Liebe, wild wie ein Sommersturm

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Sechs Wochen ist die heiße Nacht mit Easton Lourdes jetzt her. Ein Tropensturm tobte über Key Largo, gefährdete das Naturreservat, in dem Easton als Tierarzt arbeitet - aber Portia lag in seinen Armen, genoss die Leidenschaft und ließ sich gehen. Sie kann seine erotischen Zärtlichkeiten einfach nicht vergessen. Dabei ist Easton ihr Boss! Deshalb geht sie ihm aus dem Weg, auch wenn jede seiner zufälligen Berührungen ein Prickeln auf ihrer Haut auslöst. Und Portia muss ihm dringend ein Geständnis machen …


  • Erscheinungstag 01.11.2017
  • Bandnummer 2001
  • ISBN / Artikelnummer 9783733723972
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Portia Sotos Mutter pflegte zu sagen, dass Ärzte nicht auf Bäumen wuchsen. Und dass ein exotischer Name kein unscheinbares Äußeres wettmachen konnte. Ihre Tochter sollte froh sein, wenn sie einen Heiratsantrag von einem Fußpfleger bekam, der doppelt so alt war wie sie.

Offensichtlich hatte Portias Mama nicht damit gerechnet, dass ihre Tochter eines Tages unter einer hohen Palme sitzen und zusehen würde, wie Dr. Easton Lourdes kopfüber an einem Ast hing und versuchte, einen Specht mit elfenbeinfarbenem Schnabel zu retten. Der Vogel gehörte zu einer bedrohten Art und genoss die ungeteilte Aufmerksamkeit des leitenden Tierarztes vom Wildtierreservat auf Key Largo. Das war günstig, denn so bemerkte er nicht, dass er seinerseits die ungeteilte Aufmerksamkeit von Portia Soto genoss.

Zwischen den Zweigen der alten Schwarzen Mangrove sah sie die ersten Sterne am Himmel funkeln. Die letzten violetten Strahlen der untergehenden Sonne verblassten. Das war Portias liebster Moment im Reservat – die Zeit direkt nach Sonnenuntergang. Nachtvögel woben ihren ganz besonderen Klangteppich im dichten Tropenwald. Alles schien noch üppiger und farbenfroher ohne das grelle Sonnenlicht. Das Reservat verwandelte sich in einen Garten Eden von geheimnisvoller Schönheit – eine Eigenschaft, die Portia für sich selbst niemals in Anspruch genommen hätte.

Für sich selbst? In der Nähe von Dr. Lourdes fühlte sie sich nie wie sie selbst.

Um ehrlich zu sein: Easton war sexy. Richtig sexy, und das auf eine lässige, unkonventionelle Art. Er war der reiche Erbe eines Familienvermögens und ein begnadeter Tierarzt, der sich auf Exoten spezialisiert hatte. Außerdem war er der nichtsahnende Vater von Portias ungeborenem Baby – das Ergebnis einer leidenschaftlichen Nacht während eines Tropensturms vor fast zwei Monaten.

In der Zeit, die seit jener Nacht vergangen war, hatte sie sich bemüht, ihr Verhältnis wieder rein beruflich zu halten. Das war unabdingbar, wenn sie ihre hart erkämpfte Freiheit behalten wollte. Es war ihr zunehmend schwergefallen, sich auf ihre Absicht zu konzentrieren, da er immer wieder begehrliche Blicke in ihre Richtung warf, wenn er glaubte, sie bemerke es nicht.

Aber sie registrierte alles, was mit ihm zusammenhing. Immer.

Es sah also ganz so aus, als wüchsen für Portia die Ärzte doch auf Bäumen. Das allerdings änderte nichts daran, dass ihr Leben im Chaos zu versinken drohte, obwohl sie sich immer bemühte, alles genauestens zu organisieren und zu kontrollieren. Sie wollte, dass ihre Zukunftsplanung stand, bevor sie ihrem One-Night-Stand von dem Baby erzählte. Aber ihr lief die Zeit davon.

