In meinen Träumen bist du bei mir

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Tausendmal hat Chloe heimlich an die zärtlichen Nächte mit Nico gadacht! Jetzt ist der erfolgreiche italienische Unternehmer ganz überaschend nach Kanada gekommen - und bringt Chloes Hochzeitspläne durcheinander. Eigentlich wollte sie in wenigen Tagen den zuverlässigen Baron Prescott heiraten. Doch plötzlich kommen ihr Zweifel. Wie kann sie eine gemeinsame Zukunft mit Baron planen und gleichzeitig heimlich von Nico träumen? Wird ihr Herz ihr sagen, wen sie wirklich liebt?


  • Erscheinungstag 26.04.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777357
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Freitag, 21. August

Als Chloe Matheson die Augen aufschlug, war es bereits nach neun. Das Sonnenlicht brach sich auf der Wasseroberfläche des Swimmingpools und warf tanzende Muster aus Licht und Schatten an die Zimmerdecke. Es versprach ein weiterer strahlender Tag in diesem endlosen Sommer zu werden. Überall verdorrte das Gras, doch hier, im Garten ihrer Mutter, glich es dank der Sprinkleranlage einem smaragdgrünen Teppich.

Normalerweise wachte Chloe gut zwei Stunden früher auf, aber während der vergangenen Nacht hatte sie kaum ein Auge zugetan. Stundenlang hatte sie sich ruhelos im Bett hin und her gewälzt, bis ihr schließlich vor Erschöpfung die Augen zugefallen waren.

Noch immer leicht benommen, drehte sie sich auf den Rücken und ging in Gedanken ihr heutiges Programm durch. Den Vormittag über würde sie in der Kanzlei arbeiten und bei der Gelegenheit Baron einen kurzen Besuch in seinem Büro abstatten. Anschließend traf sie sich mit Monica, ihrer besten Freundin, die auch ihre Brautjungfer sein würde. Sie wollten gemeinsam in der Stadt zu Mittag essen, bevor sie ihre letzte Anprobe bei der Schneiderin hatten. Anschließend war sie mit dem Caterer verabredet, und am späten Nachmittag stand ein Friseurtermin an. Am Abend würde dann die Cocktailparty zu Ehren ihrer zukünftigen Schwiegereltern stattfinden, die heute aus Ottawa einflogen.

Wie war es nur dazu gekommen, dass die kleine, intime Feier, die sie und Baron geplant hatten, mittlerweile zu dem gesellschaftlichen Ereignis des Sommers mutiert war? Ursprünglich hatten zwanzig Namen auf der Gästeliste gestanden, und nun waren es fast hundertzwanzig!

Vielleicht sollten wir einfach durchbrennen, ging es Chloe flüchtig durch den Kopf, doch sogleich ließ sie den abwegigen Gedanken wieder fallen. Für so etwas waren sie und Baron viel zu vernünftig und erwachsen. Außerdem waren sie alles andere als Romeo und Julia …

Unten auf der Terrasse saßen ihre Mutter Jacqueline und Charlotte, ihre Großmutter, beim Frühstück. Der Wind trug ihre gedämpften Stimmen und das leise Klirren von Porzellan durch das offene Fenster, zusammen mit dem Duft von frisch gebrühtem Kaffee. Chloe konnte zwar nicht verstehen, worüber sie sich unterhielten, doch das brauchte sie auch nicht. Sie wusste ohnehin, dass es um die Hochzeit ging. Seit Wochen gab es in diesem Haus kein anderes Thema.

„Du machst viel zu viel Wirbel darum“, hatte sie ihrer Mutter vorgeworfen und sie daran erinnert, dass es weder ihre, Chloes, noch Barons erste Ehe sein würde. Doch ihre Einwände waren auf taube Ohren gestoßen, und nun, da die Lawine einmal losgetreten war, ließ sie sich nicht mehr aufhalten.

„Immerhin liebt ihr euch genug, um zu heiraten, und das ist ja wohl ein großes Ereignis“, hatte Jacqueline ihr entgegengehalten. „Und solange ich mir das Beste leisten kann, lasse ich nicht zu, dass mein einziges Kind sich mit einer schäbigen kleinen Feier begnügt.“

Als Baron ihr im April den Heiratsantrag gemacht hatte, war es Chloe nicht so wichtig erschienen. Inzwischen wünschte sie, sie hätte sich energischer durchgesetzt, doch dazu war es jetzt zu spät. Die Einladungen waren seit sechs Wochen verschickt, und für die auswärtigen Besucher, die nicht mehr im Haus untergebracht werden konnten, waren Zimmer im nahe gelegenen Trillium Inn reserviert worden.

