Küsse, so süß wie spanischer Wein

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Eigentlich wollte Rosalinda nur kurz ihr geerbtes Haus auf Mallorca besichtigen. Doch heftige Regenfälle zwingen sie und den atemberaubend attraktiven Adam, der ihre Villa kaufen will, Tage und Nächte dort gemeinsam zu verbringen. Ein unglaublich sinnliches Abenteuer beginnt …


  • Erscheinungstag 28.07.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733758363
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Die Bucht war einfach wunderschön. Das tiefblaue Wasser glitzerte unter dem wolkenlosen Himmel wie mit Diamanten übersät. Rose hob ihren Fotoapparat, ließ ihn dann aber langsam wieder sinken. Sie durfte keinen Film verschwenden. Aber würden ein paar Aufnahmen von der Bucht Verschwendung sein? Schließlich war sie auf Mallorca, um eine Werbeaktion für ein Reiseunternehmen vorzubereiten. Rose seufzte. Vielleicht sollte sie sich lieber vorher mit ihrem zukünftigen Kunden absprechen.

Dennoch würden solche Fotos schon gut in das Konzept passen. Und wenn nicht, dann würde sie eben selbst dafür aufkommen und die Aufnahmen behalten. Sie zückte den Apparat erneut und blickte durch den Sucher, um ein geeignetes Motiv zu finden.

Da, bei der kleinen Gruppe von Booten, kam plötzlich eine männliche Gestalt ins Blickfeld, und Rose stockte der Atem. Die Idee, die ihr schon des Längeren vorschwebte, schien Formen angenommen zu haben.

Der Mann verkörperte genau das, was sie sich vorgestellt hatte. Er war groß, größer als der Durchschnittsmallorquiner, tief gebräunt und schien eine großartige Figur zu haben, was durch das weiße Hemd und die tief auf den Hüften sitzenden Jeans betont wurde. Er betrachtete eine große weiße Jacht, sodass Rose lediglich sein markantes Profil erkennen konnte.

Nun drehte der Fremde den Kopf und schaute direkt in ihre Richtung. Rose atmete tief durch. Er war der attraktivste Mann, den sie seit Langem gesehen hatte. Als er aus ihrem Blickwinkel verschwand, ließ sie den Apparat sinken und hatte dabei das unbestimmte Gefühl, etwas Wichtiges wäre ihr abhandengekommen. Warum sie so fühlte, war ihr unklar. Immerhin hatte sie den Mann auf dem Film festgehalten, und nun lag es an ihr, dem Chef des Reiseunternehmens, mit dem sie sich auf Mallorca treffen sollte, ihr Konzept zu verkaufen.

Eine Bewegung in ihrer Nähe ließ Rose aufblicken. Sie erstarrte, weil der Mann, den sie fotografiert hatte, plötzlich direkt bei ihr stand. Er war noch attraktiver, als er ihr aus der Ferne erschienen war, und überragte Rose um einiges. Zudem wirkte er außerordentlich ärgerlich.

Sie schaute ihm in die Augen, und einen Moment lang wurden die Geräusche der lebhaft befahrenen Promenade ausgeblendet. Es gab nur sie beide, allein in ihrer eigenen Welt und sich derartig intensiv der gegenseitigen Gegenwart bewusst, wie Rose es bis zu diesem Moment noch nicht erlebt hatte.

Ein Kind schrie, und der Zauber war gebrochen. Rose vermochte nun kaum noch zu fassen, was da eben geschehen war. Wie konnte sie nur in dem Maße auf einen ihr völlig Unbekannten reagieren? Er musste wie sie empfunden haben, denn in seinen Augen lag ein Ausdruck, den sie nicht verstehen wollte. Er schüttelte den Kopf, und sie wusste, was immer es auch gewesen war, es war vorbei.

„Was machen Sie da eigentlich?“, fragte der Mann unwirsch.

„Ich … ich …“ Rose fühlte sich völlig aus dem Konzept gebracht.

Reiß dich zusammen, wies sie sich zurecht. Er ist Engländer, und selbst wenn er jetzt so aussieht, als wolle er mir den Hals umdrehen, so wird er es gewiss nicht tun.

