Komm mit auf die Insel unserer Liebe

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Was kann ich für dich tun? Betont sachlich stellt die schöne New Yorker Eventmanagerin Eleanor die Frage. Darauf gibt es viele Antworten, findet der griechische Tycoon Jace Zervas: Du kannst mich küssen, lieben und mir endlich verraten, warum vor zehn Jahren unsere Affäre so abrupt enden musste! Aber Eleanor ist längst nicht mehr "seine" süße Ellie von damals, sondern wirkt eiskalt, abgebrüht, ohne Gefühle. Warum nur? Diese Frage lässt Jace nicht los. Und deshalb antwortet er: "Komm mit mir nach Griechenland!" Kann er dort das Herz der Eiskönigin zum Schmelzen bringen?


  • Erscheinungstag 25.06.2020
  • ISBN / Artikelnummer 9783733717728
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

„Wenn Sie mir bitte folgen möchten, Mr Zervas?“, begrüßte die Sekretärin am Empfang Jace mit einem Lächeln. „Eleanor wird sich gleich um Ihren Auftrag kümmern. Sie ist die Nummer eins in unserem Team.“

Jace Zervas hielt für einen Augenblick den Atem an. Eleanor – der Name weckte schmerzliche Erinnerungen, und es war schon lange her, seit Jace ihn zum letzten Mal gehört hatte. Aber sicher gab es viele Eleanors in New York City, und es handelte sich bestimmt nicht um jene Frau, die ihm vor zehn Jahren das Herz gebrochen hatte. Jace folgte der jungen Sekretärin durch die luxuriöse Lobby bis zu einem Büro mit einer getönten Glastür. Nach einem kurzen Klopfen öffnete sie die Tür und trat mit Jace zusammen ein.

„Eleanor? Hier ist der neue Kunde, von dem ich Ihnen gestern …“

Den Rest des Satzes hörte Jace nicht mehr, denn in seinen Ohren rauschte es, und sein Puls begann zu rasen, als er die schlanke blonde Frau sah, die hinter ihrem Schreibtisch stand. Es war tatsächlich seine Ellie!

Sie wirkte ebenso schockiert wie er, dann fasste sie sich wieder und nickte ihrer Sekretärin zu. „Vielen Dank, Jill.“

Die schien jedoch zu merken, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, und blickte irritiert von Eleanor zu Jace und wieder zurück zu Eleanor. „Soll ich … einen Kaffee bringen?“

Wieder nickte Eleanor. „Danke, Jill.“

Nachdem die Sekretärin hinausgegangen war, konnte Jace die knisternde Spannung im Raum förmlich spüren. Er betrachtete Eleanor eingehend. Sie war topelegant gekleidet, perfekt gestylt und sah ganz anders aus als früher. Jace wusste, dass sie in New York geboren und ihre Mutter eine erfolgreiche Event-Managerin gewesen war. Nun sah es ganz so aus, als sei Eleanor dem gleichen Weg gefolgt, obwohl sie ihm damals erzählt hatte, dass sie den Beruf ihrer Mutter hasste. Stattdessen hatte sie davon geträumt, ihr eigenes Café zu eröffnen – mit selbst gebackenen Keksen, Kuchen und einer Kunst- und Bücherecke, in der ihre Kunden nach Herzenslust verweilen und entspannen konnten. Aber zehn Jahre waren eine lange Zeit, und in zehn Jahren änderte sich vieles.

„Du hast dich verändert“, sprach er seine Gedanken spontan aus, anstatt Eleanor höflich zu begrüßen. Aber er war völlig irritiert von ihrem Äußeren, denn diese perfekt gestylte Frau hatte nichts mehr mit dem jungen Mädchen von damals gemein. Seine Ellie war ein ganz natürliches und unbekümmertes Mädchen gewesen, mit warmen braunen Augen und einem fröhlichen Lächeln, das ihn von Anfang an verzaubert hatte. Seine Ellie hätte niemals ein so elegantes schwarzes Kostüm mit High Heels getragen.

Sie war nie wirklich deine Ellie, meldete sich seine innere Stimme und versetzte ihm einen kleinen Stich ins Herz. Eleanor Langley, seine große Liebe, hatte ihn damals eiskalt belogen und betrogen und ihn dazu gebracht, sie von einem Tag auf den anderen zu verlassen.