Chloe seufzte und schob sich ein Kopfkissen in den Nacken. Dabei fiel ihr Blick auf das silbergerahmte Foto auf ihrem Nachttisch. Es zeigte ihren Sohn im Alter von zwei Monaten. Die Kehle wurde ihr eng, und ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen, als sie dem ernsten Blick seiner großen dunklen Augen begegnete. „Hallo, mein Engel“, flüsterte sie ihm zu. Sie legte kurz den Zeigefinger an ihre Lippen und drückte ihn dann behutsam auf den winzigen Mund ihres Sohnes.

Unten klingelte das Telefon.

Nur mühsam gelang es Chloe, sich aus dem Abgrund von Schmerz und Selbstvorwürfen zu befreien, der immer und überall auf sie lauerte. Schließlich stieß sie entschlossen die Bettdecke beiseite und ging unter die Dusche.

Als sie zwanzig Minuten später die Terrasse betrat, bemerkten weder Jacqueline noch Charlotte ihr Kommen. Auf Chloes ruhiges „Guten Morgen“ hin fuhren sie schuldbewusst auseinander wie zwei Schulmädchen, die man bei etwas Verbotenem ertappt hatte.

„Darling!“, rief ihre Mutter übertrieben munter. „Wie schön, dass du schon auf bist!“

Chloe setzte sich den beiden Frauen gegenüber und blickte argwöhnisch zwischen ihnen hin und her. „Raus damit“, forderte sie sie trocken auf. „Was führt ihr im Schilde?“

Die beiden tauschten einen raschen Blick aus, bevor Charlotte sich mit einem treuherzigen Lächeln ihrer Enkelin zuwandte. „Hast du vergessen, dass wir heute Abend Barons Eltern zu Gast haben, Kind? Da gibt es noch viel zu besprechen, wenn alles wie am Schnürchen klappen soll. Schließlich ist der erste Eindruck immer der entscheidende.“

„Genau“, pflichtete Jacqueline ihr bei und schenkte Chloe Kaffee ein. „Es gibt wirklich keinen Grund, uns so misstrauisch anzusehen, Schatz.“

Chloe gab etwas Milch in ihre Tasse und rührte um. „Ihr weicht mir aus“, stellte sie fest. „Wer war das vorhin am Telefon?“

„Ach, da war jemand falsch ver…“

„Der Blumenhändler …“

Chloe zog die Brauen hoch. „Soll ich euch vielleicht einen Moment allein lassen, damit ihr euch auf eine gemeinsame Version einigen könnt?“, erkundigte sie sich ironisch.

„Ach, hör doch auf, die Rechtsanwältin herauszukehren“, beschwerte Jacqueline sich mit Kleinmädchenstimme. Sie wusste genau, dass dieser Tonfall ihre Tochter jedes Mal aus der Fassung brachte. „Hier …“, sie schob ihr ein Schälchen Blaubeeren zu, „… iss das lieber. Ich habe irgendwo gelesen, dass Blaubeeren gut für dich sind.“

„Es gibt nichts, weswegen du dir Sorgen machen müsstest, Liebes“, versicherte Charlotte. „Denk nur immer daran, dass sich die Dinge nicht immer so entwickeln, wie man es erwartet. Mitunter nimmt das Leben eine ungeahnte Wendung.“

Plötzlich war Chloe der Appetit vergangen. „Glaubst du, ich wüsste das nicht, Gran?“ Sie lächelte gequält. „Schließlich habe ich diese Lektion auf die harte Tour gelernt.“

Charlotte tätschelte ihrer Enkelin liebevoll die Hand. „Natürlich, Liebes, und es liegt mir fern, alte Wunden aufzureißen. Ich wollte nur sagen, dass dein Glück uns das Wichtigste ist und wir nur das Beste für dich wollen. Was auch immer geschehen mag“, setzte sie nachdrücklich hinzu.