Im nächsten Moment war sie sich dessen nicht mehr ganz so sicher. Der Mann griff nach der Kamera und riss sie ihr aus der Hand. Wie gelähmt sah Rose zu, wie er den Apparat öffnete. Aber blitzschnell erwachte sie wieder aus ihrer Erstarrung, während der Mann den Film ins Wasser warf.

„Was soll das?“, schrie Rose. „Was fällt Ihnen ein, meinen Film wegzuwerfen? Sie haben nicht das Recht …“

„Und ob ich es habe! Niemand darf mich ohne meine Einwilligung fotografieren. Ihr Touristen seid alle gleich. Ihr meint, euch sei alles erlaubt. Zu ihrer Information, es gibt noch ein paar Menschen auf dieser Welt, für die ihr Privatleben sehr wichtig ist. Es liegt mir nichts daran, von schwachköpfigen Teenagern angehimmelt zu werden.“

Rose schluckte die Worte hinunter, die sie dem Mann am liebsten entgegengeschleudert hätte. Es war schlimm, für eine Touristin oder gar für einen schwachköpfigen Teenager gehalten zu werden.

Sie bemühte sich, ihren Ärger im Zaum zu halten, und sah dem Mann geradewegs in die Augen. Das brachte sie jedoch erneut aus der Fassung, denn Rose hatte noch nie solch eindringlich blickende blaue Augen gesehen. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und sich schnell davongemacht. Aber diese Genugtuung wollte sie ihm nicht geben.

„Ich bin weder eine Touristin noch ein Teenager“, sagte sie kühl. „Ich sehe ein, ich hätte Sie fragen sollen, ob ich Sie fotografieren darf. Trotzdem meine ich, dass Sie viel Lärm um nichts machen. Oder haben Sie vielleicht etwas zu verbergen?“

„Was wollen Sie denn damit sagen?“, fuhr er sie an. „Ich habe nichts zu verbergen, sondern lege Wert darauf, das zu tun, was mir passt, ohne von irgendeinem Püppchen mit Fotoapparat belästigt zu werden.“

„Das gibt Ihnen noch lange nicht das Recht, meinen Film zu vernichten. Hätten Sie zugestimmt, wenn ich Sie gefragt hätte?“

„Wahrscheinlich nicht. Versuchen Sie mir etwa weiszumachen, dass Sie beruflich fotografieren? Das zieht bei mir nicht, Kleine.“ Er kniff die Augen leicht zusammen. „Gehört dieser Fotoapparat überhaupt Ihnen? Vielleicht haben Sie ja vergessen, auch den Besitzer um Erlaubnis zu fragen. Ich denke, ich sollte die Kamera der Polizei übergeben – und Sie gleich mit.“

Der Mann langte nach ihr, aber Rose wich ihm aus und griff dabei nach dem Apparat. Der Fremde hielt ihn fest, ließ ihn dann aber ganz plötzlich los. Sie verlor daraufhin die Balance, die Kamera rutschte ihr aus der Hand und flog direkt unter die Räder eines zurücksetzenden Autos.

Rose stand starr vor Entsetzen, als sie das Knirschen des Metalls hörte. Der Mann neben ihr fluchte leise, und das brachte sie wieder zu sich. Sie wirbelte herum – ein kleines blondes Energiebündel voller Zorn.

„Da sehen Sie, was Sie angerichtet haben! Der Apparat hat mehrere Hundert Pfund gekostet und gehört mir nicht einmal.“

„Hab’ ich’s doch gedacht! Sie hatten ihn ‚ausgeliehen‘, stimmt’s?“

„Nein, habe ich nicht! Nur ein arroganter Kerl wie Sie kommt auf solche Gedanken. Wenn Sie’s genau wissen möchten, Mr. Wer-auch-immer-Sie-sind, er gehört meiner Firma, und ich bin hier, um zu arbeiten.“

Ihr Blick fiel auf die Überbleibsel, die einmal ein Fotoapparat gewesen waren, und sie stöhnte auf. Hastig presste sie die Faust vor den Mund, um sich vor dem Mann, der so überheblich und so verletzend war, keine Blöße zu geben.

