Romana Exklusiv Band 299

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KÜSS MICH ZÄRTLICH, KÜSS MICH SANFT von MARSH, NICOLA
Magisch fühlt die hübsche Amber sich von dem attraktiven Steve angezogen und sie spürt, dass es ihm genauso geht. Doch Amber muss einen kühlen Kopf bewahren, denn von dem Rechtsanwalt aus Sydney hängt die Zukunft ihres Familienunternehmens ab.

SO NAH UND DOCH SO FERN von WALKER, KATE
Ein Blick in die kalten Augen von Ricardo Emiliani, und Lucy weiß, dass sie niemals hätte zurückkehren dürfen: Weder in die luxuriöse Villa am See noch in die Arme ihres Exmannes, der sie für eine Betrügerin hält. Wird es ihr diesmal gelingen, ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen?

RACHE IST SÜß von RYDER, ALEX
Catrionas Umzug nach London scheint sich zu lohnen: Sie findet einen Job in einer Boutique und trifft in dem Millionär Ryan Hind den Mann ihrer Träume. Doch nach ihrer ersten gemeinsamen Liebesnacht, meldet Ryan nicht mehr bei ihr. Tief verletzt beschließt Catriona, sich an ihm zu rächen …


  • Erscheinungstag 27.07.2018
  • Bandnummer 0299
  • ISBN / Artikelnummer 9783733744526
  • Seitenanzahl 384
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Nicola Marsh, Kate Walker, Alex Ryder

ROMANA EXKLUSIV BAND 299

1. KAPITEL

Für Vergnügungen hatte Steve Rockwell absolut keine Zeit. Es sei denn, er konnte von ihnen profitieren, und sie lenkten ihn nicht vom Geldverdienen ab.

„Kann ich Ihnen helfen?“ Völlig überraschend hielt ihn jemand am Arm fest.

Erstaunt blieb Steve stehen. Je eher er seine Angelegenheiten in diesem heruntergewirtschafteten Vergnügungspark an der Goldküste erledigt hatte und nach Sydney zurückfliegen konnte, desto besser.

„Nein, danke.“ Doch seine Ungeduld war sofort vergessen, als er in ein Paar forschender haselnussbrauner Augen blickte. So eine unglaubliche Farbe hatte er noch nie gesehen – die Augen waren weder grün noch braun, sondern eine Mischung aus beiden Farben, mit strahlend goldenen Punkten darin.

Nicht schlecht, wenn es einem gefiel. Persönlich bevorzugte er Frauen mit blauen Augen.

Neugierig ließ Steve seinen Blick über die Frau gleiten und überlegte, ob sich unter der weiten Zigeunertracht wohl eine aufregende Figur verbarg. Merkwürdiges Outfit, aber was konnte man in dieser Umgebung schon erwarten?

„Sie scheinen etwas zu suchen.“ Mit ihrer leise und unschuldig klingenden Stimme strafte sie den Ausdruck ihrer ungewöhnlichen Augen Lügen.

Als Steve die Hand betrachtete, die noch immer seinen Ärmel festhielt, fiel ihm auf, dass sie weitaus weniger gepflegt war als die perfekt manikürten Hände der Frauen, die ihn sonst schon mal umklammerten.

Nachdem er sich aus ihrem Griff befreit hatte, stellte er überrascht fest, dass ihm die kurze Berührung bereits fehlte. Offensichtlich war ihm die erbarmungslose Hitze in Queensland schon zu Kopf gestiegen.

„Ich möchte Colin Lawrence sprechen. Ist das da drüben sein Büro?“ Dabei zeigte er auf einen kleinen Wohncontainer hinter der Berg- und Talbahn, dem Popcornstand und dem Riesenrad am Rand des Vergnügungsparks.

„Er ist nicht da. Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“, fragte sein Gegenüber.

Das war ja zum Lachen! Mit diesem frechen Ding in seinen wallenden Gewändern sollte er Geschäfte machen?

„Nein vielen Dank, es sei denn, ich wollte mir aus der Hand lesen lassen.“ Als sie daraufhin in einer Abwehrhaltung die Arme kreuzte, zeichneten sich dadurch die vollen Brüste unter der Kleidung ab, und Steve fragte sich, welche anderen Schätze wohl noch unter den Gewändern verborgen waren.

„Ach, ich würde Ihnen schon erzählen, was die Zukunft für Sie bereithält.“

Das klingt aber ziemlich streitlustig, dachte er. Kein Problem, junge Frau, Streit konnte sie haben. Immerhin war er als Juniorpartner in einer von Sydneys renommiertesten Anwaltskanzleien ein Experte auf diesem Gebiet. „Dann legen Sie mal los und zeigen mir, was Sie auf dem Kasten haben, Madame Zelda“, sagte er und hielt ihr die Hand hin.

Doch die wurde prompt ignoriert. „Ich kann Ihnen doch nicht vor allen Leuten Ihre Zukunft vorhersagen. Warum kommen Sie nicht mit in mein Zelt?“, erwiderte sie stattdessen.

Das ließ er sich nicht zweimal sagen. Während er ihr folgte, bemerkte er das sinnliche Rascheln des langen Rocks und ließ den Blick zu ihren Füßen gleiten. Sie trug Sandaletten, eine Fußkette und einen silbernen Zehenring. Ob das zu ihrer Zigeunertracht gehörte, oder trug sie den Schmuck immer? Wahrscheinlich hatte sie auch ein Nabelpiercing. Allein die Vorstellung ließ Steve erschauern.

„Kommen Sie nun herein, oder wollen Sie lieber draußen stehen bleiben und meine Füße bewundern?“ Mit einem frechen Lächeln schob sie einen lilafarbenen Vorhang zur Seite und winkte Steve hinein. Über ihren sinnlichen Lippen schimmerte pinkfarbenes Lipgloss.

Ihr Mund ist göttlich, dachte Steve und fragte sich, ob die Mittagssonne ihn schon um den Verstand gebracht hatte. Seit wann verband er Geschäftliches mit seinem Vergnügen?

Eilig ging er an ihr vorbei und betrat das dämmrige Zelt. „Wer sagt denn, dass ich irgendetwas bewundere?“

„Ich sehe alles“, behauptete sie und setzte sich an einen mit rotem Satin bedeckten kleinen Tisch. „So, jetzt schlägt die Stunde der Wahrheit. Zeigen Sie mir Ihre Hand.“

Zögernd gehorchte er, kam sich dabei jedoch völlig lächerlich vor und dachte darüber nach, was er in dem beengten Zelt eines heruntergekommenen Vergnügungsparks verloren hatte.

Sowie die geheimnisvolle Frau ihn berührte, wusste er die Antwort. Schon in der ersten Sekunde hatte sie ihn in ihren Bann geschlagen, und er wäre ihr überallhin gefolgt, um mehr über sie zu erfahren.

„Na schön, Miss Allwissend. Bin ich ein offenes Buch?“

Eingehend betrachtete sie seine Hand, drehte und wendete sie. „Interessant.“

Das kann man wohl sagen, dachte er. Während sie sich auf seine Hand konzentrierte, konnte er die Fremde ungestört beobachten. Unter dem Schleier schimmerte langes blondes Haar, das ihr bis über die Schultern fiel. Offensichtlich verbrachte sie viel Zeit im Freien, denn die Sonne hatte ihr Haar aufgehellt. Wie Goldfäden glitzerte es im Kerzenschein und umrahmte das sonnengebräunte Gesicht. Auf der Stirn hatte sich eine feine Linie gebildet, und der sinnliche Mund war zum Schmollmund geworden, seit die Wahrsagerin sich konzentrierte. Am liebsten hätte Steve ihn geküsst.

Die Frau war eine Schönheit. Schade, dass er dringend nach Sydney zurückmusste, liebend gern hätte er sie näher kennen gelernt.

„Ich harre gespannt Ihrer Weissagung“, sagte er und wünschte, sie würde ihn endlich mit diesen aufregenden Augen ansehen.

Als hätte sie seine Gedanken gelesen, blickte sie auf einmal auf. „Sie sind ungeduldig, selbstsicher und haben enorm viel Durchsetzungsvermögen. Ein richtiger Draufgänger, der stets erreicht, was er sich vorgenommen hat. Außerdem sind Sie ziemlich arrogant.“

Überrascht zog Steve die Augenbrauen hoch. „Sie sind wirklich gut. Sehen Sie sonst noch etwas?“

„Mit Ihnen ist nicht gut Kirschen essen.“ Ihre Hand zitterte leicht, als sie seine losließ.

„Das trifft aber nur zu, wenn mir jemand in den Weg kommt.“ Auch wenn sie sein Interesse geweckt hatte, hatte er allmählich genug Zeit verschwendet. Ungehalten stand er auf, um sich auf die Suche nach Colin Lawrence zu machen.

Sie schien zu ahnen, was er vorhatte. „Was wollen Sie eigentlich von Colin?“, fragte sie und lehnte sich zurück.

„Ich muss ihn geschäftlich sprechen. Wo kann ich ihn finden?“

„Ich wusste es doch. Sie gehören zu den Aasgeiern. Was sind Sie? Steuerberater? Anwalt?“ Aus ihrem Mund klang das wie eine Beleidigung.