„Dann solltet ihr hochbeglückt sein, dass ich mich für Baron entschieden habe, denn er ist das Beste, was mir seit langem passiert ist.“

„Wenn du meinst, Chloe …“

„Ja, das meine ich, Gran. Aber du scheinst offenbar anderer Ansicht zu sein.“

„Vielleicht liegt es daran, dass du so wenig … begeistert wirkst“, warf Jacqueline ein. „Du verhältst dich allem gegenüber so distanziert, als wäre es gar nicht deine Hochzeit. Ich weiß noch, als du Nico geheiratet hast …“

„Damals war ich zweiundzwanzig und glaubte noch an Märchen!“

Jacqueline ließ sich von dem gereizten Einwand ihrer Tochter nicht beirren. „Du hast es kaum erwarten können, endlich Signora Nico Moretti zu werden.“ Sie schloss kurz die Augen und seufzte wehmütig. „Ich sehe dich noch vor mir mit deinem weißen Brautkleid und dem Schleier. Du warst die schönste Braut, die ich je in meinem Leben gesehen habe. Alle sagten, du hättest förmlich von innen her gestrahlt.“

„Das müssen die Nerven gewesen sein.“

„Unsinn! Du warst bis über beide Ohren in Nico verliebt … und er in dich.“

„Offenbar nicht genug, denn schließlich hat unsere Ehe nicht gehalten.“

„Sie hätte halten können“, bemerkte Charlotte ruhig. „Und auch sollen“, fügte sie fast trotzig hinzu.

Abrupt schob Chloe ihren Teller von sich. „Gibt es irgendeinen speziellen Grund, warum ihr plötzlich anfangt, in der Vergangenheit herumzustochern? Wollt ihr mir zu verstehen geben, dass ihr es für einen Fehler haltet, wenn ich Baron heirate?“

„Hältst du es denn für einen Fehler?“, gab Jacqueline die Frage zurück.

Nein!“ Selbst in Chloes Ohren klang es nicht besonders überzeugend. „Und falls ihr es tut, fällt euch das ein bisschen spät ein, findet ihr nicht?“ Da sie ihre eigenen nagenden Zweifel nicht wahrhaben wollte, richtete sie ihren Ärger gegen die beiden Menschen, die sie am meisten liebte. „Schließlich habt ihr darauf bestanden, diese Hochzeit zu einer … Zirkusveranstaltung zu machen!“

„Ja, aber doch nur, weil wir dich über alles lieben, Darling!“, hielt Jacqueline ihr vor Augen. „Wir wünschen uns so sehr, dass du wieder am Leben teilnimmst und endlich wieder glücklich wirst.“

Chloe senkte beschämt den Kopf. „Ich weiß“, gab sie kleinlaut zu. Natürlich meinten die beiden es gut. Es war unfair, ihre Mutter und Charlotte dafür verantwortlich zu machen, dass sie die Vergangenheit nicht loslassen konnte.

„Wir hatten gehofft, Baron würde dich glücklich machen“, fuhr Jacqueline fort. „Doch es scheint dir alles so gleichgültig zu sein. Wir mussten dich förmlich zwingen, dass du dir ein Brautkleid kaufst, und die Hälfte der Hochzeitsgeschenke hast du nicht einmal ausgepackt.“

„Ich bin nur noch nicht dazu gekommen“, verteidigte Chloe sich. „Im Büro stapelt sich die Arbeit, immerhin fallen Baron und ich einen ganzen Monat in der Kanzlei aus. Und was das Kleid betrifft …“ Sie zuckte die Schultern. „In meinem Schrank hängen bereits so viele elegante Outfits, die ich nie trage, dass es mir unsinnig erschien, ein Vermögen für ein neues auszugeben“

„Trotzdem“, beharrte Charlotte. „Auch wenn es nicht deine erste Hochzeit ist, bleibt es doch ein besonderer Tag, der entsprechend gewürdigt werden sollte.“

Chloe seufzte leise und rang sich ein Lächeln ab. „Du hast ja recht, Gran“, lenkte sie ein, bevor sie sich Jacqueline zuwandte. „Wie viele Leute erwartest du heute Abend, Mum?“

„Ungefähr ein Dutzend. Nur die Familie und einige enge Freunde. Wir wollten die Prescotts nicht gleich mit zu vielen neuen Gesichtern überfordern. Wann kommen sie eigentlich an?“