Es war zu spontanem Sex zwischen ihnen gekommen, als sie sich bei einem Tropensturm im Schutzraum des Reservats aufgehalten hatten. Die Atmosphäre war von Stress und Angst bestimmt gewesen. Spontaner Sex war absolut untypisch für sie – insbesondere ein One-Night-Stand mit ihrem Boss. Sie hielt sich immer an alle Regeln. Aber sie fühlte sich schon lange zu Easton hingezogen und hatte es immer unterdrückt, bis die nervliche Anspannung bei jenem Unwetter sie plötzlich dazu gebracht hatte, ihrem Verlangen nachzugeben.

Sie hatte jeden Moment mit ihm genossen, aber am nächsten Morgen hatte sie es bitter bereut – aus Angst, ihren dringend benötigten Job und ihre Wohnung mit ihrer Spontaneität gefährdet zu haben. Außerdem irritierte es sie, wie sehr das Zusammensein mit Easton sie erschüttert hatte. Sie hatte keine Zeit für ein derartiges Gefühlschaos, und schon gar nicht für eine Beziehung. Schließlich lebte sie von einem Tag zum anderen und versuchte, sich finanziell über Wasser zu halten. Das war besonders schwer, seit ihr Bruder vor vier Jahren seine Collegeausbildung begonnen hatte.

Jetzt allerdings hatte sie keine andere Wahl, als an die Zukunft ihres Kindes zu denken. Ihr Bedürfnis nach Unabhängigkeit musste zurückstehen. Ihr Baby sollte nicht in derselben Unsicherheit aufwachsen, die sie erlebt hatte, weil ihre Eltern nie vorgesorgt hatten.

Der Gedanke brachte sie in Bewegung, wenn auch nur sehr verhalten. Sie konnte ja nicht einfach davonrennen. Immerhin hielt sie die Taschenlampe und leuchtete ihrem Boss. Langsam ließ sie die Hand zu ihrem noch immer flachen Bauch unter ihrem T-Shirt gleiten, das locker über die Cargo-Shorts herabfiel – ihre gewohnte Arbeitskleidung. Gut gebügelt natürlich.

Ein Blatt segelte erstaunlich schnell zu Boden. Zehn weitere folgten und erinnerten Portia daran, auf den Mann über ihr zu achten.

„Kannst du den Strahl weiter nach links richten?“

„Natürlich. Wie weit?“

„Nach links.“

Vage wie immer. Anweisungen dieser Art liebte sie. „Fünf Zentimeter? Zwanzig Zentimeter?“

„Beweg ihn einfach weiter nach links, und ich sage dir, wann es genug ist.“

„Das …“ Portia verkniff sich die Antwort, die ihr auf der Zunge lag. Sie hatte sich seit jener Nacht immer wieder Vorwürfe gemacht. Dinge, die ihr bisher nichts ausgemacht hatten, beunruhigten sie jetzt.

„Stopp!“

Fünf Zentimeter. Sie hatte den Lichtstrahl um genau fünf Zentimeter bewegt. Hätte er das nicht einfach sagen können?

Sie seufzte. Ihr war übel, sie war gereizt, und ihre geschwollenen Brüste schmerzten. Sie brauchte so schnell wie möglich einen neuen BH. Unauffällig zupfte sie an dem Kleidungsstück herum. „Kannst du ihn jetzt sehen?“

„Ich hab ihn … fast. Muss mich … nur noch … ein wenig … weiter … strecken.“

Die Worte kamen so gedehnt, wie es jetzt wahrscheinlich sein ganzer Körper war. Er hatte einen Hang zur Dramatik. Das war ein Teil des Zaubers, den er auf sie ausübte.

Es knackte. Sofort sah Portia nach oben in das Geäst. Sie versuchte verzweifelt, den Film zu begreifen, der sich vor ihr abzuspielen schien. Wie in Zeitlupe sah sie Easton aus der Schwarzen Mangrove fallen. Blätter wirbelten durch die Luft. Er ruderte wild mit Armen und Beinen. Dann ertönte ein dumpfer Aufprall, als er auf den Boden krachte. Der Chor der nächtlichen Vögel verstummte mit einem Schlag, so als seien auch sie neugierig, was mit dem Doktor passiert war.