Fasziniert betrachtete Steve sie. „Was Sie nicht alles wissen! Ich heiße Steve Rockwell, bin Anwalt und vertrete Water World.“

Bei dieser Antwort ballte sie die Hände unwillkürlich zu Fäusten. Gleichzeitig lag Furcht in ihrem Blick. Doch sie sah Steve abweisend an. „Verschwinden Sie! Wir haben nichts mit Ihnen zu besprechen.“

„Wir?“ Seit wann hatte eine als Wahrsagerin verkleidete halbe Portion etwas mit den Geschäften zu tun, die er abschloss?

Wütend sprang sie auf. „Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Mein Vater und ich sind nicht an Ihren Geschäften interessiert. Sie können also ruhig wieder verschwinden.“

Hoppla! Das Mädchen war ja eine richtige kleine Wildkatze! Vor Wut schienen ihre Augen goldene Funken zu sprühen. Wie gern hätte er sie gezähmt. Doch bedauerlicherweise war sie Colin Lawrences Tochter, und Steve hatte sich zum Grundsatz gemacht, niemals Geschäfte und Privates zu verbinden. Er schüttelte den Kopf. „Das geht leider nicht, bevor ich mit dem Eigentümer dieses Etablissements gesprochen und eine Einigung mit ihm erzielt habe. Ansonsten wird der Vergnügungspark geschlossen.“

Blitzschnell schoss sie um den Tisch herum und stellte sich vor Steve in Positur. „Es gibt keine Einigung. Dieses Monstrum nebenan versucht schon seit Jahren, uns aufzukaufen. Kommt nicht infrage! Kapiert?“

Water World gehört zu den größten Vergnügungsparks in der Gegend. Glauben Sie wirklich, Sie hätten eine Chance gegen die?“ Amüsiert und abfällig zugleich musterte er sie von oben herab.

Erbost stieß sie ihm mehrmals mit dem Finger in die Brust. „Jetzt hören Sie mir mal gut zu! Dieser Vergnügungspark hier bedeutet meinem Vater alles, und niemand wird ihm den Park wegnehmen. Sie schon gar nicht! Was muss ich tun, um Ihnen das endlich begreiflich zu machen?“

Impulsives Handeln gehörte nicht zu seinen ausgeprägten Eigenschaften. Ganz im Gegenteil. Sein ganzes bisheriges Leben war von Geburt an sorgfältig geplant gewesen.

Mit Ausnahme seiner nächsten Handlung.

Ohne zu überlegen, zog er die temperamentvolle Blondine an sich und küsste sie hart und fordernd. Das hatte sie davon, ihn so herauszufordern! Er würde es ihr schon zeigen!

Was er ihr zeigen wollte, vergaß Steve allerdings, sowie sich ihre Lippen berührten. Nie erlebte Leidenschaft überwältigte ihn bei der Berührung dieser sanften, vollen und festen Lippen. Unter seinem Kuss öffnete sich ihr Mund, und sie stöhnte leise, bevor sie sich seinem Drängen ganz hingab und Steves Zunge forschend in ihren Mund glitt. Immer tiefer und intensiver wurde ihr Kuss. Die blonde Frau schmiegte sich fest in Steves Arme.

Süß wie eine verbotene Frucht schmeckten ihre Lippen, und er konnte nicht genug von ihnen bekommen. Wahrscheinlich würde er sein Handeln später bedauern, doch jetzt wollte er nur genießen. Inzwischen hatte die Frau sich noch enger an ihn geschmiegt und hielt sich an seinem Hemd fest. Diese Berührung ging ihm durch und durch. Steve stöhnte, und der Kuss wurde noch leidenschaftlicher. Seit die Fremde seine Liebkosungen erwiderte, konnte er nicht mehr klar denken.

Plötzlich jedoch löste sie sich von ihm und wich zurück. Entsetzt sah sie ihn mit vor Leidenschaft dunklen Augen an. „Was sollte das denn?“

„Tut mir leid.“ Auch Steve wich zurück, während sein Blick über ihre rosigen Wangen und die vom Küssen noch volleren Lippen glitt. Gar nichts tat ihm leid! Im Gegenteil! Am liebsten hätte er sie sofort wieder geküsst, bis sie mit ihm zu Boden gesunken und nach mehr verlangt hätte.

Doch die schöne Wahrsagerin ordnete mit einer Hand ihr verwuseltes Haar und wandte sich von ihm ab. „Sie sollten jetzt besser gehen.“

Zu seiner großen Genugtuung klang ihre Stimme dabei zittrig. Was habe ich getan, fragte er sich jedoch gleich darauf. Was fiel ihm ein, sich an die Tochter eines Mannes heranzumachen, mit dem er geschäftlich zu tun hatte? So etwas hatte er sich noch nie geleistet. Normalerweise plante er es lange im Voraus, wenn er eine Frau verführen wollte. Nicht, dass er vorhätte, dieses Mädchen zu verführen. Um Himmels willen – Frauen mit Zehenringen waren nun wirklich nicht nach seinem Geschmack!

Trotzdem streckte Steve die Hand nach ihr aus, überlegte es sich jedoch im nächsten Moment anders. Weitere Berührungen waren wohl keine gute Idee. „Wie heißt du eigentlich?“

Wütend funkelte sie ihn an. „Ist es nicht ein bisschen spät für Höflichkeiten?“

Das habe ich ja gründlich vermasselt, dachte er. Schließlich hatte er sich wie ein Idiot benommen. Wenn er sich jetzt nicht in aller Form entschuldigte, würde sie sich wahrscheinlich bei ihrem Daddy ausweinen, und vermutlich würde Colin Lawrence ihn anschließend mit der Waffe bedrohen oder – was noch schlimmer wäre – ihn anzeigen.

Schuldbewusst neigte Steve leicht den Kopf. Vielleicht würde sie ihm sogar glauben, dass es ihm leid tat. „Ich weiß gar nicht, was über mich gekommen ist. Bitte entschuldige. Du hast mich so aufgeregt, dass ich …“

„Küsst du jede Frau, die dir widerspricht?“ Sie unterbrach ihn und musterte ihn herausfordernd.

Sofort war Steve wieder abgelenkt, denn sein Blick ruhte neugierig auf ihren Brüsten. Ob sie wohl so wohl gerundet und üppig waren, wie er vermutete? Widerstrebend sah er auf. „Ich bin Widerspruch nicht gewohnt.“

Selbstbewusst sah sie ihm direkt in die Augen. „Einmal ist immer das erste Mal. Es ist allerhöchste Zeit, dass jemand dich in deine Schranken weist. Und dieser Jemand scheine ich zu sein.“

Gegen seinen Willen bewunderte Steve sie. Diese Frau würde für ihre Prinzipien kämpfen und ihre Rechte mit aller Macht verteidigen. Loyalität rang ihm immer Bewunderung ab. Für die Frauen, mit denen er sich bisher eingelassen hatte, war sie allerdings ein Fremdwort.

„Vorsicht, ich könnte diese Herausforderung annehmen“, erwiderte er schließlich und ließ den Blick genießerisch über ihren Körper gleiten. „Und wir wissen beide, wohin das führen könnte.“

Prompt wurden ihre Wangen rosig, was die verführerische Farbe ihrer Augen noch betonte. „Mein Vater kommt erst später wieder. Ich richte ihm aus, dass du ihn sprechen wolltest. Und jetzt würde ich mich gern wieder meiner Arbeit widmen.“ Ohne ein weiteres Wort ging sie an ihm vorbei und hielt ihm gebieterisch den Vorhang auf.

„Okay, diese Runde geht an dich. Aber ich komme wieder.“ Die Sonne blendete ihn im ersten Moment, als er das Zelt verließ. Immer noch überrascht von seinem Verhalten, fragte er sich, ob die Wahrsagerin ihn wohl verhext hatte, als er mit ihr allein gewesen war.

Als er sich ein letztes Mal zu ihr umdrehte, sah sie auf, und Steve hätte schwören können, dass sie ihm zuzwinkerte. „Ich kann es kaum erwarten. Bis dann.“

Plötzlich fiel ihm ein, dass er ihren Namen immer noch nicht kannte. „Wie heißt du?“, rief er.

Bevor auch sie das Zelt verließ, um neue Kunden zu suchen, blieb sie kurz stehen. „Amber“, antwortete sie.

Erstaunlich, wie gut der Name zu ihr passte. Haar und Teint schimmerten in einem goldenen Bronzeton – wie Bernstein. Nach diesem Schmuckstein hatte man sie vermutlich benannt.

Was für eine Frau!

Wider Erwarten entpuppte sich diese geschäftliche Angelegenheit als komplizierter, als er erwartet hatte. Wenn er Pech hatte, würde er sich länger als geplant an der Goldküste aufhalten müssen. Es gibt da nur ein kleines Problem, dachte er. Wie soll ich die letzte halbe Stunde berechnen?

Auf dem Weg zum Büro ihres Vaters überlegte Amber, was sie dazu bewogen haben mochte, es mit einem gewieften Anwalt aufzunehmen. In dem Moment, in dem er das Gelände betreten und sich arrogant einen Weg durch die Menge gebahnt hatte, war er ihr bereits aufgefallen. Sein Designeranzug hatte ihn verraten. Außerdem hatte ihr Vater sie vorgewarnt, dass ein Topanwalt aus Sydney auftauchen würde.

Allerdings hatte sie sich den Rechtsverdreher anders vorgestellt: alt, voller Falten und wertkonservativ. Diese Beschreibung passte nun wirklich nicht auf Steve Rockwell, der um die dreißig und schlank war und einfach fantastisch aussah.