„Um zwanzig nach elf. Baron holt sie ab und geht mit ihnen essen. Danach bringt er sie ins Hotel, damit sie sich vor der Party ausruhen können.“ Chloe warf einen Blick auf die Uhr und erhob sich hastig. „Beinah hätte ich vergessen, dass Baron und ich noch einen Kaffee zusammen trinken wollten, bevor er zum Flughafen fährt. Wir haben uns in den letzten Tagen kaum gesehen.“

Sie hatte tatsächlich das dringende Bedürfnis, einige ungestörte Minuten mit ihrem Verlobten zu verbringen. Weit weg von allen hektischen Festvorbereitungen. Sein beruhigender Einfluss würde ihre überreizten Nerven besänftigen. Der Anblick seines vertrauten, zurückhaltenden Lächelns würde all ihre Zweifel zerstreuen und ihr wieder bewusst machen, wie glücklich sie sich schätzen konnte. Denn Baron würde einen idealen Ehemann abgeben.

Geduldig.

Liebevoll.

Loyal.

Außerdem stimmten ihre Wünsche bezüglich ihrer gemeinsamen Zukunft perfekt überein.

„Bevor du mir antwortest“, hatte er erklärt, nachdem er um ihre Hand angehalten hatte, „möchte ich noch einmal betonen, dass ich weder Kinder noch ein Eigenheim mit Garten will. Ich bin nicht der Typ, der am Wochenende den Rasen mäht und mit den Nachbarn gemeinsame Grillabende verbringt. Wir sind beide Workaholics, Chloe, und können ohne unsere Arbeit nicht leben. Und wenn wir einmal nicht arbeiten, möchte ich, dass wir einfach die Tür hinter uns zumachen und irgendwohin fahren – ohne schreiende Kleinkinder im Schlepptau.“ An dieser Stelle hatte er eine Pause gemacht und sie forschend angesehen. „Verlange ich zu viel von dir, Liebling?“

„Aber nein, absolut nicht!“, hatte sie beteuert und sich befohlen, nicht daran zu denken, wie es das letzte Mal gewesen war, als ein Mann um ihre Hand angehalten hatte. „Wir sind uns in jeder Hinsicht einig, Baron. Ja, ich will dich heiraten und werde mit Stolz deinen Namen tragen. Zumindest privat.“

„Selbstverständlich nur privat.“ Er hatte ihr das Haar aus dem Gesicht gestrichen und ihr liebevoll zugelächelt. „Du hast hart für deinen guten Namen als Rechtsanwältin gearbeitet, und ich würde nie von dir verlangen, dass du ihn meinetwegen aufgibst. Beruflich wirst du natürlich weiter Chloe Matheson heißen.“

Zum damaligen Zeitpunkt war sie davon überzeugt gewesen, dass die Zukunft, die Baron ihr anbot, der Schlüssel zu ihrem Glück war. Insbesondere die damit verbundene Entscheidung, kinderlos zu bleiben. Täglich kamen verzweifelte Frauen zu ihr, die aus einer unerträglich gewordenen Ehe herauswollten. Das Leid, das daraus für die beteiligten Kinder entstand, ging ihr jedes Mal unter die Haut. Es ist eine kluge Entscheidung, erst gar keinen Nachwuchs in die Welt zu setzen, hatte sie sich immer wieder vor Augen gehalten.

Erst jetzt, wenige Tage vor ihrer zweiten Eheschließung, wurde ihr der eigentliche Grund bewusst, warum sie Barons Bedingungen so bereitwillig akzeptiert hatte. Es hatte weniger mit tiefer Übereinstimmung zu tun gehabt als vielmehr mit dem Bedürfnis nach Sicherheit. Ein Leben an Barons Seite würde sie vor Einsamkeit und Enttäuschungen bewahren. Und vor allem vor weiterem Kummer und Schmerz.

Obwohl Chloe der Wirbel, der um die Hochzeit gemacht wurde, zuwider war, musste sie zugeben, dass niemand ihrer Mutter das Wasser reichen konnte, wenn es darum ging, eine stilvolle Party auszurichten.

Der Cocktailempfang für die Prescotts war ein voller Erfolg. Die Verandatüren standen weit offen, sodass die Gäste sich frei zwischen Wohnzimmer und Terrasse bewegen konnten. Ein prachtvoller Sonnenuntergang tauchte das Meer mit den in der Ferne liegenden Inseln in goldenes Licht und sorgte für eine filmreife Kulisse. Der Kaviar war vom Feinsten, und der Champagner floss in Strömen. Als das letzte Tageslicht verging, befand sich die Gesellschaft in bester Stimmung.

