Oase der Sehnsucht

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Claire weiß, dass Max in ihr nur das High-Society-Girl sieht. Doch als sie sich in einer Oase unter tausend Sternen das erste Mal lieben, ist all das vergessen und er bittet sie zu bleiben. Aber schon am nächsten Tag muss Claire zurück nach London. Wird Max bei ihrer Rückkehr noch auf sie warten?


  • Erscheinungstag 26.08.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733779634
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

„Max Falconer? Sie haben Glück. Er steht da drüben.“

Claire erblickte einen schlanken Mann in staubiger Kleidung, der gerade Ausrüstungsgegenstände aus einem Pick-up lud. Er nahm gerade seinen Hut ab und wischte sich über die Stirn, woraus Claire entnahm, dass es ihm genauso heiß war wie ihr.

Sie blickte ihn zweifelnd an. Max Falconer wird Ihnen helfen, hatten alle gesagt. Es gibt keinen besseren Führer. Max kennt das Plateau so gut wie jeder Tuareg.

Claire war fasziniert von der Geschichte über den Engländer, der in der Wüste wohnte, und insgeheim hatte sie eine strahlende, romantische Figur erwartet, aber als sie ihn nun betrachtete, war sie enttäuscht. Dieser Mann war überhaupt nicht romantisch. Er sah nur müde und übellaunig aus.

„Ist er das bestimmt?“, fragte sie den jungen Ingenieur, der stehen geblieben war, um ihr zu helfen.

Er lächelte. „Daran besteht kein Zweifel. Es gibt nur einen Max Falconer.“

Claire unterdrückte ein Seufzen. Sie hatte sich ihre Reise ganz anders vorgestellt. In der Stadt gab es keine verfügbaren Führer, aber als man ihr von dem englischen Geologen erzählt hatte, hatte sie wieder Hoffnung geschöpft. Einen freundlichen, englisch sprechenden Reisebegleiter zu haben, wäre viel besser, besonders wenn er so interessant war, wie man ihn schilderte. Jetzt war sie jedoch gar nicht mehr beeindruckt. Der Mann vermittelte einen zurückhaltenden Eindruck, und obwohl sie zugeben musste, dass er durchaus sachkundig wirkte, sah er nicht besonders freundlich aus. Er hatte ganz gewöhnliches braunes Haar, und das, was sie von seinem Gesicht sah, wirkte sehr beherrscht.

Ich kann es mir nicht leisten, wählerisch zu sein, erinnerte sie sich. Sie musste auf dieses Plateau steigen, und wenn Max Falconer der Einzige war, der sie dort hinbringen könnte, dann musste sie sich wohl oder übel mit ihm abfinden.

Sie straffte die Schultern, bedankte sich lächelnd und ging über den sandigen Schotterweg zu Max hinüber.

Obwohl sie einen frischen Eindruck machte, fühlte sich Claire alles andere als gelassen. Die Hitze war drückend, und das gleißende Sonnenlicht schien um sie herum zu flirren. Zum soundsovielten Mal wünschte sie sich, zuhause im verregneten Londoner Frühling zu sein. Man hatte ihr erzählt, Max Falconer sei schon seit Jahren in Shofrar, er habe sich entschieden, hier zu leben. Claire konnte sich nicht vorstellen, dass jemand in diesem Land, einem braunen, sandigen Glutofen, wohnen wollte. So weit sie es ermessen konnte, gab es hier nichts als ein paar Felsen, eine chaotische Bürokratie und eine unendlich weite, nichts sagende Wüste.

Claire ging den staubigen Weg entlang, bis sie feststellte, dass er sich aufgerichtet hatte und beobachtete, wie sie auf ihn zukam. Ihre Blicke trafen sich in der Hitze, und sie stolperte.

Sie war von den überaus hellen und eisigen Augen in seinem gebräunten Gesicht derart überrascht, dass sie sich zwingen musste, weiterzugehen. Sie hätte nicht sagen können, welche Farbe sie hatten. Sie wusste nur, dass sie so kalt und entmutigend gleichgültig wirkten, dass ihr Herz fast stehen blieb.

