Mein Monat mit dem Millionär

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"Warum sollte ich dir helfen? Vielleicht möchte ich dich lieber in der Hölle sehen." Die verächtlichen Worte des Ölmultis Emilio Suarez zerreißen Isabelle fast das Herz. Aber sie hat keine Wahl: Früher gehörte sie zur High-Society, jetzt ist sie verwitwet, verarmt und angeklagt - und er der Einzige, der ihr helfen kann! Sie versteht seine Wut. Als Teenager waren sie ein Paar. Bis Isabelle ihn, Sohn der Haushälterin, fallen ließ … Aber als er die Bedingung für seine Hilfe nennt, verschlägt es ihr den Atem: Einen Monat soll sie sein Dienstmädchen sein - und seine Geliebte!


  • Erscheinungstag 25.08.2012
  • Bandnummer 1734
  • ISBN / Artikelnummer 9783864946363
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Kein Zweifel – tiefer konnte Isabelle Winthrop-Betts nicht sinken.

Nicht einmal der Schmerz, den sie empfunden hatte, wenn ihr Vater sie schlug, ließ sich mit dem Gefühl der Erniedrigung vergleichen, das sie nun gegenüber Emilio Suarez verspürte – jenem Mann, den sie einst von ganzem Herzen geliebt hatte und den sie hatte heiraten wollen.

Ihrem Vater hatte sie es zu verdanken, dass die Hochzeit nie stattgefunden hatte. Und Isabelle konnte es Emilio nicht verdenken, dass er sie jetzt voller Bitterkeit ansah. Wie er da in seinem Chefsessel hinter dem Schreibtisch in der Vorstandsetage von Western Oil saß, wirkte er auf sie wie ein König, der einer Bäuerin eine Audienz gewährt.

Leonard, ihr verstorbener Mann, war schuld daran, dass sie in diesem Moment tatsächlich nicht viel mehr war als eine arme Bittstellerin. Aus einer der reichsten Frauen in Texas war eine Witwe ohne festen Wohnsitz geworden, die keinen Cent mehr besaß und kurz davor stand, wegen Betrugs ins Gefängnis zu wandern. Alles nur, weil sie zu naiv und vertrauensselig gewesen war. Denn jedes Mal, wenn ihr Mann ihr Dokumente zur Unterschrift vorgelegt hatte, hatte sie ohne zu zögern ihren Namen daruntergesetzt. Wie hätte sie dem Menschen, der sie aus der Hölle befreit hatte, auch misstrauen können? Leonard hatte ihr wahrscheinlich sogar das Leben gerettet.

Jetzt war der Mistkerl gestorben, ehe er den Verdacht, der auf ihr lastete, entkräften konnte.

Vielen Dank, Lenny!

„Du hast ja Nerven, ausgerechnet mich um Hilfe zu bitten“, sagte Emilio mit jener tiefen, samtweichen Stimme, an die Isabelle sich so gut erinnerte. Nur dass in dieser Stimme jetzt ein hasserfüllter Unterton mitschwang, der nichts Gutes verhieß. Natürlich hatte er jedes Recht, wütend auf sie zu sein, denn die Art, wie sie ihm das Herz gebrochen hatte, war übel genug gewesen. Doch damals hatte sie keine andere Wahl gehabt. Auf Verständnis konnte sie allerdings nicht hoffen. Alles, was sie sich wünschte, war eine Spur Mitgefühl.

Er sah sie aus tiefschwarzen Augen durchdringend an, und sie musste sich zusammenreißen, um nicht davonzulaufen. „Warum kommst du zu mir? Weshalb wendest du dich nicht an deine reichen Freunde?“

Ganz einfach. Weil sein Bruder Alejandro in ihrem Fall als Staatsanwalt für die Anklage zuständig war. Abgesehen davon hatte sie keine Freunde mehr, denn die hatten alle mit Lenny Geschäfte gemacht und sich verspekuliert. Einige hatten Millionen verloren.

„Du bist der Einzige, der mir helfen kann“, sagte sie leise.

„Und warum sollte ich dir helfen? Vielleicht würde es mir besser gefallen, dich im Gefängnis verrotten zu sehen?“

Sie schluckte. Hasste er sie denn wirklich so sehr?