Chloe gab sich entspannt und gut gelaunt, insgeheim empfand sie die Party jedoch als eine einzige Tortur. Die Prescotts machten keinen Hehl daraus, dass sie zu Hause in einem elitären gesellschaftlichen Kreis verkehrten. Barons verstorbener Großvater war Parlamentsmitglied gewesen, sein Vater genoss einen hervorragenden Ruf als Archäologe, und seine Mutter hatte bis zu ihrer Pensionierung eine vornehme Privatschule für Mädchen geleitet.

Hinter einer Maske aufgesetzter Freundlichkeit nahm Myrna Prescott nicht nur ihre zukünftige Schwiegertochter genauestens unter die Lupe, sondern auch Jacqueline, Charlotte und das Haus. Ihr ganzes Verhalten machte deutlich, dass nur eine Frage sie beschäftigte: Verfügte die Braut ihres Sohnes über den entsprechenden Hintergrund, um der Rolle einer Prescott gerecht zu werden?

„Und?“, platzte Jacqueline heraus, sobald sich die Tür hinter dem letzten Gast geschlossen hatte. „Wie fandest du die Prescotts?“

„Nicht gerade überströmend vor Herzlichkeit“, antwortete Chloe trocken. „Offenbar betrachtet Barons Mutter mich als beschädigte Ware, weil ich schon einmal verheiratet war.“

„Den Eindruck hatte ich auch“, bestätigte Charlotte. „Uns hat sie anfangs auch ziemlich von oben herab behandelt, aber später ist sie dann etwas aufgetaut.“

„Ja, doch das haben wir nur unserem Waterford – Kerzenleuchter zu verdanken“, erinnerte Jacqueline sie sarkastisch. „Myrna Prescott sind fast die Augen aus dem Kopf gefallen, als sie ihn entdeckte. Überhaupt hatte ich das Gefühl, dass sie und ihr Mann von unserem Lebensstandard ziemlich beeindruckt waren.“

„Und das mit recht!“ Auch noch mit siebenundsechzig Jahren verspürte Charlotte den mütterlichen Impuls, ihre Tochter zu verteidigen. „Diese Prescotts mögen über einen imponierenden Familienstammbaum verfügen, Liebes, aber vergiss nicht, dass du auch nicht gerade im Elend aufgewachsen bist. Mit dem heutigen Abend hast du dich übrigens selbst übertroffen. Du musst völlig erschöpft sein.“

Jacqueline unterdrückte hinter vorgehaltener Hand ein Gähnen. „Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten“, gab sie zu und stand auf. „Deswegen gehe ich jetzt auch ins Bett.“

Als Charlotte kurz darauf ihrem Beispiel folgte, beschloss Chloe, ebenfalls nach oben zu gehen. Kaum hatte sie jedoch ihr Zimmer betreten, stellte sie fest, dass sie viel zu aufgekratzt war, um schlafen zu können. Sie trat an das weit geöffnete Fenster und atmete tief die warme Nachtluft ein. Der Mond spiegelte sich im Wasser des Swimmingpools, und plötzlich bekam sie Lust zu schwimmen. Kurz entschlossen streifte sie Kleid und Unterwäsche ab, schlüpfte in ihren Badeanzug und lief wieder nach unten.

Wenig später glitt sie ins Wasser und ließ sich auf dem Rücken treiben. In acht Tagen haben wir den ganzen Rummel hinter uns und fliegen Richtung Bahamas, hatte Baron ihr beim Abschied ins Ohr geflüstert. Ich kann es kaum noch erwarten, Darling …

Während Chloe den sternklaren Nachthimmel über sich betrachtete, versuchte sie, seine freudige Erwartung zu teilen. Nächsten Samstag um diese Zeit wären sie schon fast fünf Stunden verheiratet. Vielleicht hätten sie und Baron dann sogar schon zum ersten Mal miteinander geschlafen. Würde es mit ihm wohl genauso wundervoll sein wie mit … Hör auf! befahl sie sich streng. Sie durfte nicht zulassen, dass Nico sich wieder in ihre Gedanken einschlich. Für ihn war in ihrem Leben kein Platz mehr.

Eine Sternschnuppe tauchte am Himmel auf und zog einen Schweif aus glitzernden Funken hinter sich her.

Wünsch dir was!

