Julia Extra Band 394

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AUFREGENDES RENDEZVOUS IN PARIS von MORTIMER, CAROLE
Sie ist wunderschön! Fasziniert schaut Michael D’Angelo in die veilchenblauen Augen der Frau, die ihn in seiner Galerie in Paris aufgesucht hat - bis er schockiert erfährt, was Eva ihm vorwirft …

KEINER KÜSST BESSER ALS DU! von GEORGE, LOUISA
Am liebsten würde sie ihm eine Ohrfeige geben. Und ihn gleichzeitig küssen. Cassies Gefühle für Jack sind so widersprüchlich! Trotzdem verliebt sie sich jeden Tag ein bisschen mehr in den Mann aus Notting Hill …

IM BANN DES SIZILIANISCHEN MILLIONÄRS von SMART, MICHELLE
Damals floh Grace vor dem sizilianischen Millionär Luca Mastrangelo - jetzt hat er sie in Cornwall gefunden. Und diesmal scheint es keinen Ausweg für ihre gefährlichen Gefühle zu geben …

ZU VIELE NÄCHTE OHNE DICH von HART, JESSICA
Ungläubig sieht Nell, wer ihr Blind Date ist: ihr Ex-Verlobter P. J.! Früher war er schüchtern und verträumt - heute ist er ein erfolgsverwöhnter Tycoon, der genau weiß, was und vor allem wen er will …

GERETTET VON EINEM TRAUMPRINZEN von WINTERS, REBECCA
Prinzessin Francette sitzt in Afrika fest - und wird ausgerechnet von dem Mann gerettet, dem sie nie wieder begegnen wollte: Prinz Niccolo, den sie auf Wunsch ihrer Eltern heiraten soll …


  • Erscheinungstag 10.02.2015
  • Bandnummer 0394
  • ISBN / Artikelnummer 9783733704360
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Carole Mortimer, Louisa George, Michelle Smart, Jessica Hart, Rebecca Winters

JULIA EXTRA BAND 394

CAROLE MORTIMER

Aufregendes Rendezvous in Paris

Paris – die Stadt der Liebe? Keine Sekunde kommt Eva dieser Gedanke – bis sie dem Galeristen Michael D’Angelo gegenübersteht. Was sie ihm zu sagen hat, ist eine Sache. Wovon sie träumt, eine andere …

LOUISA GEORGE

Keiner küsst besser als du!

Er ist ein bisschen arrogant – und viel zu attraktiv! Aber was Cassie bei Jack Brennan, ihrem Partyservice-Kunden aus Notting Hill, am schwierigsten findet: Alles an ihm reizt sie, ihn zu küssen …

MICHELLE SMART

Im Bann des sizilianischen Millionärs

„Guten Morgen, meine Schöne.“ Lucas samtige Stimme trifft Grace mitten ins Herz. Der sizilianische Verführer hat sie gefunden – und sie ist ihm zum zweiten Mal wehrlos ausgeliefert …

JESSICA HART

Zu viele Nächte ohne dich

Jahrelang hat P. J. an Nell gedacht. Jetzt bietet ihm das Schicksal die Chance, sie zurückzugewinnen. Und er wäre nicht der smarte Milliardär geworden, wenn er diese Chance ungenutzt ließe …

PROLOG

St Gregory’s Church, New York.

„Waren wir nicht erst vor wenigen Wochen in einer ganz ähnlichen Kirche?“, fragte Michael seinen jüngsten Bruder Gabriel belustigt. Sie saßen in der ersten Reihe der mit Hochzeitsgästen gefüllten St Gregory’s Church, neben sich ihren Bruder Rafe, den nervösen Bräutigam.

„Ich glaube ja“, bestätigte Gabriel trocken. „Nur dass du und Rafe da meine Trauzeugen wart und wir jetzt die von Rafe sind.“

„Wie viele Wochen genau ist das jetzt her?“ Michael hob spöttisch die Augenbrauen.

„Fünf wundervolle Wochen.“ Gabriel lächelte bei dem Gedanken an seine eigene Hochzeit mit seiner geliebten Bryn.

„Hm.“ Michael nickte. „Habe ich dir schon von meiner damaligen Unterhaltung mit Rafe erzählt, bei der er mir versichert hat – und zwar nachdrücklich, wenn ich mich recht entsinne –, dass er nicht an die ‚Liebe seines Lebens‘ glaubt und mit Sicherheit nicht die Absicht hat, in näherer oder fernerer Zukunft zu heiraten?“

Gabriel blickte zu seinem Bruder Rafe. Angesichts der nervösen Anspannung des wartenden Bräutigams unterdrückte er ein Lächeln. „Nein, das ist mir neu.“

„Es stimmt.“ Michael lehnte sich lässig in der Kirchenbank zurück. „Das war, als er und ich zusammen vor der Kirche standen, während du und Bryn für den Fotografen posiert habt. Mir ist so, als hätte Rafe damals einen Anruf von einer seiner Freundinnen bekommen und …“

„Das ist weder der richtige Zeitpunkt noch der richtige Ort!“ Rafe drehte sich gereizt zu seinen beiden Brüdern um. Dabei war seine kurze Beziehung mit der Pariserin Monique schon Monate vor seiner ersten Begegnung mit seiner künftigen Frau vorbei gewesen.

Den drei D’Angelo-Brüdern gehörten die drei renommierten Archangel-Galerien und Auktionshäuser in New York, London und Paris. Bis vor Kurzem hatten sie sich mit der Leitung der Niederlassungen in einem lockeren Zwei- bis Dreimonatsrhythmus abgewechselt, je nach Art der Ausstellungen. Seitdem Gabriel jedoch mit Bryn verheiratet war, hatte er seinen Hauptwohnsitz in London, während Rafe nach seiner Hochzeit den Großteil des Jahres in New York verbringen würde. Michael würde nun vorwiegend die Leitung der Pariser Galerie übernehmen.

„Nina ist schon fünf Minuten zu spät“, murmelte Rafe nach dem ungefähr zehnten Blick auf seine Armbanduhr in etwa genauso vielen Sekunden.

„Es ist das Vorrecht der Braut, den Bräutigam warten zu lassen“, erklärte Gabriel ungerührt. „Die Machtverhältnisse haben sich ganz schön verschoben, findest du nicht?“, fügte er an Michael gewandt hinzu.

„Oh ja, eindeutig.“ Michael nickte. „So wie ich das sehe, ist Rafe seit seiner Bekanntschaft mit Nina nur noch ein Schatten seiner selbst.“ Er grinste seinen genervten Bruder breit an.

„Tja, so ist das eben, wenn man sich verliebt.“ Gabriel nickte wissend. „Und du kommst als Nächster dran, Michael.“

Michaels Grinsen erlosch schlagartig. „Das bezweifle ich.“

„Berühmte letzte Worte?“

„Nein, Tatsache“, korrigierte Michael ihn kurz angebunden. „Ich kann mir nicht vorstellen, mich je von einer Frau in einen solch bemitleidenswerten Zustand versetzen zu lassen.“ Er nickte vielsagend Richtung Rafe.

„Seid ihr endlich fertig?“ Rafe funkelte seine beiden Brüder wütend an. „Nina kommt zu spät, verdammt!“

Michael hob spöttisch eine dunkle Augenbraue. „Glaubst du, sie hat ihre Meinung geändert und lässt dich vorm Altar stehen?“

Rafe ohnehin schon blasses Gesicht bekam plötzlich einen grauen Stich. „Oh Gott!“, stöhnte er.

„Hör auf, ihn zu ärgern, Michael“, schimpfte Gabriel gutmütig. Seine fünfwöchige Ehe mit Bryn hatte offensichtlich bereits ein echtes Weichei aus ihm gemacht … „Ich persönlich kann es kaum erwarten, die Ehrenbrautjungfer zu sehen!“ Er lächelte verzückt bei dem Gedanken an seine Frau.

Michael zuckte die Achseln. „Beruhige dich, Rafe, deine Nina kommt schon noch. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund liebt die Frau dich.“

„Haha, sehr witzig!“, fauchte Rafe.

„Die Limousine schafft es vermutlich nicht so schnell durch den New Yorker Verkehr, das ist alles.“

„Hoffentlich.“ Rafes Gesicht verfärbte sich inzwischen grünlich. „Ich hätte bei meinem ursprünglichen Plan bleiben sollen, mit Nina durchzubrennen!“

„Nicht, wenn dir dein Leben lieb ist, Raphael Charles D’Angelo!“, warnte seine Mutter ihn von der Bank direkt hinter ihnen. Auch bei der zweiten Hochzeit eines der D’Angelo-Brüder hatte sich die ganze D’Angelo-Familie versammelt.

Michael mit seinen fünfunddreißig Jahren war inzwischen der einzige Junggeselle.

Und er hatte nicht die Absicht, etwas daran zu ändern.

Natürlich freute er sich für seine beiden jüngeren Brüder und zweifelte nicht daran, dass Rafe und Gabriel mit ihren Frauen glücklich bis an ihr Lebensende leben würden, aber für ihn war die Ehe nichts.

Vor vierzehn Jahren hatte Michael selbst heiraten wollen. Das Ganze war jedoch so katastrophal ausgegangen, dass er seitdem nicht die geringste Neigung verspürte, diese Erfahrung zu wiederholen. Der Liebeskummer und die Gewissheit, belogen worden zu sein, waren schlimm genug gewesen, doch das Unangenehmste war das Gefühl gewesen, keine Kontrolle mehr über seine Emotionen zu haben.

Nein, wenn es nach ihm ging, konnten Rafe und Gabriel gern allein für den Fortbestand der D’Angelo-Familie sorgen. Er selbst hatte nicht die Absicht, sein geordnetes Leben von einer Frau und Kindern durcheinanderwirbeln zu lassen!

„Gott sei Dank!“ Rafe seufzte erleichtert auf, als der Hochzeitsmarsch endlich einsetzte. Die drei Männer standen auf und drehten sich nach der Braut um, die an der Seite ihres Vaters den Gang zum Altar entlangschritt. Nina war traumhaft schön in ihrem Kleid aus weißem Satin und Spitze. Das Lächeln, das sie ihrem Bräutigam schenkte, war so strahlend und liebevoll, das es die ganze Kirche erhellte.

Die Vorstellung, nie von einer Frau so angesehen zu werden, versetzte Michael einen unerwarteten Stich, doch er verdrängte dieses Gefühl rasch. Niemals würde er den Gefühlen zum Opfer fallen, die seine Brüder für ihre Frauen empfanden!

1. KAPITEL

Archangel-Galerie, Paris. Zwei Tage später.

„Was zum …?“ Michael blickte hoch und runzelte missbilligend die Stirn, als er aus dem Büro gegenüber ein Geräusch hörte, das verdächtig nach Babygeschrei klang. Lautes Stimmgewirr gesellte sich dazu. Rasch stand er von seinem Schreibtisch auf.

Laute Stimmen vor Michaels Büro im zweiten Stock waren schon ungewöhnlich genug, aber ein schreiendes Baby? In den Privaträumen der renommierten Pariser Archangel-Galerie? So etwas war bisher noch nie vorgekommen, und Michael würde es auch jetzt nicht dulden!

Stirnrunzelnd marschierte er durch sein Büro und riss die Tür zum Flur auf, blieb bei dem Anblick des Chaos’ vor sich jedoch abrupt stehen. Sein Protest erstarb ihm auf der Zunge.

Seine Sekretärin Marie und sein Assistent Pierre sprachen in lautem Französisch und wild gestikulierend auf ein junges Mädchen – oder eine Frau? – ein, das zwischen ihnen stand. Sie hatte schwarzes schulterlanges Haar, trug die für die heutige Jugend typischen engen Jeans und ein violettes T-Shirt. Und sie hatte ein brüllendes Baby auf dem Arm. Statt Marie und Pierre Beachtung zu schenken, versuchte sie, das Kind zu beruhigen.

Ein Versuch, der kläglich scheiterte, denn das Gebrüll wurde immer lauter.

„Würden Sie bitte leiser sprechen?“ Wütend drehte die junge Frau sich zu Marie und Pierre um. Ihre Stimme war heiser. „Sie machen ihr Angst. Jetzt sehen Sie, was Sie angerichtet haben!“, fügte sie vorwurfsvoll hinzu, als ein zweites Baby zu brüllen begann.

Michael sah sich verwirrt nach der zweiten Quelle von Babygeschrei um. Überrascht riss er die Augen auf, als sein Blick auf den Kinderwagen fiel. Eine Zwillingskarre, in der sich ein zweites Baby die Seele aus dem Leib brüllte.

Was zum …?

Diese Situation war ein Alptraum, und zwar von der Sorte, aus der jeder Mann so schnell wie möglich aufwachen wollte! Je eher, desto besser!

„Danke“, sagte die junge Frau spitz, als Marie und Pierre verstummten. Sie ging zur Karre, hockte sich davor und versuchte, das zweite Baby mit sanften Worten zu beruhigen.

Michael hatte genug gehört und gesehen. „Will mir nicht endlich mal jemand erklären, was zum Teufel hier eigentlich los ist?“, durchdrang seine laute Stimme die Kakophonie der Geräusche.