Danach drehte Rose sich um und lief über die dicht befahrene Straße, ungeachtet der hupenden Autofahrer und der Rufe des Mannes.

Wie durch ein Wunder erreichte Rose heil die gegenüberliegende Straßenseite. Dann rannte Rose die erstbeste Straße hinunter, um jegliche Verfolgung auszuschließen.

Ein paar Minuten später verlangsamte Rose ihr Tempo und schaute vorsichtig über die Schulter zurück. Bis auf einige wenige Menschen, von denen keiner groß und gebräunt war, war die schmale Gasse menschenleer. Langsam ging Rose zu dem bescheidenen Hotel, in dem sie sich mit so großen Erwartungen am Abend zuvor einquartiert hatte. Sie war zu erschöpft gewesen nach dem Flug von England und zu aufgeregt über den ersten großen Auftrag, mit dem Craig sie betraut hatte, dass sie kaum hatte schlafen können. Und dann gab es da noch einen anderen Grund für ihre Reise nach Mallorca. Aber nun hatte der Vorfall mit dem Fotoapparat alles zunichtegemacht.

Craig. Leise stöhnend öffnete sie die Tür zu ihrem Zimmer. Wie sollte sie, Rose, ihm das Ganze bloß beibringen? Sie ließ sich bäuchlings aufs Bett fallen und stützte das Gesicht in beide Hände.

Rose hatte Craig vor über einem Jahr kennengelernt. Damals hatte sie sich als Assistentin bei dem Beratungsbüro Design for Today in Warwick beworben. Nachdem sie eine Ausbildung als Fotografin absolviert und ein Jahr beim Fernsehen gearbeitet hatte, wollte sie sich unbedingt beruflich verändern. Der erste Eindruck von Craig Dawson machte sie zuversichtlich, gut mit ihm zusammenarbeiten zu können. Dabei würden vielleicht auch die unschönen Erlebnisse der letzten Monate in Vergessenheit geraten.

Craig hatte keinen Zweifel, dass sie genau dem entsprach, was er sich unter einer guten Assistentin vorstellte. Roses Eindruck, was die gute Zusammenarbeit anging, erwies sich als richtig, und seit einiger Zeit standen sie sich näher, als es normalerweise zwischen Arbeitgeber und Angestellter üblich war.

Craig vermittelte den Eindruck, dass er einen guten Ehemann und Vater abgeben würde. Was wollte sie, Rose, mehr? Himmelstürmende Liebe gab es lediglich in Liebesromanen, nicht aber in der Wirklichkeit, wie Rose nur zu genau erfahren hatte. Craig teilte ihre Meinung. Sie passten gut zusammen, und nach dem zu urteilen, was er ihr, Rose, vor ihrer Abreise aus England gesagt hatte, war er so gut wie bereit, den entscheidenden Schritt mit ihr zu gehen.

Es war zwar alles ein bisschen berechenbar und geruhsam, doch schließlich waren sie beide keine Teenager mehr. Craig war achtundzwanzig und sie fünf Jahre jünger, und zu heiraten und eine Familie zu gründen waren ernst zu nehmende Vorhaben. Es gab keine rosaroten Wolken, auf denen man schweben konnte, die Erde bebte nicht, wenn sie beide sich küssten, und das fand Rose auch gut so. Aber über eine Sache hatte sie sich Gedanken gemacht: Trotz aller Vertrautheit, die sich zwischen ihnen entwickelte, tat Craig sich schwer, sie, Rose, mit mehr als nur routinemäßiger Arbeit zu betrauen.

Rose ärgerte sich zunehmend über seine Einstellung, dass Männer in allem, was nach mehr als nach Routinearbeit aussah, besser wären, und befürchtete, dass die Enttäuschung sich möglicherweise auf die Beziehung auswirken könnte. Aber dann übergab Craig Rosa den Mallorca-Job für Ferrier Travel und nun war das passiert.