Panik befiel sie. Sie rannte zu ihm. Er regte sich nicht, und aus der Distanz konnte sie nicht sehen, ob sich seine Brust hob und senkte. „Easton!“

Sein Name klang wie ein Flehen und war gleichzeitig der Befehl, ihr augenblicklich ein Lebenszeichen zu geben. Easton lag nur Zentimeter vom Baumstamm entfernt. Er war den aus dem Boden ragenden Wurzeln knapp entgangen. Im schmalen Schein der Taschenlampe sah es so aus, als hätte er es gerade eben vermieden, sich aufzuspießen.

Sie kniete sich neben ihn, um ihn zu untersuchen. Zu ihrer Erleichterung atmete er noch. Sie fühlte seinen Puls. Er war kräftig. Dennoch zeigte Easton keine Reaktion auf ihre Berührung.

Portia legte eine Hand auf seine Schulter und schüttelte ihn leicht. Sie wollte, dass alles in Ordnung war. Sie brauchte ihn. Was, wenn …? Sie war inzwischen eine Meisterin darin, die großen Was-wäre-Wenns zu verdrängen, aber als sie den Vater ihres ungeborenen Kindes bewusstlos vor sich liegen sah, schossen ihr die schrecklichsten Bilder durch den Kopf.

Was, wenn sie nicht mehr dazu kam, ihm von dem Baby zu erzählen? Was, wenn er ins Koma gefallen war? Was, wenn …?

Was, wenn sich seine Augen – leuchtend blau wie Lapislazuli – öffneten und sie weiter so ansahen? Ihre panischen Gedanken endeten jäh, als sie sah, wie sein Blick unverhohlen über ihren Körper glitt.

„Mit mir ist alles in Ordnung, aber du solltest dich dennoch nicht vom Fleck rühren“, murmelte er, und seine Lippen verzogen sich zu einem sexy Lächeln.

Sein dunkles Haar wellte sich im Nacken. Äste und Zweige umgaben seinen Kopf wie die Krone eines mythischen Waldprinzen. Eines sexy Prinzen. Plötzlich musste sie an ihre gemeinsame Nacht denken. Daran, wie er sie gehalten hatte. Sie hatte seine Berührungen gemieden, seit das Unwetter vorübergezogen war und sie wieder in die Normalität zurückgefunden hatten. Und seit sie herausgefunden hatte, dass sie schwanger war. Alles war so kompliziert.

Portia hätte am liebsten die Flucht ergriffen. Sie wusste nicht, wie lange sie ihren Job noch behalten und in der Strandhütte auf dem Gelände des Wildtierreservats wohnen konnte, bevor die Wahrheit offensichtlich wurde. Ihr blieb nicht die Zeit, so viel Geld anzusparen, wie sie gebraucht hätte, um unabhängig zu sein. Die Panik verschlug ihr fast den Atem, aber sie verdrängte sie. So wie sie es schon seit Wochen tat.

Ja, sie würde es Easton sagen. Das war sie ihm schuldig. Aber zunächst wollte sie den ersten Termin beim Arzt hinter sich bringen. Jeder Tag gab ihr mehr Zeit, ihre Gedanken zu ordnen und die beste Möglichkeit zu finden, mit dieser beängstigenden Wende fertigzuwerden, die ihr Leben genommen hatte.

Und das war umso schwieriger, als ihr Körper sich nur allzu gut an die Leidenschaft erinnerte, die sie geteilt hatten. Allein der Gedanke an jene Nacht, verbunden mit dem Gefühl seiner Nähe, ließ ihr Verlangen neu aufflammen.

Er blieb auf dem Rücken liegen und betrachtete sie mit seinen leuchtend blauen Augen, während er ihr eine Strähne hinter das Ohr strich. „Du bist wirklich unglaublich schön.“

„Hör auf! Das meinst du doch nicht ernst.“ Wieso hatte sie das gesagt? Das klang ja so, als wäre sie auf weitere Komplimente aus. Immerhin hatte sie sich irgendwann geschworen, ihr Leben nicht wie ihre Mutter mit Äußerlichkeiten zu vertun.