Schweigen.

Göttliches Schweigen, dachte Eva dankbar. Nicht nur die beiden Angestellten der Archangel-Galerie waren verstummt, sondern auch die Babys. Noch immer in der Hocke drehte Eva sich zur Quelle der strengen Stimme um. Überrascht weitete sie die Augen, als sie den Mann im Flur sah.

Er war vermutlich Mitte bis Ende dreißig. Sein kurzes schwarzes Haar war akkurat über den Ohren geschnitten und umrahmte ein so attraktives dunkelgetöntes Gesicht, dass die meisten männlichen Models, die Eva am Anfang ihrer Karriere fotografiert hatte, vermutlich dafür töten würden. Dunkle Augenbrauen wölbten sich über schwarzen Augen. Er hatte hohe Wangenknochen, geschwungene sinnliche Lippen und ein markantes, entschlossen vorgeschobenes Kinn.

Sein muskulöser Körper mit den breiten Schultern, der schmalen Taille, den schlanken Hüften und den langen Beinen steckte in einem teuren maßgeschneiderten Anzug. Ein weißes Seidenhemd und eine graue Krawatte komplettierten den Look.

Der respektvolle Gesichtsausdruck der beiden Angestellten und die Tatsache, dass der Mann aus dem Büro gleich gegenüber gekommen war, ließen darauf schließen, dass es sich um D’Angelo handelte. Genau der Mann, wegen dem Eva gekommen war!

Evas Gesichtsausdruck war daher alles andere als respektvoll, als sie aufstand, auf D’Angelo zuging und ihm Sophie hinhielt. „Nehmen Sie sie, damit ich Sam holen kann“, sagte sie ungeduldig, als er keinerlei Anstalten machte, ihr das Baby abzunehmen, sondern sie nur ungläubig von oben herab aus jettschwarzen Augen anstarrte.

Michael musste den Blick ganz schön tief senken. Himmel, war diese Frau zierlich. Sie musste mindestens dreißig Zentimeter kleiner sein als er. Sie war so schlank wie ein Fohlen, wurde jedoch von ihren vollen Brüsten davor bewahrt, jungenhaft zu wirken.

Brüste, die unter dem violetten T-Shirt von keinem BH gehalten wurden, so wie es aussah …

Besagte Brüste und das selbstsichere Funkeln in den veilchenblauen Augen mit den langen schwarzen Wimpern verrieten Michael, dass es sich in der Tat um eine Frau und nicht um ein Mädchen handelte.

Und zwar eine sehr schöne Frau, wie er widerwillig anerkennen musste. Ihre unglaublichen veilchenblauen Augen überstrahlten alles. Sie hatte eine kurze Stupsnase und volle sinnliche Lippen, und ihre Haut war so hell und zart wie feinstes Porzellan. Die dunklen Schatten unter den Augen verliehen ihr ein zerbrechliches Aussehen.

Ein Eindruck, der jedoch von ihrem stur vorgereckten Kinn widerlegt wurde.

Michael riss den Blick von ihrem schönen Gesicht los und richtete ihn zögernd auf das rosa gekleidete Baby, das ihm die junge Frau hinhielt. Er hatte absolut keine Erfahrung mit Babys. Wie auch? Seitdem er selbst dem Babyalter entwachsen war, war er noch nicht mal in die Nähe eines Babys gekommen.

Unwillkürlich wich er vor dem sabbernden Geschöpf zurück. „Ich denke nicht …“

„Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man in Sophies und Sams Gegenwart am besten nicht denken sollte, schon gar nicht, wenn sie zahnen“, unterbrach ihn die junge Frau. „Legen Sie sich das hier auf die Schultern, um Ihr Jackett zu schützen.“ Sie reichte ihm ein weißes Tuch und drückte ihm das Baby ohne Umstände in die Arme, bevor sie sich umdrehte, um das zweite Baby aus der Zwillingskarre zu nehmen.

Als sie sich bückte, blieb Michaels Blick an ihrem knackigen Po hängen, der in einem Paar Jeans steckte.

Eva nahm Sam aus der Karre und richtete sich auf. Sie war genervt, dass die beiden Archangel-Angestellten die Babys aufgeweckt hatten. Es hatte eine Ewigkeit gedauert, bis sie auf dem Weg vom Hotel zur Galerie eingeschlafen waren. Da sie gerade Zähne bekamen, hatten sie nachts sehr unruhig geschlafen – und Eva entsprechend auch.

Deshalb waren sie und die beiden Babys nicht gerade in bester Stimmung. Was Eva nicht davon abhielt, beim Anblick D’Angelos fast laut loszuprusten, als sie sich wieder zu ihm umdrehte. Er hielt Sophie noch immer auf Armeslänge von sich weg und sah das Baby so entsetzt an, als sei es eine Zeitbombe, die jeden Moment explodieren konnte.

Aber Eva lachte nur fast …

Denn in den letzten drei höllischen Monaten hatte sie nicht viel zu lachen gehabt.

Bei der Erinnerung daran wurde sie schlagartig wieder nüchtern. „Sophie beißt nicht“, sagte sie spitz zu D’Angelo. „Zumindest nicht oft“, fügte sie hinzu. „Gott sei Dank haben die beiden erst vier Zähne.“

Michael war auch in einfachen Situationen nicht gerade für seine Geduld bekannt, und diese Situation hier – dieses Chaos – war definitiv nicht einfach. „Mich interessiert mehr, was Sie im Privatbereich der Galerie zu suchen haben, als wie viele Zähne Ihre Kinder haben!“

Die Frau hob das spitze Kinn und sah ihn herausfordernd an. „Wollen Sie wirklich, dass ich vor Ihren Angestellten darüber rede, Mr D’Angelo? Ich nehme doch an, Sie sind Mr D’Angelo?“ Geringschätzig hob sie die Augenbrauen.

„Das bin ich, ja.“ Michael zog finster die Augenbrauen zusammen. „Worüber sollte ich nicht vor meinen Angestellten reden wollen?“

Eva presste die Lippen zusammen. „Über den Grund, warum ich im Privatbereich der Galerie bin.“

Michael schüttelte den Kopf. „Da ich absolut keine Ahnung habe, wovon Sie reden, kann ich diese Frage nicht beantworten.“

„Nicht?“, fragte sie spitz.

„Nein“, erwiderte Michael verärgert. „Wenn Sie mir bitte in mein Büro folgen würden …“

Pierre, der ein paar Jahre jünger war als Michael, drückte seine Bedenken aus und führte – natürlich auf Französisch – jede Menge Gründe an, warum er es nicht für ratsam hielt, dass Michael allein mit dieser Frau war. Er deutete an, dass sie vielleicht nicht ganz bei Trost war und schlug vor, das Sicherheitspersonal zu rufen und sie rauswerfen zu lassen.

„Ich kann Sie ausgezeichnet verstehen“, schaltete sich die Besucherin in fließendem Französisch ein und durchbohrte den sichtlich verlegenen Pierre mit einem wütenden Blick. „Rufen Sie ruhig das Sicherheitspersonal, aber ich bin bei vollem Verstand, das versichere ich Ihnen“, fügte sie an Michael gewandt hinzu.

„Daran habe ich auch keinen Moment gezweifelt! Ist schon gut, Pierre“, sagte Michael auf Englisch zu seinem Assistenten. „Wenn Sie mir jetzt bitte in mein Büro folgen würden“, fügte er an die junge Frau gewandt hinzu, bevor er zur Seite trat und den Blick auf das Zimmer hinter sich freigab. Er hatte immer noch keine Ahnung, was er mit dem Baby anfangen sollte, das ihn inzwischen anlächelte und dabei stolz besagte vier Zähnchen zeigte.

„Sie mag Sie“, bemerkte die Mutter des Babys verblüfft, während sie die Zwillingskarre an Michael vorbei in sein Büro schob, Sam auf dem Arm.

Hastig legte Michael sich erst das weiße Tuch und dann das Baby auf eine Schulter, dann schloss er die Bürotür hinter sich und seiner unverhofften Besucherin. Seine besorgt aussehenden Angestellten mussten draußen warten.

„Wow, das ist ja eine tolle Aussicht!“

Michael drehte sich zu der jungen Frau um, die aus dem bodenlangen Fenster auf die Champs Élysées und den Arc de Triomphe blickte. Diese Aussicht und die prestigeträchtige Adresse waren der Hauptgrund, warum die drei Brüder sich dafür entschieden hatten, an dieser Stelle eine Galerie zu eröffnen. „Uns gefällt’s“, sagte er beiläufig. „Wenn Sie mir jetzt bitte erklären würden, wer Sie sind?“ Flüchtig fragte er sich, ob sie vielleicht die hartnäckige Monique aus Rafes Vergangenheit war, doch ihr englischer Akzent sprach dagegen.

Eva drehte sich zu ihm um. „Ich heiße Eva Foster“, sagte sie und sah ihn erwartungsvoll an.

Aha. „Und?“

Eva musterte D’Angelo eindringlich, doch sein Blick war völlig emotionslos. „Sie haben keine Ahnung, wer ich bin?“, fragte sie empört.

Michael hob die Augenbrauen. „Sollte ich das denn?“

Ob du das solltest? Natürlich, du arroganter, verantwortungsloser Idiot! „Vielleicht sagt Ihnen der Name Rachel Foster etwas?“, fragte sie süßlich.

Stirnrunzelnd schüttelte Michael den Kopf. „Tut mir leid, aber ich habe absolut keine Ahnung, wovon – oder von wem – Sie reden.“

Eva explodierte. All diese Monate voller Kummer, Chaos und Verlust, und dieser Mann konnte sich noch nicht einmal an Rachels Namen, geschweige denn an Rachel selbst erinnern?!

„Was für ein Mensch sind Sie eigentlich? Nein, geben Sie sich keine Mühe, diese Frage zu beantworten“, fügte Eva hitzig hinzu und begann, wütend auf- und abzulaufen. „Offensichtlich gibt es in Ihrem privilegierten Leben und zweifellos seidenbezogenem Bett so viele Frauen, dass Sie sie sofort vergessen, sobald die Nächste …“

„Schluss damit!“, befahl D’Angelo schroff. „Nein, ich meine nicht dich, meine Kleine“, fügte er besänftigend hinzu, als Sophie beim Klang seines Tonfalls protestierend wimmerte. Er richtete den Blick wieder auf Eva und sah sie durchbohrend an. „Wollen Sie damit etwa andeuten, dass ich mit … mit dieser Rachel Foster etwas hatte?“

Eva schoss vor Wut das Blut ins Gesicht. „Diese Rachel Foster ist zufällig meine Schwester und ja, Sie hatten ‚etwas‘ mit ihr. Ehrlich gesagt haben Sie ein Resultat davon gerade auf dem Arm!“

Michael richtete den Blick wieder auf das Baby. Die etwa sechs Monate alte Kleine war wirklich niedlich. Sie hatte schwarze Haare, ebenfalls veilchenblaue Augen und verzog konzentriert das Gesichtchen, während sie mit einem der Knöpfe von Michaels mehrere tausend Pfund teuren Jackett spielte.

Wollte diese Frau, diese Eva Foster, etwa behaupten, dass er in irgendeiner Form für Sophies Entstehung verantwortlich war?

Schatten der Vergangenheit …

„Ich bin Ihrer Schwester nie begegnet“, sagte er entschlossen. „Ganz zu schweigen von …“ Er stockte. „Wie dem auch sei, ich bin ihr nie begegnet. Also, was auch immer Sie beide hier abziehen wollen, vergessen Sie’s!“ Er verstummte abrupt, als eine von Eva Fosters Händen laut und schmerzhaft auf einer seiner Wangen landete und das Baby erschrocken ein weiteres ohrenbetäubendes Gebrüll ausstieß. „Das war völlig unangemessen“, stieß er durch zusammengebissene Zähne hervor und schaukelte das Baby, um es zu beruhigen.

„Das war mehr als angemessen“, beharrte Eva Foster wütend. Sie strich allerdings zugleich dem Baby in Michaels Arm besänftigend über den Rücken. „Wie können Sie es wagen abzustreiten, meine Schwester zu kennen und mir irgendwelche unlautere Absichten unterstellen, während Sie Ihre eigene Tochter auf dem Arm halten?“ Ihre Augen glitzerten tief violett vor Wut.

„Ich …“ Michael brach ab und holte tief Luft. Seine Wange schmerzte noch immer. „Sophie ist nicht meine Tochter.“

„Ich kann Ihnen versichern, dass sie es ist“, erwiderte Eva scharf.

„Ich schlage vor, dass wir beide erst ein paar Mal tief durchatmen und versuchen, uns zu beruhigen. Wir stressen die Babys“, fügte er pointiert hinzu, als Eva Foster protestierend den Mund öffnete.

Michael war es nicht gewohnt, dass man ihm widersprach. Normalerweise befolgte man seine Anweisungen widerspruchslos. Er schätzte die Anschuldigungen dieser Frau, dieser dreisten, jungen und irritierend schönen Frau daher überhaupt nicht – schon gar nicht die, der Vater der Babys ihrer Schwester zu sein.