Dann würde er sich vermutlich freuen, zu hören, dass selbst ihr Anwalt, Clifton Stone, davon ausging, dass es kaum noch etwas gab, was sie vor diesem Schicksal bewahren konnte. Die Beweislage war eindeutig, und im besten Fall konnte sie mit einem Geständnis erreichen, dass ihre Strafe etwas milder ausfiel. Isabelle fürchtete sich vor dem Gefängnis, aber sie war bereit, die volle Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen und jedes Urteil zu akzeptieren. Dummerweise hatte Lenny auch ihre Mutter in die Sache hineingezogen. Adriana Winthrop hatte schon jahrelang unter den Misshandlungen ihres eigenen Ehemanns, Isabelles Vater, leiden müssen. Sie verdiente etwas Besseres, als den Rest ihres Lebens hinter Gefängnismauern zu verbringen. Und erst recht nicht für etwas, an dem Isabelle ganz allein die Schuld trug.

„Was mit mir geschieht, ist mir egal“, erklärte Isabelle. „Ich will nur, dass die Anklage gegen meine Mutter zurückgezogen wird. Sie hat mit Leonards Machenschaften nicht das Geringste zu tun.“

„Du warst genauso an Leonards Machenschaften beteiligt“, konterte Emilio.

Sie nickte traurig.

„Heißt das, du gibst deine Schuld zu?“

Wenn blindes Vertrauen ein Verbrechen war, dann war sie definitiv schuldig. „Ich trage die Verantwortung für den Schlamassel, in dem ich mich befinde.“

„Du kommst zu einem ungünstigen Zeitpunkt.“

Dies war ihr durchaus bewusst, denn sie hatte im Fernsehen die Berichte über die Explosion in der Ölraffinerie gesehen. Einige Arbeiter waren verletzt worden. Isabelle hatte schon in der Woche zuvor probiert, Emilio aufzusuchen, doch vor der Firmenzentrale wimmelte es ständig von Journalisten. Jetzt lief ihr die Zeit davon. Also musste sie handeln. „Das weiß ich, und es tut mir wirklich leid. Aber ich kann nicht mehr warten.“

Er verschränkte die Arme vor der Brust und musterte sie kritisch. Auch Isabelle betrachtete ihn zum ersten Mal genauer. In seinem dunklen Anzug und mit dem aus dem Gesicht gekämmten kurzen schwarzen Haar wirkte er fremd. Kaum etwas erinnerte an den Jungen, den sie einst gekannt hatte. In den sie sich Hals über Kopf verliebt hatte, als er fünfzehn und sie zwölf Jahre alt gewesen war. Allerdings waren danach noch Jahre vergangen, ehe Emilio sie zum ersten Mal wirklich wahrgenommen hatte.

Seine Mutter war Haushälterin bei den Winthrops gewesen, und der alte Winthrop hatte seiner Tochter Isabelle jeden Umgang mit dem jungen Emilio Suarez verboten. Das hatte sie jedoch nicht daran gehindert, sich heimlich mit ihm zu treffen, jedes Mal voller Angst, erwischt zu werden. Zunächst ging alles gut. Bis zu jenem Tag, an dem ihr Vater von ihrem Plan erfahren hatte, gemeinsam davonzulaufen.

Nicht genug, dass er Isabelle mit aller Härte bestraft hatte – er hatte auch Emilios Mutter fristlos gekündigt und das Gerücht verbreitet, sie habe gestohlen, damit niemand sie mehr einstellen würde.

Isabelle wünschte, ihr Vater könne sie jetzt sehen. Emilio, reich und mächtig geworden, und sie als Bittstellerin.

Siehst du, Daddy, er war gut genug für mich. Vielleicht besser, als ich es verdient hätte.

Emilio hätte sie niemals schlecht behandelt oder ihren Ruf durch kriminelle Geschäfte ruiniert. Er war ehrlich, vertrauenswürdig und loyal.

Und in diesem Moment ziemlich wütend auf sie.

„Du tust das also für deine Mutter?“, fragte er.

Isabelle nickte. „Mein Anwalt meint, dass dein Bruder sich wohl kaum auf einen Handel einlassen wird, weil die Sache von den Medien so hochgekocht wurde. Sie wird mit ziemlicher Sicherheit ins Gefängnis wandern.“

„Vielleicht gefällt mir diese Aussicht ja“, bemerkte er.

