Liebe, Ehre und Leidenschaft

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Als künftiger Herrscher von San Calliano hat Lucca der Liebe abgeschworen. Unverbindlicher Spaß Ja, Bindung Nein! Niemals will er so angreifbar sein wie sein Vater, der an den Machtspielen einer Frau zerbrach! Doch als Model Delphine ihn öffentlichtkeitswirksam verlässt, befürchtet Lucca, ebenfalls zum Gespött der Presse zu werden. Um seine Ehre wiederherzustellen, überredet er seine Ex-Affäre, ihn zu offiziellen Festlichkeiten zu begleiten. Sobald alle glauben, sie sei reumütig zu ihm zurückgekehrt, wird er sie abservieren! Ein riskanter Plan mit sinnlichen Folgen …


  • Erscheinungstag 31.05.2022
  • Bandnummer 2547
  • ISBN / Artikelnummer 9783751509725
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Einsam.

Seine Majestät König Lucca von San Calliano hasste dieses Wort. Wenn er es nur hörte, sah er rot.

Vor anderthalb Jahren hatte die Presse ihm voller Begeisterung den Spitznamen „Prinz Einsam“ verpasst. Nach seiner spektakulären und weltweit im Fernsehen ausgestrahlten Thronbesteigung und Krönung zum König von San Calliano hatten einige Kommentatoren es gewagt, ihn hämisch „König Einsam“ zu nennen.

Dass er als einer der modernsten Staatsoberhäupter seiner Zeit galt, schien keine Rolle zu spielen. Auch nicht, dass er binnen weniger Jahre San Calliano dank geschickter Handelsverträge zu wirtschaftlichem Erfolg verholfen hatte. Himmel, es fiel nicht einmal ins Gewicht, dass er der begehrteste Junggeselle der Welt war und mit den atemberaubendsten Frauen weit und breit zusammen war. Obwohl das vor der Beziehung mit der Frau gewesen war, die er für vertrauenswürdig und über jeden Zweifel erhaben gehalten hatte.

Doch letztendlich hatte sich herausgestellt, dass sich ihre Schönheit rein auf Äußerlichkeiten beschränkte.

Missbilligend verzog König Lucca den Mund.

Sie würde immer diejenige bleiben, die ihn verlassen hatte. Die einfach gegangen war und unvorstellbaren Reichtum, unermessliche Macht und uneingeschränkten Einfluss verschmäht hatte. Diejenige, die Romantikerinnen zufolge sein Herz gebrochen und sein Image als Playboy zerstört hatte.

Allerdings hatte er gar kein Herz, schon gar nicht ein Herz, das Männer wie seinen Vater schwächte. Ein Herz, das zu schockierenden Fehlentscheidungen führte, die wiederum gewaltige Auswirkungen auf alles hatten, was einem lieb war. Fehler, die Schande über seine Familie häuften, von der sie sich mit äußerster Mühe befreien musste.

Nein, sein Vater und seine sich ständig wiederholenden Fehltritte waren Strapaze genug. Lange bevor er ihr begegnet war, hatte ihn das schlechte Vorbild gegen emotionale Verstrickungen abgehärtet.

Doch grub man sich nicht meist seine eigenen Gruben?

. Das sah er ingrimmig ein. Er hatte zugelassen, dass hemmungslose Lust sein Urteilsvermögen vernebelte. Dass Schönheit und Intelligenz ihn blind machten für die Tatsache, dass diese Intelligenz gegen ihn eingesetzt wurde, dass sich hinter ihrem bezaubernden Lächeln ein berechnendes Wesen verbarg. Hinter diesem Lächeln, das ihn alles vergessen ließ, was er über Besonnenheit gelernt hatte. Über Anstand. Umsicht.

Er hatte seine strenge Erziehung im Palast mit Füßen getreten. Ebenso wie die noch strengeren Lektionen und die harte Knute seines Vaters.

Er war wie verhext gewesen. Völlig verzaubert.