Sie ballte die Hände zu Fäusten. Wie gern hätte sie diesen grässlichen Mann damit bearbeitet! Der Fotoapparat war Craigs ganzer Stolz und hatte für ihn einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand bedeutet. Denn die Geschäfte, das musste sie leider zugeben, gingen nicht so gut, wie sie sollten. Und ihr war durchaus bewusst, dass Craigs Einstellung eine ganze Menge mit dem Stagnieren der Firma zu tun hatte. Craig war von Haus aus konservativ und missbilligte aufs Schärfste die Risikofreude seiner Konkurrenten.

„Wir leisten gute, solide Arbeit“, hatte er ernsthaft gesagt, und Rose konnte nur zustimmen. Niemand konnte Craig nachsagen, dass er sich bei allem, was er anpackte, nicht Zeit nahm und sorgfältig recherchierte. Und wenn einige Kunden meinten, er sei nicht nur gewissenhaft, sondern auch ziemlich langweilig, und zu dynamischeren und kreativeren Firmen überwechselten, dann schrieb Craig das dem schlechten Geschmack der Klientel zu. Leider war das der Firma Design for Today nicht gerade förderlich.

Rose stand auf, strich sich energisch das helle Sommerkleid glatt und ging auf die Tür zu. Von einem wenn auch nicht gerade unerheblichen Rückschlag wollte Rose sich nicht in die Knie zwingen lassen. In einem Ort wie Puerto Pollensa musste doch ein vernünftiger Fotoapparat aufzutreiben sein.

Nach zwei Stunden gab Rose sich geschlagen. Sie hatte die kleine Stadt von einem Ende bis zum anderen durchkämmt, aber nirgendwo gab es einen geeigneten Fotoapparat zu leihen. Zu kaufen schon, jedoch die Guten waren viel zu kostspielig. Rose betrachtete skeptisch den einfachen Apparat, den sie gerade erstanden hatte. Er mochte gut genug für den Durchschnittstouristen sein, aber er kam ihr jämmerlich unzureichend für den Job vor, mit dem sie beauftragt war.

Sie setzte sich auf eine Bank mit Blick auf die Bucht. Die Idee, die Rose vor wenigen Stunden noch so großartig erschienen war, hatte ihr nichts als Ärger eingebracht. Statt der gewöhnlichen Reisebroschüren mit ihren ewigen schönen Landschaftsbildern und den ebenso schönen jungen Menschen hatte sie, Rose, einmal etwas ganz Neues machen wollen. Es gab Dutzende dieser Kataloge, die auch alle gut waren, hätte Craig sich aber näher damit beschäftigt, dann wäre ihm etwas aufgefallen. Die Leute von Ferrier Travel, mit denen sie ins Geschäft kommen wollten, beabsichtigten, mit ihren Exklusivreisen besonders Familien und ältere Leute anzusprechen. Es war Roses Idee gewesen, Menschen verschiedener Altersgruppen im Einklang mit der Landschaft zu bringen. Für Rose stand fest, dass dieses Konzept gut ankommen würde.

Und dieser Idee war es auch zu verdanken, dass sie einen Probeauftrag erhalten hatten. Ferrier Travel war eines der ältesten und größten Reiseunternehmen und hatte einen guten Ruf, obwohl die Firma sich nach Roses Meinung etwas altmodisch gab.

Craig wollte sich an die traditionelle Ausrichtung halten, Rose jedoch hatte das unbestimmte Gefühl, dass ihnen hier andere Firmen einen Schritt voraus waren und ihre einzige Chance darin lag, sich etwas Neues einfallen zu lassen. Zumindest mussten sie den altbewährten Konzepten einen neuen Kick versetzen, wenn sie ins Geschäft kommen wollten, was sie bitter nötig hatten.

Rose hatte Craig schließlich davon überzeugen können, es einmal mit ihren Vorstellungen zu versuchen, wobei sie sich absichtlich vage darüber äußerte, was sie eigentlich im Sinn hatte. Craig glaubte, sie wollte die ursprünglichere Seite der Insel fotografieren, was Rose durchaus beabsichtigte, sie wollte aber auch das festhalten, was die Insel Menschen der verschiedensten Altersgruppen zu bieten hatte.