Ihr Widerspruchsgeist regte sich. Adriana Winthrop war zu ihm und seiner Mutter immer sehr freundlich gewesen. Ihre einzige Schuld lag darin, mit einem arroganten Gewalttäter verheiratet gewesen zu sein. Doch noch nicht einmal das konnte man ihr zum Vorwurf machen. Ihr Versuch, ihn zu verlassen, war kläglich gescheitert, und er hatte es sie furchtbar büßen lassen.

„Zielt der Aufzug, in dem du hier erscheinst, darauf ab, mein Mitleid zu erwecken?“

Sie widerstand der Versuchung, einen Blick auf ihre abgetragene Bluse und die schlecht sitzende Hose zu werfen, die sie trug. Beides stammte aus einem Kleidersack, den ihre Mutter eigentlich für eine Wohltätigkeitsorganisation bestimmt hatte. Als die Leute gekommen waren, um das Haus leerzuräumen, hatte Isabelle leider nicht darauf bestanden, irgendetwas von ihren Sachen zu behalten. Nun musste sie mit dem auskommen, was übrig war.

„Du tust mir nicht im Geringsten leid, Isabelle“, fuhr er fort. „Meiner Meinung nach bekommst du das, was du verdienst.“

Da konnte sie ihm nur zustimmen.

Sie begriff, dass ihr Besuch bei ihm vergeblich war, reine Zeitverschwendung. Er würde ihr nicht helfen, weil er das, was sie ihm angetan hatte, nicht vergessen konnte. Er schien verbittert.

Immerhin war es einen Versuch wert gewesen.

Enttäuscht stand sie auf und sagte mit zitternder Stimme: „Na gut. Danke, dass sie mir ein wenig Ihrer Zeit geopfert haben, Mr Suarez.“

„Setz dich!“, befahl er.

„Wozu? Du willst mir ja doch nicht helfen.“

„Das habe ich nie gesagt.“

In seinen Augen meinte sie nun doch so etwas wie Mitgefühl zu entdecken, und ihre Hoffnung erwachte von Neuem. Also setzte sie sich wieder.

„Ich werde mit meinem Bruder über den Fall deiner Mutter reden, aber ich erwarte eine Gegenleistung.“

Das hätte sie sich ja denken können. Ihr wurde kalt. „Welche?“

„Du wirst dreißig Tage lang als Haushälterin für mich arbeiten. Für mich kochen, putzen und waschen. Alles tun, was ich verlange. Wenn die dreißig Tage um sind und ich mit deiner Leistung zufrieden bin, spreche ich mit meinem Bruder.“

Ihr war klar, dass er sie die gleichen Arbeiten in seinem Haus verrichten lassen wollte, die seine Mutter erfüllt hatte, um sich für deren Rauswurf zu rächen. Wie hinterhältig von ihm. Was war aus dem sanften, liebevollen Jungen geworden, den sie gekannt hatte? Nie hätte sie ihm einen solch teuflischen Plan zugetraut. Emilio musste sich sehr verändert haben, und der Gedanke, dass sie vermutlich schuld daran war, schmerzte. Sie hatte ihn zu einem zynischen Menschen gemacht.

Was seine Forderung betraf – hatte sie sich nicht nach dem Tod ihres Vaters geschworen, dass sie sich nie wieder einem Mann unterordnen würde? Aber hier ging es ja gar nicht um sie, sondern um ihre Mutter. Sie war ihr jedes Opfer schuldig. Außerdem – wo sollte ihr Stolz nach allem, was geschehen war, überhaupt noch herkommen? Mittlerweile war sie daran gewöhnt, bittere Pillen zu schlucken.

Sie war schon lange nicht mehr das schüchterne, stille Mädchen, das Emilio einst gekannt hatte. Das Leben hatte sie hart gemacht, sie konnte furchtlos allem ins Auge sehen und sich behaupten.

„Woher soll ich wissen, dass ich dir vertrauen kann?“, fragte sie. „Dass du nach dreißig Tagen wirklich dein Wort hältst?“

Aufgebracht funkelte er sie an. „Weil ich dir gegenüber immer ehrlich gewesen bin, Isabelle.“

Anders als umgekehrt wollte er damit ausdrücken. Und er hatte recht. Auch wenn es für sie damals einen triftigen Grund gegeben hatte, ihr Wort zu brechen. Aber das konnte sie ihm nicht sagen. Und selbst wenn – würde er ihr überhaupt glauben? Wohl eher nicht.

