ihr schien es gut zu gehen. Maggie dachte an die vergangenen zwei Jahre, an all das, was Juliet durchgemacht hatte. Gelegentlich schweiften ihre Gedanken jedoch auch zu Dr. McMahon ab. Nachdem er Juliets Zustand überprüft hatte, ging er hinaus. Aber seine türkisblauen Augen und seine ruhige, selbstsichere Art blieben Maggie im Gedächtnis. Sie war froh, dass er da gewesen war. Jetzt fühlte sie sich wesentlich ruhiger.

Sie blieb noch eine Weile, um sich zu vergewissern, dass mit ihrer Schwester wirklich alles in Ordnung war. Erst als sie sich davon überzeugt hatte, fuhr sie nach Hause, um dies auch Juliets Kindern zu sagen.

Maggie war zumute, als hätte sie zwei Nächte lang kaum geschlafen. Sie wohnte bei Juliet, um die Kinder zu hüten. Aber die beiden vermissten ihre Mutter, und Maggies Nerven lagen blank. Sie war erschöpft, gestresst und machte sich Sorgen um Juliet. Wann immer sie nachts aufwachte, rief sie im Krankenhaus an, um sich nach ihrer Schwester zu erkundigen. Alles verlief zufriedenstellend, und Juliet rechnete damit, heute entlassen zu werden.

Sobald Maggie ihren Neffen und ihre Nichte zur Schule gebracht hatte, fuhr sie zum Krankenhaus. In der Eile war sie schnell in alte Jeans und einen Pullover geschlüpft, hatte das Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und trug kein Make-up.

Juliet war nach vierundzwanzig Stunden von der Intensivstation in ein Einzelzimmer verlegt worden und hatte den gestrigen Tag zum größten Teil verschlafen. Sie sah erstaunlich gut aus.

Maggie ging zum Bett und gab Juliet einen Kuss auf die Wange. „Hi. Wie fühlst du dich?“

„Ein bisschen müde und wund, aber ansonsten ganz gut.“

„Und du meinst, du kannst nach Hause?“

„Auf jeden Fall. Ich warte nur noch auf meinen Operateur, damit er mich entlässt.“

Also auf Ben. Maggies Herz begann unwillkürlich zu pochen. Bei ihrem Besuch gestern hatte sie ihn nicht gesehen, wollte sich ihre Enttäuschung darüber jedoch nicht eingestehen.

„Hat er dir erklärt, was bei der OP passiert ist?“, fragte sie.

„Ja, anscheinend eine Reaktion auf das Medikament, das den Brechreiz hemmen soll. Aber sie gehen davon aus, dass keine weiteren Probleme auftreten werden“, antwortete Juliet.

„Kannst du dich an irgendwas erinnern? Hattest du Angst?“

„Nein, gar nicht. Aber es war ein merkwürdiges Erlebnis. Genauso wie manche Leute es beschreiben. Das Licht, das Gefühl zu schweben, die Geborgenheit. All das.“ Nach einer kurzen Pause fügte Juliet hinzu: „Steven war da.“

„Mein Steven?“, fragte Maggie.

Juliet nickte.

„Hast du ihn gesehen?“ Als OP-Schwester hatte Maggie schon häufiger so etwas gehört und tat es keineswegs als reinen Unsinn ab.

„Nein, ich konnte da oben nichts sehen. Das Licht war wunderschön, aber es hat alles andere überstrahlt. Ich konnte bloß nach unten schauen. Ich konnte den Operationssaal sehen und mich selbst. Aber Steven habe ich nur gehört“, meinte Juliet.