Und dann …

Sitzen gelassen.

Nein. Aus seinem Interesse an ihr hatte er kein Geheimnis gemacht. Auch ihr spurloses Verschwinden hatte er nicht zu vertuschen versucht. Als seine Anrufe unbeantwortet blieben, als plötzlich Funkstille herrschte und alle Verbindungen gekappt waren. Er war durch die Hölle gegangen, hatte sich das Schlimmste ausgemalt. Er hatte seine besten Ermittler angewiesen, keine Kosten zu scheuen, um sie zu finden. Die vergebliche Suche hatte ihn nur noch mehr erzürnt und ihn dazu getrieben, Maßnahmen zu ergreifen, die des Prinzen des Königreichs San Calliano nicht würdig waren.

In seinem verzweifelten Bemühen, sie zu finden, hatte er Freunde und Feinde gleichermaßen mit Gefälligkeiten überhäuft – und sich der Lächerlichkeit und Ausbeutung ausgesetzt.

Mio dio, um ein Haar hätte er gebettelt.

Sie hatte ihn fast seiner Würde beraubt.

Es war Ironie des Schicksals, dass ihre letzte Handlung diese Würde wieder hergestellt hatte.

Sie hatte ihm kurz vor seiner Krönung das kostbare Geschenk, das er ihr gemacht hatte, zurückerstattet, begleitet von einer handschriftlichen Nachricht. Das hatte ihn dazu gebracht, wieder Rückgrat zu zeigen.

Doch jene drei handschriftlichen Worte hatten sich auf ewig in sein Gedächtnis eingebrannt.

Es ist aus.

Den Zorn hatte er erbarmungslos unterdrückt, weil er nie wieder vergessen wollte, wer er war, Doch nun wallte er leise und verstohlen wieder auf. Mit Mühe öffnete er seine zur Faust geballte Hand, klärte seinen Blick und holte tief Luft.

Weit unterhalb von ihm glitzerte das türkise Wasser des Mittelmeers unter einem wolkenlosen blauen Himmel.

Während Monaco als Tummelplatz der Reichen galt, nahm San Calliano den überlegenen Rang als Arena der Macht und des Einflusses ein. Ein unbezahlbares Kronjuwel inmitten gewöhnlicher Kleinodien, das sich im Lauf seiner sechshundertjährigen Geschichte zahllose vermeintliche Thronanwärter unter den Nagel hatten reißen wollen.

Allerdings hatte sein Vater dieses Vermächtnis in fast drei Jahrzehnten erheblich geschwächt. Anfangs mit riskanten Geldgeschäften, dann mithilfe seiner skrupellosen Frau.

Lucca selbst hatte für eine kurze Zeit beinahe aus den Augen verloren, was das Vermächtnis von San Calliano bedeutete.

Nie wieder.

Ein neuerlicher tiefer Atemzug half ihm, sich zu sammeln.

Seine Tourismusministerin und ihr Komitee warteten auf ihn.

Er hatte kein Wort gesprochen seit jenem kurzen, unglückseligen Kontrollverlust, als er beim Anblick ihres Fotos vom Konferenztisch aufgesprungen war. Weil man sie als Teilnehmerin am exklusivsten Event in seinem ersten Jahr als König vorgeschlagen hatte.

Lucca schämte sich für diesen Ausbruch und sein von der Etikette abweichendes Verhalten. Mehr noch aber schämte er sich über die Erkenntnis, dass sie nach all dieser Zeit immer noch so eine starke Wirkung auf ihn ausübte.

„Sire?“

Er verkrampfte sich, wenngleich er „Sire“ als Anrede dem üblichen „Majestät“ bei Weitem vorzog.

„Majestät“ versetzte ihn zurück in die Zeit, als er – der Playboy, der sich von seinen Geliebten nie beherrschen ließ – wegen einer Frau den Verstand verloren hatte.