Emilio lehnte sich zurück. „Du kannst es dir ja überlegen.“

Dafür blieb keine Zeit. In weniger als sechs Wochen war die Hauptverhandlung, und ihr Anwalt hatte ihr bereits mitgeteilt, dass die Sache nicht gut stand. Weder für sie noch für ihre Mutter.

Die nächsten dreißig Tage würden kein Zuckerschlecken sein, aber zumindest wusste sie, dass Emilio nicht gewalttätig war. Kalt und rücksichtslos vielleicht, aber nicht brutal. In seiner Gegenwart hatte sie sich immer sicher gefühlt.

Und was, wenn er sich auch in dieser Hinsicht verändert hat? dachte sie. Doch dann schob sie den Gedanken beiseite. Ihre Entscheidung war gefallen.

Sie straffte die Schultern und erklärte: „Ich tue es.“

Isabelle Winthrop war eine Schlange.

Sie log, sie betrog, sie war eitel und egoistisch.

Und doch konnte Emilio nicht leugnen, dass sie auch jetzt noch, fünfzehn Jahre nach ihrer letzten Begegnung, die schönste Frau war, die er je gekannt hatte.

Ihre Seele jedoch war schwarz wie die Nacht.

Damals hatte sie ihn einfach fallen lassen. Er hatte an ihre Liebe geglaubt, obwohl sie eine Winthrop und er nur der Sohn einer Hausangestellten war. Es war ihm nie in den Sinn gekommen, daran zu zweifeln, dass sie heiraten und bis ans Lebensende glücklich sein würden. Sie hatte ihm gesagt, dass ihr an Geld nichts lag, und auch nicht an ihrer gesellschaftlichen Stellung. Alles, was sie wollte, war das Glück an seiner Seite. Lang genug hatte er diesen Traum geträumt. Bis zu dem Tag, an dem er aus der Zeitung erfuhr, dass sie den Finanztycoon Leonard Betts geheiratet hatte. Einen Multimillionär!

Ihr lag also nichts an Geld und Status? Weshalb heiratete eine Frau wohl sonst einen reichen Mann, der fünfundzwanzig Jahre älter war als sie?

Nachdem alles vorbei gewesen war, konnte Emilio zumindest sagen, dass er aus der Geschichte etwas gelernt hatte. Frauen konnte man nicht trauen, und es war falsch, sein Herz bedingungslos zu verschenken.

Jetzt hatte er große Lust, ein wenig Rache zu üben.

Was die Dinge anging, die die Staatsanwaltschaft ihr vorwarf, konnte er sich noch keine abschließende Meinung bilden. Aber wenn sie die betrügerischen Dokumente unterschrieben hatte, war sie ebenso schuldig wie ihr Mann. Da Leonard tot war, musste sie eben dafür büßen.

Emilio war durchaus der Ansicht, dass sie nur bekam, was sie verdiente. Allerdings hatte er vor, sich aus dieser Angelegenheit herauszuhalten.

„Es gibt eine Bedingung“, sagte er zu Isabelle.

Nervös strich sie sich eine hellblonde Strähne aus dem Gesicht. Damals hatte er es geliebt, seine Finger durch ihr seidig glattes Haar gleiten zu lassen. Früher glänzend und voll, wirkte es nun jedoch matt und leblos. „Und die wäre?“, fragte sie.

„Niemand darf von unserer Abmachung erfahren.“ Denn wenn seine Kollegen herausfanden, dass er Isabelle half, konnte es Probleme bei seiner Bewerbung für den Chefposten bei Western Oil geben. Seine Konkurrenten waren der Topmanager Jordan Everett und dessen Bruder Nathan, dem die Marketingabteilung unterstand. Beide waren Freunde von Emilio und kompetente Mitbewerber. Allerdings hielt sich Emilio für den besseren Kandidaten, denn er hatte härter für den Erfolg gearbeitet als die beiden Harvardabsolventen, die immer von ihrem Daddy finanziell unterstützt worden waren.