„Und was hat er gesagt?“

„Dass meine Zeit noch nicht gekommen ist. Er hat mich zurückgeschickt und mir gesagt, dass meine Kinder mich brauchen.“ Juliet hielt inne. „Klingt das sehr verrückt?“

„Nein, mir haben Patienten schon ähnliche Dinge erzählt“, erwiderte Maggie. „Hat Steven dir auch was für mich gesagt?“

Nach seinem Tod hätte Maggie alles darum gegeben, um Steven noch einmal zu berühren, von ihm in den Armen gehalten zu werden. Aber das war zehn Jahre her, und sie hatte ihren Verlust akzeptiert. Obwohl sie niemanden gefunden hatte, der Stevens Platz hätte einnehmen können, empfand sie seine Abwesenheit nicht mehr wie ein gähnendes Loch in ihrem Leben. Es war einfach ein Teil von ihr. Etwas, woran sie sich gewöhnt hatte.

Warum also hatte sie diese Frage gestellt?

Wahrscheinlich aus Neugier.

Juliet schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid.“

Maggie zuckte die Achseln. Es machte keinen Unterschied. Was hatte sie erwartet? So etwas wie: ‚Werde glücklich. Ich vermisse dich. Ich liebe dich.‘?

Liebte sie Steven noch? Ja, schon. Aber eine Botschaft würde nichts daran ändern, dass sie Witwe war und ihr Leben weiterlebte.

Sie schaute sich Juliets Krankenblatt an.

„Guten Morgen, die Damen.“

Maggie blickte auf. Bens tiefe, volle Stimme schien durch ihren gesamten Körper zu vibrieren. Hastig steckte sie das Krankenblatt zurück, merkte jedoch sofort, dass Ben sich ausschließlich auf Juliet konzentrierte. Natürlich. Dass Maggie sich von ihm angezogen fühlte, hatte für ihn nicht die geringste Bedeutung.

„Juliet, wie geht es Ihnen?“, erkundigte er sich.

„Super. Ich hab schon alles gepackt, um nach Hause zu gehen. Ben, das ist übrigens meine Schwester Maggie.“

„Ja, wir haben uns schon kennengelernt.“ Er warf einen kurzen Blick in ihre Richtung, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder Juliet zuwandte. „Wie fühlt sich Ihr Brustbereich an?“

„Es tut ein bisschen weh, ist aber besser als gestern.“

Maggie trat vom Bett zurück, um Ben Platz zu machen. Aus einiger Entfernung betrachtete sie ihn. Sein dichtes dunkles Haar war kurz geschnitten, sah jedoch aus, als wäre es lockig, wenn er es länger wachsen ließe. Sein Kiefer wirkte markant. Er lächelte über eine Bemerkung von Juliet, wobei feine Linien um seine Augenwinkel erschienen. Als er sich über das Bett beugte, um Juliets OP-Wunden zu untersuchen, spannte sich die Hose über seinem festen Po. Maggie wurde unwillkürlich rot und hob rasch den Blick.

Wegen der silbernen Strähnen in seinem Haar schätzte sie, dass Ben etwa in ihrem Alter war. Er sah wirklich sehr gut aus. Aber als plastischer Chirurg sollte er auch gut aussehen, dachte sie.

Er hatte seine Untersuchung beendet und stand jetzt so, dass Maggie seine Nase begutachten konnte. Eine perfekte schmale, gerade Nase.

Ben drehte sich um. „Stimmt was nicht?“

Maggie war außerstande, wegzuschauen. „Ihre Nase.“

Ben rieb sich die Nase, als wäre dort ein Fleck. „Besser?“

„Nein, da ist nichts mit Ihrer Nase. Ich hab mich bloß gefragt, ob Sie was daran haben machen lassen“, meinte Maggie.

„Maggie!“, rief Juliet entrüstet.