Nun war Rose sich nicht mehr sicher, ob sie das auch würde realisieren können. Vielleicht sollte sie sich erst einmal darauf konzentrieren, weshalb sie außerdem nach Mallorca gereist war. Sie hatte vor, gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und Geschäftliches mit Urlaub zu verbinden. Craig hatte nur eingewilligt, weil Rose bereit gewesen war, für die Reise ihren „normalen“ Urlaub zu opfern, wollte aber die Kosten übernehmen, na ja, jedenfalls einen Teil davon. Als Rose es Maisie, der Empfangssekretärin, erzählte, meinte diese, Craig sei ein Geizkragen.

„Craig ist nicht kleinlich, Maisie“, hatte Rose gesagt, entrüstet darüber, dass jemand Craigs Geschäftssinn falsch deutete. „Ich habe einen Brief von einem Rechtsanwalt auf Mallorca erhalten – eine mir unbekannte Tante hat mich in ihrem Testament bedacht. Ich könnte natürlich schreiben und um Einzelheiten bitten, da ich aber nun Gelegenheit habe, sowieso dorthin zu fahren, kann ich mich auch persönlich mit Señor Pueg bekannt machen und gleichzeitig die Recherchen für den Auftrag übernehmen.“

„Was Ihre Tante Ihnen wohl vermacht hat?“ Maisie sah Rose mit großen Augen neugierig an.

„Keine Ahnung. Ich wusste zwar, dass da irgendwelche Verwandte meiner Mutter auf der Insel lebten, aber ich dachte, die wären alle längst tot.“

„Schickt der Chef nun deshalb nicht Oliver Hanson nach Mallorca? Der gute alte Oliver hatte sich schon so auf ein paar schöne Tage in der Sonne gefreut. Ich vermute, unser lieber Chef konnte nicht widerstehen, als Sie anboten, den Job mit Ihrem Urlaub zu verbinden. Trotzdem meine ich, Sie sollten ein paar extra Urlaubstage eingeräumt bekommen.“

Rose warf Maisie einen ärgerlichen Blick zu. Sie brauchte nicht auch noch Maisie, um sich ihrer eigenen Vorbehalte, was Craig betraf, bewusst zu werden. Doch Rose verdrängte ihre Zweifel schnell und lächelte die Sekretärin an.

„Mir soll das alles nur recht sein – ich kann Berufliches mit einem Urlaub verbinden, mich mit dem Rechtsanwalt meiner Tante treffen und darf mal etwas anderes fotografieren als immer nur Suppendosen.“

„Ach, ist das romantisch“, hatte Maisie schwärmerisch geflüstert, und Rose hatte lachen müssen und Maisie dann versprochen, ihr eine Ansichtskarte zu schicken.

Rose fröstelte nun trotz der Hitze. Es war Rose nicht bekannt gewesen, dass Craig vorhatte, Oliver Hanson nach Mallorca zu schicken, bis sie das von Maisie erfuhr. Ein unbestimmtes Gefühl der Beunruhigung durchfuhr Rose bei dem Gedanken, es nicht selbst von Craig erfahren zu haben. Jetzt verstand sie, warum er seine Meinung geändert hatte.

Sie lächelte ironisch. Maisie hatte recht – Craig hatte die Gelegenheit erkannt, Geld zu sparen, was sie, Rose, ihm wohl schlecht übel nehmen konnte.

Ich bin mir sicher, dass ich genauso gute Arbeit leisten kann wie Oliver, sogar noch bessere, sagte sie sich trotzig. Oliver arbeitete zwar sehr zuverlässig, gehörte allerdings nicht gerade zu denen, die versuchten oder die Notwendigkeit sahen, neue Ideen zu verfolgen.

Sie stand auf. Es hatte keinen Zweck, etwas auf die lange Bank zu schieben. Craig erwartete von ihr, Rose, dass sie sich nach ihrer Ankunft mit Señor Bauza, dem Agenten von Ferrier Travel, in Verbindung setzte. Vielleicht konnte der ihr ja bei dem Problem mit dem Fotoapparat behilflich sein? Zuversichtlich machte sie sich auf den Weg zur Agentur, die sich in einer Seitenstraße mit schattigen Bäumen befand. Rose öffnete dann das Tor zu einer hübschen Villa – das war einmal eine Abwechslung zu all den anderen Büros, die Rose kannte.