Eleanor atmete tief durch, um ihre Fassung wiederzuerlangen. Nie hätte sie geglaubt, Jace Zervas jemals wiederzusehen, obwohl sie sich diesen Augenblick in den vergangenen zehn Jahren immer und immer wieder vorgestellt hatte. Sie hatte sich ausgemalt, wie sie ihm gegenübertreten und ihm ins Gesicht schleudern würde, was sie von ihm und seiner feigen Flucht gehalten hatte. Wie sie ihm einen vernichtenden Blick zuwerfen und ihm sagen würde, er solle sich zum Teufel scheren. Doch jetzt, da er tatsächlich vor ihr stand, fühlte sie sich wie gelähmt und zu keiner Reaktion mehr fähig.

Doch dann rief sie sich energisch zur Räson. Sie hatte in den letzten Jahren hart gearbeitet und sich eine Karriere aufgebaut, die sie sich nicht durch eine einzige unerwartete Begegnung zerstören lassen würde. Eleanor holte noch einmal tief Luft, dann sah sie Jace herausfordernd an. „Natürlich hab ich mich verändert, zehn Jahre sind eine lange Zeit. Du bist auch nicht mehr derselbe, Jace.“

Unwillkürlich ließ sie ihren Blick über seinen Körper gleiten. Der graue Anzug saß perfekt und betonte Jace’ breite Schultern und seine athletische Figur. Sein volles schwarzes Haar wies an den Schläfen erste graue Strähnen auf, und sein Gesicht war etwas schmaler, dafür aber männlicher und reifer als früher. Und umso attraktiver, wie Eleanor sich widerstrebend eingestand.

Sie spürte, dass sie sich verkrampfte, obwohl es dafür eigentlich gar keinen Grund gab. Eleanor wusste, dass sie sich nicht zu verstecken brauchte, was ihr Erscheinungsbild betraf. Sie verwendete viel Zeit und Sorgfalt auf ihr Äußeres, denn eine gepflegte Erscheinung und perfektes Styling waren ein absolutes Muss in ihrem Job. Eleanor straffte die Schultern und zwang sich zu einem professionellen Lächeln.

„Dann bist du also mein Vierzehn-Uhr-Termin. Auf meinem Kalender habe ich mir allerdings vermerkt, dass Leandro Atrikides von Atrikides Holdings kommen sollte. Hatte er denn keine Zeit?“

„So ungefähr.“ Jace setzte sich auf den Ledersessel ihr gegenüber, und sie nahm ebenfalls Platz.

„Und was kann ich für dich tun?“, fragte sie betont sachlich und versuchte dabei, die schmerzlichen Erinnerungen zu verdrängen, die Jace in ihr wachrief, und ihn wie einen ganz normalen Kunden zu behandeln. Das war jedoch alles andere als leicht. Eleanor hätte Jace am liebsten an eine ihrer Kolleginnen verwiesen, doch sie wusste, dass ihre Chefin das niemals dulden würde. Lily Stevens mochte es nicht, wenn man ihre Anweisungen nicht befolgte oder gar ihre Pläne durcheinanderbrachte. Davon abgesehen gab es noch einen anderen Grund, weshalb Eleanor sich dieser Situation stellen musste: Sie wollte sich selbst beweisen, dass Jace Zervas sie nicht aus der Fassung bringen konnte, denn sie war längst über ihn hinweg.

„Nun, ich bin hier, weil ich dich für die Planung einer größeren Veranstaltung engagieren möchte.“

„Und um welche Art von Veranstaltung handelt es sich?“, erkundigte sie sich. So schwer es ihr auch fiel, normal mit Jace zu reden, sie musste es einfach schaffen. „Für eine umfangreiche Planung brauche ich einige Details.“

„Die müsste meine Assistentin dir bereits telefonisch mitgeteilt haben.“

Eleanor schlug die Mappe auf, die sie von Jill bekommen hatte und die mit Atrikides Holdings gekennzeichnet war. „Weihnachtsfeier steht hier nur“, las Eleanor vor. „Das ist alles, was ich habe.“

Es klopfte an der Tür, und Jill kam mit einem Tablett in der Hand herein. Um sie so schnell wie möglich wieder loszuwerden, nahm Eleanor ihr das Tablett gleich ab und schickte sie wieder hinaus. Eleanor wusste nur zu gut, dass Jill schon lange scharf auf ihren Job war und jeden Fehler, der Eleanor unterlief, sofort notierte und zu ihrem Vorteil zu nutzen versuchte. Der Konkurrenzkampf in diesem Metier war gnadenlos, und man musste ständig auf der Hut sein, dass einem niemand die hart erkämpfte Position streitig machte. Eleanor schenkte für sich und Jace Kaffee ein und bot ihm eine Tasse an.