Max drehte sich wieder zum Pick-up um und wandte seinen frostigen Blick von ihr ab, und Claire atmete tief durch. Sie bemerkte, wie verunsichert sie war. Irgendetwas in seinen Augen zwang sie dazu, sich ein neues Bild von ihm zu machen. Die Strenge, die sie aus der Entfernung bemerkt hatte, verbarg eine unterdrückte Kraft, die jeden Augenblick ausbrechen konnte. Er war nicht nur irgendein Geologe. Dieser Mann war zäh und äußerst beeindruckend.

Sie hatte sich jedoch nicht in seiner schlechten Laune getäuscht. Mit hochgezogenen Augenbrauen und einem grimmigen Zug um den Mund sah er sie kurz an und fuhr gleich damit fort, den Pick-up abzuladen, wodurch Claire noch gereizter wurde.

„Sind Sie Max Falconer?“ Claire wunderte sich, wie hart ihre Stimme klang. Der unerwartete Anblick seiner Augen hatte sie völlig aus dem Gleichgewicht gebracht.

Max hob eine verbeulte Metallkiste aus dem Wagen und stellte sie vorsichtig auf den Boden, bevor er antwortete. „Ich nehme an, Chris hat Ihnen gerade gesagt, wer ich bin, sonst hätte er nicht auf mich gezeigt.“ Es war seltsam, dass eine so tiefe und volle Stimme so kühl klingen konnte. „Warum fragen Sie ihn überhaupt, wenn Sie ihm sowieso nicht glauben?“

„Warum sagen Sie nicht einfach ja oder nein?“, erwiderte Claire gereizt. Sie hatte einen anstrengenden Tag gehabt. Ihr war heiß, sie war müde und hatte es satt, in Menesset herumzulaufen, um schließlich einen Mann zu finden, der sich als derart unangenehm erwies. Musste sie ihn doch nur nicht um einen Gefallen bitten!

Sie holte tief Luft, nahm ihre Sonnenbrille ab, damit er sah, mit wem er sprach, und bemühte sich, einen freundlichen Ton anzuschlagen. „Ich heiße Claire Kingswood.“ Obwohl sie von der Sonne geblendet wurde, sah sie wie er ihr einen durchdringenden Blick zuwarf, bevor er sich wieder dem staubigen Pick-up zuwandte. Ihr war so, als würde sie sich an etwas erinnern, aber sie verwarf den Gedanken sogleich. Einen Menschen, der so grob war wie Max Falconer, hätte sie bestimmt nicht vergessen! Er stapelte seine Kisten, als wäre sie gar nicht da! Er hatte nicht einmal auf ihre Vorstellung reagiert.

„Ich habe da ein kleines Problem“, sagte sie schließlich. „Man hat mir gesagt, Sie seinen der Einzige, der mir helfen kann.“

Max hob die letzte Kiste aus dem Wagen und schlug die Heckklappe zu. Er wischte sich die Hände an der khakifarbenen Hose ab und sah Claire endlich an. „Wer ist man?“ Jetzt bemerkte sie, dass seine Augen eine blasse grün-graue Farbe hatten, die durch die dunklen tiefschwarzen Wimpern noch heller wirkte.

„Ungefähr jeder, mit dem ich gesprochen habe seit ich gestern in Shofrar angekommen bin“, sagte Claire, die sich zwang, ihre Gedanken von diesen Augen abzuwenden und an ihr Problem zu denken. Sie erinnerte sich gequält an das frustrierende Gerenne in Menesset, an das endlose Kopfschütteln und an den Rat: finden Sie Max Falconer. Jetzt hatte sie ihn gefunden, und plötzlich schien es gar nicht mehr leicht, ihre Bitte vorzutragen.

Sie zögerte einen Augenblick, dann deutete sie auf das große, steile Plateau, das sich in der Ferne von der flachen Wüste emporragte. Vom Lager aus gesehen, das am Rand von Menesset lag, wirkte es aus wie ein riesiger Tafelberg, aber sie wusste, dass sich diese Felsen, die im Laufe der Jahrhunderte zu einer unheimlichen Mondlandschaft verwittert waren, über hunderte von Kilometern erstreckten. Das Plateau war so weit von der Zivilisation entfernt, wie man sich nur vorstellen konnte, und Claire schauderte es bei diesem Gedanken, aber sie musste dorthin. „Ich brauche einen Führer, der mich da hinbringt“, sagte sie.