„Was denn?“ Maggie sah sie an. „Wenn man nicht mal einen plastischen Chirurgen so was fragen kann, wen denn dann? Du weißt genau, dass ich meine Nase noch nie leiden mochte. Und wenn ich eine schöne Nase sehe, an der etwas gemacht wurde, würde ich mir vielleicht überlegen, ob ich meine auch richten lasse.“

„Danke“, sagte Ben. „Ich nehme an, das soll ein Kompliment sein. Aber ich muss Sie enttäuschen, meine Nase ist hundertprozentig echt.“

Er lächelte Maggie an, und sie vergaß sofort, worüber sie gesprochen hatten. Wenn er lächelte, sah er noch viel besser aus. Er besaß perfekte, strahlend weiße Zähne. Aber vor allem zeigte sich in seinem Lächeln ein gewisser Schalk, der einem zuerst gar nicht auffiel. Wenn er nicht lächelte, war Ben der Inbegriff eines kultivierten, gebildeten Australiers. Doch an seinem Lächeln spürte man, dass er durchaus eine scherzhafte Ader hatte. Und das machte ihn nur noch attraktiver.

Belustigt sah er sie an. „Nur so aus Interesse: Was ist denn mit Ihrer Nase?“

Maggie fasste sich an die Nasenwurzel. „Ich hasse diesen Höcker in der Mitte.“

„Es ist schwierig, bei so etwas eine Garantie für eine gute Korrektur abzugeben, wissen Sie. Betrachten Sie es einfach so, dass er Ihnen eine persönliche Ausstrahlung verleiht.“ Mit einem Augenzwinkern wandte Ben sich wieder Juliet zu.

Maggie stand wie festgewachsen, während seltsame Empfindungen sie durchströmten. Dieser Mann brachte ihr inneres Gleichgewicht gehörig durcheinander.

Ihr waren schon viele gut aussehende, intelligente Männer begegnet. Doch Ben wirkte so bodenständig, ohne irgendwelche Anzeichen eines übertrieben großen Egos. Er war ganz normal und besaß einen natürlichen Charme, gegen den Maggie keineswegs immun war. Sie hatte einen trockenen Mund, ihre Hände zitterten, und ihr Puls raste. Sie presste eine Hand vor den Bauch, um sich zu beruhigen. Eine solche Reaktion war doch wirklich albern.

„Und, kann ich heute nach Hause?“, fragte Juliet. „Maggie ist Krankenschwester. Ich bin also in guten Händen.“

„Richtig, das haben Sie mir neulich erzählt“, sagte Ben zu Maggie. „Welches Fachgebiet?“

„Ich bin OP-Schwester.“

„Können Sie auch mit Patienten umgehen, die nicht in Narkose liegen?“ Er lächelte ihr zu, und sofort überlief sie ein elektrisierendes Prickeln.

Sie erwiderte sein Lächeln. „Ich denke schon.“

An Juliet gewandt, meinte Ben: „Dann werde ich Sie jetzt entlassen, und wir sehen uns in vierzehn Tagen. Haben Sie schon einen Termin bekommen?“ Juliet nickte, und er fuhr fort: „Falls Sie irgendwelche Probleme haben sollten, rufen Sie mich an. Und denken Sie dran: keine schweren Sachen heben und keine anstrengenden Arbeiten im Haushalt. Dazu gehören auch Lebensmittel-Einkäufe und Wäsche aufhängen.“

Sobald er das Zimmer verlassen hatte, erklärte Juliet: „Ich hab dir ja gesagt, er ist toll, stimmt’s?“

Daran konnte Maggie sich zwar nicht erinnern, aber Juliet hatte völlig recht.

„Schade, dass er mein Arzt ist“, meinte sie.

Maggie schnappte nach Luft. „Das ist nicht dein Ernst!“

„Was? Dass ich mit ihm in die Kiste hüpfen würde, wenn ich die Chance dazu hätte?“ Juliet lachte. „Aber sicher. Ich bin schließlich bloß geschieden, nicht tot. Ich bin dem Tod schon zweimal von der Schippe gesprungen, und ich habe vor, das Beste draus zu machen. Warte ab, bis ich meine neuen Brüste habe. Dann werde ich das Leben genießen.“

Maggie lachte. Sie fragte sich, was Juliet wohl dazu sagen würde, wenn sie ihr erzählte, was gerade mit ihr los war.