Sein Blick hielt ihren gefangen. „Tue ich das nicht?“

„Vielleicht auf deine Weise. Aber du flirtest gern. Wie geht es dem Vogel?“

Obwohl die Bewegung ihn aufstöhnen ließ, setzte er sich auf. Es war ihm gelungen, den Vogel während seines Sturzes sicher in der Hand zu halten. „Ihm ist nichts passiert – zumindest nicht bei dem Sturz. Wir sollten zurück in die Klinik fahren und herausfinden, wieso er nicht mehr fliegen kann.“

„Ich fahre. Es sei denn, du hast etwas dagegen, aber ich glaube, das ist besser.“ Sie musste pausenlos reden, um sich abzureagieren. „Schließlich bist du ja gerade erst von einem Baum gefallen und …“

Langsam erhob er sich. „Natürlich kannst du fahren. Wieso sollte ich damit ein Problem haben?“

„Den meisten Männern ist es lieber, selbst am Steuer zu sitzen.“ So war es bei ihrem Vater gewesen. Er hatte immer behauptet, ihre Mutter wäre zu unkonzentriert, um einen Wagen zu steuern. Portia erhob sich und klopfte sich den Staub von der Hose.

„Ich bin nicht wie die meisten Männer.“ Er hinterließ eine Spur aus Zweigen hinter sich, als er zum Truck des Reservats hinüberging.

„Dann fahre ich.“ Am Steuer des großen Wagens zu sitzen würde ihr ein Gefühl von Kontrolle geben. Und das brauchte sie im Moment dringender denn je.

„Du fährst sowieso besser als ich – auch wenn ich nicht gerade auf dem Hintern gelandet bin.“

„Ich kenne sonst keinen Mann, der so etwas zugeben würde.“ Sie band sich den Pferdeschwanz neu, der sich etwas gelöst hatte. Zurück zur gewohnten Ordnung!

Er lachte leise. „Dann haben die anderen wohl nicht so viel Selbstbewusstsein wie ich.“

Sie hob die Brauen. „Oder sie sind nicht so arrogant.“

„Stimmt.“ Er nahm auf dem Beifahrersitz Platz. „Du hast vorhin angerufen, weil du etwas mit mir besprechen wolltest. Dann kam die Sache mit dem Specht dazwischen. Jetzt haben wir Zeit. Worüber wolltest du reden?“

Sollte sie ihm jetzt so unvermittelt von der Schwangerschaft erzählen? Nein, so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Und so würde sie es nicht machen. Wenn sie es ihm sagte, dann in einer ruhigen Minute. Zu einem Zeitpunkt, den sie selbst gewählt hatte. Nicht wenn er ein verletztes Tier in der Hand hielt. „Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt.“

„Wieso nicht? Ist es etwas so Ernstes? Falls ja – raus mit der Sprache.“ Auffordernd sah er sie an.

„Wir sollten uns zuerst um den Specht kümmern.“ Sie presste die Lippen aufeinander, hielt ihn bewusst auf Distanz. Ihre Mutter war in jeder Hinsicht von einem Mann abhängig gewesen und stand dann vor dem Nichts, als er im Gefängnis starb. Bankrott. Portia hatte sich geschworen, sie würde sich auf niemanden einlassen, bis sie nicht sicher war, auf eigenen Beinen stehen zu können – schuldenfrei und unabhängig. Sie wagte gar nicht daran zu denken, wie viel schwerer das alles sein würde, wenn sie erst alleinerziehende Mutter war.

Er kniff die Augen zusammen, und sie sah ihm förmlich an, wie er eine Liste von Möglichkeiten durchging.

„Ist es etwas Persönliches?“, fragte er schließlich.

„Das habe ich nicht gesagt.“

„Wegen unserer Nacht vor sechs Wochen …?“

Sie unterdrückte ein Aufstöhnen. Seine Intuition war wirklich schrecklich! Umso mehr Grund für sie, im Umgang mit ihm vorsichtig zu sein.