„Es gibt viele Führer in Menesset“, sagte Max alles andere als hilfsbereit.

„Eben nicht.“ Claires Haar sah aus wie dunkles, glänzendes Gold und fiel in sanften Wellen bis zu ihrem Kinn. Jetzt strich sie es sich enttäuscht aus dem Gesicht. „Ich habe nicht bedacht, dass Shofrar ein moslemisches Land ist. Heute Abend ist Ramadan vorbei, alle feiern Id el-Fitr, so dass ich in den nächsten Tagen niemanden finden werde. Ich habe nicht viel Zeit, und ich kann es mir nicht leisten zu warten, bis die Feiertage vorbei sind.“

Max zeigte kein Mitgefühl. „Daran hätten Sie früher denken müssen“, sagte er, öffnete die Tür des Pick-ups und holte ein Notizbuch vom Armaturenbrett. „Es ist nicht schwer, sich über die Feiertage eines Landes zu erkundigen, bevor man abreist, und wenn Sie sich darum gekümmert hätten, hätten Sie herausgefunden, dass es jetzt sowieso viel zu heiß ist, um auf das Plateau zu klettern. Die Touristensaison wurde vor einem Monat beendet.“

„Man hat mir gesagt, dass Sie jederzeit auf das Plateau steigen“, protestierte Claire, als er sich aufrichtete.

„Das stimmt – aber ich bin kein Tourist.“

„Ich auch nicht“, sagte sie. „Ich bin geschäftlich hier.“

„Geschäftlich?“, wiederholte er ungläubig und blickte sie mit seinen verwirrenden hellen Augen an. „Mit wem wollen sie auf dem Plateau Geschäfte abschließen?“

„Ich vertrete hier meine Klienten, Haydn Deane“, sagte Claire und versuchte professionell zu wirken, was ihr jedoch ziemlich misslang, zumal sie von der Sonne geblendet wurde. Pfeif auf die Höflichkeit, dachte sie, als sie die Sonnenbrille aufsetzte. Die dunklen Gläser gaben ihr das Gefühl, gelassener und geschäftsmäßiger zu erscheinen. „Haydn Deane ist eine Werbeagentur“, fuhr sie fort, „die gerne Modeaufnahmen mit dem Plateau als Hintergrund machen möchte.“

Zu ihrem Verdruss fing Max Falconer an zu lachen. „Modeaufnahmen auf dem Plateau? Die müssen verrückt sein!“ Er hatte schöne weiße Zähne, und das Lachen hellte sein strenges Gesicht vorübergehend auf.

„Haydn Deane ist alles andere als verrückt“, sagte Claire kühl, gedemütigt und ziemlich verwirrt durch die Veränderung seines Gesichtsausdrucks. „Es handelt sich um eine kreative und äußerst erfolgreiche Agentur, die für eine Vielzahl von preisgekrönten Werbungen verantwortlich ist.“

„Sie werden für preisgekrönte Hitzschläge verantwortlich sein, wenn sie versuchen, dort Aufnahmen zu machen“, sagte Max gefühllos. Er hörte auf zu lachen, und sie glaubte, sie hätte sich seine plötzliche Attraktivität nur eingebildet. „Die haben ja überhaupt keine Ahnung, wie es dort ist...“

Claire bemühte sich, gelassen zu bleiben. „Gerade deshalb bin ich hier. Mein Partner und ich führen eine Beratungsagentur, die die Vorbereitungen für internationale Projekte wie dieses trifft. Da meine Klienten sehr wohl über die voraussichtlichen Schwierigkeiten im Bild sind, haben sie mich damit beauftragt, Aufnahmeorte zu finden und alle logistischen Probleme im Vorfeld zu beseitigen. Ergibt das einen Sinn?“, fügte sie gespielt sanftmütig hinzu, aber Max war überhaupt nicht beeindruckt.