Was könnte das schon sein? fragte Chloe sich wehmütig. Sie hatte doch bereits alles, was eine Frau sich erträumen konnte, oder?

Alles, bis auf eines …

Aber sich das zu wünschen war sinnlos. Es bedeutete, das Unmögliche zu verlangen. Weder Gebete noch Aberglaube konnten ihren kleinen Sohn wieder ins Leben zurückrufen.

„Ich wünschte, ich könnte vergessen“, flüsterte sie, und die Sterne verschwammen hinter einem Tränenschleier. „Ich wünschte, ich könnte die Vergangenheit hinter mir lassen und noch einmal ganz von vorn anfangen.“

Er nahm beim zweiten Klingeln ab. „Pronto?“

„Die Luft ist rein, Nico. Du kannst herüberkommen.“

„Ahnt sie etwas?“

„Nicht das Geringste.“

Lächelnd legte er den Hörer auf die Gabel und ging zur Tür.

Den ganzen Abend über hatte er unbemerkt im Gärtnerhaus hinter dem Fenster gestanden und das Partygeschehen beobachtet. Vor allem natürlich Chloe, die lächelnd und plaudernd mit ihrem Verlobten und dessen Eltern durch den Garten geschlendert war. Später hatte er gesehen, wie sein Nachfolger Chloe hinter einen blühenden Strauch gezogen und sie mit einem Verlangen geküsst hatte, das er, Nico, nur allzu gut nachempfinden konnte …

Lautlos wie ein Raubtier lief er nun über den gepflasterten Weg, der von der Gärtnerlounge zum Wohnhaus führte. Nur hinter Chloes Schlafzimmerfenster brannte noch Licht. Natürlich würde sie schockiert sein, ihn zu sehen. Höchstwahrscheinlich sogar wütend. Zum Glück lieferten ihm seine Geschäfte einen überzeugenden Vorwand, sich ausgerechnet in der Woche in der Stadt aufzuhalten, in der sie einen anderen heiratete. Er hätte seine Termine zwar umlegen und so ein Wiedersehen mit ihr vermeiden können, doch nachdem Jacqueline ihn in Verona angerufen und ihm ihre Zweifel anvertraut hatte, hätten ihn keine zehn Pferde dazu gebracht.

„Es ist nicht so, dass sie Baron nicht mag“, hatte Jacqueline am Telefon gesagt. „Aber zwischen den beiden funkt es einfach nicht, Nico. Sie tut nur so als ob, das ist alles.“

Mehr Ermutigung hatte er nicht gebraucht, um an seinem ursprünglichen Zeitplan festzuhalten. „Am Freitag bin ich da“, hatte er ihr kurz entschlossen mitgeteilt.

„Ist dir bewusst, dass du nur eine Woche Zeit hast, um sie zu überzeugen?“

Dìo, Jacqueline!“, hatte er lachend erwidert. „Beim ersten Mal habe ich nicht einmal einen Tag dazu gebraucht.“

„Aber diesmal ist es anders, Nico. Sie ist verletzt.“

„Das sind wir alle“, hatte er sie erinnert. „Aber sich in eine zweite Ehe zu stürzen, um vor dem Schmerz zu flüchten, ist auch keine Lösung.“

„Du sprichst mir aus der Seele. Außerdem ist Baron ein wunderbarer Mann, der nur das Beste verdient. Und sosehr ich meine Tochter auch liebe, bezweifle ich stark, dass eine Ehe mit ihr das Beste für ihn ist. Chloe behauptet zwar ständig das Gegenteil, aber ich spüre genau, dass sie nicht mit dem Herzen bei der Sache ist.“

„Ich verstehe.“

„Tust du das wirklich? Was ist, wenn du am Ende derjenige bist, der verletzt zurückbleibt? Schließlich ist es nur mein Mutterinstinkt, der mir sagt, dass Chloe das Falsche tut. Meiner Meinung nach hat sie den Weg des geringsten Widerstands gewählt, weil ihr der Mut fehlt, um ihr Glück zu kämpfen. Aber ich kann mich auch täuschen. Vielleicht will sie diese Ehe ja wirklich.“

„Ich hatte bisher noch nie Angst, ein Risiko einzugehen, Jacqueline, und das weißt du auch. Aber was ist mit dir? Möglicherweise verzeiht Chloe dir später nie, dass du dich auf diese Weise in ihr Leben eingemischt hast.“

„Das muss ich eben in Kauf nehmen“, hatte sie seufzend erwidert.