Wahrscheinlich war es eine verrückte Idee, alles wegen Isabelle aufs Spiel zu setzen, doch sein Rachedurst musste gestillt werden. Unbedingt. Nach dem Tod seines Vaters hatte seine Mutter wie verrückt geschuftet, um ihn und seine drei Brüder durchzubringen. Erst Jahre, nachdem sie ihre Stelle bei den Winthrops aufgeben musste, hatte sie ihren Söhnen gestanden, dass Isabelles Vater sie nicht nur regelmäßig beschimpft, sondern auch sexuell belästigt hatte. Sie war geblieben, weil die Bezahlung gut war und sie geglaubt hatte, keine andere Wahl zu haben. Als man ihr gekündigt und sie des Diebstahls bezichtigt hatte, war ihr klar, dass sie nie wieder in einem gehobenen Haushalt arbeiten würde.

Jetzt bot sich Emilio die Gelegenheit, seine Mutter, seine ganze Familie zu rächen.

„Bist du sicher, dass du nicht vor all deinen Freunden damit angeben willst?“, wollte Isabelle wissen.

„Ich bin in dieser Firma zuständig für die Finanzen, und es käme wohl nicht gut an, wenn man wüsste, dass ich der Frau eines Anlagebetrügers helfe. Sobald du plauderst, ist unser kleiner Deal vorbei, und ich werde dafür sorgen, dass du und deine Mutter im Gefängnis verrotten.“

„Ich kann aber nicht einfach für dreißig Tage verschwinden. Meine Mutter wird wissen wollen, wo ich bin.“

„Sag ihr einfach, du wohnst bei Freunden, bis du wieder Boden unter den Füßen hast.“

„Und das Gericht? Ich bin nur unter Auflagen auf freiem Fuß. Wenn ich mich nicht daran halte, muss ich zurück ins Gefängnis.“

„Darum kümmere ich mich“, sagte er, weil er davon ausging, dass er mit seinem Bruder eine Vereinbarung treffen konnte.

Isabelle wirkte unsicher. Wahrscheinlich nahm sie an, es sei nur ein Trick. Aber sie hatte keine andere Wahl. Und er hatte nicht vor, sie zu hintergehen. Im Gegensatz zu ihr hielt er immer sein Wort.

„Ich werde den Mund halten“, versprach sie.

„Gut.“ Er schob ihr ein Blatt Papier und einen Stift hin. „Schreib mir deine aktuelle Adresse auf. Ich schicke dann heute Abend meinen Fahrer, um dich abzuholen.“

Eigentlich hatte Emilio angenommen, dass sie bei ihrer Mutter oder in einem Luxushotel wohnen würde, doch die Adresse, die sie notierte, war die eines schäbigen Motels in einem heruntergekommenen Stadtviertel. War sie tatsächlich so in der Klemme? Oder tat sie nur so?

Er wusste, dass von dem Geld, das ihr Mann und sie veruntreut hatten, mehrere Millionen fehlten. Wahrscheinlich hatten sie es irgendwo geparkt. Aber weshalb hatte sie es nicht einfach geholt und sich ins Ausland abgesetzt? Wollte sie warten, bis ihre Mutter aus der Sache raus war, und dann abhauen?

Zumindest war das eine Möglichkeit, die er bedenken musste.

„Halte dich um sieben Uhr bereit“, sagte er. „Dein Dreißigtagejob fängt morgen an. Einverstanden?“

Sie nickte, doch dann hob sie stolz das Kinn. Nicht mehr lange, dachte Emilio. Isabelle hatte noch nie in ihrem Leben gearbeitet, schon gar nicht im Haushalt. Zu gern wäre er dabei gewesen, wenn sie mit Pauken und Trompeten unterging.

Der Gedanke entlockte ihm fast ein Lächeln.

„Soll dich jemand ins Hotel fahren?“, fragte er.