Er steckte das Notizbuch in die Tasche seines alten blauen Hemdes. Es war sehr ausgeblichen und hatte einen Ölfleck auf einem Ärmel, und seine Hose sah auch nicht viel besser aus. „Wenn Sie glauben, dass es sinnvoll ist, mitten im Sommer eine Gruppe von eingebildeten Großstadtmenschen zum heißesten und unwirtlichsten Ort der Welt zu bringen, müssen Sie von Sinnen sein!“

„Ende Mai ist noch nicht Sommer“, sagte Claire hartnäckig. „Ich weiß, dass es heiß sein wird, aber man hat mir gesagt, dass es machbar ist.“

„Wenn Sie durchtrainiert, äußerst zäh sind und einen guten Führer haben, dann ist es machbar. Auf Sie, Miss Kingswood, scheint nichts davon zuzutreffen.“

Claire hob das Kinn. „Ich bin zäher, als ich aussehe.“

„Zweifellos, wenn es darum geht, Ihren Willen durchzusetzen“, sagte Max und betrachtete sie von oben bis unten, seine kühlen Augen musterten die weiche Haut, das dichte glänzende Haar und die elegante Kleidung. Sie trug einen knielangen Leinenrock, flache Pumps und eine olivgrüne Seidenbluse. „Menschen wie Sie sind mir nichts Neues“, sagte er frostig. „Sie kommen mir vor wie ein ungezogenes Kind. Ich nehme an, Sie haben noch nie gearbeitet, waren nie auf sich allein gestellt.“

Das kam der Wahrheit leider sehr nahe, Claire senkte den Blick und biss enttäuscht die Zähne zusammen. Zu viele Menschen hatten sie als verwöhnt abgeurteilt. Menschen, die sich nicht die Mühe gemacht hatten, sie kennen zu lernen. Sie konnte nichts dafür, dass ihr Vater sie zu nachgiebig behandelt hatte, und wenn Sie keine Erfahrung hatte, dann musste das sich jetzt eben ändern. Außer Piers war keiner bereit gewesen, ihr eine Chance zu geben, und der Gedanke an ihren Partner und der Grund für ihr Hiersein bestärkten ihre Entschlossenheit.

„Ich arbeite“, sagte sie zu Max und blickte verdrossen auf die Fertighäuser des Lagers und auf die staubige Straße, die bis zum Horizont führte. „Ich versichere Ihnen, dass ich nicht aus Spaß hier bin! Ich muss auf dem Plateau meine Arbeit machen, und ich habe mich genauestens informiert, was das bedeutet.“

„Wenn Sie sich informiert hätten, dann wüssten Sie, dass es unmöglich ist, ein Werbeteam hinaufzubringen.“ Max deutete auf das Plateau, das in der Hitze zu schweben schien. „Haben Sie herausgefunden, wie lange der Aufstieg dauert? Man muss elf Stunden lang bei über vierzig Grad einen fast senkrechten Pfad hinaufklettern, und man kann keine langen Pausen einlegen, weil man sonst nicht vor Einbruch der Dunkelheit oben ist. Das Plateau ist nämlich kein Ort, an dem man im Dunkeln herumspaziert, Claire Kingswood. Es ist voller tückischer Spalten und Rinnen. Wenn man da hineinfällt, kommt man nie wieder raus.“ Max blickte auf ihr erschrockenes Gesicht und schüttelte den Kopf. „Sie würden es nicht einmal fünf Minuten lang aushalten“, sagte er entschieden.

„Wollen wir wetten?“, fragte Claire viel mutiger, als sie sich fühlte.

„Nein, wir werden es nicht ausprobieren“, erwiderte er ablehnend. Er holte einen schäbigen Hut aus dem Wagen und setzte ihn auf. „Ich bin nicht bereit, Sie auf das Plateau mitzunehmen, Schlusspunkt.“

Claire atmete tief durch. Er konnte sich nicht weigern, nicht, nachdem es so schwierig gewesen war, ihn zu finden! Sie versuchte es mit einem Lächeln. „Bitte“, flehte sie ihn an, obwohl es ihr gegen den Strich ging, ihn anzubetteln. „Es ist sehr wichtig.“

„Was ist schon wichtig an Werbung?“ Max sah sie geringschätzig an. „Die ganze Branche ist korrupt. Werbung vermittelt nur falsche Eindrücke, um die Menschen davon zu überzeugen, dass sie ihr Geld für etwas ausgeben sollen, das sie gar nicht brauchen. Meiner Meinung nach ist das unredlich und gar nicht wichtig!“