Wider Willen dachte er an ihre erste Begegnung … an den leicht spöttischen Ausdruck in ihren feuchten braunen Augen, als sie einen Hofknicks machte und mit rauchiger Stimme säuselte: „Majestät …“, wohl wissend, dass er ein Prinz war, kein König.

Sie hatte ihn mit ihrer sexuellen Anzüglichkeit und mit dieser Anrede gereizt, bis sie schließlich das Wort keuchte, als er das erste Mal in sie eindrang. Der Klang dieser Anrede war in seiner Erinnerung verewigt.

Auch dafür hasste Lucca sie.

Dies war eine der zahlreichen Sünden, die auf ihr Konto gingen.

Angesichts dieser Erinnerungen steigerte er sich noch mehr in seinen Zorn hinein, drehte sich um und betrachtete die vergrößerten Fotos, die auf dem polierten antiken Konferenztisch in seinem Palastbüro lagen.

Wie viele seiner Untergebenen nahm auch seine Tourismusministerin irrtümlich an, er sei nach den widerwärtigen Schlagzeilen über sie hinweggekommen. Deswegen wurde sie ihm jetzt als Kandidatin angeboten. Und im herkömmlichen Sinne hatte er sie tatsächlich überwunden. Nach ihr war er mit diversen Frauen zusammen gewesen, eine schöner als die andere. Doch der scharfe Schmerz des Verrats, die Erinnerung an das, was er in jenen verzweifelten Wochen ihretwegen durchmachen musste, hatten ihn nie losgelassen.

Als Angehöriger des Königshauses hatte er lange vor seinen prägenden Jahren die Kunst der Diplomatie erlernt. Er wusste, wann er einen Groll hegen und wann er den rechten Weg beschreiten sollte. Wann er abwarten und wann er seine Macht ausspielen sollte.

In diesem Fall wollte er ganz bestimmt nicht der bessere Mensch sein und es auf sich beruhen lassen. Nicht solange er nicht Vergeltung geübt hatte. Alles andere würde ihn wie seinen Vater als Schwächling dastehen lassen. Ihn der Lächerlichkeit und dem Getuschel preisgeben.

Während der Ruf San Callianos als Wirtschaftsmacht angemessen wiederhergestellt war, waren ihretwegen doch Fragen hinsichtlich seines Privatlebens offen geblieben. Und das durfte er nicht so stehen lassen.

Also trat er vor und betrachtete das Abbild Delphine Alexanders.

Seiner Ex-Geliebten.

Seiner treulosen Ex-Geliebten.

Der Frau, die ihn zum Gespött gemacht und Schande über das Königreich gebracht hatte, Jahre nachdem seine eigene Mutter so viel Skandale ausgelöst und aus seinem Vater eine verbitterte, schäbige leere Hülle gemacht hatte.

Die Taten seiner Mutter hatten sich seiner Kontrolle entzogen.

Mit Delphine verhielt es sich jedoch anders. Sie hatte ihn auf eine Weise hinters Licht geführt, die seine Würde verletzt und dauerhaft seinen Ruf beschädigt hatte.

„Sie ist Ihre erste Wahl?“, fragte er seine Ministerin und legte das Foto nieder, als er bemerkte, dass er mit dem Finger die Wangenknochen und die sinnlich-vollen Lippen nachzeichnete.

Seine Ministerin nickte. „Ja, Sire. Das heißt, wenn wir sie aus ihrem Schlupfwinkel locken können.“

Lucca war zuversichtlich, dass sie ihre Zurückgezogenheit aufgab, sobald er mit ihr fertig war.

„Warum ausgerechnet sie?“, bohrte er nach.

„Nun ja, die anderen beiden sind natürlich auch schön, aber Miss Alexander verfügt über einen gewissen … geheimnisvollen Nimbus, der unserer Meinung nach den wesentlichen Gehalt der königlichen Kollektion wirklich erfasst.“

Gegen seinen Willen musste Lucca zustimmen. Ihr makelloser Teint war von der Farbe dunklen Karamells und würde den Zauber der legendären Diamanten von San Calliano tausendfach erleuchten. Er untersagte sich die Vorstellung, auf wie vielfältige Art und Weise sie zusätzlich San Callianos einstmals gefeiertes, vor Kurzem jedoch erloschenes Kulturfestival bereichern würde.