Während Nico nun durch den dunklen Garten huschte, sagte er sich, dass er zumindest den Überraschungseffekt auf seiner Seite hatte. Vielleicht würde der Schock über seinen Anblick Chloe dazu bringen, etwas von den Gefühlen preiszugeben, die sie so sorgfältig vor allen verbarg …

Am Ende war jedoch er derjenige, der überrascht wurde. Als er hinter einer großen Grünpflanze hervortrat, aktivierte er unbeabsichtigt den Bewegungsmelder, sodass die automatische Beleuchtung aufflammte. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, hätte Chloe sich im Haus aufgehalten, wie er es erwartet hatte, und nicht im Swimmingpool.

Bevor Nico sich zurückziehen konnte, hob sie erschrocken den Kopf … und sah ihm direkt in die Augen.

Da es keinen Sinn mehr machte, sich zu verstecken, tat er das Naheliegende. Er blieb stehen und ließ bewundernd den Blick über sie gleiten.

2. KAPITEL

Chloes erste Reaktion war Ungläubigkeit. Vielleicht spielte das Licht ihr einen Streich, oder sie halluzinierte? „Sag, dass du es nicht wirklich bist!“, stieß sie hervor.

Doch der Mann, der nun an den Rand des Pools trat, wirkte ausgesprochen real, und seine tiefe, melodische Stimme hatte ebenfalls nichts Geisterhaftes an sich. „Ciao, Chloe“, begrüßte er sie mit samtweicher Stimme. Der italienische Akzent verstärkte die sinnliche Wirkung noch. „Habe ich dich erschreckt?“

„Allerdings!“, fuhr sie ihn an und stieß seine Hand beiseite, die er ihr entgegenstreckte, um ihr aus dem Wasser zu helfen. „Wag es nicht, mich anzufassen!“

Darauf verzog er die Lippen zu jenem draufgängerischen Lächeln, das sie nur zu gut kannte und das auch jetzt wieder ein beunruhigendes Flattern in ihrem Magen auslöste. Sie stieg aus dem Pool und griff nach ihrem Handtuch, das sie sich um die Schultern legte. Dann strich sie sich das nasse Haar aus dem Gesicht und stemmte angriffslustig die Hände in die Hüften.

„Ich weiß nicht, was du hier zu suchen hast, Nico“, sagte sie schneidend, „und es interessiert mich auch nicht. Ich will, dass du augenblicklich vom Grundstück meiner Mutter verschwindest.“

„Ich …“

„Andernfalls rufe ich die Polizei.“

Nico versuchte, verletzt auszusehen, doch in seinen Augen blitzte es amüsiert auf. „Das würdest du mir nicht antun, cara.“

„O doch, verlass dich drauf!“, versicherte sie ihm mit unbewegter Miene. „Und nenn mich nicht cara.“

„Wie soll ich dich dann nennen? Signora Moretti?“

Sie presste die Lippen zusammen. „Diesen Namen habe ich in dem Moment abgelegt, als ich die Scheidungspapiere unterschrieben habe.“

„Mag sein, doch das ändert nichts daran, dass wir einmal Mann und Frau waren. Aber davon willst du jetzt sicher nichts hören – so kurz bevor ein anderer Mann meinen Platz einnimmt. Wie wirst du dann eigentlich heißen, meine Schöne?“

„Mrs. Baron Prescott“, teilte sie ihm kühl mit. „Nicht, dass es dich etwas anginge.“

Autor

Catherine Spencer
<p>Zum Schreiben kam Catherine Spencer durch einen glücklichen Zufall. Der Wunsch nach Veränderungen weckte in ihr das Verlangen, einen Roman zu verfassen. Als sie zufällig erfuhr, dass Mills &amp; Boon Autorinnen sucht, kam sie zu dem Schluss, diese Möglichkeit sei zu verlockend, um sie verstreichen zu lassen. Sie wagte den...
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Catherine Spencer
<p>Zum Schreiben kam Catherine Spencer durch einen glücklichen Zufall. Der Wunsch nach Veränderungen weckte in ihr das Verlangen, einen Roman zu verfassen. Als sie zufällig erfuhr, dass Mills &amp; Boon Autorinnen sucht, kam sie zu dem Schluss, diese Möglichkeit sei zu verlockend, um sie verstreichen zu lassen. Sie wagte den...
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