„Früher hast du nie Kaffee getrunken“, bemerkte er mit einem Lächeln, das sich nach Eleanors Empfinden nicht in seinen Augen widerspiegelte. „Ich hab mich damals schon gewundert, dass jemand, der selbst gar keinen Kaffee trinkt, ein Café eröffnen will.“

Eleanor spürte einen Stich im Herzen, und ihre Hand zitterte leicht, als sie ihre Tasse nahm, um einen Schluck zu trinken. Wie konnte Jace nur so tun, als würde er in alten Erinnerungen schwelgen wie ein guter alter Freund? Wusste er nicht mehr, wie tief er sie verletzt und gedemütigt hatte? Hatte er in all den Jahren nie darüber nachgedacht, wie schlimm es für sie gewesen sein musste zu erfahren, dass er nicht nur sie, sondern auch das Land verlassen hatte?

„Es ging nur ums Geschäft“, erwiderte sie betont kühl, um sich nichts von ihrem inneren Aufruhr anmerken zu lassen. „Ich hatte die Marktlücke erkannt und rechnete mir gute Chancen auf Erfolg aus. Ob ich Kaffee trinke oder nicht, spielte dabei keine Rolle.“

Jace trank seinen Kaffee immer noch schwarz mit zwei Löffeln Zucker, genau wie früher. Eleanor erinnerte sich nur zu gut daran, wie sie ihn in ihrer winzigen Studentenwohnung mit Kaffee und selbst gebackenen Keksen und Kuchen verwöhnt hatte, die sie bald in ihrem eigenen Café hatte verkaufen wollen. Sie erzählte ihm von diesem Traum, und Jace fand ihn fantastisch, genau wie ihre süßen Kreationen. Und Eleanor glaubte ihm. Sie glaubte ihm auch, als er behauptete, er würde sie lieben. Dass das jedoch eine Lüge war, hatte er ihr bewiesen, indem er sie schon kurze Zeit später ohne Vorankündigung verlassen hatte.

„Das stimmt nicht, Ellie, deine Pläne hatten nichts mit Geld zu tun“, widersprach er sofort. „Du hast davon geträumt, einen Ort zu schaffen, an dem die Menschen sich wohl und wie zu Hause fühlen. Oder weißt du das nicht mehr?“

Und ob sie das noch wusste! Eleanor erinnerte sich noch sehr genau daran, wann oder vielmehr wo sie Jace von ihrem großen Traum erzählt hatte – in seinem Bett, nachdem sie zum ersten Mal miteinander geschlafen hatten. Eleanor hatte all ihre Träume und Sehnsüchte mit Jace geteilt und ihm ihr Herz geöffnet, und was hatte er getan? Ihr das Herz gebrochen.

„Ich weiß sehr wohl, was ich damals wollte und was nicht“, erwiderte sie gereizt. „Aber das ist jetzt nicht das Thema. Und nenn mich bitte Eleanor.“

Jace zog überrascht die Brauen hoch. „Ich dachte, du magst diesen Namen nicht.“

„Das war vor zehn Jahren, und seitdem hat sich viel verändert, wie du vorhin so treffend bemerkt hast. Also nenn mich nicht mehr Ellie und vergiss, was damals war.“

„Das kann ich aber nicht vergessen“, erklärte er scharf. „So etwas vergisst man nie.“

Seine Worte irritierten Eleanor noch mehr. Was in aller Welt meinte Jace? Was konnte er nicht vergessen? Er tat ja geradezu, als wäre sie diejenige gewesen, die ihn verlassen hatte, und nicht umgekehrt. Was sollte sie denn damals falsch gemacht haben?