Er wusste aus bitterer Erfahrung, wozu Frauen fähig waren. Das hatte er Emma Lowther zu verdanken, die ihn gelehrt hatte, nie einer Frau zu vertrauen, schon gar nicht, wenn es um Schwangerschaften ging.

Wie lange war es jetzt her, dass Emma versucht hatte, ihn mit der Behauptung, schwanger zu sein, in die Ehe zu locken? Vierzehn Jahre. Und die Erinnerung daran war noch genauso präsent, als sei es erst gestern passiert.

Nicht dass er sich seiner Verantwortung nicht gestellt hätte. Oh nein, Michael war tatsächlich dumm genug gewesen zu glauben, dass er Emma liebte. Er hatte sich sogar über das Baby gefreut, und sie hatten wochenlang Hochzeitspläne geschmiedet, bevor er Emma bei einer Party einem Bekannten vorgestellt und sie nach ein Paar Tagen beschlossen hatte, dass Daniel, dessen Familie noch reicher war als Michaels, eine viel bessere Partie wäre. Sie hatte Michael daraufhin eröffnet, dass es kein Baby gab und sie sich geirrt habe. Drei Monate später hatte sie es mit dem gleichen Trick bei Daniel versucht.

Die Szene, die Emma ihm gemacht hatte, nachdem sie erfahren hatte, dass Michael seinen Nachfolger vor ihren Machenschaften gewarnt hatte, war nicht angenehm gewesen …

Das Ganze war ihm eine solche Lehre gewesen, dass er seitdem keine Risiken mehr einging. Weshalb er jetzt auch mit Gewissheit abstreiten konnte, der Vater von Rachel Fosters Babys zu sein.

„Zwillinge“, korrigierte sie ihn sanft. „Die Babys sind Zwillinge.“

Zwillinge oder nicht, die beiden waren nie im Leben Michaels Kinder.

„Wie alt sind sie?“

„Wollen Sie jetzt doch Ihre Erinnerung auf Trab bringen?“, fragte Eva gehässig.

„Wie alt?“, wiederholte Michael gereizt.

Sie zuckte die Achseln. „Ein halbes Jahr.“

Wenn Rachel Foster keine Frühgeburt gehabt hatte, musste man neun Monate hinzufügen, was bedeutete, dass es fünfzehn Monate her war, dass er angeblich …

Verdammt, warum rechnete er überhaupt nach? Ganz egal, was diese Frau behauptete, er hatte weder vor fünfzehn Monaten noch sonst jemals eine Frau geschwängert!

„Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass das meine Kinder sind?“, fragte er mit gedämpfter Stimme, da Sophie die Augen zufielen und sie den Kopf schläfrig auf seine Schulter sinken ließ. Offensichtlich war sie erschöpft vom vielen Schreien.

Eva hob das Kinn noch höher. „Weil Rachel es mir gesagt hat!“

Michael nickte. „Würden Sie mir dann bitte erklären, warum Ihre Schwester nicht selbst hergekommen ist, um mich mit dieser vermeintlichen Tatsache zu konfrontieren?“

„Weil … Vorsicht!“, warnte Eva, als Sophie wie ein nasser Sack auf Michaels Schulter zusammensackte und runterzurutschen drohte. „Wie haben Sie das gemacht?“, fügte sie neidisch hinzu.

Normalerweise schliefen die Zwillinge erst ein, wenn man sie stundenlang in der Karre herumschob oder auf- und abwippte. Eva konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal eine Nacht durchgeschlafen hatte. Und jene faulen Sonntagvormittage, an denen sie immer bis Mittags im Bett gedöst hatte, waren inzwischen ferne Vergangenheit.

„Was gemacht?“, fragte D’Angelo.

„Ach, egal“, murmelte Eva. „Legen Sie Sophie auf die linke Seite der Karre. Sie sitzt nicht gern rechts“, fügte sie ungeduldig hinzu, als er sie fragend ansah.

„Sie schläft. Ist es da nicht egal, auf welcher Seite sie liegt?“

„Sie merkt den Unterschied, sobald sie aufwacht“, erwiderte Eva gereizt.

Michael verdrehte genervt die Augen und blickte dann aufmerksam auf das Baby hinunter, das er bereits irgendwie in die Karre befördert hatte, ohne es aufzuwecken. Sophie sah aus wie ein schwarzhaariger Engel. Lange dunkle Wimpern lagen auf ihren geröteten Wangen, und ihre Lippen ähnelten einer Rosenknopse.

Als ihm bewusst wurde, was er tat, richtete er sich abrupt auf. „Und was ist mit dem da?“ Er zeigte auf das zweite Baby auf Eva Fosters Arm.

„Sein Name ist Sam“, erklärte sie spitz. Nachsichtig blickte sie auf das Baby hinunter, das sich an ihren Hals kuschelte. „Sam kann ruhig auf meinem Arm bleiben. Er ist pflegeleichter als Sophie“, fügte sie hinzu.

Michael murmelte etwas Unverständliches vor sich hin.

„Was haben Sie gesagt?“

„Dass das vermutlich daran liegt, dass er ein Junge ist“, antwortete Michael.

Eva schnaubte verächtlich auf. „Meiner Erfahrung nach sind Männer faul, nicht ruhig!“

„Wie bitte?“

„Ich glaube, Sie haben mich richtig verstanden“, antwortete sie honigsüß.

Das hatte er, aber der Inhalt ihrer Worte passte ihm gar nicht. Er und seine beiden Brüder hatten in den letzten zehn Jahren verdammt hart gearbeitet, um aus der einen Familiengalerie in London drei der renommiertesten Galerien der Welt zu machen. Und wenn sie die Früchte ihrer Arbeit inzwischen genießen konnten, dann bestimmt nicht deshalb, weil ihr Reichtum ihnen auf dem Silbertablett präsentiert worden war!

Eva Fosters verächtlichem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, sah sie das allerdings anders. Außerdem war sie in dem Irrtum befangen, dass er der Vater ihrer Nichte und ihres Neffen war. Es wurde daher Zeit – höchste Zeit! –, die Situation aufzuklären.

„Wenn Sie das so sehen wollen.“ Er setzte sich hinter seinen schwarzen Marmorschreibtisch. „Sie wollten mir gerade erzählen, warum Sie statt Ihrer Schwester hergekommen sind.“

Eva wusste, dass D’Angelo sich bewusst hinter den Schreibtisch gesetzt hatte, um Distanz zwischen ihnen zu schaffen und das Gespräch auf eine geschäftliche Ebene zu bringen. Obwohl es ihr schleierhaft war, wie man „geschäftlich“ über Babys reden konnte!

D’Angelo war ganz anders, als sie sich den Mann vorgestellt hatte, der ihre Schwester erst mit seinem Charme eingewickelt und dann geschwängert hatte. Rachel war lebenslustig und … okay, ziemlich verantwortungslos gewesen. Nach ihrem Studium hatte sie beschossen, erst mal für ein Jahr in der Welt herumzureisen, anstatt zu arbeiten. Zehn Monate später war sie nach London zurückgekehrt, allein und schwanger.

Sie hatte von dem Charme und dem guten Aussehen ihres Liebhabers geschwärmt und von dem Spaß, den sie in Paris gehabt hatten. Und ja, dieser Mann da vor Eva sah eindeutig gut aus – gefährlich gut sogar, aber eher auf eine nüchterne, strenge Art. Seine Ausstrahlung war kalt, und er wirkte so beherrscht und distanziert, dass sie ihn sich unmöglich bei einer heißen Affäre mit einer Frau vorstellen konnte. Zumindest nicht mit Rachel, und schon gar nicht im …

Okay, vielleicht wäre es für alle Beteiligten das Beste, wenn sie nicht an Rachels körperliche Beziehung zu diesem Mann dachte. Zumal er sie vehement abstritt!

Eva presste die Lippen zusammen. „Ich bin an Stelle meiner Schwester gekommen, weil Rachel tot ist.“

D’Angelo zuckte deutlich sichtbar zusammen. „Was …?“

Falls Eva die Illusion gehabt hatte, ihm Schuldgefühle einzuflößen oder eine andere Reaktion hervorzurufen als bloßen Schock beim Klang ihrer harschen Worte, wurde sie enttäuscht. D’Angelo wirkte zwar schockiert, aber persönlich völlig unbetroffen. Jedenfalls nicht wie ein Mann, der vom Tod seiner ehemaligen Geliebten erfährt.

Eva holte tief Luft, um ihre eigenen Emotionen unter Kontrolle zu bekommen. Es war schon einige Wochen her, dass sie anderen Menschen vom Tod ihrer Schwester hatte erzählen müssen. Jetzt wieder in diese Situation zu kommen, und das ausgerechnet bei dem Mann, der einmal Rachels Liebhaber gewesen war, fiel ihr besonders schwer.

Genauso schwer, wie zu akzeptieren, dass Rachel, die mit zweiundzwanzig Jahren eigentlich noch ihr ganzes Leben vor sich gehabt hatte, vor nur drei Monaten an Krebs gestorben war.

Seitdem musste Eva nicht nur mit ihrer eigenen Trauer zurechtkommen, sondern sich auch noch um die Zwillinge kümmern. Letzte Woche war sie jedoch an den Punkt gekommen, an dem sie sich hatte eingestehen müssen, dass sie es allein nicht schaffte. Erst Rachels Krankheit, dann ihr Tod und jetzt die Verantwortung für die Zwillinge… Eva hatte kaum noch Zeit zum Arbeiten.

Ihre Ersparnisse waren inzwischen fast aufgezehrt, und die paar Aufträge, die sie in den letzten sechs Monaten hatte annehmen können, hatten längst nicht ausgereicht, um ihre Kosten zu decken. Eva hatte daher beschlossen, ihre letzten Ersparnisse dafür zu nutzen, mit den Zwillingen nach Paris zu fliegen und den Vater der Babys zur Verantwortung zu ziehen, so sehr ihr das auch widerstrebte. Doch leider blieb ihr keine andere Wahl.

Michael stand abrupt auf, als er sah, wie blass Eva Foster wurde. Sie wirkte plötzlich noch zerbrechlicher als ohnehin schon. Er ging zur Bar und nahm eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank. „Hier, ich nehme Sam, während Sie sich hinsetzen“, sagte er. Ohne ihre Antwort abzuwarten, nahm er Eva das Baby ab und führte sie zum schwarzen Ledersofa.

„Tut mir leid“, sagte Eva mit schwacher Stimme, nachdem sie einen Schluck eiskaltes Wasser getrunken hatte. Draußen war es heiß, und der Weg von ihrem billigen Hotel bis zur Galerie war lang gewesen. „Die Trauer überwältigt mich immer, wenn ich am wenigsten damit rechne.“

„Ihr Verlust … tut mir leid“, murmelte D’Angelo.

Ach, wirklich? In Anbetracht der Tatsache, dass er abstritt, Rachel auch nur zu kennen, fiel es Eva schwer, das zu glauben.

Wie hatte Rachel sich nur mit diesem kalten nüchternen Mann einlassen können? Sie selbst war so extrovertiert und lebenslustig gewesen, und dieser Mann hier war das krasse Gegenteil. Aber vielleicht hatten sie sich genau deshalb zueinander hingezogen gefühlt? D’Angelo war sehr attraktiv, und seine Selbstsicherheit und Arroganz hatten vielleicht sehr anziehend auf Rachel gewirkt. Oder herausfordernd. Michael D’Angelos Selbstbeherrschung und Distanziertheit wären vermutlich für jede warmblütige Frau eine Herausforderung.

Auch für mich?

Wie kam sie nur auf die Idee? Es wäre völlig verrückt, sich zu dem Mann, der die Zwillinge gezeugt hatte, auch nur im Geringsten hingezogen zu fühlen!

Eva stellte die Wasserflasche auf den Couchtisch. „Ich glaube, Sie können Sam jetzt ebenfalls hinlegen“, sagte sie, da der Kleine – dieser Verräter! – ebenfalls auf D’Angelos breiter muskulöser Schulter eingeschlafen war. Das war doch nicht zu fassen! Sie selbst ging jede Nacht stundenlang mit den beiden auf und ab, und bei D’Angelo schliefen sie sofort ein?

Ob sie wohl in ihm instinktiv ihren Vater erkannten?

Michael legte den schlafenden Jungen in die Karre und drehte sich zu Eva um. Zu seiner Erleichterung hatte sie wieder etwas Farbe in den Wangen. „Wie alt war sie?“, fragte er.