Anders als Juliet konnte sie sich jedoch nicht vorstellen, tatsächlich mit Ben zu schlafen. Und Maggie war sicher, dass er es sich umgekehrt genauso wenig vorstellen konnte.

Selbst wenn sie es sich in ihrer Fantasie ausmalte, würde es doch niemals wirklich passieren. Was sollte ein attraktiver, erfolgreicher, charmanter Mann, der jede Frau haben könnte, schon mit ihr anfangen? Eine zweiundvierzigjährige Witwe mit plattem Busen und einem Höcker auf der Nase!

2. KAPITEL

Die nächsten zwei Wochen vergingen wie im Flug. Obwohl Juliet darauf beharrte, dass sie sich hundertprozentig fit fühlte, wusste Maggie, dass dies nicht der Fall war. Juliets Ex-Mann befand sich auf einem Manöver mit der australischen Marine, und das Leben einer alleinerziehenden Mutter war schon anstrengend genug, wenn man gesund war. Umso mehr, wenn man gerade einen chirurgischen Eingriff hinter sich hatte.

Deshalb hatte Maggie sich ja auch bereit erklärt, nach Melbourne zu kommen, um ihre Schwester zu unterstützen. Vor allem die vielen außerschulischen Aktivitäten der Kinder hielten sie auf Trab. Als die neunjährige Kate und der sechsjährige Edward an diesem Abend endlich im Bett waren, freute Maggie sich auf ein bisschen Ruhe und ein schönes Glas Wein. Edward und Kate waren wesentlich jünger als ihre eigenen Kinder, und sie hatte vergessen, wie zeitraubend der Alltag einer jungen Familie sein konnte.

„Auf morgen und den Beginn meines neuen Lebens.“ Juliet hob ihr Glas. Nachdem Maggie mit ihr angestoßen hatte, fuhr Juliet fort: „Und auch auf einen Neustart für dich.“

„Wie meinst du das?“

„Ich habe festgestellt, dass es nichts Besseres gibt, als mit der eigenen Sterblichkeit konfrontiert zu werden, um sich Gedanken über sein Leben zu machen. Ich möchte noch so viel erleben. Deshalb werde ich die letzten beiden Jahre hinter mir lassen und meine ganze Kraft auf die Zukunft richten.“ Sie trank einen Schluck Wein. „Aber als ich über meine Zukunft nachgedacht habe, musste ich auch an deine denken. Und ich habe mich gefragt, wie deine Pläne denn so aussehen.“

„Ich glaube, ich habe gar keine.“

„Das solltest du aber“, gab Juliet zurück. „Ich finde, bei dir wäre es auch mal an der Zeit, Bilanz zu ziehen. Ich denke, jeder Mensch sollte sich einen Fünf- oder Zehnjahresplan machen.“

„Wozu das denn?“

„Das werden wir jetzt mal besprechen“, erklärte Juliet. „Deine Kinder sind erwachsen und leben ihr eigenes Leben. Du solltest eine ganze Liste von Dingen haben, die du schon immer mal tun wolltest, aber wofür du nie Zeit hattest. Jetzt ist die beste Gelegenheit, dich mit dieser Liste zu beschäftigen. Du brauchst dir nur zu überlegen, womit du anfangen willst.“

„Ich habe schon darüber nachgedacht, vielleicht ein paar Kurse zu belegen oder mir ein Hobby zu suchen“, gab Maggie zu.

Juliet lachte. „Ich hatte eher an langfristige Dinge gedacht, zum Beispiel, wie dein zukünftiges Leben aussehen soll.“

„Du hast mich doch gefragt, was auf meiner Liste steht.“

„Vielleicht hätte ich mich etwas genauer ausdrücken sollen. Mit wem willst du diese Dinge machen? Du bist zweiundvierzig und hast voraussichtlich noch vierzig Jahre vor dir. So lange willst du doch nicht allein bleiben, oder?“

Offensichtlich ging es Juliet schon sehr viel besser, denn sie war wieder genauso dominant wie sonst auch.