Aber daran wollte sie sich lieber nicht erinnern. Was er gesagt und getan hatte – diesen Kuss! –, musste sie ganz schnell wieder vergessen. Nur, wie sollte sie jemanden vergessen, der so küssen konnte?

Trotzdem, dieser Steve Rockwell sollte sich bloß nicht einbilden, er könnte mit einem einzigen leidenschaftlichen Kuss ihre Meinung zum Vergnügungspark ändern.

Bevor sie das behelfsmäßige Büro ihres Vaters betrat, klopfte Amber kurz an die Tür. „Hallo Dad. Hast du einen Moment Zeit für mich?“

Erfreut sah Colin Lawrence auf, schob die Brille auf seine immer kahler werdende Stirn und lehnte sich zurück. „Ich habe immer Zeit für mein Lieblingsmädchen. Was ist denn los?“

„Ich habe gerade den Anwalt getroffen, von dem du erzählt hast. Er will uns Ärger machen.“

Beim Blick in das besorgte Gesicht ihres Vaters spürte Amber einen schmerzhaften Stich in der Brust. „Wir haben doch darüber gesprochen, mein Herz. Es lässt sich nicht vermeiden, mit ihm zu reden. Wo ist er?“, fragte Colin.

„Ich habe ihn erst einmal abgewimmelt. Aber er kommt wieder. Können wir denn gar nichts tun? Wie sieht es mit einem Kredit aus? Oder mit einer Refinanzierung?“ Ach, es war alles so ungerecht!

Resigniert schüttelte ihr Vater den Kopf. „Wir haben keine finanziellen Mittel mehr. Was soll ich tun? Entweder verkaufen wir an die Konkurrenz, oder wir müssen schließen. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht.“

Um ihrem Vater etwas Mut zu machen, ging Amber zu ihm und umarmte ihn. „Mach dir keine Sorgen, wir schaffen das schon. Du wirst sehen, alles wird gut.“ Verzweifelt unterdrückte sie die Tränen. Denn natürlich wusste sie, dass es keine Hoffnung gab.

Seit ihre Mutter nach einer langen, kostspieligen Behandlung an Krebs gestorben war, hatte sich die finanzielle Situation des Parks ständig verschlechtert. Damals war Amber zwölf gewesen, und ihr Vater hatte alles versucht, um den Vergnügungspark, den er mit seiner Frau aufgebaut hatte, am Leben zu erhalten. Später hatte er darauf bestanden, Ambers Studium zu finanzieren, was ihn weiter in die Schuldenfalle getrieben hatte. Und nun war sie zwar Betriebswirtin, aber was hatte sie davon? Mit ihrem Diplom konnte sie den Vergnügungspark auch nicht retten. Stattdessen hatte sie Schuldgefühle, weil ihr Vater ihr Studium finanziert und sich damit noch mehr verschuldet hatte.

Wie es aussah würde ihr Vater sehr bald das Einzige verlieren, woran – neben seiner Tochter – sein Herz noch hing. Niemals wollte sie das zulassen!

„Warum treffen wir uns nicht mit diesem Anwalt und hören uns an, was er zu sagen hat?“, fragte sie daher. Vielleicht würde der Mann ja doch mit sich reden lassen. Denn sie hatte sehr wohl gespürt, dass unter der harten Schale ein weicher Kern steckte.

Ihr Vater nickte. „Einverstanden. Ich wollte sowieso mit ihm reden. Warum hast du ihn eigentlich verscheucht?“

Als sie an den überwältigenden Kuss und den sexy Körper dachte, den sie gestreichelt hatte, zog Amber es vor zu schweigen. Am liebsten würde sie das Gespräch mit Steve Rockwell so schnell wie möglich hinter sich bringen. Nicht auszumalen, was sonst noch passieren könnte, wenn sie zu lange in seiner Gegenwart blieb. Womöglich nahm sie ihn noch mit in ihren Wohnwagen! „Er ist mir gegen den Strich gegangen“, antwortete sie nach einer Weile ausweichend.

Wenn ihr Vater wüsste, wie sie tatsächlich auf den sexy Anwalt reagiert hatte!

Lächelnd kniff Colin sie in die Nase, als wäre seine Tochter zehn Jahre alt. „Dein Temperament ist wohl wieder einmal mit dir durchgegangen, was, mein Fräulein?“

Trotzig hob Amber ihr Kinn in die Höhe. „Ich lasse mich von keinem Mann herumkommandieren, Dad. Das weißt du genau.“

Er lachte amüsiert. „Eines Tages wird dir ein Mann begegnen, der genug Mut hat, es mit dir aufzunehmen. Du wirst schon sehen.“

„In meinem Leben gibt es nur dich.“ Zärtlich drückte sie ihm die Hand und versuchte, nicht an den anmaßenden Anwalt mit den grauen Augen zu denken. Schließlich hatte er es nicht verdient, dass man auch nur einen Gedanken an ihn verschwendete, oder?

Spontan entschied Steve, sich den Vergnügungspark genauer anzusehen, bevor er wieder in die Kanzlei ging. Bisher hatte sich sein Grundsatz ausgezahlt, immer gut auf einen Geschäftsabschluss vorbereitet zu sein. Und in diesem speziellen Fall war es wohl kaum damit getan, einige Berichte zu lesen.

Er hatte den Fall von seinem Chef Jeff Byrne übernommen. Unter den unzähligen Bekannten von Jeff war auch der Besitzer des großen Water-World-Themenparks, der direkt nebenan lag. Dieser hatte die Kanzlei gebeten, ihn bei der Übernahme eines „unbedeutenden“ Wettbewerbers zu vertreten.

Also war Steve an die Goldküste geflogen, um die Angelegenheit zügig zu regeln, bevor er wieder zu seiner Wohnung am Hafen, seiner Jacht und seiner neuesten Eroberung im zivilisierten Sydney zurückkehren konnte. Schon immer war ihm die Goldküste zu grell, zu schillernd gewesen. In der Großstadt fühlte er sich weitaus wohler, sie hatte einfach mehr Klasse.

Wie aufs Stichwort erblickte er Amber in ihrem Zigeunergewand, die ihn prompt an die versteckten Attraktionen der Küste erinnerte. Als Amber einen Luftballon auffing und ihn den Kindern zurückgab, denen er weggeflogen war, bemerkte Steve, in was für einem warmen Goldton ihr Haar in der Sonne glänzte.

Na ja, so schlecht ist die Goldküste vielleicht doch nicht, dachte er unwillkürlich.

Allerdings sah sie ihm abweisend entgegen. „Was willst du denn noch hier?“

„Ich will mich nur ein wenig umsehen.“

„Wozu? Willst du dir deine Beute aus der Nähe ansehen?“ Dabei musterte sie ihn herausfordernd.

Auch wenn das Wortgefecht ihm Spaß machte, beschloss Steve, die Herausforderung dieses Mal nicht anzunehmen. Nachsichtig überlegte er, wie es ihm wohl ginge, wenn jemand seine Existenzgrundlage vernichten würde. „Ich bin lediglich hier, um ein Geschäft abzuschließen.“

„Hast du eine Vorstellung, was dieser Park uns bedeutet?“ Als wäre sie den Tränen nah, blinzelte sie bei dieser Frage mehrmals.

„Vielleicht zeigst du es mir.“ Jetzt hatte er sich doch tatsächlich zum zweiten Mal in seinem Leben einwickeln lassen! Zuletzt war er bei einer seiner Exfreundinnen so nachgiebig gewesen. Damals hatte Kara Roberts sich bei ihm über ihren Freund Matt Byrne ausgeweint. Früher waren Matt und er Rivalen gewesen. Doch inzwischen waren sie Partner in der Kanzlei. Wenn Frauen weinten, fühlte Steve sich immer hilflos und unwohl in seiner Haut – genau wie jetzt.

Und nun hatte er schon wieder eingelenkt und wurde sogleich mit einem unsicheren Lächeln belohnt.

„Bist du sicher, dass ich dich herumführen soll?“, fragte Amber mit vor Unsicherheit leicht bebender Stimme.

Aufmunternd nickte er ihr zu. „Klar, auf geht’s.“

Voller Stolz erklärte sie ihm die verschiedenen Attraktionen, als er hinter ihr herschlenderte. Anders als er es erwartet hatte, waren erstaunlich viele Besucher da, die Angestellten machten einen fröhlichen Eindruck, und die Geschäfte schienen gut zu laufen. Wieso machte der Vergnügungspark dann keinen Gewinn? War Colin Lawrence vielleicht spielsüchtig, oder wohin flossen die Einnahmen, die er doch offensichtlich erzielte?

„Wieso seid ihr eigentlich in finanziellen Schwierigkeiten?“ Wenn er den Grund kannte, könnte er eventuell helfen.

Ernst sah Amber ihn an. „Wir haben vor einigen Jahren Schulden gemacht, und die belasten uns noch immer. Seit die Konkurrenz überall Themenparks aus dem Boden stampft, hat sich die Lage weiter zugespitzt.“

Von seiner Recherche wusste Steve, dass mindestens drei weitere Themenparks in unmittelbarer Nähe eröffnet hatten.