Von der Bitterkeit seiner Stimme überrascht, presste Claire die Lippen zusammen. Warum hasste er die Werbung so sehr? Hier draußen könnte sie ihm bestimmt nichts anhaben! „Für mich ist es wichtig, meinen Auftrag auszuführen“, sagte sie nach einem Augenblick. „Das kann ich nur, wenn ich auf das Plateau komme, und Sie sind der Einzige, der mich hinbringen kann.“

„Es tut mir schrecklich leid“, entgegnete er kurz angebunden und schloss die Tür des Wagens. Claire war über seine Gleichgültigkeit empört.

Er hätte ihre Bitte ernster nehmen sollen! Sie konnte doch nicht heimgehen und Haydn Deane erzählen, dass sie nicht in der Lage gewesen war, auf das Plateau zu gelangen. Piers verließ sich auf sie, und sie konnte ihn nicht enttäuschen. Wenn es sich herumspricht, dass wir unzuverlässig sind, werden wir nie wieder einen Auftrag bekommen, dachte sie verzweifelt, und was soll dann aus mir und Vater werden?

Hilflos beobachtete sie, wie Max sich bückte, um eine Kiste zu verschließen. „Könnten Sie es sich nicht anders überlegen?“, fragte sie und hasste sich selbst für den flehenden Unterton in ihrer Stimme.

„Warum sollte ich?“, erwiderte Max und richtete sich plötzlich auf. Als Claire seinen Gesichtsausdruck sah, trat sie unwillkürlich ein paar Schritte zurück. „Sie beeindrucken mich nicht im Geringsten mit Ihrem Gerede über preisgekrönte Werbeagenturen.“ Seine Stimme war verletzend. „Die Welt wäre viel besser, wenn es keine Werbung gäbe, und wenn Sie glauben, dass ich meine Zeit mit einem derart unverantwortlichen Unternehmen vergeude, dann haben Sie sich getäuscht. Habe ich mich klar ausgedrückt?“

„Völlig klar“, antwortete Claire frostig. Sie war es weder gewohnt, dass man so mit ihr umsprang, noch war es ihr angenehm. „Wenn es so ist, werde ich Sie nicht weiter behelligen.“

„Sehr gut“, sagte Max.

Er war wirklich unausstehlich! Claire drehte sich um, legte den langen Weg zu den Gästezimmern zurück und warf die Tür hinter sich zu. Sie wünschte sich, sie hätte niemals von Haydn Deane oder Shofrar gehört, wünschte sich, Piers hätte sie niemals gebeten, herzukommen. Dieser Ort war ein Albtraum und die Bürokratie war noch schlimmer, und zu allem Überfluss musste sie auch noch Menschen wie Max Falconer anflehen.

Claire ging wütend im Zimmer auf und ab. Was brachte ihn dazu, sich so erhaben zu fühlen? Er war doch nur ein verwahrloster Geologe.

Ihre Augen schmerzten von dem gleißenden Licht. Die Begegnung mit Max hatte sie tief enttäuscht. Als sie sich mit kaltem Wasser erfrischt hatte, erblickte sie ihr wütendes Gesicht im Spiegel, die Wangen waren gerötet und die schrägen grünen Augen glitzerten.

Nachdem sie die Klimaanlage eingeschaltet hatte, ließ sie sich seufzend auf das schmale Bett fallen. „Es ist gar nichts dabei“, hatte Piers gesagt. „Du musst nur auf das Plateau kommen, ein paar schöne Stellen finden und ein paar Esel auftreiben, die nächsten Monat alles hinaufbringen. Es wird sicher ganz leicht.“

Leicht? Claire lächelte ironisch. Sie hatte sehr bald festgestellt, dass es alles andere als leicht sein würde. Sie würde einen unendlichen Papierkrieg bewältigen müssen, um all die Genehmigungen von der Regierung zu bekommen, und das war noch überhaupt nichts, verglichen mit dem Problem, zuerst einmal auf das Plateau zu gelangen. Wäre sie doch nur eine Woche früher gekommen, dann hätte sie in Menesset einen Führer gefunden und wäre lange vor den Feiertagen schon wieder vom Plateau heruntergekommen, stattdessen musste sie sich von Max Falconer erniedrigen lassen – und genau das hatte er getan!