„Sie haben doch noch keinen Kontakt mit ihr aufgenommen, oder?“, fragte er scharf, wohl wissend, wie groß die Vorfreude seines gesamten Königreichs auf das wochenlange Festival war.

„Nein, Sire. Da die Show auch die Diamanten von San Calliano zum Thema hat und Sie und Miss Alexander eine gemeinsame Vergangenheit haben, wollten wir uns zunächst mit Ihnen abstimmen.“

Er löste den Blick von Delphines Foto und betrachtete die Bilder der übrigen Kandidatinnen nur flüchtig, bevor Delphines Foto erneut seine Aufmerksamkeit auf sich zog.

„Sie haben recht, Sie ist die richtige Wahl. Aber niemand nimmt Kontakt zu ihr auf. Ich persönlich werde ihr das Angebot unterbreiten.“

Einen Monat später

Schockiert sah Delphie Alexander den Mann mit den rötlichen Haaren an. Unter der Sonne von Katar lümmelte er völlig entspannt neben ihr auf der Liege und sah leicht verkatert aus, ein Daseinszustand, den er im Lauf der Jahre perfektioniert hatte.

„Ist das dein Ernst? Du hast deinen Anteil am Rennstall verkauft?“

Hunter Buckman zuckte träge die Achseln. Vor einigen Jahren hatte sie ihn auf der Aftershowparty einer Modenschau kennengelernt, und seine tief verwurzelte Lässigkeit hatte sofort ihre Sympathie geweckt. Mittlerweile jedoch brachte diese Lässigkeit sie oft genug auf die Palme.

Er nahm überhaupt nichts ernst.

Als Alleinerbe eines mehrere Millionen Dollar schweren Ölimperiums in Texas hatte er nie auch nur einen Finger krümmen müssen. Sein Problem bestand darin, dass er seine Zeit zu neunzig Prozent mit Nichtstun füllte. Seine Aufmerksamkeitsspanne war bestenfalls flüchtig, sein hedonistischer Lebensstil prägte seine Interessen.

Doch Delphie hatte gehofft … gebetet … dass sein Interesse diesmal von Dauer sein möge, als sie sich in sein Unternehmen und das Geschäft mit den Rennwagen eingekauft hatte.

„Tut mir leid, Delly. Das Angebot war zu gut, um es auszuschlagen.“

Sie ballte die Hand im Schoß zur Faust und hätte am liebsten laut geschrien. „Aber du hast mir nicht einmal die Gelegenheit zu einem Angebot gegeben.“

Er verzog das Gesicht und kratzte sich am Kopf. „Ich wusste, dass du versuchen würdest, mir den Verkauf auszureden. Oder …“ Er unterbrach sich und wandte schuldbewusst den Blick ab.

Sie stellte die Stacheln auf. „Oder …?“

„Oder dass du dir ein Bein ausreißen würdest, um mir meinen Anteil abzukaufen.“

„Und was wäre daran auszusetzen gewesen?“ Harte Arbeit war ihr nicht fremd. Sie war dem Erfolg nachgejagt, seit sie sechzehn war und ihr bewusst wurde, dass sie sich einzig und allein auf sich selbst verlassen konnte. Bereut hatte sie das nie.

Hunter mied ihren Blick. Er schaute sich um und schnippte mit den Fingern, als eine Bedienstete vorbeikam. Das Personal war mit den Vorlieben des Chefs vertraut, und dreißig Sekunden später stand eine gekühlte Flasche seines Lieblingsbiers neben seiner Liege. Delphie verbiss sich den Hinweis, dass es noch nicht einmal neun Uhr vormittags war.