Weißt du das denn nicht? meldete sich da ihre innere Stimme, die sie nach all den Jahren immer noch quälte, wenn sie an Jace Zervas dachte. Du hast dich in ihn verliebt und den Fehler deines Lebens begangen: Du wurdest von ihm schwanger.

Jace konnte nur mit Mühe seinen Unmut unterdrücken. Eleanor tat geradezu, als wüsste sie nicht, wovon er redete. Aber was hatte er erwartet nach all den Jahren? Dass sie ihn um Verzeihung bitten würde? Oder ihm vor Freude über das unerwartete Wiedersehen gar um den Hals fiel? Nein, es hatte keinen Sinn, sie hier und jetzt mit der Vergangenheit zu konfrontieren, dafür war es viel zu spät. Dennoch ließ ihm eine Frage keine Ruhe: Er wollte wissen, was passiert war, nachdem er sie verlassen hatte. Wie hatte Eleanor sich entschieden? Hatte sie das Baby bekommen und den Vater des Kindes geheiratet? Und wie lebte sie jetzt? War sie immer noch mit diesem Mann zusammen, oder hatte sie es irgendwann bereut, dass sie ihn betrogen hatte?

Wahrscheinlich nicht, dachte er verdrossen, denn sie machte keineswegs den Eindruck, als würde ihr irgendetwas leidtun. Im Gegenteil, Jace hatte sogar das Gefühl, dass sie ihm böse war, aber er konnte sich nicht erklären, warum. Sie war doch diejenige, die ihn betrogen und ihre Beziehung dadurch zerstört hatte.

„Also, was ist nun mit der Weihnachtsfeier?“, fragte sie, als hätte sie seine letzte Bemerkung überhört, und nahm einen Stift zur Hand. „Würdest du mir bitte einige Informationen dazu geben?“

Zur Hölle mit der Weihnachtsfeier! dachte Jace wütend und konnte seine aufgestauten Gefühle nun kaum noch im Zaum halten. „Verdammt, ich will wissen, was es war!“, brach es aus ihm heraus, weil er einfach nicht mehr anders konnte. „War es ein Junge oder Mädchen?“ Und warum hast du mich betrogen? fügte er im Stillen hinzu. Wer war der Kerl, und hat er dich so sehr geliebt wie ich?

Doch sie das zu fragen, diese Blöße wollte Jace sich nicht geben. Eleanor sollte nicht wissen, wie sehr er unter ihrem Verrat gelitten hatte und bis heute noch litt.

Anstatt zu antworten, wurden ihre Züge jedoch nur noch härter, und Jace konnte kaum glauben, dass sie sich so verändert hatte. Seine süße Ellie von damals war natürlich und spontan gewesen und hatte ihre Gefühle niemals hinter einer eisernen Maske versteckt. Diese Frau jedoch, die ihm heute gegenübersaß, schien gar keine Gefühle mehr zu haben.

„Wir sollten die Vergangenheit ruhen lassen“, sagte sie nur, als wollte sie seine Meinung damit noch bestätigen. „Du bist für mich ein ganz normaler Kunde, und wenn wir professionell zusammenarbeiten wollen, müssen wir …“

„Also gut, fangen wir an“, schnitt er ihr gereizt das Wort ab, da er die Situation nicht noch verschärfen wollte. „Ich plane eine Weihnachtsfeier für die Mitarbeiter von Atrikides Holdings. Das heißt, für die, die noch übrig sind.“

„Die noch übrig sind? Was soll das heißen?“

„Das Unternehmen stand kurz vor dem Konkurs. Ich habe es letzte Woche gekauft, und das hat für etwas Furore gesorgt.“

Eleanor verzog spöttisch den Mund. „Eine Firmenübernahme also, stimmt’s?“

„Genau so ist es“, bestätigte Jace. „Ich musste mich von einigen Mitarbeitern trennen, die nicht meine Strategie verfolgen. Und da sich die Belegschaft jetzt ganz neu zusammensetzt, möchte ich diese Weihnachtsfeier dazu nutzen, um ein neues Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, wenn du verstehst, was ich meine.“

„Ich verstehe, was du meinst.“

Eleanors zynischer Tonfall verriet Jace nur zu deutlich, was sie von dieser Sache hielt. Sie verurteilte und verachtete ihn dafür, dass er ein Unternehmen aufgekauft und Menschen entlassen hatte, ohne jedoch die Hintergründe für seine Entscheidungen zu kennen. Jace ärgerte sich über sich selbst. Was kümmerte es ihn überhaupt, was diese Frau von ihm dachte? Er hatte guten Grund, sie zu verachten, und nicht umgekehrt.