„Wir sind stolz auf unsere traditionellen Attraktionen, aber mit den großen Parks können wir nicht mithalten. Und wir sind außer Stande, Autos oder Reisen zu verlosen, sondern beschränken uns darauf, den Kindern einen nostalgischen Jahrmarkt zu bieten.“

Bei näherer Betrachtung wurde Steve klar, wovon Amber sprach. Die Karussellpferde waren alt und liebevoll restauriert. An Ständen wurden Hot Dogs und Zuckerwatte angeboten. So etwas kannte er nur aus dem Kino. Und diesen nostalgischen Traum sollte er zunichte machen? „Kann man denn gar nichts tun?“, fragte er besorgt.

„Wir haben wirklich schon alles versucht.“ Tränen schimmerten in ihren Augen, und beschämt wandte sie sich ab. „Wieso fragst du überhaupt? Du vertrittst doch die Konkurrenz.“ Dabei zeigte sie nach rechts, wo über den Baumwipfeln eine riesige Wasserrutsche hervorragte.

In seinem Berufsleben hatte er schon einiges an Kritik einstecken müssen und dabei kaum mit der Wimper gezuckt, aber Ambers schlichter Vorwurf, er würde ihre Existenzgrundlage zunichte machen, traf ihn hart. Auf keinen Fall wollte er das auf sich sitzen lassen. „Aber ich bin doch nicht parteiisch, ich mache nur meinen Job.“ Mochte das auch der Wahrheit entsprechen, besonders begeistert klang es nicht.

Doch Amber ging schon weiter und winkte ab. „Dass du dabei ruhig schlafen kannst …“

Schnell holte er sie nun ein, hielt sie fest und zwang sie, ihn anzusehen. „Bitte sag mir, wenn ich irgendetwas tun kann.“

Weil sie sich an ihn lehnte, dachte er im ersten Moment, sie wollte ihn küssen. „Du könntest tatsächlich etwas für mich tun.“

Mit angehaltenem Atem sog Steve ihren Duft ein. Amber roch nach Sandelholz. Betörend! Mit diesem Duft und ihrem Aussehen verhexte sie ihn heute schon zum zweiten Mal.

„Was denn?“, fragte Steve träumerisch. Für einen Kuss von ihr würde er sogar die Sterne vom Himmel holen.

Sie sah ihn herausfordernd an. „Verschwinde endlich!“

Das könnte dir so passen, dachte Steve und lächelte viel sagend vor sich hin. So leicht würde die temperamentvolle Amber Lawrence ihn nicht loswerden!

2. KAPITEL

Verflucht, schon immer hatte Amber an die Kraft des Schicksals geglaubt! Wenn man jemanden schlecht behandelte, bekam man es später doppelt und dreifach zurück. Jetzt bekam sie die Quittung, weil sie Steve Rockwell so abserviert hatte.

„Kannst du wirklich nicht zu dem Termin kommen, Dad?“ Verzweifelt zog sie am Saum des Mini-Cocktailkleides, doch dadurch wurde es auch nicht länger.

„Tut mir leid, Liebes. Aber wenn ich jetzt ausgehe, wird aus den Kopfschmerzen eine Migräne. Außerdem schaffst du das auch allein. Schließlich bist du meine rechte Hand.“ Nach einem aufmunternden Zwinkern legte er sich jedoch gleich wieder zurück ins Bett und rieb sich die schmerzenden Schläfen.

„Schon gut, Dad, aber letztlich musst du die Entscheidung treffen.“ Sobald sie ihn losließ, rutschte der Rocksaum nach oben und bedeckte gerade ihre Schenkel. Weil sie mit dem, was sie hatte, ganz gut auskam, hatte sie schon lange kein Kleidungsstück mehr für sich gekauft. Doch bei diesem wichtigen Termin wollte sie besonders gut aussehen, aber leider hatte das drei Jahre alte Minikleid schon deutlich bessere Tage gesehen.

„Hör dir doch einfach erst einmal an, was er zu sagen hat“, riet ihr Vater. „Du musst ja nicht sofort irgendwelche Zusagen machen. Wir besprechen dann alles morgen früh, einverstanden?“

Schuldbewusst sah sie zu, wie er die Augen wieder schloss. Im Grunde verstand sie selbst nicht, wieso sie eine Staatsaffäre aus dem Termin machte. Normalerweise erledigte sie solche Angelegenheiten im Schlaf.

Es lag wohl nicht so sehr an dem Abendessen, das ihr Vater arrangiert hatte, sondern an dem Mann, mit dem sie zu Abend essen sollte.

„Außerdem klang Mr. Rockwell am Telefon ganz human. Ihr werdet euch sicher gut verstehen, Amber.“

Hoffentlich hat er recht, dachte sie und küsste ihn auf die Wange. „Mach dir keine Sorgen, Dad. Ich berichte morgen ganz genau, wie es gelaufen ist. Und ruf mich an, wenn du mich brauchst.“

Müde winkte er ab. „Nun geh schon, Kind. Ich muss jetzt schlafen.“

Zärtlich betrachtete sie sein zerfurchtes Gesicht, während er einschlief. Er hatte wirklich alles für sie getan und sie mit Bravour durch die schwierigen Jahre als Teenager gelotst, nachdem ihre Mutter gestorben war. Einen besseren Vater hätte sie sich nicht wünschen können. Ihm zuliebe würde sie wohl einen Abend mit einem unangenehmen Anwalt überstehen!

Auf Zehenspitzen verließ sie das Zimmer. Bis jetzt wusste sie noch nicht einmal, wo das Abendessen stattfinden sollte. Schon seit einer Ewigkeit war Amber nicht mehr ausgegangen. Genau genommen lag ihre letzte Verabredung bereits sechs Monate zurück. Die Anstrengungen, den Vergnügungspark auf den Beinen zu halten, hatten ihre ganze Zeit in Anspruch genommen. Für Verabredungen war keine Minute übrig gewesen. Außerdem konnte sie mit den Männern in ihrer derzeitigen Umgebung nichts anfangen.

Ein lautes Klopfen schreckte sie auf. Bei einem letzten Blick in den Spiegel wünschte sie, sie hätte mehr Make-up aufgelegt. Sie sah viel zu jung aus! Gerade heute Abend hätte sie gern selbstbewusster gewirkt. Zu spät. Mühsam rang sie sich ein Lächeln ab und öffnete die Tür.

„Hallo.“ Etwas Besseres fiel ihr nicht ein. Was hätte sie auch sonst zu diesem Mann sagen sollen, dem sie noch vor kurzem befohlen hatte zu verschwinden? Noch schlimmer war, dass er in seiner schwarzen Hose und dem weißen, am Hals offenen Hemd fantastisch aussah. Lässig, aber elegant, kombiniert mit seiner umwerfenden Erscheinung – das konnte gefährlich werden.

„Bist du fertig?“ Voller Wohlgefallen ließ er den Blick über sie gleiten. Ihre Beine schienen ihn magisch anzuziehen. Am liebsten hätte Amber die Tür zugemacht und sich unter der Bettdecke verkrochen.

„Natürlich.“ Wütend, weil ihr keine originelle Bemerkung einfiel, biss sie sich auf die Lippen und folgte ihm zum Eingang des Vergnügungsparks, wo einige Leute Karten für die Abendvorstellung kauften. Doch der Ertrag aus dem Kartenverkauf würde kaum reichen, um die Kosten für die Pferdevorführung zu decken. Bald wären die roten Zahlen tiefrot.

„Ich habe mir für einige Tage einen Mietwagen genommen. Hier entlang, bitte.“

Fasziniert beobachtete sie, wie er mit ausholenden Schritten auf ein elegantes Cabrio zuging, und bewunderte seine langen Beine und den sexy Po.

Höflich hielt Steve ihr die Beifahrertür auf. Während Amber sich setzte, überlegte sie, wie viele Frauen er wohl schon mit seiner höflich-galanten Art beeindruckt hatte. Bei der Vorstellung, dass er vermutlich mit unzähligen Frauen zu Abend aß, besserte sich ihre Laune auch nicht gerade. Obwohl sie das doch gar nichts anging! Heute Abend ging es ums Geschäft, das musste sie sich nur immer wieder vor Augen führen.

„Typisch“, sagte sie und machte es sich auf dem Ledersitz bequem, als Steve seine langen Beine unter das Lenkrad schob.

„Wie bitte?“ Er fuhr los und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein.

Wenigstens musste er sich jetzt auf die Straße konzentrieren und konnte sie nicht länger mustern. Wahrscheinlich fragte er sich, wo um alles in der Welt sie dieses superkurze Kleid aufgetrieben hatte und warum sie es ausgerechnet zu einer wichtigen Besprechung trug.

„Das Auto. Es passt zu dir.“

„Willst du mich in eine Schublade stecken?“, erwiderte er leise und warnend.

„Und wenn es so wäre?“ Verflixt! Sie konnte einfach nicht ihren Mund halten. Wenn sie so weitermachte, würde sie den Betrieb ihres Vaters nicht retten, sondern ihn eigenhändig in den Ruin treiben.

„Du solltest mich lieber nicht reizen. Es könnte dir schlecht bekommen. Ich bin doch der Bösewicht. Schon vergessen?“

Unwillig schob sie sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht. Warum hatte sie ihr Haar nicht hochgesteckt? Nach einer Fahrt im Cabrio würde sie wie vom Winde verweht aussehen! Nicht gerade sehr professionell.

Wider besseres Wissen forderte sie ihn weiter heraus. „Ich habe mich noch nie einem Mann unterworfen, und ich denke nicht daran, es jetzt zu tun. Ganz egal, wer oder was du bist.“

„Ich denke überhaupt nicht daran, mich mit dir zu streiten.“ Als Steve sich vorbeugte, um den CD-Spieler einzuschalten, streifte er ihr nacktes Bein.