Hunter nahm einen kräftigen Schluck, bevor er sie ansah. „Ich wusste, dass du dich krummlegen würdest, um das Geld zusammenzukratzen, damit du mich auszahlen kannst. Das durfte ich nicht zulassen. Du hast ohnehin schon so viel durchgemacht.“

„Du wolltest also Rücksicht auf mich nehmen?“

Sie konnte das leise Entsetzen in ihrem Tonfall nicht unterdrücken. Beschämt erinnerte sie sich daran, wie Hunter ihr auf ihrem schlimmsten Tiefpunkt beigestanden hatte, ohne Fragen zu stellen. Endlose Nächte lang hatte er bei ihr gewacht, als sie sich die Augen ausweinte, zunächst wegen ihres gebrochenen Herzens, dann in tiefster Verzweiflung über den Verlust ihres geliebten Babys.

„Wie oft muss ich dir noch sagen, dass … das Geschichte ist.“

„Verdammt, ich wusste, dass du so reagierst, Delly …“ Er schwieg und seufzte. „Einhundertzwanzig Millionen Dollar hat man mir geboten. Das ist ein ordentlicher Haufen Geld.“

Delphie verzog das Gesicht. Ihr Magen hob sich, als sie den harten Brocken schluckte und der Realität ins Auge sah. Sie hätte mehrere Monate, wenn nicht Jahre gebraucht, um die nötigen Finanzen aufzubringen und diesem Angebot etwas entgegenzusetzen.

Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals hinunter. „Ich bin erst im zweiten Quartal vergangenen Jahres in den Rennstall eingestiegen. Dieses Jahr sollte mein erstes vollständiges sein. Konntest du nicht abwarten, bis ich im Automobilsport Fuß gefasst hatte, bevor du mir einen neuen Partner aufzwingst?“

„Komm schon … Hör auf damit“, sagte er mit seinem trägen texanischen Näseln. „Du hast schon in deiner ersten Woche als Teamchefin Fuß gefasst. Zum Ende der letzten Saison hast du Hunter Racing auf Platz fünf gebracht. Sechs Rennen in diesem Jahr und wir sind bereits Dritter.“

Delphie massierte sich die Schläfen gegen die zunehmende Anspannung. „Und trotzdem verlässt du den Rennstall?“

Wieder zuckte er die Achseln. Sein gebräunter Oberkörper glänzte in der Sonne. „Mir macht es keinen Spaß mehr, Delly. Im Gegensatz zu dir.“

Spaß.

Ein abwegiger Begriff.

Bei ihrer Ankunft in Katar hatte sie fest geglaubt, nie wieder Spaß zu haben. Gut anderthalb Jahre später wusste sie es. Doch sie hatte immerhin festgestellt, dass sie trotz ihres seelentötenden Verlusts noch Gefühle hatte. In einem kleinen Winkel ihres Herzens hütete und hegte sie liebevoll die Erinnerung an ihren Vater und die gemeinsame Zeit, sie vor seinem Tod noch miteinander verbracht hatten. In diesem Winkel fand sie Zufriedenheit. Genug, um jeden neuen Tag ertragen zu können.

Sie schluckte, blickte über den glitzernden Infinity-Pool hinweg auf das schimmernde Wasser des Persischen Golfs. Hunter hatte dieses Haus wegen des pikanten Gerüchts gekauft, es habe einmal der Lieblingsmätresse eines Sultans gehört. Dann war es Delphies Zufluchtsort geworden, als ihr Leben vor anderthalb Jahren zu Bruch ging.

Nein. Daran wollte sie jetzt nicht denken.

Neuerdings vergingen mehrere gnädige Stunden, bevor ihr König Lucca von San Calliano, seine geschätzte „Liste“ oder das Kind, das sie verloren hatte, in den Sinn kamen. Was nicht hieß, dass das Schwert der Erinnerung sie nicht genauso brutal traf. Doch sie hatte gelernt, sich zu bewegen, zu reden und zu funktionieren, ohne das die Trostlosigkeit sie auf Schritt und Tritt begleitete, zu atmen, ohne dass der Schmerz ihres Verlusts sie zu ersticken drohte.