Warum hatte Haydn Deane für die Aufnahmen keinen zugänglicheren Ort gewählt? Max hat recht, gab sie widerwillig zu. Irgendein brillanter Kopf hatte vermutlich Fotos vom Plateau gesehen und entschieden, dass es ein Aufsehen erregender Hintergrund wäre, ohne darüber nachzudenken, wie man all die Menschen und die Ausrüstung hinaufbrachte.

„Da kommen wir ins Spiel“, hatte Piers aufgeregt gesagt. „Nachdem sie erkannt haben, wie schwierig es sein wird, haben sie uns den Auftrag für die Vorbereitungen nur allzu gern erteilt.“

Er setzte sich an den Schreibtisch und sah Claire an, die sich immer noch nicht an den Gedanken gewöhnt hatte, mitten in die Sahara geschickt zu werden. „Was ist los? Das ist die Chance, auf die wir gewartet haben, Claire! Wenn wir den Auftrag erfolgreich ausführen, wird es sich herumsprechen, und wir haben ausgesorgt. Man wird uns die Türen einrennen.“

„Es wird ganz einfach sein“, fuhr Piers zuversichtlich fort. „Wenn wir diesen Auftrag erfolgreich erledigen, werden wir deiner Patin das Geld zurückzahlen können, das sie dir für die Eröffnung der Agentur geliehen hat, und dann fangen wir an, Gewinne zu machen, wart’s nur ab. Du musst nur auf das Plateau kommen.“

Claire setzte sich auf, schob sich das Kissen in den Rücken und lehnte sich seufzend zurück. Sie dachte nach. Es musste doch möglich sein, auf das Plateau zu kommen. Sie konnte damit fertig werden, Piers und Haydn Deane zu enttäuschen, aber sie konnte ihren Vater nicht im Stich lassen. Er hatte ihr in ihren ersten vierundzwanzig Lebensjahren alles gegeben, und nun war es an ihr, ihm zu helfen.

Sie ließ sich das Gespräch mit Max Falconer erneut durch den Kopf gehen. Vielleicht hatte sie nur die falsche Taktik angewandt? Ihr war heiß, sie war müde und verärgert gewesen, und ihm war es nicht anders gegangen. Vielleicht hatte er nicht gemerkt, dass sie ihm ein Geschäft vorgeschlagen hatte. Wahrscheinlich hatte er gedacht, er solle sie aus reiner Gefälligkeit auf das Plateau bringen.

Daran lag es also! Claire richtete sich plötzlich auf, überzeugt, den Grund für Max’ Feindseligkeit gefunden zu haben. Sie würde heute Abend noch einmal mit ihm sprechen und ihm erklären, dass sie natürlich seine Dienste bezahlen wollte. Seiner schäbigen Kleidung nach hatte er sicher nichts gegen einen Nebenverdienst.

Claire war wieder zuversichtlich, sie sprang aus dem Bett und suchte im Koffer nach ihrem verführerischsten Kleid. Max würde heute Abend so von ihren Reizen eingenommen sein, dass er nicht in der Lage wäre, ihren Vorschlag auszuschlagen! Als Claire das schwarze Kleid aufhängte und versuchte, sich vorzustellen, wie sie Max aus der Fassung brachte, kamen ihr Bedenken, die sie aber sofort abschüttelte. Nach einer Dusche und einem Bier wäre er sicher zugänglicher. Vielleicht entschuldigte er sich sogar …

Wie gut, dass ich im Lager übernachten kann, überlegte Claire, als sie sich die Haare wusch und sich mit Grauen an das primitive Hotel von Menesset erinnerte. Sie wäre jetzt dort, wenn sie nicht Bruce Mitchell getroffen hätte. Bruce war der Verwalter des riesigen Bauarbeiterlagers, und er hatte ihr auch gesagt, wo sie Max finden würde.