Eva sah ihn verständnislos an. „Wer?“

„Ihre Schwester Rachel.“

Sie hob die Augenbrauen. „Waren Sie beide zu beschäftigt, um über ihr Alter zu reden?“

Michael holte scharf Luft. „Ich wiederhole, dass ich Ihrer Schwester nie begegnet bin und daher auch nicht über ihr Alter reden konnte – geschweige denn Zwillinge zeugen!“

„Und ich wiederhole, dass ich Ihnen das nicht abnehme“, erwiderte Eva Foster und holte zittrig Luft. „Rachel war erst zweiundzwanzig, als sie starb, drei Jahre jünger als ich.“

„Starb sie bei der Geburt?“

„Nein.“ Eva verzog das Gesicht. „Bei einer Routineuntersuchung während der Schwangerschaft wurde ein Tumor bei ihr entdeckt.“

„Großer Gott!“

Sie nickte. „Rachel hat sich geweigert, die Schwangerschaft abzubrechen. Und sie wollte sich auch nicht behandeln lassen, da das den Babys geschadet hätte. Sie … starb, als die beiden drei Monate alt waren.“

Der Schmerz über ihren Verlust und die Sorge um die Babys hatte in Evas jungem Gesicht bereits Spuren hinterlassen: Um ihre veilchenblauen Augen und ihren sinnlichen Mund waren feine Linien zu sehen …

„Was ist mit Ihren Eltern?“, fragte Michael heiser.

„Sie starben vor achtzehn Monaten bei einem Autounfall.“

Michael nahm behutsam auf einem der Sessel gegenüber dem Sofa Platz. Er spürte, dass Eva im Augenblick keine Nähe zulassen konnte. Sicher wäre sie nicht erfreut gewesen, wenn er sich jetzt neben sie auf das Sofa gesetzt hätte. Die junge Frau war von einer fühlbar abwehrenden Aura umgeben. Um nicht zusammenzubrechen, hatte sie offenbar einen unsichtbaren Schutzwall um sich errichtet.

Kein Wunder, nachdem erst ihre Eltern und dann ihre jüngere Schwester so tragisch ums Leben gekommen waren und sie sich jetzt auch noch um die Babys kümmern musste.

„Wo sind Rachel und der Vater des Babys sich begegnet?“, fragte Michael.

Eva Foster starrte ihn aufgebracht an. „Na, hier in der Galerie!“

„Vor fünfzehn Monaten war ich gar nicht in Paris.“

„Was?“ Eva sah ihn verständnislos an.

„Ich war vor fünfzehn Monaten nicht hier, Eva“, wiederholte Michael leise. „Bis vor Kurzem haben meine Brüder und ich uns mit der Leitung der Galerien abgewechselt“, fügte er hinzu, weil sie ihn noch immer ganz verwirrt ansah. „Ich war vor fünfzehn Monaten in New York und habe dort eine Ausstellung mit Maja-Kunstwerken organisiert.“

Verwirrt schüttelte sie den Kopf. „Das wusste ich nicht … Meine Schwester hat gesagt …“ Sie stockte.

„Ja?“

Panik stieg in Eva auf. Sie hatte plötzlich das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. „Wer genau sind Sie?“, fragte sie leise.

Michael lächelte humorlos. „Ist es nicht ein bisschen zu spät für diese Frage, nachdem Sie mich bereits beschuldigt haben, etwas mit ihrer Schwester ‚gehabt‘ und Ihre Nichte und Ihren Neffen gezeugt zu haben?“

Evas Mund war so trocken, dass ihr Speichel kaum ausreichte, um ihre Lippen zu befeuchten. „Ich dachte … wer sind Sie?“, wiederholte sie, die Hände fest zusammengepresst.

„Michael D’Angelo.“

Michael D’Angelo? Michael, nicht …

Eva wurde übel. Sie hatte die ganze Zeit den falschen D’Angelo-Bruder beschuldigt!

2. KAPITEL

Oh Gott, warum hatte Eva nicht daran gedacht, diesen Mann nach seinem Vornamen zu fragen? Warum hatte sie sich nicht vergewissert, welchen der drei Brüder sie vor sich hatte, bevor sie ihre Anschuldigungen vorbrachte?

Leider wusste sie nur allzu genau, was sie davon abgehalten hatte …

Die starke Wirkung nämlich, die dieser Mann auf sie ausübte – und die in Anbetracht der Tatsache, dass sie ihm eine Affäre mit Rachel unterstellt hatte, völlig unangemessen war. Nicht dass sie jetzt angemessener wäre; immerhin war er der Bruder des Mannes, der die Zwillinge gezeugt hatte!

Michael D’Angelo hatte eine unglaubliche Präsenz! Er strahlte Selbstsicherheit und eine natürliche Autorität aus. Ihr Blick wurde wie magisch von ihm angezogen, schweifte von seinem sich im Nacken wellenden Haar zu seinen männlichen und doch faszinierend sinnlichen Gesichtszügen, seinen breiten muskulösen Schultern und seinen langen schlanken Beinen …

„Trinken Sie noch einen Schluck Wasser“, sagte Michael, der sich neben Eva hockte und ihr die Wasserflasche hinhielt.

Mit zittrigen Fingern nahm Eva die Flasche und trank durstig. Offensichtlich brachte schon Michaels bloßer Anblick sie zum Hyperventilieren.

Sie wand sich innerlich vor Scham, als sie an die Vorwürfe und Unterstellungen dachte, die sie ihm an den Kopf geworfen hatte – und dabei war er der Falsche! Kein Wunder, dass sie sich eine leidenschaftliche Affäre zwischen ihm und der lebenslustigen Rachel nicht hatte vorstellen können.

„Anscheinend muss ich mich bei Ihnen entschuldigen“, sagte sie steif. „Ich … offensichtlich habe ich einen Fehler gemacht. Ich … es … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Verlegen stöhnte sie auf, unfähig, Michael D’Angelo in die Augen zu sehen. Obsidianschwarze Augen, die so wenig von seinen Gefühlen oder Gedanken preisgaben … Und dann diese hohen Wangenknochen und dieser Mund … großer Gott, war der Mund dieses Mannes wundervoll …

Vielleicht verbarg sich ja doch ein leidenschaftlicher Mann hinter dieser kühlen distanzierten Fassade?

Michael stand abrupt auf. „Wie schon gesagt, wir sollten vielleicht erst mal tief durchatmen, bevor wir weiterreden.“

Eva fiel es schwer, tief durchzuatmen, weil sie schon wieder am Hyperventilieren war. Irgendwie war dieses Treffen so ganz anders gelaufen, als sie sich vorgestellt hatte. Zumindest hatte es eine völlig unerwartete Wendung genommen.

Sie hatte einen Weg finden wollen, D’Angelo zu konfrontieren, was ihr gelungen war.

Sie hatte damit gerechnet, dass D’Angelo jegliche Beziehung zu Rachel abstreiten würde, was passiert war.

Daraufhin hatte sie ihn zum Beweis mit den Zwillingen konfrontieren wollen, was sie getan hatte.

Doch D’Angelos Unterstellung, dass sie und Rachel gemeinsam einen Plan ausgeheckt hatten, um ihm die Babys unterzuschieben, war etwas unerwartet gekommen … Genauso wie ihre Ohrfeige. Bis zum heutigen Tag hätte sie sich eigentlich nie für gewalttätig gehalten.

Und von da an war es immer weiter bergab gegangen …

Eva atmete ein paar Mal tief durch, bevor sie weitersprach, fest entschlossen, zumindest ein letztes Restchen Kontrolle über die Situation zu wahren. „Das ist ja alles gut und schön, Mr D’Angelo, aber ich glaube, Sie übersehen das Wichtigste hier.“

Michael D’Angelo hob arrogant eine Augenbraue. „Und das wäre?“

Eva straffte entschlossen die Schultern und erwiderte seinen Blick. „Dass Sie eventuell doch nicht der Vater der Zwillinge sind …“

„Ich versichere Ihnen, dass ich das nicht bin!“

„… ändert nichts an der Tatsache, dass einer Ihrer Brüder der Vater sein muss“, ergänzte Eva unbeirrt.

Michael atmete scharf aus, als ihm die volle Tragweite dessen bewusst wurde, was Eva Foster gerade gesagt hatte. Für einen Moment wünschte er sich fast – aber nur fast! –, doch der Vater der Zwillinge zu sein. Denn die Alternative, nämlich dass einer seiner Brüder – seiner inzwischen sehr verheirateten jüngeren Brüder – der Vater war, war undenkbar. Vor fünfzehn Monaten hatten Gabriel und Rafe ihre jetzigen Ehefrauen noch gar nicht gekannt. Trotzdem konnte man weder von Bryn noch von Nina erwarten, klaglos zu akzeptieren, dass einer ihrer Ehemänner plötzlich Vater von sechs Monate alten Zwillingen sein sollte!

Michael presste die Lippen zusammen. „Ich glaube, Sie sollten sich der Fakten etwas sicherer sein, bevor Sie weitere Anschuldigungen erheben.“

Eva errötete. „Ich habe einen Fehler gemacht und mich dafür entschuldigt, aber einer Ihrer Brüder muss der Vater von Sophie und Sam sein.“

Michael wandte sich ab, um seine Bestürzung, seine Besorgnis und vor allem seine Wut auf den Bruder zu verbergen, der für diesen ganzen Schlamassel verantwortlich war. Er schob die Hände in die Hosentaschen, ging zum Fenster und starrte hinaus, blind für die schöne Aussicht. Noch nie hatte er sich so hilflos gefühlt. Was konnte er nur tun, um eine Katastrophe abzuwenden?

Welcher seiner beiden Brüder wohl …

„Rafe.“

Michael drehte sich wieder zu Eva Foster um und sah sie aus schmalen Augen an. „Was?“, fragte er.

„Rafe war derjenige, mit dem Rachel vor fünfzehn Monaten geschlafen hat“, erklärte Eva Foster mit Überzeugung.

Michael hatte bereits im Kopf nachgerechnet, welcher seiner Brüder damals die Pariser Galerie geleitet hatte, und Eva Foster bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Nina liebte Rafe zwar bedingungslos, und sie und Rafe würden bestimmt eine Lösung finden, mit der Situation fertigzuwerden, aber das eigentliche Problem war Ninas Vater, der reiche und einflussreiche Dmitri Palitov. Er hütete seine Tochter wie seinen Augapfel und würde daher nicht gerade erfreut auf diese Bedrohung von Ninas Glück reagieren.

„Ich hoffe, Sie verzeihen mir meine Skepsis.“ Michael zermarterte sich den Kopf nach Argumenten, warum Eva Foster sich auch diesmal wieder täuschte, aber leider …

Bevor Rafe seiner Frau begegnet war und sich in sie verliebt hatte, war er ein richtiger Playboy gewesen. Außerdem war die Tatsache nicht abzustreiten, dass er vor fünfzehn Monaten Leiter der Pariser Galerie gewesen war. Und nicht zuletzt schien Eva Foster sich ihrer Sache absolut sicher zu sein.

„Sie können so skeptisch sein wie Sie wollen. Wir werden die Wahrheit spätestens dann herausfinden, wenn ich mit Ihrem Bruder rede.“

Genau das hatte Michael befürchtet. „Er ist gerade nicht in Paris.“

„Wollen Sie mir damit etwa sagen, dass er womöglich in London ist und ich völlig umsonst hierher geflogen bin?“

„Nein.“

„Oh Gott, jetzt sagen Sie nicht, er ist in New York!“ Eva stöhnte verzweifelt auf. Die Vorstellung, mit den beiden zahnenden Zwillingen nach New York fliegen zu müssen, war unerträglich, ganz abgesehen davon, dass sie sich das sowieso nicht leisten konnte.

„Nein, auch das nicht.“

Eva sah Michael argwöhnisch an, wurde jedoch nicht schlau aus seinem Gesichtsausdruck. Sein Blick war komplett emotions- und ausdruckslos. „Wo ist er dann?“, fragte sie.

„Unerreichbar.“

Missbilligend hob sie die Augenbrauen. „Diese Antwort kann ich leider nicht akzeptieren.“

Michael presste die Lippen zusammen. „Ich fürchte, im Moment bleibt Ihnen nichts anderes übrig.“

„Was meinen Sie damit ‚im Moment‘?“

Diese Frau ist aufmerksamer, als gut für sie ist, dachte Michael genervt. „Es ist eben so“, sagte er durch zusammengebissene Zähne.

Offensichtlich hatte sie keine Zeitung gelesen, sonst hätte sie die Fotos von Rafes und Ninas Hochzeit gesehen. Michael war das nur recht. Aber ihm war bewusst, dass er die Wahrheit nicht ewig vor ihr verheimlichen konnte.

Eva wurde wütend. „Ich muss dringend mit ihm sprechen!“

„Sie können stattdessen mit mir reden.“

„Nein danke!“

Michael platzte allmählich der Kragen. „Ich werde Ihre … Bedenken selbstverständlich meinem Bruder ausrichten, wenn ich das nächste Mal mit ihm rede, aber abgesehen davon …“

„Nein!“, sagte Eva Foster entschlossen und stand auf. „Das reicht mir nicht, Mr D’Angelo“, fügte sie beim Anblick seiner erhobenen Augenbrauen hinzu. „Ich muss jetzt mit ihm reden, nicht erst, wenn es Ihnen in den Kram passt.“

Eins musste man dieser Eva Foster lassen. Für eine so zierliche Frau war sie ganz schön hartnäckig.