Hunter hatte ihr ohne viel zu fragen unter seinem Dach Zuflucht gewährt und so konnte sie dem flatterhaften Freund nicht böse sein. Dennoch musste sie einige Mal tief durchatmen, bevor sie die entscheidende Frage stellte.

„Wer ist der Käufer?“

Wieder wich Hunter ihrem Blick aus. „Der Käufer ist anonym. Du weißt doch, wie diese Offshore-Firmen funktionieren.“

Sie stieß langsam den Atem aus und betete um Ruhe. „Ich bin Miteigentümerin des Rennstalls. Da habe ich doch sicherlich das Recht zu erfahren, wer in Zukunft mein Partner ist?“

„Sie wollen mit der offiziellen Kundgebung bis nach der Winterpause warten. Ich habe als Teil des Vertrags eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnet und darf dir nicht einmal den Namen der Firma nennen.“

Das Schaudern, das sie befiel, hätte Delphie gern der leichten Brise angelastet, die vom Meer herüberwehte. Doch der Wind war bestimmt nicht verantwortlich dafür, dass ihr Herz einen Schlag aussetzte. Oder ihr Mund trocken wurde.

Sie schüttelte die abstrusen Gedanken ab.

Während der vier Monate, die sie mit seiner Königlichen Hoheit Prinz Lucca von San Calliano zusammen war, hatte sie ihm nichts von ihrer Vorliebe für Rennwagen erzählt. Auch nicht von ihrer Familie. Natürlich wusste er, dass sie Familie hatte, doch Delphie hatte die Entfremdung von ihrer Mutter verschwiegen. Als Grund für ihre seltenen Besuche in London, wo ihre Mutter mit ihrer neuen Familie lebte, hatte sie ihren Beruf – damals hatte sie noch als Model gearbeitet – und ihr Jetset-Leben angeführt.

Mit Lucca hatte sie die gemeinsame Begeisterung für Weltkulturen und die gehobene Küche ausgelebt. Er hatte ihr faszinierende Einblicke in die Bearbeitung der Diamanten gewährt, die aus den Minen in Südamerika kamen, die sich im Besitz seiner Familie befanden. Die Steine in Meisterwerke zu verwandeln hatte Lucca auf Geheiß seines Vaters aus erster Hand erlernen müssen, genauso wie er sich mit der Verwaltung der Ölfelder vertraut machen musste, die seine Familie auf der ganzen Welt besaß.

Und zwischendurch waren sie tief und rückhaltlos ins Meer der Sinnlichkeit eingetaucht, hatten tagelang im Bett verbracht und waren verausgabt und gesättigt, ohne Energie für sehr viel anderes daraus wieder aufgetaucht.

Allerdings hatte sie nicht gewusst, dass sie lediglich eine Lückenbüßerin war, bis er eine adäquate Frau heiratete, eine von der „Liste“, einem Dokument, auf dem sie nie stehen würde, wie man sie brutal wissen ließ.

Lucca hatte sich nur mit ihr amüsiert, sagte man ihr kalt und grausam. All die Versprechungen, die Lucca ihr auf Italienisch ins Ohr geflüstert hatte, waren nur Teil seiner Verführungsstrategie. An jenem unvergesslichen Tag in Paris hatte Delphie erfahren, dass eine endlos lange Schlange von Frauen bereits darauf wartete, ihren Platz einzunehmen, und dass eine von ihnen dazu bestimmt sein würde, als Königin die Krone zu tragen.

Diese Information hatte geklungen wie das Totengeläut ihrer dummen Träume. Doch nicht schlimm genug, auf diese Information folgten die Erkenntnis, dass sie von Lucca schwanger war auf dem Fuße, und später die wahre Zerstörung.