Die attraktive schwarzhaarige Empfangssekretärin lächelte bedauernd, als Rose sich vorstellte.

„Señor Bauza musste unerwartet fort“, sagte die Frau, „und leider wird er erst in ein paar Tagen zurückkommen.“

Rose seufzte. Es war äußerst wichtig, dass sie sich mit jemandem über die Broschüre unterhielt. Wenn Señor Bauza nicht zur Verfügung stand, würde das die Angelegenheit in die Länge ziehen, wovon Craig sicher nicht begeistert sein würde.

„Ich habe jedoch eine Nachricht für Sie, Señorita“, sagte die Sekretärin ruhig.

Rose sah sie fragend an.

„Señor Ferrier erwartet Sie bei einer Party, die er heute Abend im Hotel Alonzo gibt. Er bedauert sehr, dass er Ihnen vorher nicht zur Verfügung stehen kann.“

Unwillkürlich wurde Rose hellhörig. Aus dem ruhigen Tonfall der Sekretärin glaubte sie unterschwellig einen Befehl herauszuhören, dem sie, Rose, zu gehorchen hatte.

„Señor Ferrier bat mich, Ihnen zu verstehen zu geben, wie wichtig Ihre Anwesenheit bei dieser Party sei. Er ist ein sehr beschäftigter Mann. In den nächsten Tagen wird sich keine andere Gelegenheit zu einem Treffen bieten“, fuhr die Sekretärin fort.

Rose hatte das Gefühl, dass sie und ihre Pläne zum Scheitern verurteilt waren. Zuerst die Sache mit dem Fotoapparat, und nun musste sie sich, statt im Büro des Kunden mit dem Agenten die Geschäfte zu bereden, mit dem Chef auf einer Party treffen, wo sich wohl kaum Gelegenheit zu einem ordentlichen Gespräch ergeben würde.

Auf dem Rückweg zum Stadtzentrum sagte Rose sich, dass die Vorgespräche eigentlich längst in England hätten stattgefunden haben sollen, aber Mr. Ferrier war ausgesprochen schlecht zu erreichen gewesen. Dieser verflixte Mann! Konnte er sich nicht einmal die Zeit nehmen, um seine Vorstellungen mit den Leuten zu besprechen, die sie dann zu berücksichtigen hatten? Es war schon schwer genug, die Vorstellungen eines anderen in die Tat umzusetzen, aber völlig unmöglich, wenn man diese Vorstellungen noch nicht einmal kannte.

Als Rose sich abends für die Party zurechtmachte, beschäftigte sie nur ein Gedanke: Sie musste Mr. Ferrier beeindrucken, oder es war alles verloren.

Gottlob hatte sie ihr neues Abendkleid eingepackt. Es war ausgesprochen extravagant, aber sie wusste – sie erinnerte sich an Craigs Reaktion –, das Kleid war sein Geld wert. Nun würde sie es tragen, nicht für Craig, sondern für einen Fremden, der vielleicht in geschäftlicher Hinsicht lebenswichtig für sie und Craig sein konnte.

Rose betrachtete sich in dem kleinen Spiegel – er war gerade groß genug, dass sie sehen konnte, wie perfekt das durch schmale Träger gehaltene und in verschiedenen Grüntönen schimmernde Seidenoberteil saß. Wie der weit fallende Rock ihre schlanken Beine umspielte, blieb Roses Fantasie überlassen.

Behutsam trug Rose lichtgrünen Lidschatten auf und versuchte dann hartnäckig, ihren Haaren eine halbwegs ansehnliche Fasson zu geben. Wie immer gab Rose es schließlich auf und fand sich damit ab, dass sich ihre Locken immer wieder selbstständig machten.

Man sollte den Tatsachen ins Gesicht sehen – sie würde niemals wie eine elegante Dame aussehen. Es war wohl ihr Schicksal, dass sie auf jeden, nur nicht auf sich selbst, wie eine leicht überspannte Blondine wirkte. Rose vollendete ihr Make-up mit einem rosafarbenen Lippenstift, strich den zarten Seidenstoff über den Brüsten glatt, die ihrer Meinung nach zu üppig waren, und zog die dunkel-grüne Schleife fester um die schmale Taille.