„Wie schon gesagt, das geht nicht.“

Ihre Augen blitzten wütend auf. „Dann schlage ich vor, Sie sorgen dafür, dass es geht, Mr D’Angelo!“

„Ihr Tonfall passt mir nicht.“

Sie zuckte die Achseln. „Dann sollten Sie mich vielleicht nicht daran hindern, mit Ihrem Bruder zu reden.“

Michael fiel es schwer, seine Wut zu zügeln. „Die Zwillinge sind schon sechs Monate alt. Warum diese plötzliche Eile, mit dem Mann zu sprechen, der angeblich ihr Vater ist?“

„Er ist ihr Vater“, beharrte Eva stur. Warum diese plötzliche Eile? Weil ich trotz aller Bemühungen Hilfe brauche, so schwer es mir auch fällt, mir das einzugestehen. Finanziell. Und emotional.

Letzteres würde Eva dem distanzierten, beherrschten und hyper-selbstsicheren Michael D’Angelo natürlich niemals anvertrauen. Er wurde bestimmt spielend mit jeder Situation fertig. Wie sollte jemand wie er auch nachvollziehen können, wie lähmend die Trauer um Rachel war und wie unfähig Eva sich manchmal im Umgang mit den Zwillingen fühlte, ganz egal, wie sehr sie die beiden liebte? Außerdem hatte sie schlicht und ergreifend nicht genug Geld, um gut für sie zu sorgen.

Sie schüttelte den Kopf. „Ich muss mit Ihrem Bruder Rafe reden, Mr D’Angelo, nicht mit Ihnen.“

Michael hatte keine Ahnung, was gerade in Eva Fosters Kopf vor sich ging, aber offensichtlich nichts Angenehmes. Sie war schon wieder ganz blass geworden. Außerdem zitterte ihre Unterlippe, was darauf schließen ließ, dass sie den Tränen nahe war. „Haben Sie heute schon etwas gegessen?“, fragte er schroff.

Verwirrt sah sie ihn an. „Wie bitte?“

Er zuckte die Achseln. „Es ist schon fast Mittag, und Sie sehen ein bisschen blass um die Nase aus. Daher habe ich mich gefragt, ob Sie etwas im Magen haben.“

Sie blinzelte überrascht. „Ich … ja, ich habe vorhin eine Scheibe Toast gegessen, während ich die Zwillinge gefüttert habe.“

„In Ihrem Hotel?“

Sie lächelte zynisch. „Sie würden es bestimmt eher als Pension bezeichnen. Mehr konnte ich mir nicht leisten, okay?“, fügte sie defensiv hinzu. „Wir können nicht alle in Penthäusern leben und in Privatjets durch die Gegend fliegen!“

Was Michael und seine Brüder zweifellos taten. Und was wohl auch der Grund dafür war, dass Eva Foster beschlossen hatte, den Vater der Zwillinge um Hilfe zu bitten …

„Und wo befindet sich diese Pension?“

„In der Nähe des Gare du Nord“, antwortete Eva widerstrebend. „Hören Sie, wenn Sie mich einfach mit Ihrem Bruder reden lassen würden …“

„Ich nehme an, Sie wollen ihn um finanzielle Unterstützung bitten?“

Sie errötete. „Ich will ihn an seine finanzielle Verantwortung seinen beiden Kindern gegenüber erinnern, ja … sehen Sie mich nicht so an!“, fügte sie scharf hinzu. Sie hatte die schmalen Hände so fest zusammengepresst, dass ihre Knöchel weiß hervortraten.

„Wie sehe ich Sie denn an?“, fragte Michael kalt.

„So als sei ich eine Goldgräberin, die Ihrem Bruder Millionen abknöpfen will!“ Angewidert schüttelte sie den Kopf. „Glauben Sie mir, es ist mir alles andere als leichtgefallen, hierherzukommen. Das Letzte, was ich will, ist Kontakt zu dem offensichtlich widerstrebenden Vater der Zwillinge …“

„Wollen Sie damit etwa sagen, dass Rafe von der Existenz der Kinder weiß?“ Wenn sein Bruder von Rachel Fosters Schwangerschaft wusste und Michael oder, noch wichtiger, Nina nichts davon erzählt hatte …

Eva blieb abrupt stehen. „Ich … nein. Ich glaube nicht.“

„Aber Sie sind sich nicht sicher?“

„Nicht hundertprozentig.“ Eva verzog das Gesicht. „Rachel war nicht gerade auskunftsfreudig. Bis auf den Namen ihres Liebhabers und dass die Beziehung schon vorbei war, als sie von der Schwangerschaft erfuhr, hat sie mir nichts erzählt. Ich war im Ausland, als Rachel von ihrer Schwangerschaft erfuhr, und sie hat bei unseren Telefonaten kein Wort darüber verloren. Als ich dann nach England zurückkehrte, war sie schon im sechsten Monat schwanger und hatte bereits ihre Krebs-Diagnose bekommen.“ Eva seufzte. „Ich hatte damals andere Probleme, als sie nach Details zu fragen.“

„Kann ich mir vorstellen.“ Michael nickte. „Von wo sind Sie zurückgekehrt?“ Aus irgendeinem Grund interessierte es ihn, wo Eva Foster gewesen war.

Sie runzelte die Stirn. „Spielt das denn eine Rolle?“

Michael zuckte die Achseln, obwohl sie seine Neugier noch mehr angestachelt hatte. „Ich möchte nur im Bilde sein, das ist alles.“

Irritiert sah sie ihn an. „Ich nehme öfter Aufträge im Ausland an. Zumindest früher“, fügte sie bedauernd hinzu. „Rachel war in den letzten sechs Monaten ihres Lebens sehr krank, und seitdem muss ich mich allein um die Zwillinge kümmern.“

„Sie konnten also seit dem Tod Ihrer Schwester nicht mehr arbeiten?“

„Nicht richtig, nein.“

„Und was machen Sie beruf…?“

„Hören Sie, meine Karriere oder mein Leben spielen hier keine Rolle“, unterbrach Eva ihn ungeduldig. Sie liebte die Zwillinge, aber sie hatte so hart für ihre Karriere gearbeitet, dass die letzten neun Monate ein echter Rückschlag für sie gewesen waren. Nicht nur weil ihr die Arbeit fehlte, sondern auch, weil sie einen guten Ruf zu verlieren hatte.

„Das sehe ich anders“, erwiderte Michael D’Angelo kühl. „Falls – und da habe ich nach wie vor meine Zweifel – sich herausstellen sollte, dass Rafe tatsächlich der Vater der Zwillinge ist, spielen Ihre Karriere und Ihr Leben sehr wohl eine Rolle.“

Eva erstarrte. Michaels kalter Blick und seine grimmig zusammengepressten Lippen machten ihr Angst. Zögernd schüttelte sie den Kopf. „Rachel hat mich vor ihrem Tod zum Vormund der Zwillinge ernannt …“

Michael hob die Augenbrauen. „Der biologische Vater hat doch bestimmt mehr Anrecht auf die Vormundschaft als die Tante mütterlicherseits?“

Evas Angst drohte in blanke Panik umzukippen. „Drohen Sie mir etwa damit, mir die Zwillinge wegzunehmen, Mr D’Angelo?“

Das tat Michael allerdings, auch wenn es ihm keinen Spaß machte. Er kam sich vor, als würde er gerade ein ohnehin schon halb verhungertes und misshandeltes Kätzchen treten.

Allerdings würde ihm dieses spezielle kleine Kätzchen wahrscheinlich zuvorkommen und ihn erst mal kräftig ins Bein beißen …

3. KAPITEL

Michael wusste, dass er einen schlechten Ruf hatte. Die meisten Menschen hielten ihn für kalt und skrupellos – für einen herzlosen Unmenschen. Und was Geschäftliches anging, hatten sie mit dieser Einschätzung vielleicht sogar recht. Zweifellos würden viele seiner früheren Freundinnen ebenfalls zustimmen, denn nicht wenige hatten ihm Herzlosigkeit vorgeworfen, nachdem er sich von ihnen getrennt hatte.

Doch was seine Familie anging, hatte Michael durchaus Gefühle. Er liebte seine Eltern und seine Brüder und würde alles tun, um sie zu schützen.

Sogar dann, wenn er dafür eine junge hilflose Frau einschüchtern musste, die sich ebenfalls nur für ihre Familie engagierte – namentlich ihre verwaiste Nichte und ihren Neffen.

Wenn auch nur deshalb, weil ihm keine andere Wahl blieb. Er konnte auf keinen Fall zulassen, dass Eva Foster ihre wilden Anschuldigungen publik machte – nicht bevor Michael mit Rafe gesprochen hatte, und das würde er erst tun, wenn Rafe und Nina aus den Flitterwochen zurückkehrten. Wenn er sich Evas Schweigen nur sichern konnte, indem er ihr mit der Drohung eines Sorgerechtsstreits Angst einjagte, dann war das eben so.

„Ich stelle nur eine Tatsache fest, Miss Foster“, sagte er kalt. „Ich behaupte nicht, dass es soweit kommt, aber die Möglichkeit besteht immerhin.“

Eva wurde übel bei der Vorstellung, dass man ihr die Zwillinge wegnehmen konnte. Klar war es schwierig und zeitraubend, sich Tag und Nacht um zwei kleine Babys zu kümmern, aber das würde sogar eine echte Mutter so empfinden. Und dass die Zwillinge ihrer Karriere erst mal einen Dämpfer verpasst hatten, bedeutete noch lange nicht, dass sie sie freiwillig aufgeben würde.

Im Gegenteil! Sie würde sich mit Händen und Füßen dagegen wehren!

Sie ging zur Karre. „Vielleicht war es ein Fehler, hierher zu kommen.“

„Ich fürchte, für solche Bedenken ist es jetzt zu spät, Eva.“

Eva erstarrte beim Klang von Michael D’Angelos heiserer Stimme. Wie erregend er ihren Namen aussprach …

Ich bin anscheinend völlig verrückt geworden!

Michael D’Angelo war nicht nur viel zu arrogant für ihren Geschmack, sondern drohte ihr auch noch damit, dass man ihr die Kinder wegnehmen würde! Und ihr fiel keine andere Reaktion darauf ein, als dass ihr ein Schauer der Erregung über den Rücken lief und ihre Brustspitzen hart wurden? Brustspitzen, die sich demütigenderweise wahrscheinlich deutlich unter ihrem engen T-Shirt abzeichneten …

Eva wich D’Angelos Blick aus und drehte die Karre Richtung Tür. „Ich habe schon genug Ihrer kostbaren Zeit in Anspruch genommen, Mr D’Angelo …“

„Sie gehen jetzt nicht, Eva.“

Eva blieb abrupt stehen. „Wie meinen Sie das? Natürlich gehe ich.“

„Sie verlassen allenfalls dieses Büro, aber …“

„Und ob ich es ver…“

„… aber ich fürchte, ich kann nicht zulassen, dass Sie abreisen, bevor ich mit Rafe gesprochen habe“, fuhr Michael D’Angelo so unbeirrt fort, als habe sie nichts gesagt. Offensichtlich war er es gewohnt, seinen Willen durchzusetzen.

Eva starrte ihn ungläubig an. „Entschuldigen Sie mal bitte, Mr D’Angelo, aber an welcher Stelle unserer Unterhaltung haben Sie mich dahingehend missverstanden, mir sagen zu können, was ich zu tun oder zu lassen habe?“

Michael lächelte humorlos. „Ich glaube, Miss Foster, das war an der Stelle, als Sie mir mitgeteilt haben, dass Sie meinen Bruder Rafe für den Vater der Zwillinge halten.“

Eva funkelte ihn wütend an. „Ich glaube, die Zwillinge betreffen allein Rafe und mich, finden Sie nicht?“

„Und genau da liegt das Problem.“

„Ich verstehe immer noch nicht …“

Michael holte tief Luft. Er missbilligte sein Verhalten selbst, aber ihm blieb keine andere Wahl. Früher oder später würde Eva von Rafes Hochzeit erfahren, und Rafe und Nina und ihrer noch jungen Ehe zuliebe musste Michael sie im Auge behalten. Was bedeutete, dass sie in Paris bleiben musste.

Entschlossen presste er die Lippen zusammen. „Ich habe Ihnen doch schon gesagt, dass mein Bruder gerade für keinen von uns beiden zu sprechen ist.“

„Warum greifen Sie nicht einfach zum Handy und rufen ihn an?“

Michael seufzte. Sein Tag hatte so harmlos angefangen. Um sieben hatte wie immer sein Wecker geklingelt, und nach dem Duschen und Ankleiden war er zu seinem Lieblings-Café gegangen, hatte sich an seinen Stammtisch gesetzt und zwei Tassen starken Kaffee und köstlich buttrige Croissants genossen, bevor er um halb neun mit seiner Arbeit bei Archangel angefangen hatte.

Keine Sekunde hatte er auch nur die leiseste Ahnung gehabt, dass sein Tag, seine Woche – sein Jahr! – von einer kleinen blauäugigen Frau, ihrer Nichte und ihrem Neffen durcheinandergebracht werden würden!

Aber was passiert war, war passiert. Nichts würde etwas daran ändern, bis er die Chance bekam, mit Rafe zu reden. Und solange musste er die Situation unter Kontrolle haben.