Eleanor machte die ersten Notizen, doch sie konnte sich kaum aufs Schreiben konzentrieren. War es ein Junge oder Mädchen? hatte er gefragt. Wie konnte Jace es wagen, ihr diese Frage zu stellen? Zehn lange Jahre hatte es ihn nicht interessiert, wieso auf einmal jetzt? „Wie stellst du dir die Feier vor?“, fuhr sie wie mechanisch fort. „Soll es ein Dinner-Abend werden mit einem erlesenen Menü, bei dem die Leute gemütlich zusammensitzen, oder eher eine Cocktail Party? Und wie viele Gäste werden es in etwa sein?“

„Etwa fünfzig Angestellte, davon viele mit Familie. Manche bringen kleine Kinder mit, deshalb sollte die Feier zwar niveauvoll, aber trotzdem sehr familienfreundlich sein.“

Familienfreundlich, wiederholte Eleanor im Stillen und spürte wieder einen Stich, wie jedes Mal, wenn sie Partys für Familien organisieren sollte. „Und wie genau …“

„Hör zu, Eleanor, ich habe nicht die Zeit, jedes einzelne Detail mit dir durchzusprechen, denn ich bin nur eine Woche in New York. Und die Feier soll schon kommenden Freitag stattfinden.“

Eleanor blickte überrascht von ihrem Notizblock auf. Dass die Party schon am Freitag steigen sollte, hatte Jill ihr nicht mitgeteilt. „Aber das ist unmöglich“, sagte sie perplex. „Veranstaltungsorte müssen lange im Voraus gebucht werden, und außerdem habe ich noch andere Kunden, die schon vor dir …“

„Geld macht alles möglich“, schnitt Jace ihr erneut das Wort ab. „Außerdem hat deine Chefin mir schon zugesagt. Sie hat mir versichert, dass du in der Lage bist, das hinzukriegen, denn du bist die Beste hier im Team. Oder stimmt das etwa nicht?“

„Das kann man nicht so …“

„Schick mir einfach bis morgen per E-Mail eine Liste mit allen Details, die unbedingt zu klären sind.“ Jace stand auf und trat an die große Fensterfront, von der aus man den Madison Square Park überblicken konnte. „Du scheinst es wirklich weit gebracht zu haben, Ellie. Da drängt sich mir die Frage auf, über wie viele Leichen du hast gehen müssen, um dieses grandiose Fleckchen zu erobern.“

Eleanor wäre beinahe aufgesprungen und hätte ihm eine Ohrfeige für diese Beleidigung verpasst. Wie konnte er es wagen, so mit ihr zu reden? Dann aber besann sie sich. Wenn sie sich zu solchen Reaktionen hinreißen ließ, könnte sie das ihren Job kosten.

„Wie dem auch sei, ich halte es nicht für nötig, dass wir uns vor der Party noch mal sehen“, sagte Jace schließlich, ohne ihre Antwort abzuwarten, und drehte sich wieder zu ihr um. „Es reicht, wenn wir telefonisch oder per E-Mail miteinander kommunizieren.“

„Es war ein Mädchen!“, rief Eleanor ihm nach, als er schon an der Tür war. „Das wolltest du doch wissen.“

Jace hielt inne und wirkte einen Augenblick wie erstarrt, dann drehte er sich langsam um, und in seinen Augen lag ein seltsamer Glanz. „Ja, das wollte ich wissen“, sagte er und verließ ihr Büro.