Dann schlüpfte Rose in die hochhackigen Sandaletten, die in den grünlichen Farbtönen des Kleides gehalten waren, griff nach einem dunkel-grünen Seidenschal mit langen Fransen und verließ das Zimmer.

Schon während des Tages hatte sie das Hotel Alonzo ausfindig gemacht. Es befand sich ganz in der Nähe des Hotels Maria, in dem Rose wohnte, sah aber völlig anders aus. Das Alonzo war groß und modern und zog die Wohlhabenden an. Ihr gefiel es nicht so recht. Es wirkte einschüchternd, und bestimmt waren hier nur Oberkellner beschäftigt, die die Augenbrauen hochzogen, wenn man nicht ein Menü mit mindestens vier Gängen bestellte.

Langsam ging sie die Strandpromenade entlang, vorbei an überfüllten Bars und Restaurants, in denen man fast alles kriegen konnte: angefangen bei den köstlich duftenden und appetitanregenden Gerichten, die typisch für die Insel waren, bis hin zu den üblichen Pommes mit Mayo.

Rose näherte sich dem imposanten Eingang des Hotels Alonzo. Mit einem Stoßgebet auf den Lippen und ehe der Mut sie verließ, ging sie in das Hotel. Sie erkundigte sich an der Rezeption nach Señor Ferrier und wurde auf die zweite Etage verwiesen. Rose betrat den Lift und hoffte, möglichst bald den Gastgeber zu finden, und sich mit ihm für den nächsten Tag verabreden zu können. Eine Party war ungeeignet, um über Geschäfte zu reden.

Sanft fuhr der Lift nach oben, und genauso sanft kam er zum Stehen. Die Türen öffneten sich geräuschlos und gaben den Blick auf einen hell erleuchteten Raum frei. Gedämpftes Stimmengewirr war zu hören. Nach kurzem Zögern verließ Rose den Lift. Sie war froh, ein präsentables Kleid anzuhaben, wenn es auch nicht annähernd mit den Modellkleidern mitzuhalten vermochte, die die meisten der anwesenden Damen trugen.

Rose entdeckte unter den vielen gut gekleideten Herren niemanden, der vielleicht der Gastgeber hätte sein können. Sollte sie nach ihm fragen? Dann stellte sie sich vor, wie sie daraufhin gemustert werden würde. Ein Kellner bot ihr einen Drink an, und sie nahm das erstbeste Glas und nippte daran. Um sie herum wurde nur Spanisch gesprochen, das sie leider nicht verstand.

Der Drink war ihr zu stark. Rose stellte das Glas auf dem nächstbesten Tisch ab und schlenderte so unauffällig wie möglich zu den großen Glastüren, die auf einen Balkon führten.

Ah, das war schon besser, kühl und frisch, mit spektakulärem Blick. Die Bucht, die sie schon vor der verheerenden Begegnung mit dem anmaßenden Fremden bewundert hatte, erstreckte sich vor Rose. Die Berge links und rechts davon bildeten bei dieser Beleuchtung lediglich eine schattenhafte Kulisse. Auf dem Wasser spiegelte sich der Vollmond, genauso wie die Sonne am Tage. Es fehlte eigentlich nur der attraktive Mann, der den Film vernichtet hatte.

Na ja, dass der Mann nicht da war, bedeutete keinen großen Verlust, und Rose hoffte, ihm nie wieder begegnen zu müssen. Eine Begegnung war auch ziemlich unwahrscheinlich, denn Männer wie er hielten sich wohl kaum längere Zeit in einem kleinen Urlaubsnest auf. Rose fühlte eine gewisse Beklommenheit, die sie leicht beben ließ, und schob es auf die leicht aufkommende Brise. Was konnte es auch anderes sein?

„Miss Grey?“

Die Stimme war tief und wohlklingend und Rose nur zu gut bekannt. Sie drehte sich um, dankbar, dass ihr Gesicht im Schatten lag. Vielleicht würde der Mann sie nicht erkennen. Doch sie ahnte, dass diesem Mann keine Sekunde lang etwas verborgen bleiben würde.