Sie schüttelte den flüchtigen Gedanken ab, dass Lucca etwas mit Hunter Racing zu tun haben könnte. Das Armband, das sie bis dahin blind für ein Zeichen der Bindung gehalten hatte, hatte sie zurückgegeben, und trotz aller heimlichen Hoffnungen hatte Lucca sie aus seinem Leben gestrichen.

Sie richtete den Blick wieder auf Hunter. Er hatte sein Bier ausgetrunken und löste bedächtig das nasse Etikett von der Flasche, ohne Delphie anzusehen.

„Du verschweigst mir etwas, oder?“, fragte sie leise und spürte ein Kribbeln im Nacken.

Hunter war so niedergeschlagen, wie sie ihn noch nie erlebt hatte, und es wirkte befremdlich. Hunter Buckman war der Inbegriff unbeschwerten Hedonismus, die Stimmungskanone auf jeder Party.

„Tut mir leid, Delly, aber die beiden wichtigsten Sponsoren ziehen sich nach der Winterpause ebenfalls zurück.“

Delphie schloss ganz fest die Augen. Ihr Traum, das Einzige, was ihren rasanten Absturz in die Verzweiflung hatte aufhalten können, zerfiel vor ihren Augen. „Warum? Wir hatten unsere bisher beste Saison und plötzlich verkaufst du und die Sponsoren steigen aus?“

Er stieß hörbar den Atem aus. „Sie sind meinetwegen an Bord gekommen. Für sie bist du eine unbekannte Größe.“

Sie funkelte ihn böse an. „Weil ich eine Frau bin?“

Er verzog das Gesicht und zuckte die Achseln. „Du hast eine kleine Gnadenfrist, bevor sie aussteigen.“

„Ja, ganze zwei Monate, um Sponsoring in Millionenhöhe aufzutun.“

Er wirkte kleinlaut, zeigte aber keine Reue. So unbekümmert er auch war, durfte sie doch nicht vergessen, dass er ein überaus erfolgreiches Imperium unterhielt, was von seinem verborgenen stahlharten Kern zeugte. Ihr war klar, dass sie ihm seine Entscheidung nicht ausreden konnte. Aber sie wollte auch nicht so tief sinken, ihn um das benötigte Sponsorengeld zu bitten.

Hunter hatte ihr Zuflucht gewährt, als sie sie dringend brauchte. Trotz seines Hangs zum Tratsch hatte er ihren Aufenthaltsort geheim gehalten und nie gefragt, wieso sie vor anderthalb Jahren als Wrack mit gebrochenem Herzen vor seiner Tür gestanden hatte.

„Alles wird gut, Delly. Ich glaube an dich.“

Sein Lächeln war bittend, aber auch frech, als er aufstand und davonschlenderte, als hätte er ihre Träume nicht gerade an den Rand des Abgrunds gezerrt und sie in der Luft hängen lassen.

Delphie war noch ganz erschüttert von Hunters Neuigkeiten, als ihr Handy klingelte. Sie fuhr zusammen, hielt sich dann aber vor Augen, dass sie Chefin eines erfolgreichen Rennstalls war und nicht die emotional zerstörte Ex-Geliebte des Königs von San Calliano.

Trotzdem spürte sie so kurz nach den ungewollten Erinnerungen an Lucca ihr Herz hämmern, als sie sich meldete. „Delphine Alexander …“

„Delphie! Endlich. Schwer, dich an die Strippe zu bekommen“, ertönte die heisere Raucherstimme, die sie fast zwei Jahre lang nicht gehört hatte.

Delphie furchte die Stirn. „Rachel?“

„Genau die. Es ehrt mich, dass du dich noch an mich erinnerst. Hör zu, ich rede nicht lange um den heißen Brei herum. Ich habe einen Super-Mega-Auftrag für dich.“

„Nein!“, brach es aus ihr heraus, als Instinkt und Selbsterhaltungstrieb sie warnten, dass ihr nicht gefallen würde, was sie gleich hören sollte.