„Nicht jetzt, Easton.“

„Du weigerst dich seit Wochen, darüber zu sprechen. Wann ist der richtige Moment gekommen? Du bist wirklich halsstarrig, das muss man schon sagen.“

Sie wusste, sie konnte das Gespräch nicht ewig hinauszögern, aber im Moment war sie zu aufgewühlt wegen seines Sturzes. Außerdem wollte sie zuerst den Termin beim Arzt abwarten, bevor sie etwas sagte, das ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen würde.

Dr. Easton Lourdes lehnte sich zurück. In seinem Kopf drehte sich alles. Einerseits war das sicher auf den Sturz zurückzuführen, andererseits aber auf die Frau an seiner Seite und die Erinnerung an die Momente, als er die Augen geschlossen gehalten und einfach nur ihre Nähe genossen hatte. Seit Portia vor zwei Jahren angefangen hatte, für ihn zu arbeiten, hatte er immer vermutet, dass sich hinter der verschlossenen Fassade ein Feuer der Leidenschaft verbarg. Bis zu jener stürmischen Nacht hatte er keine Ahnung gehabt, wie recht er mit dieser Annahme hatte.

Portia Soto. Die am besten organisierte Assistentin der Welt. Die Frau, die – bis vor Kurzem – seine exzentrische Ader unter Kontrolle gehalten hatte. Bis zu dem Moment ungezügelter Leidenschaft während des Sturms. Aber am nächsten Tag war die Fassade wieder intakt gewesen. Und Portia verschlossener denn je.

Er brauchte seine Assistentin. Das Lourdes Family Wildlife Refuge, das Wildtierreservat der Familie Lourdes, entwickelte sich sehr schnell zu einem international anerkannten Forschungs- und Rettungszentrum für tropische Tiere. Er war der medizinische Leiter des Projekts. Um es so voranzutreiben, wie er es sich vorstellte, war eine Assistentin unerlässlich. Er brauchte Portia als Mitarbeiterin. Und er begehrte sie als Frau. Wie er beides haben konnte, wusste er allerdings nicht.

Würde er die Menschen doch nur so gut verstehen wie die Tiere! In seiner Kindheit hatte er durch seine reichen, ständig von einem Ort zum anderen reisenden Eltern die unterschiedlichsten Tiere auf der ganzen Welt gesehen. Dabei hatte er ein Gespür für ihre Sprache entwickelt. Dafür hatte er es allerdings nie gelernt, Beziehungen zu anderen Menschen als seinen Eltern und seinem Bruder aufzubauen. Immer wenn er dabei gewesen war, Freundschaften zu schließen, packten seine Eltern schon wieder die Koffer und machten sich auf zu neuen Abenteuern.

Easton spürte, wie seine Anspannung allmählich nachließ. Er drehte den Kopf, um Portia betrachten zu können. Ihre Haltung am Steuer hätte jedem Fahrlehrer Freudentränen in die Augen getrieben. Konzentriert hielt sie den Blick auf die Straße gerichtet.

Willensstark. So würde er Portia beschreiben. Willensstark und ordentlich.

Und vor allem: leidenschaftlich.

Sie passte in das Reservat, das seiner Familie gehörte. Easton brachte seine anerkannten Fähigkeiten als Tierarzt und Wissenschaftler ein. Er hatte sich auf exotische Tiere spezialisiert. Sein Bruder Xander managte das Familienunternehmen und kümmerte sich – inzwischen zusammen mit seiner zweiten Frau Maureen – um das Auftreiben von Sponsorengeldern.

Es gehörten wirklich viele Wohltätigkeitsgalas und gute Kontakte dazu, das Projekt am Laufen zu halten. Portias Organisationstalent war ein unermesslicher Gewinn dabei, wie Xander immer wieder betonte. Easton selbst musste nur alle paar Monate im Smoking bei einem dieser Anlässe erscheinen und über die Forschung sprechen, die er so liebte.

Das Gros seiner Zeit verbrachte er mit den Tieren, und Portia war ihm eine wertvolle Stütze. Er war sehr froh darüber, dass der Reichtum seiner Familie es ihm ermöglichte, sich ganz um die Arbeit zu kümmern, die ihm am meisten bedeutete.