2. KAPITEL

„Ist Mr Zervas schon weg?“

Eleanor blickte von ihren Notizen auf und sah in Lily Stevens’ perfekt geschminktes Gesicht. Mit ihrem eleganten Styling und der strengen Miene erinnerte sie Eleanor sehr an ihre Mutter, die bis vor fünf Jahren Lilys engste Geschäftspartnerin gewesen war. „Ja, gerade erst vor fünf Minuten.“

„Das ging aber schnell.“

Eleanor stand auf und stellte die leeren Kaffeetassen aufs Tablett. „Er hatte nur sehr wenig Zeit. Scheint ein sehr beschäftigter Mann zu sein.“

„Das ist er, in der Tat.“ Lily musterte Eleanor kritisch. „Jill meinte vorhin, sie hätte das Gefühl gehabt, als … nun ja, als würde eine angespannte Stimmung zwischen dir und Mr Zervas herrschen.“

Nun ärgerte sich Eleanor maßlos. Das sah Jill ähnlich! Sie ließ wirklich keine Chance aus, um sie bei Lily anzuschwärzen. Eleanor versuchte sich nichts von ihrem Ärger anmerken zu lassen und lächelte. „Nun, da hat sie sich getäuscht.“

Doch Lily kniff skeptisch die Augen zusammen. „Ich muss dir wohl nicht extra sagen, dass Zervas ein millionenschwerer Fisch ist, oder?“

„Nein, das ist mir schon bekannt.“ Eleanor wusste nur zu gut, wie reich und mächtig Jace war. Reich war er schon damals gewesen, als sie ihn als zweiundzwanzigjährigen Austauschstudenten in Boston kennengelernt hatte. Und die Macht kam mit dem Geld.

„Dann ist dir sicher auch bewusst, was ich von dir erwarte?“, fuhr Lily fort. „Das heißt im Klartext, dass du dich hundertprozentig auf diesen Auftrag konzentrierst und alles dafür tust, um Mr Zervas zufriedenzustellen. Um deine anderen Kunden brauchst du dir keine Gedanken zu machen“, fügte sie hinzu, als Eleanor schon den Mund zum Widerspruch aufmachen wollte. „Die habe ich für diese Woche Laura zugeteilt.“

Na wunderbar! Eleanor hatte größte Mühe, sich zurückzuhalten. Mit besagten Kunden arbeitete sie schon seit Monaten zusammen, und wenn sie sie jetzt an Laura abtrat, musste sie später wieder um sie kämpfen. Eleanor biss vor Zorn die Zähne zusammen. Dieser Job war wirklich gnadenlos, und sie wusste nicht, wie lange sie diesen unerbittlichen Konkurrenzkampf noch gewillt war mitzumachen. Doch wenn Lily eine Entscheidung traf, war die unumstößlich, und Eleanor konnte sich nicht dagegen wehren. Außerdem würde sie den Teufel tun und Jace Zervas’ wegen ihre Karriere aufs Spiel setzen. Sie würde diese Party arrangieren und ihn danach vergessen, ganz einfach!

„Was ist los, Eleanor? Ist das etwa ein Problem für dich?“

Eleanor hasste diesen Ton an ihrer Chefin. Diesen samtweichen und zugleich drohenden Unterton, mit dem auch Eleanors Mutter sie in ihrer Kindheit oft gemaßregelt hatte. Eleanor konnte manchmal selbst kaum glauben, dass sie tatsächlich in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten war und noch dazu für eine Frau arbeitete, die ihrer Mutter extrem ähnlich war. Aber das alles hatte einen guten Grund: Nachdem sie von Jace verlassen worden war, hatte Eleanor sich von Grund auf ändern wollen, um alles, was sie mit ihm verband, auszulöschen und möglichst zu vergessen. Nach seinem Weggang hatte sie sich von allem abgewendet, was ihr lieb und teuer gewesen war, um ihr altes Leben zu verbannen. Sie hatte sich zum Ziel gesetzt, ein völlig neuer Mensch zu werden, und das hatte sie geschafft.

„Natürlich nicht, im Gegenteil“, log sie, um Diskussionen zu vermeiden. „Ich fühle mich sogar geehrt, für einen so einflussreichen Mann wie Mr Zervas zu arbeiten. Ihn als Kunden zu gewinnen, ist eine große Errungenschaft für unsere Agentur.“

Daraufhin nickte Lily wohlwollend. „Genauso sehe ich das auch. Kommt er noch einmal hierher?“

„Nein, wir haben ausgemacht, alles Weitere telefonisch oder per E-Mail zu regeln.“

Damit gab Lily sich zufrieden, und so verbrachte Eleanor den Rest des Tages ausschließlich mit der Planung für Jace’ Weihnachtsfeier. Sie wählte die Nummer, die er ihr gegeben hatte, und es meldete sich eine Sekretärin von Atrikides Holdings.