„Er kommt und geht, wie es ihm beliebt, aber das Lager ist sein Stützpunkt“, hatte er gesagt. „Warum kommen Sie nicht mit mir? Wir haben ein paar Gästezimmer, die in der heißen Jahreszeit kaum genutzt werden. Sie könnten dort wohnen, bis Max aufkreuzt. Es ist nichts Großartiges – nur eine Bar und eine Kantine – aber ich denke, die Männer werden begeistert sein, weibliche Gesellschaft zu haben.“

Max Falconer ist überhaupt nicht begeistert gewesen, dachte Claire, als sie das Kleid überstreifte. Sie betrachtete sich kritisch im Spiegel und fragte sich, was er wohl davon halten würde. Normalerweise verschwendete sie keinen Gedanken an ihr Gesicht, aber jetzt, da sie versuchte, sich mit Max’ Augen zu sehen, trat sie ganz nah an den Spiegel heran. Sie hatte ein ungewöhnliches, fast dreieckiges Gesicht mit einem kräftigen Kinn, hohen Wangenknochen, und unter ihren geschwungenen Augenbrauen lagen grüne schrägstehende Augen, die an eine Katze erinnerten. Das dichte, wellige blonde Haar reichte bis zum Kinn. Ein einprägsames Gesicht, stellte sie fest. Max hatte sie vielleicht nicht sympathisch gefunden, aber er würde sie wieder erkennen, und bei diesem Gedanken erinnerte sie sich verwundert an den Augenblick, an dem sie hätte schwören können, Max schon früher getroffen zu haben. Er gehörte eigentlich nicht zu den Menschen, die man schnell vergisst.

Sein Bild kam ihr unwahrscheinlich lebendig in den Sinn. Sie konnte sich diese faszinierenden hellen Augen genau vorstellen und hätte seinen Mund und seine Wangenknochen genau beschreiben können. Claire erschauerte, ohne genau zu wissen warum.

Sie trug eins ihrer Lieblingskleider, das, wie all ihre Kleidungsstücke, noch aus guten Zeiten stammte, bevor das luxuriöse Leben, das ihr Vater ihr geboten hatte, vor ihren Augen zerstört worden war. Der weiche schwarze Stoff schmeichelte den sanften Linien ihres Körpers und verlieh ihrer Haut einen samtenen Glanz. Trotz seines nüchternen Schnitts war es zweifellos sehr verführerisch, und Claire fühlte sich immer gut, wenn sie es trug.

Würde Max es verführerisch finden? Sie stellte sich vor, dass er sie betrachtete, und sie errötete. Normalerweise würde ich ihn gar nicht bemerken, sagte sie sich. Abgesehen von diesen hellen Augen, die durch einen hindurchsahen, und dieser kalten Strenge, hatte er nichts Bemerkenswertes an sich. Er war nicht freundlich, hatte keinen Charme, nichts, was für ihn sprach. Müsste sie ihn nicht unbedingt dazu bringen, ihren Wunsch zu erfüllen, wäre es ihr völlig egal, was er dachte.

Als Bruce Mitchell am Abend mit Claire die Bar betrat, richteten sich alle Augen auf sie. Da Claire es gewohnt war, bewundert zu werden, brachte es sie nicht aus dem Gleichgewicht, sie ertappte sich jedoch dabei, wie sie nach Max Ausschau hielt.

Schließlich sah sie, dass er am anderen Ende des Raumes halb abgewandt an der Bar stand, und das gab ihr einen Stich ins Herz. Obwohl er von anderen gut aussehenden Männern umgeben war, musste sie feststellen, dass er etwas Besonderes war. Es hatte nichts mit seinem Aussehen zu tun; er war bei weitem nicht der einzige schlanke sonnengebräunte Mann mit dunkelbraunem Haar, seine Zurückhaltung unterschied ihn jedoch von den anderen. Er lachte nicht besonders oft, aber wenn sie aus den Augenwinkeln bemerkte, dass er es tat, schweifte ihr Blick unwillkürlich zu ihm hinüber.

Max schien sie nicht gesehen zu haben, was Claire ein bisschen ärgerte. Sie wusste, dass sie attraktiv war, und abgesehen von Max betrachteten sie alle Anwesenden bewundernd.