Eva schwante nichts Gutes, als Michael D’Angelo arrogant sein markantes Kinn hob und aus glitzernden onyxschwarzen Augen auf sie herabblickte.

„Rafe hat vor zwei Tagen geheiratet und ist gerade in den Flitterwochen.“

Erblassend tastete sie nach der Rückenlehne eines Ledersessels.

„Hier, setzen Sie sich hin!“

Eva verstand Michael D’Angelos schroffe Anweisung kaum, so laut war das Rauschen in ihren Ohren. Ohne Widerstand ließ sie sich von ihm zu einem Sessel führen.

Rafe D’Angelo war also inzwischen verheiratet!

Seit zwei Tagen.

Also erst seit achtundvierzig Stunden!

Wenn Eva ihn schon vor einer Woche oder sogar vor drei Tagen aufgesucht hätte, wäre die Situation vielleicht anders gewesen, aber so war sie unmöglich. Es war eine Sache, ihn um finanzielle Unterstützung zu bitten, aber eine ganz andere, eine Ehe zu gefährden, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Anscheinend hätte sie sich keinen schlechteren Zeitpunkt dafür aussuchen können, ihn zu konfrontieren!

Sie musste an seine Frau denken.

Die Arme!

Eva versuchte sich vorzustellen, wie sie sich fühlen würde, wenn eine fremde Frau sie mit den Zwillingen ihres Mannes konfrontieren würde. Oh Gott!

Kein Wunder, dass Michael D’Angelo darauf bestand, Rafe und seine Frau bis zu ihrer Rückkehr in Ruhe zu lassen. Er konnte seinen Bruder schließlich schlecht während der Flitterwochen anrufen und ihm von Eva und den Kindern erzählen!

Benommen sah sie zu dem düster schweigenden Michael D’Angelo auf. „Ich hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können, oder?“, fragte sie schwach.

„Ach, ich weiß nicht“, antwortete er ironisch. „Vier Uhr am Samstag in New York wäre vielleicht noch ungünstiger gewesen, denn da haben Rafe und Nina gerade geheiratet.“

Scherzte er etwa? Das hätte sie dem nüchternen Michael D’Angelo ja gar nicht zugetraut! „Was mache ich denn jetzt nur?“ Benommen schüttelte Eva den Kopf.

„Die Frage ist vielmehr, was wir jetzt machen“, korrigierte Michael sie.

Auf keinen Fall würde er Eva Foster frei in Paris oder London herumlaufen und womöglich herumerzählen lassen, dass Rafe der Vater der Zwillinge war. Nein, bevor er nicht mit Rafe gesprochen hatte, würde er sie und diese beiden Babys hübsch von der Öffentlichkeit fernhalten, auch wenn er alles anderes als Lust dazu hatte. Ihm graute schon vor den nächsten zwei Wochen.

Rafe war ihm einen Riesengefallen schuldig!

„Wir? Ich verstehe nicht …“ Eva verstummte. Offensichtlich stand sie noch immer unter Schock.

„Wie lange wollten Sie in Paris bleiben?“

Sie blinzelte. „Mein Rückflug geht in drei Tagen. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es länger als zwei oder drei Tage dauern würde, mit Ihrem Bruder zu reden“, fügte sie ungeduldig hinzu, als sie Michaels missbilligendes Stirnrunzeln sah.

„Ein bisschen knapp kalkuliert, finden Sie nicht? Macht nichts, wir stornieren den Flug einfach und …“

„Ich habe nicht die Absicht, meinen Flug zu stornieren!“ Eva stand abrupt auf. „Hierher zu kommen, war schon belastend genug, und jetzt, wo Ihr Bruder nicht hier ist, habe ich keinen Grund mehr, in Paris zu bleiben.“

Sie hätte vor der Buchung des Flugs in der Galerie anrufen sollen, um sich zu vergewissern, ob Rafe D’Angelo auch wirklich in der Stadt war. Aber sie hatte ihn überrumpeln und vor vollendete Tatsachen stellen wollen.

Und jetzt war er in den Flitterwochen, und sie musste sich an seiner Stelle mit Michael D’Angelo auseinandersetzen. Mit einem Mann, der sie völlig durcheinanderbrachte!

Michael sah sie aus schmalen Augen an. „Haben Sie dringende Gründe für eine Rückkehr nach London? Einen Freund vielleicht? Oder einen Ehemann?“ Fragend hob er die Augenbrauen.

„Ich glaube, ich habe mich Ihnen bereits als Eva Foster vorgestellt. Das ist derselbe Nachname wie der meiner Schwester, und wir haben bereits geklärt, dass sie nicht verheiratet war, als sie starb.“

„Nicht alle Frauen nehmen den Namen ihres Mannes an, wenn sie heiraten.“

Er hat recht, musste Eva sich widerwillig eingestehen. „Nicht dass Sie das etwas angeht, aber nein, ich habe weder einen Freund noch einen Ehemann“, sagte sie steif. „Ich war vor der Geburt der Zwillinge so eingespannt, dass ich keine Zeit für eine Beziehung hatte, und jetzt, mit den Zwillingen, bin ich bestimmt alles andere als interessant für Männer!“

Michael nickte befriedigt. „Dann gibt es keinen Grund für Sie, nicht noch eine oder zwei Wochen in Paris zu bleiben.“

„Eine oder zwei …“ Eva starrte ihn fassungslos an. „Es gibt sehr wohl einen Grund dafür, Mr D’Angelo, und zwar einen finanziellen!“ Mal ehrlich, wo lebt dieser Mann eigentlich?

„Ich habe nie von Ihnen verlangt …“ Michael verstummte, als jemand an seine Bürotür klopfte. „Herein“, bellte er.

Sein dunkelhaariger Assistent steckte zögernd den Kopf durch die Tür.

„Was ist, Pierre?“, fragte Michael irritiert.

Der jüngere Mann verzog entschuldigend das Gesicht. „Excusez-moi …“

„Sie können genauso gut englisch reden, Pierre“, erinnerte Michael den jungen Mann daran, dass Eva Foster fließend Französisch sprach.

Pierre nickte. „Ich wollte Sie nur daran erinnern, dass Sie um eins mit dem Comte de Lyon zum Mittagessen verabredet sind, und es ist jetzt halb eins“, sagte er in perfektem akzentfreien Englisch.

Michael blickte ungeduldig auf seine Armbanduhr. „Gehen Sie an meiner Stelle mit dem Comte Mittag essen, Pierre“, antwortete er schroff. „Richten Sie ihm meine Entschuldigung aus und sagen Sie ihm, dass … dass mir eine dringende Familienangelegenheit dazwischengekommen ist.“

Evas Wangen brannten, als sie Pierres neugierigen Blick spürte. Da sie und die Zwillinge sich sehr ähnlich sahen, hielt er sie bestimmt für die Mutter, traute sich jedoch bestimmt nicht, Fragen zu stellen. Sie bezweifelte, dass sich überhaupt jemand traute, den arroganten Michael D’Angelo irgendetwas zu fragen.

Aber sein Verhältnis zu seinem Personal oder seine Termine mit irgendwelchen französischen Grafen interessierten sie nicht die Bohne. Sie wollte nur das Gespräch fortsetzen, das Pierre unterbrochen hatte.

Meinte D’Angelo das etwa ernst, dass sie noch länger in Paris bleiben sollte? Falls ja, würde er ihr seine Gründe zügig erklären müssen, denn die Zwillinge würden bald aufwachen und nach ihrem Mittagessen verlangen – aus vollen Kehlen!

„Und wenn der Comte … nicht erfreut reagiert?“, fragte Pierre.

„Dann lässt sich das eben nicht ändern“, erwiderte Michael D’Angelo ungeduldig. „Vereinbaren Sie in diesem Fall einfach einen neuen Termin mit ihm, Pierre.“

Eva wurde plötzlich bewusst, dass Pierre wahrscheinlich schon bei der Galerie gearbeitet hatte, als Rachel mit Rafe D’Angelo zusammen gewesen war …

„Wie lange arbeiten Sie schon bei der Archangel-Galerie, Pierre?“, fragte sie neugierig und bemühte sich, das missbilligende Stirnrunzeln Michael D’Angelos zu ignorieren.

Der jüngere Mann warf seinem Arbeitgeber einen verunsicherten Blick zu. „Ich … ich habe das Vergnügen, hier schon fast vier Jahre Assistent zu sein“, antwortete er vorsichtig.

Eva lächelte mitfühlend. Sie bezweifelte, dass Pierre seinen Job als Vergnügen betrachtete, wenn der strenge Michael D’Angelo der Chef war. „Wenn das so ist, dann waren Sie doch bestimmt hier, als …“

„Wir sollten Pierre jetzt zu Mittag essen lassen, Eva“, unterbrach Michael sie hastig. Dass Eva das Personal oder sonst jemanden fragte, ob sie von der Beziehung ihrer Schwester mit Rafe gewusst hatten, war genau das, was Michael vermeiden wollte.

„Ich bin davon überzeugt, dass Pierre mein Interesse nichts ausmacht, Michael“, gab Eva zuckersüß zurück. „Zumal es für ihn ein solches Vergnügen ist, hier zu arbeiten.“

Michael musterte sie irritiert. Eva Foster hatte eine ganz schön scharfe Zunge! Andererseits … Sie unterschätzte ihre Schönheit und Anziehungskraft bei Weitem, wenn sie glaubte, dass die Zwillinge Männer davon abhalten würden, ihr Avancen zu machen!

Pierres bewundernder Blick war der beste Beweis dafür, dass sogar ein verheirateter Mann mit zwei kleinen Kindern nicht vollkommen immun gegen ihre glänzenden schwarzen Haare und ihre veilchenblauen Augen war.

„Ich fürchte, ich muss darauf bestehen“, entgegnete Michael schroff, bevor er sich wieder zu dem jungen Mann umdrehte. „Ich werde jetzt gehen, Pierre, und nicht vor morgen wiederkommen“, teilte er seinem Assistenten mit. „Wenn Sie also bitte meine Termine für den Rest des Tages absagen und dafür sorgen würden, dass die Galerie abgeschlossen und die Alarmanlage eingeschaltet ist, bevor Sie heute Abend gehen?“

„Natürlich“, bestätigte der jüngere Mann. „Mademoiselle?“, fügte er höflich an Eva Foster gerichtet hinzu, bevor er hinausging und die Bürotür hinter sich schloss.

„Warum haben Sie mich unterbrochen?“, fragte Eva empört. „Pierre ist Rachel vor fünfzehn Monaten vielleicht begegnet und könnte ihre Beziehung zu Rafe bestätigen …“

„Der Einzige, der ein Interesse daran haben dürfte, diese Beziehung zu bestätigen, ist mein Bruder Rafe selbst“, antwortete Michael grimmig.

„Aber der ist unerreichbar!“

Michael sah sie gereizt an. „Was wollen Sie von mir, Eva? Dass ich Rafes Flitterwochen unterbreche und ihm von den Zwillingen erzähle?“

„Ja! Nein. Ach, ich weiß auch nicht …“ Gequält stöhnte Eva auf.

„Ich werde es tun, wenn Sie darauf bestehen.“ Die meisten Frauen würden darauf bestehen. Warum sollte Eva anders sein? „Auch wenn es Rafes Ehe zweifellos großen Schaden zufügen wird!“

„Hören Sie auf damit, mir den schwarzen Peter zuzuschieben!“ Evas Augen glitzerten vor Empörung.

„Ja oder nein, Eva?“, fragte er hartnäckig.

„Ich … Nein, natürlich will ich die Ehe Ihres Bruders nicht zerstören oder seiner Frau schaden. Ich will nur …“

„Sie haben drei Monate lang damit gewartet, Rafe aufzusuchen. Warum können Sie nicht noch zwei Wochen länger warten?“

„Weil es nicht geht!“

„Und wieso nicht?“

„Weil … weil ich fast pleite bin, okay?“, verteidigte Eva sich wütend. „Die Babys kosten eine Menge Geld, und ich konnte nicht vernünftig arbeiten, seitdem … Ich bin pleite!“, wiederholte sie.

Michaels innere Anspannung ließ etwas nach. „Ich schlage vor, Sie lassen das vorerst meine Sorge sein. Würden Sie bitte kurz auf mich waren? Ich muss meiner Sekretärin noch ein paar Anweisungen geben, bevor wir gehen.“ Michael ging Richtung Tür.

„Ich … Was meinen Sie damit, bevor wir gehen?“ Es war eine Sache zu warten, bis Rafe D’Angelo aus den Flitterwochen zurückkehrte, aber Hilfe von seinem arroganten Bruder annehmen, kam nicht infrage! „Der einzige Ort, zu dem ich jetzt hingehe, ist meine Pension! Damit ich die Zwillinge füttern und beim Flughafen anrufen kann, um unseren Flug vorzuverlegen!“

„Sie haben ganz recht mit der Annahme, dass wir in Ihre Pension zurückkehren.“

Eva musterte ihn misstrauisch. „Wir gehen nirgendwohin. Zumindest nicht zusammen.“

„Oh doch, das werden wir, Eva.“

Okay … Pierre oder Michaels Sekretärin trauten sich vielleicht nicht, ihm zu widersprechen, aber Eva war keine von Michael D’Angelos Angestellten, weshalb sie absolut keinen Grund sah, sich von diesem dominanten Kerl bevormunden zu lassen! „Nein, werden wir nicht“, antwortete sie resolut, bevor sie wieder auf die Zwillingskarre zusteuerte. „Wenn Sie mir jetzt bitte die Tür öffnen würden?“ Herausfordernd sah sie ihn an.