„Sie“, sagte er mit einer eisigen Ruhe, die Rose erschauern ließ. „Was machen Sie denn hier?“

„Ich könnte Sie das Gleiche fragen. Wieso sind Sie mir gefolgt?“

Er beantwortete ihre Frage genauso wenig wie Rose seine.

„Sie sind offenbar Miss Grey von Design for Today“, meinte er nach einer Weile lakonisch.

„Und Sie sind der Gastgeber Adam Ferrier.“ Leider konnte es sich wohl um keinen anderen handeln.

„In der Tat“, sagte er kühl. „Ich habe geahnt, dass ich Ihnen nicht zum ersten und letzten Mal begegnet bin. Aber dass ich Sie hier wieder sehen würde, ist das Letzte, womit ich gerechnet habe.“

„Ich bin ebenfalls sehr erfreut“, erwiderte sie ironisch. „Den ganzen Tag lang habe ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich es dem hohen Mr. Ferrier am besten erklären soll, dass ich nicht die gewünschten Bilder machen kann, weil ein Flegel meinen Apparat ruiniert hat. Wenigstens kann ich mir nun eine Erklärung sparen.“ Rose warf den Kopf zurück, sich völlig unbewusst, dass das Mondlicht silbern auf ihren Locken glänzte, die weich ihr schmales Gesicht umrahmten.

„Sie brauchten den Fotoapparat also tatsächlich für berufliche Zwecke.“

Rose nickte. Er kam einen Schritt näher, und all ihre Sinne warnten sie, dass dieser Mann ihr gefährlicher werden könnte, als ihr lieb war.

„Meinen Sie nicht auch“, sagte er bedrohlich sanft, „dass es etwas unverantwortlich war, auf Firmenkosten einen Film zu verknipsen, und zwar zu Ihrem reinen Privatvergnügen?“

Rose sah ihn empört an. Sie hatte ihn richtig eingeschätzt. Nicht ein Wort verlor er darüber, dass er ihren Film ruiniert hatte und der kostspielige Apparat zum Teufel war. Dieser Ferrier war offensichtlich der Meinung, dass Angriff die beste Verteidigung sei. Schön, sie, Rose, konnte das Spielchen mitmachen. Sie lächelte und trat so dicht wie möglich an Adam Ferrier heran, ohne ihn jedoch zu berühren.

„Ich konnte Ihnen nicht widerstehen“, flüsterte sie. „Sie gaben ein so tolles Bild ab, wie Sie da am Geländer standen.“

Seine Augen glitzerten plötzlich, und sie wich schnell etwas zurück. Der Wunsch, ihn zu verspotten, war unwiderstehlich, aber überhaupt nicht klug gewesen, und sie sollte dem Mann so schnell wie möglich erklären, warum sie ihn hatte fotografieren wollen.

Aber es blieb ihr keine Zeit für Erklärungen, denn Rose fühlte sich von seinen Armen umschlungen und ganz fest an seinen Körper gezogen. Sie konnte nur noch mit einem selbst für sie schwach klingenden „Nein!“, protestieren, ehe sie Adam Ferriers Lippen auf ihrem Mund spürte.

Rose war schon oft geküsst worden – sie war dreiundzwanzig, und Männer fanden sie attraktiv –, aber kein Kuss hatte den Effekt wie jetzt dieser. Die Welt schien plötzlich stillzustehen, und der Mond war offenbar vom Himmel heruntergekommen und umgab sie beide mit seinem silbrigen Licht, schuf ihnen ihr eigenes Universum. Rose schmiegte sich an Adam Ferrier und schloss die Augen. Unwillkürlich öffnete sie ihre unbewusst geballten Hände und anstatt ihn wegzustoßen, ließ sie die Finger durch sein dichtes Haar gleiten.

Rose wünschte, der verzauberte Moment würde ewig dauern, aber jäh hob Adam Ferrier den Kopf und löste sich von ihr. Verwirrt öffnete Rose die Augen und begegnete Adam Ferriers Blick, der außerordentlich hart und zynisch war.

Autor

Liza Goodman
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