„Ach, das ging ja alles furchtbar schnell“, sprudelte die Frau am Telefon nur so heraus, nachdem Eleanor sich vorgestellt und um Infos für die Weihnachtsfeier gebeten hatte. „Mr Zervas ist wie ein Wirbelsturm hereingefegt und hat gleich am ersten Tag fast die Hälfte aller Mitarbeiter entlassen. Sie mussten auf der Stelle ihre Sachen packen und verschwinden, sogar Talos Atrikides, der Sohn des Geschäftsführers, können Sie sich das vorstellen?“

„Nun, dann wäre eine schöne Weihnachtsfeier sicher gut geeignet, um die Wogen zu glätten“, erwiderte Eleanor diplomatisch und nahm ihrer Gesprächspartnerin damit den Wind aus den Segeln. In Eleanors Job war es ganz besonders wichtig, stets neutral und unparteiisch zu bleiben und sich nie zu Klatsch und Tratsch oder gar Hetzerei hinreißen zu lassen. Dennoch stimmte das Telefonat sie nachdenklich. Jace war zweiundzwanzig Jahre alt gewesen, als sie ihn damals kennenlernte – ein liebenswerter und sensibler junger Mann, der schon bei ihrer ersten Begegnung ihr Herz erobert hatte. Wie eiskalt er jedoch sein konnte, hatte Eleanor selbst bitter erfahren müssen, und was diese Sekretärin ihr jetzt erzählte, bestätigte nur das Bild, das Eleanor sich von ihm gemacht hatte. Jace schien tatsächlich ein skrupelloser Geschäftsmann zu sein, der über Leichen ging und sich nur für seinen eigenen Vorteil interessierte.

Es war beinahe Mitternacht, als Eleanor erschöpft ihr Büro verließ. Morgen würde sie Jace eine Liste mit allen wichtigen Einzelheiten mailen und dann auf seine Antwort warten. Es war dunkel und kalt auf der Straße, und zum Glück hatte Eleanor nur einen kurzen Weg nach Hause. Ihre Wohnung befand sich wenige Häuserblocks von ihrem Arbeitsplatz entfernt in einem nicht gerade schönen Gebäude aus Stahl und Glas in der Nähe des Hudson River. Eleanor mochte diesen Baustil nicht, doch sie hatte die Wohnung gekauft, da ihre Mutter meinte, es wäre eine lohnende Investition. Im Grunde war es Eleanor egal, wo sie wohnte, denn sie verbrachte ohnehin kaum Zeit zu Hause.

Sie fuhr mit dem Aufzug ins dreizehnte Stockwerk, wo sich ihr Apartment befand. Ihr Magen knurrte schon seit Stunden, doch der Kühlschrank gab außer einer Fleischpastete, deren Verfallsdatum längst überschritten war, einem Joghurt und einem halben Liter Milch nichts her. Eleanor seufzte tief. Kaum zu glauben, dass sie früher mit Begeisterung Kuchen, Kekse und Muffins gebacken und sogar von einem eigenen Café geträumt hatte. Nun schaffte sie es nicht einmal mehr, ab und zu für sich allein zu kochen.

Sie nahm eine Schachtel Kräcker aus dem Schrank und setzte sich damit ins Wohnzimmer. Es war schon lange her, seit sie zum letzten Mal an ihren Traum von einem eigenen Café gedacht hatte. Damals hatte sie Jace ganz genau erzählt, wie sie sich das alles vorstellte: Es sollte eine Mischung aus Café, Bücherladen und Kunstgalerie werden – ein gemütlicher und heimeliger Ort für Menschen, die sich für Literatur und Kunst interessierten und dabei auch noch mit leckerem Gebäck verwöhnen lassen wollten. Und für Eleanor selbst sollte es das Zuhause werden, das sie nie besessen hatte. Die Erfüllung ihrer Träume war ihr so greifbar nahe erschienen, hatte sie doch geglaubt, in Jace einen Seelenverwandten gefunden zu haben, der sie aus vollem Herzen unterstützte. Doch dann kam alles anders, und ihr Traum war zerplatzt wie eine Seifenblase.