Michael musterte sie stirnrunzelnd. Glaubte diese Eva Foster etwa im Ernst, einfach so hier hereinschneien, die Bombe platzen lassen und dann so mir nichts dir nichts verschwinden zu können?

Michael konnte nicht umhin, ihren Widerstand und ihre Dickköpfigkeit zu bewundern, genauso wie eben noch ihre Schönheit. Nicht viele Menschen würden sich trauen, sich ihm zu widersetzen. Nicht so Eva Foster.

Sie hatte wirklich Chuzpe. Dafür sprach schon, dass sie ohne zu zögern die Aufgabe angenommen hatte, sich ungeachtet der Auswirkungen auf ihr eigenes Leben um die Zwillinge zu kümmern. Etwas, das sie nicht nur in der Ausübung eines Jobs beeinträchtigte, den sie eindeutig liebte, sondern ihrer Meinung nach auch ihre Chancen schmälerte, das Interesse eines Mannes zu wecken.

Michael fand immer noch, dass sie ihre Wirkung auf Männer stark unterschätzte, aber trotzdem war er froh, bei seinen Plänen nicht auch noch einen Mann berücksichtigen zu müssen.

Aber war das wirklich der einzige Grund für sein Gefühl der Genugtuung, dass es in Eva Fosters Leben keinen Mann gab?

Michael hatte es sich angewöhnt, seine Gefühle nach außen hin zu verbergen, aber das hieß noch lange nicht, dass er nicht gnadenlos ehrlich mit sich selbst war. Er konnte daher nicht leugnen, dass er sich sehr zu der feurigen Eva Foster hingezogen fühlte.

Was ihm extrem gegen den Strich ging.

In diesem Augenblick musste er nämlich die Hände zu Fäusten ballen, um sich davon abzuhalten, ihr glänzendes schwarzes Haar zu berühren. Wie gerne würde er ihr tief in die ungewöhnlichen veilchenblauen Augen sehen und sie ausgiebig auf die weichen vollen Lippen küssen! Und ein bloßer Kuss würde noch nicht mal reichen, denn er wollte Eva Foster von Kopf bis Fuß erforschen, bis hin zu ihren zweifellos hübschen Zehen.

Was in Anbetracht der Umstände natürlich völlig unpassend war!

4. KAPITEL

„Das können Sie nicht machen!“

Michael saß entspannt in einem Sessel, die Ellenbogen auf die Armlehnen gestützt und die Fingerspitzen aneinandergelegt. Er wirkte total ruhig und gelassen, während er Eva dabei beobachtete, wie sie unruhig in seinem Wohnzimmer auf- und abmarschierte. Ihre Augen blitzten wie veilchenblaue Juwelen, und ihre Wangen waren vor Wut gerötet.

„Entschuldigen Sie den Hinweis, aber da die Zwillinge bereits in einem der Gästezimmer in ihren Bettchen schlafen, sieht es ganz danach aus, als hätte ich es bereits getan.“

Eva zögerte einen Moment, bevor sie stehen blieb und Michael gereizt anfunkelte. „Ihre Selbstgefälligkeit ist unerträglich!“

Michael zuckte gleichgültig die Achseln. „Es gefällt mir eben, wenn die Dinge sich nach meinen Vorstellungen entwickeln.“

Eva war kurz vorm Explodieren. „Sie können mich nicht dazu zwingen, hierzubleiben!“

„Ich kann mich nicht entsinnen, Gewalt angewendet zu haben“, bemerkte Michael trocken.

Er hat recht, musste Eva sich frustriert eingestehen. Vielleicht weil sie erst gemerkt hatte, was er vorhatte, als es schon zu spät war. Da hatten sie und die Zwillinge sich bereits in der luxuriösen Wohnung D’Angelos befunden, nur ein paar Minuten Fußweg von der Galerie entfernt.

Nicht dass sie sofort hierhergekommen waren. Oh nein, zuerst hatte Michael sie, die Zwillinge und sich selbst von seinem Chauffeur zur Pension fahren lassen, wo er ihre Koffer gepackt hatte, während Eva damit beschäftigt gewesen war, die Zwillinge zu füttern. Als sie damit fertig gewesen war, hatte er schon mit den beiden gepackten Koffern vor der Tür ihres schäbigen Zimmers gewartet.

Doch selbst da hatte Eva noch keine Ahnung gehabt, was er vorhatte. Sie hatte angenommen, dass er sie in einem anderen Hotel unterbringen würde, bis es Zeit für ihren Rückflug wurde. Noch nicht mal in ihren wildesten Träumen hätte sie sich vorstellen können, dass er sie und die Zwillinge zu sich mit nach Hause nehmen würde.

Oder dass er seine Sekretärin vor ihrem Aufbruch „angewiesen“ hatte, zwei Bettchen mitsamt Bettwäsche zu bestellen und sie sofort in seine Wohnung liefern zu lassen.

Und was diese Wohnung anging …

Eva hatte noch nie so viel Luxus und Opulenz auf einem Haufen gesehen. Die riesige Wohnung nahm das ganze Stockwerk eines historischen Gebäudes ein. An den Wänden hingen jede Menge Originalgemälde und elegante Spiegel, und an den Decken befanden sich Kristalllüster, zweifellos alles echte Antiquitäten.

Die Möblierung des klassizistisch eingerichteten Wohnzimmers bestand aus einer eleganten, vor einem der Erkerfenster stehenden Chaiselongue mit Blick auf die Champs-Élysées, außerdem gab es verschiedene blassrosa oder cremeweiß gepolsterte Sofas und Sessel, flankiert von zerbrechlichen Tischen, auf denen nicht minder zerbrechliche Kunstobjekte standen.

Evas erster Gedanke bei diesem Anblick war, dass die Zwillinge, die inzwischen krabbeln konnten, ein solches Zimmer binnen Minuten ruinieren würden. Schon allein die bloße Vorstellung, wie sie mit breibeschmierten Fingern an die Seidenbezüge und Wände fassten …

Michael würde bestimmt nicht gerade begeistert sein, und warum auch? Eva bezweifelte stark, dass er wusste, worauf er sich einließ. Sie hatte sich selbst oft genug an der Unordnung gestört, die die beiden Kleinen hinterließen. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sie ihre Londoner Wohnung einigermaßen babysicher eingerichtet hatte. Fast so lange, wie es gedauert hatte, das alleinige Sorgerecht für die Zwillinge zu bekommen!

Aber das Entscheidende war, dass Eva keine Lust hatte, in dieser Wohnung zu bleiben! Michael D’Angelo war ihr viel zu dominant, zu charismatisch, zu männlich, zu alles, um auch nur in Erwägung zu ziehen, eine Wohnung mit ihm zu teilen!

Sie schüttelte den Kopf. „Sobald die Zwillinge aufwachen, gehen wir.“ Sie hätte sich von Michael gar nicht erst dazu überreden lassen dürfen, die Kinder hier schlafen zu legen. Was sie auch nicht getan hätte, wenn die beiden bei ihrer Ankunft nicht ausgesprochen quengelig gewesen wären.

Michael hob die Augenbrauen. „Und wo wollen Sie hin?“

„In ein Hotel oder eine andere Pension!“, antwortete Eva gereizt. „Überall hin, nur nicht hier.“

„Ich dachte, Sie sind pleite?“

Wütend presste sie die Lippen zusammen. „Ihr Glück, dass Sie sich bei mir nicht noch unbeliebter machen können als ohnehin schon!“

Michael sah sie spöttisch an. „Ist es nicht ein bisschen zu früh, um sich schon jetzt eine negative Meinung über mich zu bilden?“

„Ich versichere Ihnen, dass man dafür bei Ihnen nicht lange braucht!“, gab sie zurück. Je weniger sie mit diesem Kerl zu tun hatte, desto besser. Und das nicht nur, weil sie ihn nicht ausstehen konnte …

Eva hatte seit ihrem Studium mit niemandem mehr eine Wohnung geteilt, und die Vorstellung, mit einem so charismatischen Mann wie Michael D’Angelo zusammenzuwohnen war ihr äußerst unangenehm, selbst dann, wenn die Zwillinge als Anstandswauwaus dabei waren.

Nicht dass sie sich auch nur für einen Moment einbildete, dass Michael sich körperlich genauso zu ihr hingezogen fühlte wie sie sich zu ihm. Es war einfach nur keine gute Idee, allein mit ihm zu sein. Schon deshalb nicht, weil er sonst vielleicht merkte, welche Wirkung er auf sie hatte. Dann würde sie nämlich wie eine Idiotin dastehen.

Außerdem verstand sie immer noch nicht, warum er unbedingt wollte, dass sie und die Zwillinge bei ihm wohnten …

„Was soll das dämliche Grinsen?“, fragte sie irritiert, mindestens genauso genervt von sich selbst wie von Michael. Seine Wirkung war nämlich noch gefährlicher, wenn er lächelte. Sein Blick war dann plötzlich so warm wie geschmolzene Schokolade, und er bekam süße Lachfältchen, ließ seine sehr weißen geraden Zähne aufblitzen und verwandelte sich damit in genau das, was er war: ein gnadenlos attraktiver Mann im besten Alter!

Michael wusste selbst nicht, warum er grinsen musste. Das lag sonst eigentlich nicht in seiner Natur, schon gar nicht in der Gesellschaft einer schönen Frau. Aber Eva mit ihrer offensichtlichen Unfähigkeit, sich verbal zurückzuhalten, amüsierte ihn einfach.

Selbst dann, wenn sie ihm ihre Abneigung um die Ohren haute …

Sein Humor verließ ihn genauso schnell wie er gekommen war. „Ich auch nicht. Aber da Sie sich bereit erklärt haben, erst nach Rafes Rückkehr aus den Flitterwochen mit ihm zu reden, ist es für Sie und offensichtlich auch für die Zwillinge das Beste, solange hier zu bleiben.“

„Bei Ihnen?“

„Bei mir“, bestätigte er ungerührt.

Eva schoss das Blut in die Wangen. „Das ist ja wohl ziemlich unpassend“, sagte sie errötend.

„Ich schlage ja nicht vor, dass wir beide ein Schlafzimmer teilen, Eva, nur die Wohnung!“

Sie errötete noch heftiger. „Ich habe nicht … mir kam überhaupt nicht in den Sinn … das ist ja lächerlich!“, protestierte sie hitzig.

„Ist das so?“, fragte Michael und erhob sich langsam. Er lächelte spöttisch, als Eva unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Machte seine körperliche Nähe sie etwa nervös?

„Natürlich!“, erwiderte sie irritiert.

„Und warum?“

Eva runzelte ungeduldig die Stirn. „Erstens kennen wir einander kaum …“

„… und was Sie von mir kennen, missfällt Ihnen“, ergänzte er hilfreich.

„Ich finde, die Tatsache, dass Sie mich im Verdacht haben, eine Art Goldgräberin zu sein, die Ihrem Bruder Millionen aus der Tasche ziehen will, ungeheuerlich!“

„Sie haben offen zugegeben, dass Rafe Ihnen Geld geben soll.“

„Für die Zwillinge, nicht für mich!“, protestierte sie empört.

Ehrlich gesagt hatte Michael tatsächlich Zweifel, was ihre Motive anging. Aber vielleicht waren dafür ja seine Erfahrungen mit Emma verantwortlich …

Schuldbewusst verzog er das Gesicht. „Okay, ich verspreche, nicht an Ihren Motiven zu zweifeln. Vorerst“, fügte er schroff hinzu.

„Wie großzügig von Ihnen!“, erwiderte sie sarkastisch.

„Finde ich auch.“

„Trotzdem haben Sie kein Recht, mich mit völlig unpassenden Bemerkungen über geteilte Betten in Verlegenheit zu bringen!“

„Und doch spricht Ihre Erröten dafür, dass Sie dieser Vorstellung nicht ganz abgeneigt wären.“

Eva war für einen Moment sprachlos. „Natürlich bin ich rot geworden“, zischte sie, nachdem sie sich wieder gefangen hatte. „Das Letzte, womit ich bei meiner Reise nach Paris gerechnet hätte, war ein zweideutiges Angebot von Rafe D’Angelos älterem Bruder!“

Michael zuckte die Achseln. „Fänden Sie die Vorstellung weniger verstörend, wenn ich nicht Rafes Bruder wäre?“

„Ich … Sie … aber Sie sind es“, stammelte sie. „Und übrigens finde ich Ihren abartigen Sinn für Humor beleidigend!“

Seine Mundwinkel zuckten belustigt. „Mag sein, dass Sie mich noch nicht lange kennen, Eva, aber Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, dass ich so gut wie nie Witze mache.“

Stimmt. Eva war von Anfang an aufgefallen, wie ernst Michael D’Angelo war, fast zu ernst, weshalb sie ihn sich auch nicht mit Rachel zusammen hatte vorstellen können.