Erschrocken zuckte Amber zusammen. Gleichzeitig sehnte sie sich nach weiteren Berührungen. Es war wirklich unglaublich! Noch nie hatte sie ein so heftiges Verlangen nach einem Mann verspürt. Schon gar nicht nach einem, der über ein dermaßen ausgeprägtes Ego verfügte.

Besänftigende Klänge aus dem Regenwald erklangen im Wagen. Merkwürdig, dass ein angespannter Anwalt solche Musik hörte. Merkwürdig auch, dass er nur den Mund aufmachen musste, damit sie auf ihn losging.

„Schon besser“, sagte Amber leise, denn die Musik hatte tatsächlich eine beruhigende Wirkung auf sie. Jeden Tag meditierte sie zu ganz ähnlichen Klängen, und allein die Tatsache, dass sie die Musik kannte, entspannte sie etwas.

„Magst du das Zeug?“ Ungläubig sah er sie an.

„Natürlich. Es hilft mir, meine Mitte zu finden.“

„Was auch immer das heißen möge.“

Zum ersten Mal lachte sie leise. „Das wirst du nie erfahren. Allerdings muss ich zugeben, dass du mich überraschst. Ich hätte gedacht, du würdest eher für Bach oder Mozart schwärmen – all dieses langweilige klassische Zeug.“

„Du steckst mich ja schon wieder in eine Schublade.“ Doch Steves Tonfall klang eher amüsiert als verärgert. „Die CD gehört zum Wagen. Falls es dich interessieren sollte, ich mag am liebsten Popmusik.“

Bei der Vorstellung, wie er zum neusten Pophit tanzte, musste Amber lächeln. „Es interessiert mich nicht“, behauptete sie. „Ich gehe nur mit dir zum Abendessen, weil ich den Vergnügungspark retten will.“

„Apropos Abendessen. Bist du etwa auch Vegetarierin?“

„Und was spricht dagegen?“ Provokant verschränkte sie die Arme vor der Brust. Gegen ihren Willen machte ihr das Gespräch Spaß.

„Nichts. Aber ich hätte fragen sollen, bevor ich das Restaurant ausgesucht habe. Tut mir leid.“ Davon merkte man wenig. Er klang genauso selbstherrlich wie immer und erwartete sicher, dass jeder nach seiner Pfeife tanzte.

„War das etwa eine Entschuldigung?“ Amber gab sich betont erstaunt. „Nein, das habe ich mir sicher eingebildet.“

„Hey, du bist ja eine richtige Komikerin! Offenbar verfügst du über schier unerschöpfliche Talente.“

„Warte nur ab.“ Energisch löste sie den Blick von seinen männlichen und starken Händen, die das Lenkrad sicher umfassten, und sah hinaus. Gerade fuhren sie an dem riesigen Komplex entlang, der ihren Vater wahrscheinlich in den Ruin treiben würde. Als Kind war sie gern die Wasserrutsche hinuntergerauscht, doch jetzt verabscheute sie die Art und Weise, wie Water World die Umwelt mit Plastikscheußlichkeiten verunstaltete, statt den Park in die natürliche Umgebung zu integrieren. Und nun wollten sie sich noch weiter ausbreiten – auf Kosten ihres Vaters.

Verstohlen musterte sie den Mann an ihrer Seite, der die Zügel dazu in der Hand hielt, und überlegte, ob sie nicht lieber nett zu ihm sein sollte, statt ihn weiter gegen sich aufzubringen.

„Nein, ich bin keine Vegetarierin.“ Nach einem Friedensangebot klang das zwar nicht gerade, doch zu leicht wollte sie es dem Mann auch nicht machen. „Wann sprechen wir über den Vergnügungspark?“

„Geschäftliche Angelegenheiten soll man nicht auf nüchternen Magen besprechen“, antwortete er, steuerte den Wagen ins Surfers Paradise und übergab ihn an einen livrierten Portier. Schweigend stieg Amber aus. Hoffentlich erwartete Steve nicht, dass sie sich beim Essen höflich unterhielten. Wenn es nach ihr ginge, würden sie die geschäftliche Angelegenheit so schnell wie möglich klären – und zwar ohne weitere Komplikationen.

Denn wenn sie noch mehr Zeit mit Steve verbrachte, würde das unweigerlich alles komplizieren, weil dieser Mann sie faszinierte. Normalerweise zogen die Männer sich zurück, wenn sie abweisend behandelt wurden – nicht so Steve Rockwell. Im Gegenteil! Ihn schien ihre Art herauszufordern, und das gefiel ihr mehr, als ihr lieb war.

„Hoffentlich magst du Fisch“, sagte er, als er sie in das sehr bekannte Hotel führte.

„Ich liebe Fisch“, antwortete sie und bewunderte gleichzeitig das elegante Foyer mit den Kristalllüstern, deren Schein das in Gold- und Elfenbeintönen gehaltene Mobiliar in ein dezentes Licht hüllte. Teuer und elegant gekleidete Gäste schlenderten durch die Lobby, einige waren offensichtlich wie sie auf dem Weg zum Restaurant.

„Vorsicht, das klingt ja gerade, als würdest du dich auf den Abend freuen“, neckte Steve sie.

Selbst wenn es so wäre, trug das aber nicht dazu bei, dass sie sich besser fühlte. Voller Unbehagen verglich Amber die edlen Abendgarderoben der anderen weiblichen Gäste mit ihrem eigenen altmodischen und viel zu kurzen Kleid und hätte am liebsten sofort wieder kehrtgemacht.

„Was ist los?“, fragte Steve, der ihre Unsicherheit spürte und ihr beruhigend die Hand auf den Arm legte. Eine Geste, die Amber trotz aller Vorbehalte gegen diesen Mann unendlich gut tat.

Hilflos betrachtete sie ihr Kleid und fühlte sich wie Aschenputtel – dabei allerdings mindestens doppelt so hässlich wie die bösen Stiefschwestern.

„Ich bin hier fehl am Platz“, sagte sie leise.

Nach diesem Satz blieb Steve stehen und hob ihr Kinn. „Du siehst wunderschön aus“, sagte er, und sein bewundernder Blick belegte, dass er es ehrlich meinte, und ließ ihr Herz sofort schneller schlagen. In diesem Moment fühlte sie sich wie eine Prinzessin.

Als Steve ihr mit einem Finger spielerisch über den Mund strich, fühlte sie sich wie elektrisiert.

„Du bist die faszinierendste Frau im ganzen Restaurant. So, und nun wollen wir uns setzen und essen.“

Sie folgten dem Oberkellner an einen Tisch für zwei Personen. Einem ganz besonderen Tisch, direkt am Fenster mit Blick aufs Wasser und von Palmen diskret vor den Blicken neugieriger Gäste geschützt. Draußen rauschte das Meer, und die funkelnden Lichter von Surfers Paradise gaben dem Ganzen eine zauberhafte Stimmung.

Die Aussicht und Steves Kompliment waren so atemberaubend, dass Amber sich kaum auf die Speisekarte konzentrieren konnte.

„Hast du schon etwas gefunden?“

„Ich hätte gern die Riesengarnelen.“

„Eine ausgezeichnete Wahl.“ Er gab die Bestellung auf und reichte Amber ein Champagnerglas, das der Ober ihnen gerade eingeschenkt hatte. „Champagner zur Feier des Tages.“

Was hat er vor, überlegte Amber. „Was feiern wir denn?“, fragte sie misstrauisch.

Lächelnd stieß er mit ihr an. „Den Beginn einer langen und erfolgreichen Verbindung.“

„Wessen Verbindung?“

„Unserer.“

Fast hätte Amber sich an dem prickelnden Getränk verschluckt. Sie hatte keine Ahnung, was Steve davon hatte, wenn ihr Familienbetrieb geschlossen wurde. Außerdem fragte sie sich, wie das zu einer langen Verbindung führen sollte. Aber wahrscheinlich würde sie es gleich herausfinden.

„Wie würdest du euren Vergnügungspark retten?“, fragte er nun und betrachtete sie neugierig.

Angestrengt unterdrückte sie die aufkeimende Hoffnung. Schließlich war sein Interesse ja doch nur theoretischer Natur. Trotzdem verriet sie ihm ihr Konzept. „Wir benötigen mehr Kapital, um die Schulden zurückzuzahlen. Wenn wir die Schulden los sind, möchte ich durch Werbemaßnahmen den Umsatz erhöhen. Einige Besucher kommen immer wieder, dazu kommen noch die Touristen. Ich bin sicher, dass wir mehr Gewinn machen könnten.“

„Und wie?“

„Ich habe Marketing studiert und weiß also, wovon ich rede. Aber die besten Werbestrategien nützen nichts, wenn wir nicht erst einmal die Schulden loswerden.“

„Du hast studiert?“ Verblüfft musterte er sie.

„Ja, ich bin Diplom-Betriebswirtin. Wofür hast du mich denn gehalten? Für eine hinterwäldlerische Schaustellerin?“ Empört sah sie ihn an.

Nur mit Mühe unterdrückte er ein Lächeln und mied ihren strafenden Blick. Als Ablenkungsmanöver entfaltete er seine Stoffserviette. „Irgendwie habe ich mir eine Betriebswirtin anders vorgestellt.“ Mit dieser Aussage bewegte er sich auf gefährlichem Boden. Denn auch Amber ließ sich nicht gern in eine Schublade stecken.