Das Reservat lag auf Key Largo, einer der kleinen Koralleninseln südlich von Florida. Die ganze Insel war nur gut dreißig Quadratkilometer groß, entsprechend klein war das Reservat. Dennoch war es in Zeiten allgemeiner Verstädterung und wachsenden Tourismus eine notwendige Einrichtung, davon war Easton überzeugt.

Er konnte jeden Tag seinen Traum leben. Gut, manche Menschen konnten ihre Leidenschaft zu Geld machen, aber für Easton spielte es keine Rolle, dass er für seine Arbeit kein Gehalt bezog. Geld war für ihn nebensächlich. Nur wenn das Reservat vor dem Aufsichtsrat Rechenschaft über seine Arbeit ablegen musste, wobei es in erster Linie um die ordnungsgemäße Verwendung der Spendengelder ging, befasste er sich gelegentlich mit diesem Thema.

Als Assistentin war Portia brillant – organisiert und gewissenhaft –, genau der richtige Gegenpol zu einem Freigeist wie ihm. Aber er wollte sie auch als Geliebte, und das machte die Zusammenarbeit mit ihr zu einer Herausforderung.

Sie hatte von Anfang an sein Interesse geweckt, aber er hatte sich stets gezwungen, sich ganz auf die Arbeit zu konzentrieren. Doch jetzt fühlte er sich abgelenkt durch den Anblick ihrer Lippen und die Art, wie sie mit ihrem Pferdeschwanz spielte, wenn sie nachdachte. Immer wieder ging ihm besagte Nacht durch den Kopf. In einer perfekten Welt sollte er beides haben können. Die gute Assistentin und auch die sexy Geliebte. Aber Portia hatte mehr als deutlich gemacht, dass er in ihrem Bett nicht willkommen war. Sie hatte ihm am Morgen danach eine knappe SMS geschickt und alle seine Nachrichten ignoriert, sofern sie nichts mit der Arbeit zu tun hatten.

Sein Puls raste, wenn er an die erste und bisher einzige Nacht mit ihr dachte. Die Erinnerung erregte ihn, daher schob er sie energisch beiseite.

Er musterte ihr angespanntes Lächeln. Portia hatte in den vergangenen Minuten kaum etwas gesagt, aber jetzt schien es ihr doch ein Bedürfnis, das Schweigen zu brechen. „Glaubst du, dass der Vogel einen gebrochenen Flügel hat?“

Ihr kühler Ton erschreckte ihn ein wenig. „Vielleicht. Ich muss ihn röntgen, um das herauszufinden.“

„Gut. Ich bin froh, dass wir ihm helfen konnten.“ Sachlich wie immer. Ganz professionell. Kein Hinweis auf irgendetwas anderes.

Sie bog auf den Parkplatz der Klinik ein. Als sie den Motor abgestellt hatte, wandte sie sich direkt an ihn. Ihre Miene spiegelte Sorge wider. Hatte sein Sturz sie derart beunruhigt?

Gern hätte er ihre Wange gestreichelt. Ihre Brüste erschienen ihm voller, als er sie in Erinnerung hatte. Was hatte er sich bei ihrer leidenschaftlichen Begegnung noch alles falsch eingeprägt? Plötzlich schienen zwischen ihnen wieder die Funken zu sprühen.

Sie sahen einander an, und ihm war klar, dass auch sie die Erinnerung an ihre gemeinsame Nacht nicht kaltließ. Das Feuer der Leidenschaft schwelte noch immer zwischen ihnen.

Er wollte es zu einer alles verzehrenden Flamme werden lassen.

Also küsste er sie. Versuchte sich zu beherrschen, um den Moment ganz auszukosten. Wollte sie nicht wieder in die Flucht schlagen. Sie fühlte sich einfach nur gut an.

Für einen unglaublichen Moment schien sie seinen Kuss zu erwidern. Dann veränderte sich etwas. Sie wurde blass.

Ehe er sichs versah, ehe er auch nur ein Wort sagen konnte, riss sie die Tür auf und rannte davon.