Zu Recht, wie sich herausgestellt hatte.

Doch wenn Michael fast nie Witze machte – bedeutete das, dass er es jetzt ernst meinte?

Natürlich nicht, schalt sie sich sofort für ihre Naivität. Michael D’Angelo genoss nur ihre offensichtliche Verlegenheit. Aber diese Genugtuung würde sie ihm nicht gönnen! Sie schnaubte höhnisch. „Falls – und das steht noch längst nicht fest – ich beschließen sollte, hier zu bleiben, bis Ihr Bruder aus den Flitterwochen zurückkehrt, können Sie Gift darauf nehmen, dass wir beide in verschiedenen Zimmern schlafen!“

„Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie Ihre Meinung ändern“, antwortete er mit irritierender Gelassenheit.

Evas Herz machte einen Satz, und sie war unfähig, den Blick von seinen durchdringenden schwarzen Augen abzuwenden. „Warum machen Sie das?“

Er hob die Augenbrauen. „Vielleicht, weil ich die Vorstellung, ein Bett mit Ihnen zu teilen, gar nicht so abschreckend finde?“

Falls ja, sah er nicht besonders glücklich darüber aus.

Michael verzog das Gesicht, als er Evas Stirnrunzeln sah. „Eva, ich bin zu alt und zu zynisch, um Spielchen mit einer Frau zu spielen …“

„Wie alt?“, warf sie rasch ein.

Seine Mundwinkel zuckten. Welche Rolle spielte sein Alter schon, wo sie sowieso nicht die Absicht hatte, sich auf ihn einzulassen? „Fünfunddreißig“, sagte er. „Zu alt für Sie?“

„Ich war nur neugierig …“ Eva verstummte, als sie erst ein Baby und kurz darauf das zweite schreien hörte.

„Baby-Alarm“, murmelte Michael trocken. „Lassen Sie uns unsere Unterhaltung später fortsetzen, hm?“

„Lieber nicht.“ Eva drehte sich hastig um und eilte aus dem Wohnzimmer zu den Zwillingen. Oder treffender formuliert, sie rannte davon, wie sie sich widerwillig eingestehen musste, als sie die beiden Babys auf die Arme nahm. Michael hatte sie anfangs vielleicht nur aufziehen wollen, doch dann hatte es plötzlich so heftig zwischen ihnen geknistert, dass sie die unterschwellige sexuelle Spannung nicht mehr ausgehalten hatte.

Fühlte Michael sich trotz seiner zynischen Fassade etwa doch zu ihr hingezogen?

Eva bezweifelte das. Michael D’Angelo war nicht nur total distanziert und arrogant, sondern traute ihr offensichtlich auch nicht über den Weg. Außerdem war er überhaupt nicht ihre Liga, und das keineswegs nur wegen seines Reichtums. Er war zehn Jahre älter als sie und damit viel erfahrener. Eva fühlte sich zwar in fast jedem sozialen Umfeld zu Hause, neigte aber nicht gerade zu ständig wechselnden Bettgeschichten. Michael D’Angelo hingegen bestimmt schon …

Sie war keine Jungfrau mehr und prüde war sie auch nicht. Vor ein paar Jahren hatte Eva eine längere Beziehung mit einem Mann gehabt, doch dann hatten sie sich mehr oder weniger einvernehmlich getrennt, weil sie als Fotografin einfach zu viel unterwegs gewesen war. Danach war Eva mit niemandem mehr fest zusammen gewesen, und seitdem sie sich um die Zwillinge kümmern musste, war sie noch nicht mal mehr ausgegangen!

Ausgerechnet mit Michael D’Angelo etwas anzufangen, war auf jeden Fall keine gute Idee!

Und doch fühlte sie sich irgendwie zu ihm hingezogen …

Wie er wohl im Bett war? Ob er da etwas von seiner Selbstbeherrschung verlor?

Wie würde es sich wohl anfühlen, seinen schlanken muskulösen Körper auf sich zu spüren, seine langen eleganten Hände auf ihren Brüsten und Oberschenkeln und seine Zunge in ihrem …?

„Alles in Ordnung?“

Eva wirbelte verlegen herum und errötete bei Michaels Anblick heftig. Hatte sie ihn sich wirklich gerade nackt vorgestellt?

„Eva?“ Fragend zog er die Augenbrauen hoch.

„Ja, alles bestens“, antwortete sie kühl.

Er sah sie ein paar Sekunden lang forschend an, bevor er abrupt nickte. „Ich ziehe mir rasch etwas Bequemeres an, und dann können wir besprechen, wohin wir essen gehen.“

Eva sah ihn verdutzt an. „Wohin wir …?“

„Ob wir hier oder auswärts essen“, antwortete er ungeduldig. „Wie viel von Paris haben Sie seit Ihrer Ankunft gesehen?“

Sie verzog das Gesicht. „Nur das Innere der Pension und die Straßen auf dem Weg zur Galerie.“

Mit dieser Antwort hatte Michael schon gerechnet. „Dann essen wir auswärts. Packen Sie schon mal ein paar Sachen für die Zwillinge zusammen. Ich ziehe mich solange um.“

Eva schüttelte den Kopf. „Sie brauchen mir kein Unterhaltungsprogramm zu bieten.“

„Ich dachte, wir wollten unser Gespräch fortsetzen?“ Michael lächelte, als er sie wieder erröten sah.

„Sie wissen, dass ich das nicht so gemeint habe!“

Natürlich wusste Michael das. Aber es machte ihm Spaß, Eva zu ärgern. Was seltsam war, denn Frauen aufzuziehen oder sich verbale Wortgefechte mit ihnen zu liefern, war normalerweise nicht sein Ding. Er kam lieber direkt zur Sache. Die meisten Frauen waren sowieso nur an seinem Geld interessiert.

Und Eva Foster ist auch nicht anders, ermahnte er sich. Der Unterschied war nur, dass sie Geld von Rafe wollte und nicht von ihm.

Seine gute Laune verließ ihn schlagartig. „Ich habe nicht die Absicht, Ihnen ein Unterhaltungsprogramm zu bieten“, antwortete er schroff. „Aber wir können beide etwas zu essen gebrauchen, und da ich weder koche noch eine Haushälterin habe, liegt es nahe für uns beide, auszugehen.“

„Für uns vier“, korrigierte Eva ihn spitz. „Ich fürchte nur, mit zwei kleinen Babys essen zu gehen, ist nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen.“

Michael richtete den Blick auf die beiden friedlich wirkenden Babys in Evas Armen. „Sie sehen doch gerade ganz umgänglich aus.“

Eva lächelte innerlich zynisch. Er hatte ja keine Ahnung!

„Ich habe Sie gewarnt“, sagte Eva belustigt, als sie zwei Stunden später das elegante Restaurant am Ufer der Seine verließen. Michaels Gesichtszüge wirkten wie versteinert.

Sein Outfit war längst nicht mehr so makellos wie vorher. Orangensaftflecken zierten sein blaues Hemd, und seine schwarze Hose war feucht und zerknittert, weil Sam vorhin ein Glas Wasser umgestoßen und Sophie danach fast die ganze Zeit auf Michaels Schoß gesessen hatte.

Wenn er sich vorgestellt hatte, dass Sophie und Sam brav in ihrer Karre sitzen, mit ihren Zehen spielen und glücklich vor sich hin glucksen würden, während Eva und er in Ruhe aßen, hatte er sich gründlich getäuscht.

Die Zwillinge waren schon wenige Minuten nach ihrer Ankunft unruhig geworden. Eva wusste schon aus Erfahrung, dass es das Beste für alle Beteiligten war – vor allem für die anderen Gäste –, wenn man die beiden einfach auf den Schoß nahm, anstatt sie zur Räson bringen zu wollen, wie Michael anfangs versucht hatte. Doch er hatte schnell kapiert, dass man mit sechs Monate alten Babys noch nicht argumentieren konnte.

„Wenn Sie darauf bestehen, dass wir bei Ihnen bleiben, sollten wir vielleicht in Zukunft einkaufen und in der Wohnung essen?“, schlug Eva vor, während sie die Karre neben Michael am sonnigen Ufer der Seine entlangschob. Auf der anderen Seite des Flusses erhob sich majestätisch der Eiffelturm. Eva wäre nur zu gern stehen geblieben, um ihn zu fotografieren, aber mit dem missgestimmten Michael an ihrer Seite war das vermutlich keine gute Idee.

Gereizt sah er sie an. „Ich lasse mir doch nicht von zwei sechs Monate alten Babys vorschreiben, wo und wann ich meine Mahlzeiten einnehme!“

„Nicht?“

„Nein!“

Eva lachte. „Auch dann nicht, wenn es die einfachste Lösung ist?“

Genervt presste er die Lippen zusammen. „Die einfachste Lösung ist noch lange nicht die beste.“

Da hatte er recht. Dieser so kontrollierte Mann entschied sich bestimmt nie für den einfachen Weg. Was vermutlich der Hauptgrund dafür war, darauf zu bestehen, dass sie mit den Zwillingen bei ihm wohnte.

Eva hatte sich während des Mittagessens öfter gefragt, was wohl seine Gründe waren.

Offensichtlich fiel es ihm schwer zu glauben, dass sein Bruder Rafe der Vater der Zwillinge war, hatte jedoch genug Zweifel, diese schräge Situation vorerst zu akzeptieren. Sie vermutete auch, dass er sie im Auge behalten wollte, bis die Situation geklärt war, was sie gut nachvollziehen konnte. Aber das hieß noch lange nicht, dass ihr das gefallen musste.

Michaels offensichtliches Unbehagen beim Mittagessen hatte ihr daher insgeheim Genugtuung verschafft. Wenn er ihr das Leben schon schwer machte, war es nur fair, wenn er selbst auch ein bisschen leiden musste.

Und Eva wusste nach drei Monaten allein mit den Zwillingen, dass der heutige Tag erst der Anfang war. Mit etwas Glück würde Michael sie in ein paar Tagen vielleicht sogar auf Knien anflehen, Paris zu verlassen …

5. KAPITEL

„Ist das jeden Abend so?“

„Was denn?“ Eva, die gerade das Wohnzimmer aufräumte, drehte sich zu Michael um und unterdrückte ein Lächeln der Genugtuung. Angewidert zupfte er an der Vorderseite seines dritten durchnässten Hemds. „Vielleicht sollten Sie das Hemd wechseln“, schlug sie vor, wobei sie ihre Häme kaum verbergen konnte.

„Das mach ich gleich, aber zuerst brauche ich dringend einen Whisky. Lassen Sie die Sachen ruhig liegen. Ich helfe Ihnen später.“ Michael ging zur Bar. „Wollen Sie auch einen?“ Er hielt die Karaffe hoch.

Warum nicht? „Ja, gern. Mit viel Wasser bitte“, antwortete Eva und machte es sich auf dem Sofa bequem. „Sophie scheint Sie ja richtig ins Herz geschlossen zu haben.“ Die Kleine hatte bei Michaels Auftauchen im Bad vor Freude gequietscht und ihn glücklich angestrahlt, als er sie aus der Badewanne genommen hatte. Trotz seiner kühlen Selbstbeherrschung hatte er ihrem Charme nicht widerstehen können und dabei mitgeholfen, sie anzuziehen. Danach hatten er und Eva die Babys schlafen gelegt.

„Und das machen Sie seit drei Monaten allein?“ Er reichte Eva ihren Drink und ließ sich dankbar in einen Sessel sinken. Er war überrascht, wie müde er war.

Sich um kleine Babys zu kümmern, war ja viel anstrengender als gedacht! Es war verdammt riskant, ein Krabbelkind auch nur für ein paar Sekunden aus den Augen zu lassen, wie Sam bewiesen hatte, als er die venezianische Lampe erkundet hatte – und fast von ihr erschlagen worden wäre. Und Sophie fasste alles an. Ständig musste man sie daran hindern, völliges Chaos anzurichten, wenn sie ihre Umgebung erforschte.

Michael sah sich im Wohnzimmer um, war jedoch zu erschöpft, um sich wirklich daran zu stören, dass es mit seiner gewohnten Ordnung vorbei war. Das Zimmer sah aus, als wäre ein Tornado hindurchgefegt.

„Ich mache gleich mit dem Aufräumen weiter“, versprach Eva, als sie seinen missbilligenden Gesichtsausdruck sah.

„Nein, das hat Zeit“, winkte Michael ab. „Ist es immer so … anstrengend, sich um die Babys zu kümmern?“

Autor

Rebecca Winters

Rebecca Winters und ihre Familie leben in Salt Lake City, Utah. Mit 17 kam Rebecca auf ein Schweizer Internat, wo sie französisch lernte und viele nette Mädchen traf. Ihre Liebe zu Sprachen behielt sie bei und studierte an der Universität in Utah Französisch, Spanisch und Geschichte und später sogar Arabisch.

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