„Und wie, wenn ich fragen darf? Vielleicht verklemmt, eingebildet und anmaßend – so wie du?“

„Ich bin stolz, so zu sein, wie ich bin. Wenigstens habe ich keinen Komplex, was Wohlstand betrifft“, schmetterte er ihre Anspielung ab.

Wütend musterte Amber ihn. Er hatte leicht reden. Offensichtlich besaß er Geld im Überfluss. „Du hast doch keine Ahnung, was es heißt, auf ehrliche Weise sein Geld zu verdienen – ohne Daddys Hilfe. Ich wette, du hast Privatschulen besucht, deinen Universitätsabschluss mit Auszeichnung bestanden, die Wochenenden im Sommerhaus am Strand verbracht, mit Daddy Golf gespielt und bist mit den Prinzessinnen ausgegangen, die deine Mummy persönlich und handverlesen für ihren kleinen Liebling ausgesucht hat. Hab ich recht?“

Auch wenn ihre Vorhaltungen eine merkwürdige Wirkung auf ihn hatten, ließ er sich davon nichts anmerken. Stattdessen hob er lässig sein Glas und trank, als hätten sie gerade über das Wetter geplaudert. „Ich habe ja schon vorhin über deine hellseherischen Fähigkeiten gestaunt. Allerdings hast du die Jacht vergessen.“

Wie entmutigend seine Gelassenheit war! Sofort lösten Schuldgefühle ihren Ärger ab, der plötzlich wie von Zauberhand verschwunden war. Sie hätte ihn nicht reizen sollen. Schließlich war sie hier, um den Vergnügungspark zu retten und nicht, um alles noch schlimmer zu machen.

„Hör mal, du kennst mich doch gar nicht. Ich lasse mich nur nicht gern in eine Schublade stecken“, brachte sie zu ihrer Verteidigung hervor.

„Dann lass mal hören.“ Er lehnte sich zurück, behielt jedoch die Hände auf dem Tisch. So konnte Amber die Muskeln auf seinen Oberarmen bewundern, die sich unter dem Hemd abzeichneten. Für einen Büromenschen hatte er einen tollen Körper! „Was geht in Amber Lawrence vor?“

Unter seinem forschenden Blick erschauderte sie. „Ich bin ein Freigeist, mag nepalesisches Essen, Spaziergänge im australischen Busch und hochwertigen mexikanischen Schmuck, von dem ich aber noch kein einziges Stück besitze. Vielleicht hast du auch schon bemerkt, dass ich mich gern außergewöhnlich kleide. Bist du nun zufrieden?“

Interessiert ließ er den Blick über ihre Figur gleiten. Amber wurde abwechselnd heiß und kalt, während seine Augen auf ihr ruhten. „Ganz im Gegenteil. Das erregt meine Neugier nur noch mehr.“

Um den hypnotisierenden Augenkontakt zu brechen, blinzelte sie. Dabei stellte sie sich vor, wie sie Steve erregen könnte und er sie.

Zum Glück wurde in diesem Moment das Essen serviert, und Amber blieben weitere Fragen erspart. Augenscheinlich besaß dieser Mann die Gabe, sie so gründlich zu verwirren, dass sie Schwierigkeiten hatte, sich zu konzentrieren. Je eher er die Karten auf den Tisch legte und sie in Ruhe ließ, desto besser.

Als sie die letzte der köstlichen, in scharfer Knoblauchsauce geschwenkten Riesengarnelen genossen hatte, lehnte sie sich zufrieden zurück und strich sich über den flachen Bauch. „Das war fantastisch.“

Doch weil Steve sie so gebannt beobachtete, setzte sie sich schnell wieder aufrecht hin. Wieder spürte sie, dass sein Blick sie gleichermaßen verunsicherte wie erregte.

„Darf ich dich zu einem Dessert verführen?“, fragte er mit tiefer, rauer Stimme, woraufhin ihre Erregung prompt wuchs.

Kommt darauf an, was für eine Art Dessert es ist, dachte Amber. Als sie seinen amüsierten Blick bemerkte, befürchtete sie, die Worte ausgesprochen zu haben.

„Nein danke.“ Sie wünschte, der Abend wäre bald zu Ende.

„Süß genug, oder?“

Mit einem verführerischen Augenaufschlag sah sie zu ihm auf. Wenn doch nur ihr Herz nicht so aufgeregt pochen würde! Natürlich wusste Amber, dass sie nicht mit ihrem Gegenüber flirten sollte, aber sie konnte nicht anders. „Findest du?“

„Ich würde sagen, du ähnelst einem Zitronentörtchen: Sieht köstlich aus, hat aber einen Beigeschmack.“ Dabei sah er sie so voller Verlangen an, als würde er gern ein wenig von ihr naschen.

„Leider wirst du keine Gelegenheit zum Probieren bekommen.“ Als sie seinen viel sagenden Blick bemerkte, räusperte sie sich und fügte eilig hinzu: „Vielen Dank für die Einladung zum Essen. Ich würde jetzt gern übers Geschäft reden. Was hältst du von meinen Vorstellungen?“

Doch er hatte das Übernahmeangebot noch nicht in allen Einzelheiten beleuchtet. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Er war viel zu sehr mit Amber beschäftigt gewesen, um sich den Kopf über geschäftliche Dinge zu zerbrechen. „Keine Sorge, ich werde gleich morgen früh mit deinem Vater sprechen“, versprach er ruhig und vernünftig.

Amber horchte auf. Gehörte er etwa zu den Männern, die nur mit ihren Geschlechtsgenossen Geschäfte machten? Sie stand so abrupt auf, dass ihr schwindlig wurde. Unverzeihlich, wie sie sich von gutem Essen, edlem Champagner und angeregter Unterhaltung hatte ablenken lassen! Vor allem wollte sie doch handfeste Informationen mit nach Hause nehmen. Und nun ließ er sie einfach abblitzen!

„Ich bin auch nicht auf den Kopf gefallen. Solltest du dich also entschließen, Geschäfte mit uns zu machen, gib mir Bescheid. Ich warte draußen.“ Hoch erhobenen Hauptes verließ sie den Speisesaal.

Atemlos sah Steve ihr nach. Aufreizend umschmeichelte das grüne Minikleid ihre aufregende Figur. Nicht zu fassen, dass sie so ein kurzes Kleid trug, besonders nicht nach dem heißen Kuss. Was glaubte sie eigentlich? Dass er eiskalt und hart war?

Zugegebenermaßen reagierte ein gewisser Körperteil allerdings in diese Richtung, und zwar seit dem Augenblick, als Steve Amber an diesem Abend getroffen hatte. Sie war einfach so sexy! Genau wie er es vermutet hatte, als er sie wenige Stunden zuvor in den wallenden Gewändern gesehen hatte. Was war nur los mit ihm? Er hatte sich doch sonst besser im Griff!

Erstaunt über sich selbst, schüttelte er den Kopf, beglich die Rechnung und ging nach draußen. Amber war auf dem Weg zum Strand, während der Wind mit ihrem Haar spielte und das knappe Minikleid hinreißend flattern ließ.

„Wenn du nicht wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses verhaftet werden willst, solltest du lieber ins Auto steigen“, flüsterte er ihr ins Ohr, wobei er einen verführerischen Blick auf ihr Dekollete erhaschte, als Amber erschrocken herumfuhr.

„Hör endlich auf, mir zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe! Und schleich dich nie wieder von hinten an mich heran“, fuhr sie ihn wütend an.

Ganz Gentleman, bot er ihr seinen Arm. „Habe ich dir etwas getan?“

Verächtlich musterte sie ihn. „Das kann man wohl sagen! Du kommst einfach in unser Leben geschneit, willst unsere Existenz vernichten, dann bringst du mich her – angeblich, um übers Geschäft zu reden, tust aber nichts dergleichen. Ganz zu schweigen von dem Kuss …“ Schnell wandte sie den Blick ab.

Entschlossen machte Steve einen Schritt auf sie zu. „Ich werde mich nicht für etwas entschuldigen, was ich nicht bedaure.“

Jetzt sah sie ihn wieder an. Zum Glück ließ Steve sich nichts anmerken, aber innerlich zerriss es ihn fast vor Verlangen. Wenn sie ihn weiter mit diesen verführerischen Augen ansah, konnte er für nichts garantieren.

„Okay, lass uns gehen.“ Abrupt drehte sie sich abermals um und ging zum Wagen. Steve blieb nichts anderes übrig, als sein Verlangen zu unterdrücken.

Auf der Rückfahrt zum Vergnügungspark schwiegen sie. Amber sah demonstrativ aus dem Fenster, und Steve betrachtete sie einige Male von der Seite, wobei er überlegte, was ihn an dieser Frau eigentlich so anzog. Normalerweise stand er eher auf große, kühle Brünette, nicht auf wilde Blondinen mit scharfer Zunge.

In der Tat hatte es ihn überrascht, dass sie Betriebswirtschaft studiert hatte. So eine Frau war auf den Fluren der Macht einfach schwer vorstellbar. Allerdings würde er wetten, dass sie sich nichts gefallen lassen würde. Und ihr Geschmack war wie sie selbst: alternativ, exotisch, faszinierend.

Keine Frage, das Mädchen bezauberte ihn. Angestrengt überlegte er, wie lange er das Geschäft mit ihrem Vater wohl hinauszögern konnte. Hoffentlich wenigstens so lange, bis er von den verborgenen Freuden dieser ungewöhnlichen Frau genascht hatte.