Eleanor stellte die Schachtel mit den Kräckern auf den Tisch, ging ins Bad und kurz darauf ins Bett. Obwohl sie hundemüde war, konnte sie nicht einschlafen, denn die Erinnerungen an ihre Zeit mit Jace ließen ihr einfach keine Ruhe. Was hatten sie damals für einen Spaß miteinander gehabt! Jace war so begeistert von ihren Kreationen gewesen, dass er mit Feuereifer mit ihr zusammen Pläne geschmiedet hatte, wie sie ihren Traum von „Ellie’s Kultur-Café“, wie sie es hatte nennen wollen, am besten verwirklichen könnte.

Und dann kam der erste Kuss, und der war so berauschend gewesen, dass Eleanor sich Hals über Kopf in Jace verliebt hatte. Es war wundervoll gewesen, mit ihm zu schlafen und danach eng an ihn geschmiegt in seinen Armen zu liegen. Ein dicker Kloß formte sich in ihrem Hals, und Tränen liefen über ihre Wangen, als sie daran dachte, wie es danach weiterging. Gerade dann, als es am allerschönsten mit Jace war, als sie erfahren hatte, dass sie ein Kind von ihm erwartete, kam der große Schock. Jace war einfach weggegangen, von einem Tag auf den andern und ohne jegliche Erklärung. Eleanor hatte noch verzweifelt versucht, ihn telefonisch zu erreichen, aber seine Handynummer war plötzlich nicht mehr gültig, und auch auf ihre zahlreichen E-Mails bekam sie niemals eine Antwort.

Am schlimmsten aber war der Tag gewesen, an dem Eleanor ihr Baby verloren hatte. Sie schloss fest die Augen, um den Schmerz zu betäuben, der noch heute in ihr wütete, wenn sie an diesen furchtbaren Tag dachte. Dieser Schmerz würde nie vergehen, denn Eleanor wusste, dass sie niemals …

Stopp! befahl sie sich selbst und drehte sich auf die andere Seite. Sie durfte nicht mehr daran denken, was gewesen war, sondern musste die alten Erinnerungen verdrängen, so wie sie es schon seit zehn Jahren tat. Nur so gelang es ihr, den Alltag zu bewältigen und sich nicht von ihrem Kummer zermürben zu lassen. Eleanor lag noch lange wach, bis die Müdigkeit sie schließlich übermannte und in einen tiefen, traumlosen Schlaf gleiten ließ.

Trotz ihrer kurzen Nacht saß Eleanor schon um acht Uhr morgens wieder im Büro. Sie war gerade dabei, Jace die versprochene E-Mail zu schreiben, doch es fiel ihr unglaublich schwer, die richtigen Worte zu finden. Einerseits sollte die Nachricht professionell und sachlich klingen, andererseits kam ihr das irgendwie lächerlich vor in Anbetracht der Tatsache, dass sie Jace schon so lange kannte. Außerdem sollte er anhand ihres Schreibstils auf keinen Fall merken, wie aufgewühlt sie seinetwegen war.

Nach einer Stunde hatte sie endlich alles fertig: eine sachliche Auflistung aller wichtigen Arrangements, wie zum Beispiel den Veranstaltungsort, die Menüauswahl, Sitzordnung, Dekoration und so weiter und so fort. Kaum hatte Eleanor die Nachricht abgeschickt, läutete das Telefon.

„Das ist vollkommen inakzeptabel.“

Eleanor starrte perplex auf den Bildschirm. Jace konnte unmöglich innerhalb von einer Minute alle Punkte auf ihrer Liste durchgegangen sein. „Was soll das heißen?“, fragte sie gereizt.

Sie hörte, wie Jace tief Luft holte. „Das ist Null-acht-fünfzehn, Ellie.“

Autor

Kate Hewitt
Aufgewachsen in Pennsylvania, ging Kate nach ihrem Abschluss nach New York, um ihre bereits im College angefangene Karriere als Schauspielerin weiter zu verfolgen. Doch ihre Pläne änderten sich, als sie ihrer großen Liebe über den Weg lief. Bereits zehn Tage nach ihrer Hochzeit zog das verheiratete Paar nach England, wo...
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