„Dann fass dich doch mal an deine eigene Nase“, entgegnete Maggie. „Fröhliche Witwe, unternehmungslustige Geschiedene, da ist kein großer Unterschied. Wir sind schließlich beide Singles.“

„Natürlich habe ich auch daran gedacht“, sagte Juliet. „Sam zu verlassen war sehr schwer für mich. Aber das heißt nicht, dass ich mich nie wieder verlieben werde. Und ich fände es auch schrecklich, wenn du den Rest deines Lebens allein bleiben würdest.“

„Ich hab mir gedacht, ich zieh später einfach bei dir ein. Wenn deine Kinder ausgezogen sind, können wir zwei alten Jungfern unsere letzten Tage schön ruhig und friedlich miteinander verleben“, scherzte Maggie.

„Von wegen. Ich hab jedenfalls nicht vor, meinen Lebensabend allein zu verbringen“, protestierte Juliet. „Für mich ist es jetzt noch zu früh, aber ich finde, du solltest allmählich anfangen, dich mit Männern zu treffen.“

„Ich bin schon mit ein paar Männern ausgegangen.“

„Und wann zuletzt?“, wollte Juliet wissen.

„Kurz bevor ich hergekommen bin.“

„Wie oft hast du dich mehr als zweimal mit einem Mann getroffen?“

Maggie schwieg. Zu einem dritten Date war es nur sehr selten gekommen. Meistens reichten ihr zwei Treffen, um festzustellen, dass der jeweilige Mann sie nicht interessierte. Entweder war keine Anziehung zwischen ihnen vorhanden, oder man konnte noch nicht einmal ein halbwegs intelligentes Gespräch führen.

„Dachte ich’s mir doch“, meinte Juliet. „Und wann hattest du das letzte Mal Sex?“

„Weiß ich nicht mehr.“

Juliet hob entnervt die Hände und verschüttete dabei beinahe ihren Wein. „Genau das meine ich. Du solltest dich daran erinnern können. Du musst einfach mehr unter Leute.“

Maggie drehte ihr Weinglas hin und her. „Weißt du, warum ich mich nicht mit Männern verabrede? Im ersten Jahr nach Stevens Tod wussten die Leute nicht, was sie mit mir anfangen sollten. Ich wurde nirgends eingeladen. Alle glaubten, ich bräuchte Zeit, um zu trauern. Aber dadurch, dass ich keine Einladungen bekam, hatte ich noch viel mehr Zeit, um über meinen Verlust nachzugrübeln. Und als ich schließlich wieder eingeladen wurde, hatte ich den Eindruck, dass viele Frauen fürchteten, ich wäre scharf auf ihren Ehemann. Darum war es einfacher, zu bestimmten Veranstaltungen gar nicht erst hinzugehen.“

„Triffst du denn niemanden bei der Arbeit?“

„Ich möchte keine Beziehung mit einem Kollegen“, antwortete Maggie. „Das ist zu kompliziert.“

„Und was ist mit den Leuten, die du über die Arbeit kennenlernst?“, fragte Juliet.

„Wen denn? Meine Patienten?“ Maggie lachte. „Ich arbeite im OP. Ich sehe die Patienten bloß ein paar Minuten lang, bevor sie ihre Narkose kriegen. Und danach kommen sie in den Aufwachraum, ehe sie richtig wach sind. Nicht gerade die ideale Gelegenheit zum Plaudern.“ Sie schüttelte den Kopf. „Ich habe nichts dagegen, mich zu verlieben oder Sex zu haben. Aber Dates sind mir ehrlich gesagt zu anstrengend.“

Autor

Emily Forbes
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