Als der Wagen vor dem Vergnügungspark hielt und Steve den Motor ausstellte, konnte Amber gar nicht schnell genug aussteigen.

„He, warte!“ Mit langen Schritten folgte er ihr. Auf ihren hochhackigen Sandaletten hatte sie keine Chance, ihm zu entkommen. Beim Riesenrad hatte er sie eingeholt.

„Gute Nacht. Wir sehen uns dann morgen früh“, verabschiedete sie sich kühl von ihm, während sie konsequent an ihm vorbeisah. Doch plötzlich lächelte sie warmherzig. „Hallo, Stan. Machst du Schluss für heute?“

Würde sie mich doch auch nur so anlächeln, dachte Steve wehmütig und drehte sich um. Überrascht fiel sein Blick auf einen verschrumpelten alten Mann, der grüßend seinen von Motten zerfressenen Hut lüpfte. „N’Abend, Miss Amber. Ja, ist gleich so weit.“

Fragend sah Steve sie an, als erwarte er, dem alten Mann vorgestellt zu werden. Immerhin verstand sie ihn auch ohne Worte und sagte: „Stan, das ist Steve Rockwell.“

„Freut mich. Freunde dieser jungen Dame sind auch meine Freunde“, erwiderte der alte Mann und reichte ihm die Hand.

Mühsam unterdrückte Steve ein Lächeln und schüttelte dem alten Mann die Hand, wobei er sorgsam Ambers Blick mied.

„Er ist gar nicht mein Freund, Stan, sondern nur …“ Plötzlich verstummte sie, und Steve wusste genau, warum. Wenn der Vergnügungspark wirklich geschlossen werden würde, mussten die Angestellten zumindest nicht erfahren, dass ein Rechtsanwalt hier herumschnüffelte.

Steve kam ihr zur Hilfe. „… ein alter Bekannter“, behauptete er. Da ihm das einen dankbaren Blick von ihr einbrachte, nutzte er seinen Vorteil sofort aus. „Mit so einem Ding bin ich noch nie gefahren.“ Dabei zeigte er auf das Riesenrad.

„Dann wird es aber Zeit, Sir. Steigen Sie ein.“ Stan lächelte einladend. „Es ist toll da ganz oben, besonders wenn die Gondel sich leicht im Wind wiegt und Sie die Hand Ihrer Liebsten halten.“ Verschwörerisch zwinkerte der alte Mann ihm zu.

Das ließ Steve sich nicht zweimal sagen. Strahlend umfasste er Ambers Hand und zog das Mädchen mit sich. „Komm, Liebste. Das wird lustig.“

„Oh ja, ich kann’s kaum erwarten.“ Obwohl sie ihm die Hand entzog, folgte sie ihm in eine Gondel.

Es stimmte, er hatte tatsächlich noch nie in einem Riesenrad gesessen. Wenn er gewusst hätte, wie eng aneinander geschmiegt man in den Gondeln beieinander saß, hätte er mit all seinen Freundinnen eine Fahrt unternommen.

Auf einmal saß Amber so dicht neben ihm, dass sich ihre Körper berührten und er von ihrem Duft umweht wurde. Das war wirklich die beste Idee, die er seit langem gehabt hatte!

„Du hättest unsere Beziehung Stan gegenüber ruhig richtig stellen können“, sagte Amber vorwurfsvoll.

„Dann hätte ich ihm aber seine Illusion genommen. Das geht doch nicht.“

Weil sie versuchte, etwas von ihm abzurücken, schwang die Gondel schaukelnd hin und her. „Er ist es nicht gewohnt, mich mit einem Mann zu sehen.“

Mit angehaltenem Atem legte Steve einen Arm um sie und stellte überrascht und dankbar fest, dass sie ihn nicht abschüttelte. „Einem Mädchen wie dir liegen die Männer doch sicher zu Füßen. Warum bringst du sie nicht mit nach Hause?“

„Sie sind nicht wichtig genug.“

Wie einen Messerstich spürte er die Eifersucht, als er sich Amber mit anderen Männern vorstellte. Das war nun wirklich absolut lächerlich! Er kannte das Mädchen ja kaum vierundzwanzig Stunden. „Bist du schon mal mit einem anderen Mann im Riesenrad gefahren?“

Als sie ihn daraufhin ansah, schlug sein Herz höher, was ihn wirklich erstaunte. Eigentlich hatte er seine Gefühle sonst immer ganz gut unter Kontrolle.

„Nein, das ist das erste Mal“, antwortete sie leise. Ihre Worte wurden vom Wind weggetragen. Als ihre Gondel ganz oben angekommen war, verlangsamte das Riesenrad seine Fahrt und kam zum Stillstand.

Unmöglich, still zu sitzen und den Ausblick zu genießen, wenn so eine fantastische Frau wie Amber neben einem saß und einen Mund hatte, der praktisch zum Küssen einlud!

„Findest du es nicht auch toll, neue Erfahrungen zu machen?“, fragte Steve leise und küsste sie ganz leicht auf den Mund.

Bereitwillig öffnete Amber den Mund, als der Kuss verwegener und fordernder wurde. Mit den Zungen vollführten sie einen erregenden Tanz, so erregend, dass Steve die Welt um sich vergaß. Dabei sollte er sie nicht küssen. Sie war die Tochter des Gegners, sie stellte ein Problem dar, er hatte geschäftlich mit ihr zu tun. Doch als sie vor Verlangen leise stöhnte, konnte er nur an den aufreizenden Hochgenuss denken, den ihre Liebkosungen ihm bereiteten.

Um Amber enger an sich zu ziehen und sie noch inniger zu küssen, legte er eine Hand in ihren Nacken und dirigierte ihr Gesicht so nah wie möglich an seines. Herb und süß zugleich schmeckten ihre Küsse – genau wie er sie sich vorgestellt hatte. Unvorstellbar, davon jemals genug zu bekommen! So etwas war ihm noch nie passiert. Es war das erste Mal, dass er derart von seinen Gefühlen überwältigt wurde. Bisher waren seine Beziehungen zu Frauen eher von dem Gedanken geprägt gewesen, wie sie ihm nutzen konnten. Noch nie hatte Steve seinem Verlangen so impulsiv nachgegeben.

Verführerisch strich Amber mit den Fingern durch sein Haar und zog Steve noch enger an sich, während sie ihren Körper gleichzeitig ganz eng an ihn schmiegte – auffordernd und sehnsüchtig drängte sie sich an ihn. Was für eine himmlische Einladung, und er konnte das Angebot nicht annehmen, sondern sie in dieser luftigen Höhe nur küssen. Was hätte er in diesem Moment für ein Bett gegeben!

Ohne nachzudenken, ließ er seine freie Hand unter Ambers Rock gleiten. Davon hatte er schon den ganzen Abend lang geträumt. Und er spürte, wie erregt sie war. Aber als seine Hand fast am Ziel seiner Wünsche war, lehnte Amber sich auf einmal zurück.

„Halt!“

Ohne sich zu bewegen, sah er ihr tief in die Augen.

„Ich glaube, die gehört dir“, sagte Amber, schob seine Hand weg und zog den Rock hinunter. „Es wird Zeit für uns.“

„Sag ich doch.“ Steve wollte sie missverstehen. Wie sehr hatte er sich gewünscht, den Rock noch höher zu schieben und dann … Enttäuscht betrachtete er die Stadtbeleuchtung am Horizont.

Amber tat, als hätte sie nichts gehört. In diesem Moment setzte das Rad sich wieder in Bewegung, und kurz darauf hatten sie wieder festen Boden unter den Füßen. Zum zweiten Mal an diesem Abend konnte sie gar nicht schnell genug aussteigen.

„Vielen Dank, Stan, das war super.“ Dankbar schüttelte Steve dem alten Mann die Hand.

„Das glaub ich gern, Mr. Rockwell. Bis bald einmal.“ In männlicher Verbundenheit zwinkerten sie einander verschwörerisch zu, bevor Steve Amber folgte.

Ständig schien er hinter ihr her zu laufen. Auch das war ihm noch bei keiner Frau passiert. In der Regel war es eher umgekehrt, und sie liefen ihm nach, weil sein Reichtum und seine gesellschaftliche Stellung ihn begehrenswert machten. Was war bei dieser Frau nur so vollkommen anders?

Amber blieb stehen, als er ihren Arm ergriff.

„Sehen wir uns morgen früh?“, fragte Steve.

„Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.“ Im Licht des Mondes tanzten und funkelten die goldenen Punkte in ihren Augen.

„Es war doch nur ein Kuss, Amber. Nun reg dich doch nicht so auf.“

„Wer sagt denn, dass ich mich aufrege?“, widersprach sie und wich dabei kaum merklich zurück.

Ihr herausforderndes Verhalten zog ihn nur noch mehr an. „Na hör mal, schließlich bist du ganz angespannt.“

„Und du hast eine lausige Menschenkenntnis. Gute Nacht.“ Damit wandte sie sich ab und ging davon.

Bis heute war Steve überzeugt gewesen, sich sehr gut in andere Menschen hineinversetzen zu können. Warum, verflucht, durchschaute er diese Frau nicht?

„Träum was Schönes“, rief er ihr nach. Schon jetzt freute er sich auf das Wiedersehen am nächsten Tag, wenn er sich wieder mit der bezaubernden Amber würde streiten können.