Easton konnte ihren Magen schon an einem normalen Tag in Aufruhr versetzen, aber jetzt, da Portia schwanger war, schien ihr Magen gar nicht mehr zu wissen, wo oben und wo unten war.

Sie hatte Mühe, ihre Übelkeit zu unterdrücken, als sie zur Klinik rannte. Sie nahm den Seiteneingang und eilte in ihr Büro neben dem Empfangsbereich. Erschöpft ließ sie sich gegen die Wand sinken und glitt zu Boden. Vielleicht konnte sie sich den demütigenden Spurt in den Waschraum ersparen, indem sie sich einfach beruhigte.

Ja, sich nicht zu bewegen schien das Beste zu sein. Sie atmete tief durch. Versuchte, sich auf ihre Umgebung zu konzentrieren. Erfreulicherweise war im Moment niemand da. Alle Angestellten und ehrenamtlichen Helfer waren nach Hause gegangen, nachdem sie die Tiere für die Nacht versorgt hatten. Sie hätte wirklich keine Zeugen haben wollen für ihren jetzigen Zustand. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an das Dämmerlicht. Sie hörte, wie jemand die Tür zur Abstellkammer öffnete.

Portia schluckte. Die Übelkeit machte sich erneut bemerkbar.

Ein Licht fiel durch die Tür des Nachbarbüros. Maureen. Eastons Stellvertreterin und Schwägerin. Wie Easton machte Maureen viele Überstunden und verzichtete für die Tiere auf ihren Schlaf.

Sie hatte ein Klemmbrett in der Hand und einen Kuli hinter dem Ohr. Offenbar hatte sie Inventur gemacht. Eine geordnete Bestandsaufnahme erleichterte die Arbeit in der Klinik zu jeder Jahreszeit, aber in der Hurrikan-Saison war sie noch wichtiger als sonst. Falls der Tropensturm vor einigen Wochen ein Vorgeschmack auf die kommenden Unwetter gewesen war, dann konnte eine gute Vorratshaltung lebensnotwendig sein.

Und was war mit ihrer eigenen Planung?

Portia atmete tief durch, als Maureen sie bemerkte und zu ihr herüberkam. Ihre leuchtend roten Locken wippten bei jedem Schritt. Maureen hockte sich neben Portia und musterte sie forschend.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie besorgt.

„Ja, ja, natürlich. Ich habe vergessen, heute Abend etwas zu essen, und daher war mir schwindelig. Es geht gleich wieder.“

Maureen eilte in ihr Büro und öffnete die Schublade mit den Vorräten der besonderen Art: Salzcracker, Schokoriegel und Kaugummi. „Du arbeitest zu viel.“

Sie gab ihrer Freundin eine Packung Cracker. Mit bebenden Fingern riss Portia sie auf. Während sie aß, überlegte sie fieberhaft, wie sie das Thema wechseln konnte.

„Die Arbeit macht mir Spaß.“ Das war nicht die ganze Wahrheit. Sie war dankbar für den gut bezahlten Job und die kleine Strandhütte, die dazugehörte, aber sie träumte davon, eines Tages Kunst zu studieren. Zuerst musste sie jedoch die Ausbildung ihres Bruders finanzieren und genügend Geld für ihr eigenes Studium sparen.

Dazu würde es nun wohl nicht mehr kommen. Sogar wenn sich ihr Gehalt verdoppelt hätte, hätte sie all das nicht finanzieren können. Sie würde es nicht einmal schaffen, sich einen ordentlichen Plan zurechtzulegen, bevor sie Easton ihr Geständnis machen musste.

Sie hasste es, überhaupt an Geld denken zu müssen. Es erinnerte sie zu sehr an ihre Mutter, für die Geld das Wichtigste überhaupt gewesen war. Vor allem aber hatte sie im Moment praktische Probleme zu lösen – zum Beispiel, wie sie diesen Cracker aufessen und bei sich behalten sollte. Jeder Bissen brachte ihren Magen erneut in Aufruhr.