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, danke, ich habe mir das Auto meiner Mutter ausgeliehen.“

„Das ist ja was ganz Neues für dich. Du fährst selbst. Kannst du es überhaupt noch?“

Ihm war klar, dass sie ihm gern Kontra gegeben hätte, doch sie schwieg und warf ihm nur einen wütenden Blick zu. Sie konnte einstecken, das imponierte ihm. Trotzdem – sie würde bald erfahren, wer hier den Ton angab. Er war schon lange nicht mehr jener naive, vertrauensselige Mann von damals …

Er stand auf, und sie erhob sich ebenfalls. Als sie sich die Hand gaben, umfasste Emilio ihre schlanken Finger warm und fest, fast besitzergreifend, und hörte, wie sie überrascht einatmete. Mit Genugtuung erkannte er, dass es sie nicht kalt ließ, ihm nahe zu sein. Darauf hatte er gehofft, denn es gehörte zu seinem Plan. Isabelle als Haushälterin anzustellen war nämlich nur ein Teil davon.

Als sie ein Paar gewesen waren, hatte Isabelle darauf bestanden, mit dem ersten Sex bis zur Hochzeit zu warten, und Emilio hatte ihren Wunsch respektiert, nur um nach einem Jahr abserviert zu werden. Jetzt war es Zeit, sich zu holen, was sie ihm damals nicht gewährt hatte.

Sein Plan bestand darin, sie zu verführen, sie verrückt nach ihm zu machen, und sie, wenn sie darum bettelte, zurückzuweisen.

Wenn er mit ihr fertig war, würde es ihr danach der Gefängnisaufenthalt wie ein Cluburlaub vorkommen.

2. KAPITEL

„Hab ich da gerade richtig gesehen? War das etwa …?“

Emilio schaute von seinem Computerbildschirm auf und sah Adam Blair, den derzeitigen Chef von Western Oil, in der Tür stehen. Ich hätte es wissen müssen, dachte er. So etwas spricht sich schnell herum. Offenbar hatte Isabelles „Verkleidung“, wie er es nannte, nichts genützt. Und auch ihr Pseudonym, unter dem sie sich am Empfang angemeldet hatte, war umsonst gewesen. Ihm war klar, dass er sie hätte fortschicken müssen, als sie da unten in der Lobby auf ihn wartete, stolz und zu allem entschlossen. Doch er war neugierig gewesen. Das hatte er nun davon.

Schon vor Monaten, als der Skandal um Leonard Betts an die Öffentlichkeit gedrungen war, hatte er seinen Boss darüber informiert, dass es zu Leonards Frau eine private Verbindung gab. Aber es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, dass sie die Verwegenheit besitzen würde, hier bei ihm im Büro aufzutauchen, geschweige denn, dass sie käme, weil sie ihn um Hilfe bitten wollte. Wahrscheinlich war sie es einfach gewöhnt, immer ihren Willen zu bekommen.

„Ja, das war Isabelle Winthrop-Betts“, informierte er Adam.

„Was wollte sie?“

„Meine Hilfe. Sie möchte den Freispruch ihrer Mutter erreichen und bat mich, in dieser Sache mit meinem Bruder zu reden.“

„Und was ist mit ihr selbst?“

„Sie hat ihre Schuld mehr oder weniger zugegeben. Soweit ich sie verstanden habe, übernimmt sie die volle Verantwortung.“

„Seltsam“, sagte Adam überrascht.

Emilio empfand es ganz ähnlich. Durch seinen Bruder, den Staatsanwalt, kannte er viele Kriminalfälle und wusste, dass es keinem Missetäter jemals in den Sinn gekommen wäre, offen und ehrlich seine Schuld einzugestehen. Anscheinend verfolgte Isabelle damit ein bestimmtes Ziel. Bloß welches? Vermutlich ging es darum, sich mit ihrer Mutter und den bisher unauffindbaren Millionen ins Ausland abzusetzen. Doch weshalb sollte sie dann darauf bestehen, zuerst den Namen ihrer Mutter reinzuwaschen? Wenn er es schlau anstellte, konnte er ihr das Geheimnis vielleicht entlocken und seine Erkenntnisse dann den Behörden mitteilen?

„Und wirst du ihr helfen?“, wollte Adam wissen.

„Zumindest werde ich mit Alejandro sprechen.“ Das lag noch vor ihm, und es würde kein Vergnügen sein.

„Das überrascht mich. Als wir zuletzt über sie sprachen, schienst du mir sehr verbittert zu sein.“

Adam war nicht nur sein Vorgesetzter, sondern auch einer seiner besten Freunde. Trotzdem bezweifelte Emilio, dass Adam Verständnis für seine Rachegelüste aufbringen würde. Dafür war er einfach nicht der Typ. Außerdem war er niemals so verletzt und betrogen worden wie Emilio. Daher musste er seinen Plan für sich behalten, schon deswegen, weil Adam sicher alles unterbinden würde, was Westen Oil noch mehr negative Schlagzeilen verschaffen könnte.

Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.

„Nenn es Sentimentalität“, erwiderte Emilio deshalb nur.

Adam lachte. „Tut mir leid, aber das ist nicht dein Stil. Sentimentalität gehört nicht in dein Vokabular, außer vielleicht, wenn es um deine Mutter geht. Versprich mir einfach, dass du keine Dummheiten machen wirst.“

„Keine Sorge“, versicherte Emilio. „Du hast mein Wort.“

„Gut.“ Adams Mobiltelefon piepte, weil er eine SMS erhalten hatte. Während er sie las, lächelte er. „Katy ist gerade angekommen. Sie bleibt für ein paar Tage in El Paso, danach fahren wir gemeinsam zurück nach Peckins.“

Katy war Adams Verlobte. Sie war dazu die Schwester seiner verstorbenen Frau und im fünften Monat schwanger.

„Wann wollt ihr heiraten?“, fragte Emilio.

„Irgendwann zwischen Weihnachten und Silvester. Es wird nur eine kleine Feier auf der Ranch ihrer Eltern. Sobald es einen Termin gibt, sage ich dir Bescheid. Auf jeden Fall findet die Hochzeit noch vor der Geburt des Babys statt.“ Adam schaute auf seine Armbanduhr. „Ich muss noch ein paar Dinge erledigen, ehe ich Feierabend mache.“

„Grüß Katy von mir.“

Adam wandte sich zum Gehen, doch dann drehte er sich noch einmal um. „Bist du sicher, dass du weißt, was du tust?“

Emilio brauchte nicht nachzufragen, was sein Boss damit meinte. „Ganz sicher.“

Sobald Adam gegangen war, rief Emilio seinen Bruder an.

„Hallo, großer Bruder“, begrüßte ihn Alejandro, nachdem seine Sekretärin die Verbindung hergestellt hatte. „Lange nicht gesehen. Die Kinder vermissen ihren Lieblingsonkel.“

Emilio hatte seine neun, sechs und zwei Jahre alten Neffen wirklich schon viel zu lange nicht mehr besucht. Da er nicht davon ausging, dass er selbst jemals Kinder haben würde, versuchte er, den Kontakt zu ihnen so eng wie möglich zu gestalten. „Ich weiß. Es tut mir leid. Seit dem Unfall in der Raffinerie geht es hier drunter und drüber.“

„Gibt es schon neue Erkenntnisse?“

„Bisher noch nicht. Aber es könnte sein, dass es sich um Sabotage gehandelt hat. Wir werden interne Ermittlungen anstellen. Das muss allerdings unter uns bleiben.“

„Selbstverständlich. Lustig, dass du ausgerechnet heute anrufst, denn ich wollte mich ebenfalls bei dir melden. Alana war heute Morgen beim Arzt. Sie ist schwanger.“

Emilio lachte. „Gratuliere! Ich dachte, ihr wolltet bei Nummer drei aufhören.“

„Wollten wir auch, aber Alana musste unbedingt ausprobieren, ob wir nicht doch eine Tochter hinkriegen. Mein Einwand, dass ich mit drei Brüdern gesegnet bin und wir schon drei Jungs haben, spielte da keine Rolle.“

Es war lange her, seit sich Emilio eine eigene Familie gewünscht hatte. Er und Isabelle hatten darüber gesprochen, Kinder zu haben. Mindestens zwei. „Freuen sich die Jungs?“, erkundigte er sich.

„Wir haben es ihnen noch nicht gesagt, aber sie werden begeistert sein. Zumindest Alex und Reggie. Chris ist noch ein bisschen zu jung, um es zu kapieren.“

„Du hast vermutlich nichts von Estefan gehört?“, fragte Emilio. Sein jüngerer Bruder war ständig in Schwierigkeiten, spielte, trank, nahm Drogen und tauchte eigentlich nur auf, wenn er Geld oder Unterschlupf brauchte. Ihre Mutter lebte in ständiger Furcht, dass irgendwann ein Anruf von der Polizei käme und man sie auffordern würde, die Leiche ihres Sohnes zu identifizieren.