Je länger er ihr den Rücken zuwandte, desto mehr versuchte Claire seine Aufmerksamkeit zu erregen. Sie plauderte angeregt mit einer ganzen Traube von Männern, die sich um sie versammelt hatten, aber Max ignorierte sie einfach. Claire war enttäuscht. Wie sollte sie ihn umgarnen, wenn er sie gar nicht bemerkte?

„Haben Sie sich mit Max geeinigt?“, fragte Bruce, als sie zum Abendessen in die Kantine gingen. „Nimmt er Sie morgen Früh mit?“

„Morgen früh?“

„Ja, er will gleich aufs Plateau. Normalerweise bleibt er erst ein paar Tage hier, und ich habe mich gefragt, ob es daran liegt, dass Sie so schnell wie möglich hinaufsteigen wollen.“

Es ist viel wahrscheinlicher, dass er zurück will, um mir aus dem Weg zu gehen, überlegte Claire, aber es hatte keinen Sinn, Bruce zu erzählen, wie katastrophal ihre Begegnung mit Max gewesen war.

„Wir haben noch nicht alles besprochen“, sagte sie vage. „Ich weiß gar nicht mehr, wo er mit dem Aufstieg beginnen wollte.“

„Wahrscheinlich in Oued Misra.“ Bruce gab ihr den erhofften Hinweis. „Dort beginnt der kürzeste Weg, den Max auch meistens einschlägt. Die Vorräte lässt er mit dem Esel über einen leichteren, aber längeren Weg kommen.“

Claire überlegte schnell. „Ist es von hier aus weit nach Oued Misra?“, fragte sie beiläufig.

„Mit dem Auto sind es fünfundvierzig Minuten. Max hat einen Fahrer gebeten, ihn dort herauszulassen. Er wird sie also bestimmt mitnehmen.“

Voller Hoffnung legte sich Claire einen Plan zurecht. Am sichersten ist es, wenn ich noch einmal versuche, ihn zu überzeugen, entschied sie. Und wenn er schon nicht wie jeder normale Mann zu ihr kam, um sie zu begrüßen, musste sie eben zu ihm gehen. In der Kantine konnte sie ihn nicht finden, aber als sie wieder in die Bar kamen, sah sie, dass er gerade gehen wollte. Claire verabschiedete sich schnell von Bruce und eilte Max nach.

Die Tür schloss sich hinter ihr, als sie in die Nacht hinaustrat. Max stand ein paar Meter von ihr entfernt, er hatte die Hände in die Hosentaschen gesteckt und blickte gedankenversunken auf den Boden. Das Licht aus der Kantine erhellte sein Gesicht und betonte die starken Wangenknochen. Claire hatte ein Gefühl von déjà vu, und sie zögerte, weil sie sich plötzlich ganz sicher war, Max schon einmal nachgelaufen zu sein.

Mein Gedächtnis spielt mir wahrscheinlich einen Streich, sagte sich Claire. Sie hatte irgendwo gelesen, dass dieses Gefühl auftreten konnte, wenn die Nerven überreizt waren. Das würde wenigstens erklären, warum sie den Eindruck hatte, einen Mann zu kennen, den sie vorher noch nie getroffen hatte. Sie konnte sich nicht im Entferntesten vorstellen, wo sie Max Falconer begegnet sein könnte. Er war zwar Engländer, aber das war auch das Einzige, was sie gemeinsam hatten. Nein, sie war sich sicher, dass sie ihm noch nie begegnet war.

Trotzdem war es ein seltsames Gefühl, und Claire bemühte sich, es abzuschütteln, als sie auf Max zuging. „Hallo“, sagte sie.

Max blickte sie an, erwiderte ihren Gruß aber nicht. Er betrachtete sie nur schweigend, der Ausdruck seiner Augen war in der Dunkelheit nicht zu erkennen.

„Ich habe gehofft, Sie heute Abend zu treffen“, sagte sie schließlich. Sein Schweigen verunsicherte sie.

Autor

Jessica Hart
Bisher hat die britische Autorin Jessica Hart insgesamt 60 Romances veröffentlicht. Mit ihren romantischen Romanen gewann sie bereits den US-amerikanischen RITA Award sowie in Großbritannien den RoNa Award. Ihren Abschluss in Französisch machte sie an der University of Edinburgh in Schottland. Seitdem reiste sie durch zahlreiche Länder, da sie sich...
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