Maureen warf einen Blick zum Untersuchungsraum hinüber. „Wo ist der Doktor?“

„Er untersucht einen verletzten Vogel, den wir gerettet haben.“ Das nahm sie jedenfalls an.

Was war ihm eingefallen, sie einfach so zu küssen?

Mehr noch: Was war ihr eingefallen, es dazu kommen zu lassen? Wie hatte sie den Kuss erwidern können?! Normalerweise war sie so stolz auf ihre Selbstbeherrschung. Auf ihren nüchternen Verstand. Bei Easton versagte offenbar beides.

Maureen reichte ihr eine Schachtel mit feuchten Tüchern. Ihr Diamantring funkelte. Sie hatte unlängst Eastons Bruder Xander geheiratet. „Hier.“

„Was?“ Verwirrt musterte Portia sie.

„Du hast Staub an den Knien und an den Ellenbogen.“

Portia sah an sich hinunter. Ihr schoss das Blut in die Wangen, als sie daran dachte, wie nah sie Easton gewesen war. Nicht, dass sie die Absicht gehabt hätte, mit irgendjemandem darüber zu sprechen. „Die Arbeit ist manchmal ziemlich staubig.“

Wie aufs Stichwort ging in dem Moment die Seitentür auf, und Schritte näherten sich. Eastons Schritte. Portia errötete noch tiefer. Er sah zu ihr herüber. Den Vogel hielt er behutsam, aber fest in der Hand.

Maureen ging zu ihm. „Brauchst du Hilfe?“

„Ich komme klar.“ Er schüttelte den Kopf. „Redet ihr nur weiter.“

Easton eilte nach hinten, wo sich der Röntgenraum befand.

Sofort wandte Maureen sich wieder an Portia. „Du wirkst eigentlich eher wie der Bürotyp. Ich habe mich schon oft gefragt, wieso du diesen Job angenommen hast.“ Maureen war immer so geradeheraus. Normalerweise schätzte Portia ihre Direktheit, aber sie wusste nicht, ob sie ihr im Moment gewachsen war.

„Das Gehalt ist mehr als großzügig, und der Standort ist verlockend.“

Klang das so lahm, wie es ihr vorkam? Es spielte keine Rolle, denn es war die Wahrheit. Sie brauchte das überdurchschnittliche Gehalt, um ihrem Bruder die Ausbildung zu finanzieren. Ihr Magen regte sich wieder. Die Mischung aus den Gerüchen der antiseptischen Reinigungsmittel, der Holzwolle, mit der die Käfige ausgestreut waren, und der Pflanzen brachte ihn in Wallung.

„Das Gehalt ist so hoch, weil deine Vorgängerinnen mit dem exzentrischen Boss nicht fertiggeworden sind. Sie mochten weder die unchristlichen Arbeitszeiten noch sein Chaos. Oder aber sie hatten es auf ihn abgesehen. Und du hältst es mit ihm aus, obwohl er nicht mal dein Typ ist.“

Portia knabberte an ihrem Cracker, um Zeit zu gewinnen. „Und was ist mein Typ?“, fragte sie schließlich.

„Klang das anmaßend? Das tut mir leid“, sagte Maureen sofort.

„Nein, nein, ich bin nur neugierig, weil … Ach, vergiss es.“ Die Frage hatte unschuldig geklungen, aber Portia überlegte, ob Maureen nicht vielleicht ahnte, dass da etwas zwischen ihr und Easton lief.

„Ich wollte damit nur sagen, dass ich dich eher mit einem Geschäftsmann oder einem Professor sehen würde. Aber natürlich weißt du selbst, was für dein Liebesleben am besten ist. Erzähl mir doch mal, was dein Typ ist. Oder gibt es schon einen Mann in deinem Leben?“

Autor

Catherine Mann
<p>Bestsellerautorin Catherine Mann schreibt zeitgenössische Liebesromane, die im militärischen Milieu spielen. Ihr Mann, der bei der US Air Force arbeitet, versorgt sie mit allen nötigen Informationen, sodass sie keine Recherche betreiben muss. In der Zeit vor ihren Romanveröffentlichungen machte sie ihren Bachelor in Bildender Kunst auf dem College von Charleston...
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