Das Schicksal arbeitete gegen sie, und sie durfte sich nicht überrollen lassen, musste die Stellung halten. Wieder einmal.

„Aber du weißt doch noch gar nicht, was …“

„Ich bin ausgeschieden, Rachel. Vielleicht ist es dir deshalb so schwergefallen, mich aufzustöbern? Also, was immer du im Angebot hast: Nein, danke.“

Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen, was Delphies Nerven noch mehr strapazierte. Gleichzeitig schrie besagter Instinkt in ihrem Kopf, dass sie in dieser Angelegenheit womöglich keine Wahl hatte.

Als Rachel seufzte, hatte Delphie das Gefühl, noch näher an den Rand des Abgrunds gezerrt zu werden.

„Schätzchen, ich weiß nicht genau, was los ist, aber …“

Sie unterbrach sich, und Delphie ahnte verblüfft, dass die Respekt einflößende Agentin, vor der so viele zitterten, sich sammeln musste. „Dieser Auftritt bringt drei Millionen ein. Angesichts der derzeitigen Wirtschaftslage ein enormer Tagessatz. Der Kunde sagt, dieses Geschäft könntest du gar nicht ablehnen.“

Delphie war froh, dass sie sich setzen konnte, denn der ahnungsvolle Schauer, der sie überlief, hätte sie ansonsten umgeworfen.

„Wer ist der Kunde?“, fragte sie, obwohl die Antwort auf der Hand lag.

„Eigentlich kam die Anfrage vom Tourismusministerium von San Calliano“, bestätigte Rachel ihren Verdacht.

Delphie umklammerte das Handy noch fester und zitterte. „Aber …?“

„Aber seine Majestät höchstpersönlich hat mich angerufen.“

Die Julihitze legte sich ihr schwer auf die Schultern, und ihre Hände waren feucht, als sie fragte: „Wie lautet der Auftrag?“

„Die Veranstaltung dauert eine Woche. Nach unserem Gespräch schicke ich dir die Details per E-Mail. Kurz zusammengefasst: Du sollst in zehn Tagen im Königspalast vorstellig werden. Das Kunstfestival beginnt in zwei Wochen. Während dieser Zeit sollst du die königliche Diamantenkollektion vorführen. Am letzten Tag des Festivals findet der königliche Ball statt, und du sollst den Diamanthalsschmuck von San Calliano tragen. Schätzchen, dich erwartet eine Woche kinderleichter Auftritte mit feinstem Essen und traumhaftem Luxus. Dafür lohnt es sich doch sicher, deine Zurückgezogenheit aufzugeben, zumal der König selbst dich darum bittet.“

Delphie unterdrückte ein hysterisches Lachen. Von ihrer Liaison mit König Lucca von San Calliano wusste zwar so ziemlich jeder, der über einen verlässlichen Internetzugang verfügte, doch die wenigsten waren über das tatsächliche Ende der Beziehung informiert.

„Delphie? Soll ich zusagen?“

Delphie zitterte noch heftiger. Hinzu kam Zorn. Und die wilde Weigerung, an den dunklen Ort zurückzukehren, an dem sie sich nach dem Ende ihrer Beziehung mit Lucca viel zu lange verkrochen hatte. Was sie verloren hatte, konnte sie niemals zurückgewinnen, doch sie wollte auch nicht zulassen, dass Lucca ihren Traum niederwalzte.

„Nein. Du sagst gar nichts. Ich werde ihm meine Antwort persönlich geben.“

Autor

Maya Blake
<p>Mit dreizehn Jahren lieh sich Maya Blake zum ersten Mal heimlich einen Liebesroman von ihrer Schwester und sofort war sie in den Bann gezogen, verlor sich in den wunderbaren Liebesgeschichten und begab sich auf romantische Reisen in die Welt der Romanhelden. Schon bald träumte sie davon, ihre eigenen Charaktere zum...
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