„Keine Silbe. Ich weiß nicht, ob ich erleichtert sein oder mir Sorgen machen soll. Von Enrique habe ich allerdings eine Nachricht bekommen. Er ist zurzeit in Budapest.“

Enrique war der jüngste Bruder und galt als der Nomade in der Familie. Eigentlich hatte er nach dem Collegeabschluss nur für ein paar Sommerwochen einen Rucksacktrip nach Europa geplant. Das war jetzt drei Jahre her, und seitdem hatte er sich nicht wieder zu Hause blicken lassen. Ab und zu kam eine Postkarte oder eine E-Mail, und manchmal postete er ein paar Fotos im Internet. Ganz selten rief er an. Dann versprach er jedes Mal, bald heimzukommen, aber gleich darauf erzählte er von einer Stadt, die er vorher unbedingt noch gesehen haben musste, oder einer neuen Sache, der er sich mit Haut und Haar verschreiben wollte.

Eine Weile unterhielten sich Emilio und Alejandro über die Familie und die Arbeit, aber irgendwann wusste Emilio, dass es Zeit war, mit seinem Anliegen herauszurücken. „Ich wollte dich um einen Gefallen bitten“, sagte er.

„Alles, was du willst“, erwiderte Alejandro bereitwillig.

„Isabelle Winthrop checkt heute Abend aus ihrem Motel aus. Was die Staatsanwaltschaft betrifft, ist die offizielle Information, dass sie dort weiter zu erreichen ist.“

Alejandro schwieg. Dann fluchte er leise. „Was geht hier vor, Emilio?“

„Nicht das, was du denkst.“ Er erzählte seinem Bruder von Isabelles Besuch und seiner Abmachung mit ihr. Seine Absicht, sie zu verführen, verschwieg er allerdings. Wie Emilios Boss, hätte auch Alejandro für seine Rachepläne kein Verständnis aufgebracht. Wie auch? Alejandro war noch nie das Herz gebrochen worden. Er war mit Alana schon auf der Highschool zusammen gewesen, und bis auf zwei Wochen, in denen sie ausprobiert hatten, ob sie es auch ohne einander aushielten, waren sie seitdem unzertrennlich.

„Bist du jetzt völlig verrückt geworden?“, fragte Alejandro.

„Ich weiß, was ich tue.“

„Wenn Mama das rauskriegt, bringt sie dich um. Und dann mich, weil ich dir geholfen habe.“

„Ich tue es für Mama und für unsere ganze Familie. Ich zahle Isabelle heim, was ihr Vater uns angetan hat.“

„Du vergisst, dass Isabelle dich damals versetzt hat. Oder?“

Emilio überging diesen Einwand. „Du gehst davon aus, dass sie schuldig ist?“

„Auf dem Papier, ja.“

„Aber sie hat mir gegenüber alles zugegeben. Mehr oder weniger.“

„Trotzdem gibt es neue Erkenntnisse in dem Fall.“

„Was für Erkenntnisse?“

„Du weißt genau, dass ich darüber nicht sprechen darf“, wehrte Alejandro ab. „Und außerdem wäre ich bescheuert, dir zu helfen. Wenn in meinem Büro jemand herausfindet, was du tust …“

„Niemand wird es herausfinden“, entgegnete Emilio.

„Du gefährdest damit nicht nur deinen eigenen Job.“

Emilio tat es nicht gern, aber er hatte keine andere Wahl. „Wer hat dir denn ermöglicht, Karriere zu machen?“, fragte er.

Alana war schwanger geworden, als Alejandro noch Jura studierte. Seine junge Familie zu ernähren und gleichzeitig die Gebühren für die hochkarätige Ausbildung zu zahlen, wäre ihm nicht gelungen. Also war Emilio eingesprungen.

Autor

Michelle Celmer
<p>Michelle Celmer wurde in Metro, Detroit geboren. Schon als junges Mädchen entdeckte sie ihre Liebe zum Lesen und Schreiben. Sie schrieb Gedichte, Geschichten und machte selbst dramatische Musik mit ihren Freunden. In der Junior High veröffentlichten sie eine Daily Soap Opera. Ungeachtet all dessen, war ihr Wunsch immer Kosmetikerin zu...
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