Mit keiner Silbe ging sie auf seine letzten Worte ein. Noch eine Premiere, denn bisher hatte ihn noch niemand einfach ignoriert. Trotz allem lachte Steve amüsiert vor sich hin, weil dieses vollkommen unbekannte Spiel ihm gefiel. Morgen würde er schon noch dafür sorgen, dass Amber Lawrence ihn nicht mehr ignorieren konnte.

3. KAPITEL

Sobald Steve sein Hotelzimmer betrat, bemerkte er das rote Blinken des Anrufbeantworters. Vielleicht eine Nachricht von Amber, die ihm noch einmal die Meinung sagen wollte, bevor sie ins Bett ging?

Überrascht stellte er fest, dass seine Mutter eine Nachricht aufs Band gesprochen hatte. Eindringlich bat sie ihn um sofortigen Rückruf, gleichgültig zu welcher Uhrzeit. Innerlich stellte Steve sich bereits auf eine der berühmten Schimpftiraden seiner Mutter ein, während er die Nummer wählte. Was hatte er dieses Mal wohl wieder falsch gemacht?

Schon beim ersten Klingeln nahm sie den Hörer ab. „Liebling, da bist du ja. Wo warst du denn? Ich versuche schon den ganzen Abend, dich zu erreichen.“

„Ich war geschäftlich unterwegs, Mutter. Du weißt schon, Geschäfte, mit denen ich meinen Lebensunterhalt verdiene.“

Das hatte gesessen. Nur zu gut konnte er sich vorstellen, wie sie das makellose Gesicht verzog.

„Quäl mich doch nicht damit, Schatz. Du weißt genau, dass du nicht arbeiten musst. Ich finde es unsinnig, unbedingt Geld verdienen zu wollen, wenn man finanziell unabhängig ist.“

Wieder mal eine von Georgia Rockwells vielen Untertreibungen. In Wirklichkeit könnte man ihn als stinkreich bezeichnen. Von klein auf war ihm diese Tatsache nur zu bewusst gewesen, und immer wieder hatte er unter ihr gelitten. Doch seine verwöhnte Mutter hatte nie verstanden, warum er sein Geld lieber selbst verdiente, sich begeistert mit komplizierten Sachverhalten auseinander setzte und sich nach der Lösung eines Problems darüber freute, tatsächlich etwas geleistet zu haben.

Inzwischen hatte er es aufgegeben, ihr seinen Standpunkt erklären zu wollen. Es hatte leider absolut keinen Sinn.

„Was ist denn so dringend, Mutter?“

Sie antwortete in dem Tonfall, den sie immer benutzte, wenn sie etwas von ihm wollte. „Der Zustand deiner Großmutter verschlechtert sich zusehends. Ich dachte, du solltest das wissen.“

Bei dem Gedanken an die zerbrechliche alte Dame, die ihn während seiner einsamen Kindheit als einziger Mensch aufrichtig geliebt hatte, fühlte Steve eine bedrückende und lähmende Leere in sich. Seit Monaten lag seine geliebte Gran hilflos im Bett und wurde durch ihre schwere Krankheit immer hinfälliger.

„Wie schlimm ist es?“

„Die Ärzte geben ihr höchstens noch einige Monate.“

Erschrocken dachte er an das Versprechen, dass er Ethel St. John gegeben hatte, als die tödliche Krankheit ausgebrochen war. Dieses Versprechen musste er noch einlösen. Damals hatte sie behauptet, dass nur der Gedanke an seine Hochzeit und ein Enkelkind, das eines Tages ihr immenses Vermögen übernehmen würde, sie noch am Leben hielte. Denn seine Großmutter und er waren sich einig, dass seine Mutter als Erbin nicht in Betracht kam. Unter Garantie würde sie das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinauswerfen, anstatt die Wünsche der im Sterben liegenden alten Dame zu respektieren.

Bei den nächsten Worten seiner Mutter stockte ihm der Atem. „Sie hat mir alles erzählt, Steve.“

„Was hat sie dir erzählt?“ Warum sollte seine Großmutter sich ausgerechnet der Frau anvertrauen, die sie verachtete?

„Ethel hat mir verraten, dass du ihr ein Versprechen gegeben hast. Also, wie sieht es damit aus?“

Weil er seine Mutter kannte, war er auf der Hut. Denn sie hatte mit keinem Wort das Geld erwähnt, was sehr ungewöhnlich für sie war. Sollte sie Ethels testamentarische Verfügung tatsächlich kennen, hätte sie ihn mit Sicherheit hysterisch angeschrien und nicht so kultiviert und gelassen mit ihm gesprochen.

„Womit?“, fragte er vorsichtig.

„Hör auf, meine Fragen ständig mit Gegenfragen zu beantworten! Du weißt ganz genau, wovon ich spreche. Mutter hat mir erzählt, dass sie nur gegen diese schreckliche Krankheit ankämpft, weil sie deine Hochzeit noch erleben will. Also, wie sieht’s damit aus?“

Ihr Tonfall erinnerte ihn an die unendlich vielen ermüdenden Ermahnungen, die er so oft von ihr gehört hatte und die er so leid war. „Man spricht nicht mit vollem Mund, Steve. Lauf nicht im Haus herum. Drück dich gefälligst gewählter aus. Spiel nicht mit der schrecklichen Göre von nebenan …“ Seine Kindheit war ein einziger Albtraum gewesen.

Missmutig verzog Steve das Gesicht. Er wollte nicht mehr daran denken. Zum Glück hatte seine Großmutter nur einen Teil des Versprechens preisgegeben. Sonst wäre seine Mutter noch unerträglicher gewesen. Falls das überhaupt möglich war.

„Ich habe alles im Griff, Mutter. Du musst dir keine Sorgen machen.“

„Das tue ich aber, Liebling.“

Natürlich, darüber, wer den luxuriöseren Wagen fuhr, die teuerste Handtasche trug oder das meiste Geld auf dem Konto hatte. Über ihren Sohn hingegen hatte sie sich noch nie Sorgen gemacht.

„Dazu besteht keine Veranlassung.“ Erst jetzt bemerkte er, dass er seine freie Hand zu einer Faust geballt hatte. „Richte Gran bitte liebe Grüße von mir aus, und sag ihr, dass ich sie bald besuchen komme.“

„Oh, Steve!“ Wie sie so viel Unmut in zwei Wörter legen konnte, würde ihm immer unbegreiflich sein.

„Gute Nacht, Mutter.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, legte er den Hörer auf.

Während er sich auszog, dachte er über die vergangenen Monate nach, in denen er tatsächlich mit einigen Frauen ausgegangen war, die ihm geeignet erschienen waren, um sein Versprechen einzulösen. Für ihn wäre diese Ehe ganz nüchtern eine geschäftliche Vereinbarung, von der beide Partner profitierten. Allerdings waren ihm sämtliche Frauen bei näherer Betrachtung doch nicht mehr passend erschienen. Außerdem wollten sie alle keine Kinder bekommen. Und Kinder waren nun einmal Teil der Bedingungen für diese Ehe.

Was soll ich nur tun, dachte Steve traurig. Jetzt, wo seine Großmutter im Sterben lag, musste er sein Versprechen schnell einlösen. Auf keinen Fall wollte er sie enttäuschen, das kam überhaupt nicht infrage.

Plötzlich hatte er eine fantastische Idee. Fakt war doch, dass er schnell heiraten musste und beide Partner von der Ehe profitieren sollten. Doch er wollte auch eine Frau, die ihn erregte, die er begehrte und die diese Ehe so spannend wie möglich machen würde.

Glücklicherweise hatte er gerade die perfekte Kandidatin kennen gelernt.

Da Amber nicht am Schlüsselloch horchen wollte, musste sie wohl oder übel warten, bis die Besprechung zwischen ihrem Vater und Steve beendet war, um zu erfahren, was das Gespräch ergeben hatte. Also durchstreifte sie nervös den Vergnügungspark, beaufsichtigte das Zuwasserlassen des neuen Piratenschiffs und scherzte mit den Schaustellern. Die meisten von ihnen arbeiteten schon seit Jahren im Vergnügungspark, und sie war ihnen sehr dankbar für ihre Treue. Schließlich hätten sie auch zum „großen Bruder“ nach nebenan wechseln können, was sicher lukrativer für sie wäre.

Wie großartig, so loyale Mitarbeiter zu haben! Könnte sie doch nur das Unabwendbare abwehren!

„Wo ist denn dein Hellseher-Kostüm geblieben?“

Weil sie gar nicht bemerkt hatte, dass der Mann, der ihr eine schlaflose Nacht bereitet hatte, plötzlich hinter ihr stand, zuckte Amber erschrocken zusammen.

„Ich habe gestern nur jemanden vertreten. Wie ist die Besprechung gelaufen?“ Am besten kam sie gleich zum Punkt. Zumal sie viel lieber sofort zu ihrem Vater gelaufen wäre, um die Neuigkeiten von ihm zu erfahren und nicht von diesem gewieften Anwalt, dessen Küsse ihr den Schlaf geraubt hatten, weil sie die ganze Nacht an ihn und seine Küsse gedacht hatte.

Sein freches Lächeln ließ ihr Herz sofort schneller schlagen. „Dann war das alles nur geraten, was du mir gestern vorhergesagt hast? Nicht schlecht. Und ich dachte, du hättest wirklich Talent.“

Aber sie hatte keine Zeit für Neckereien. „Nun sag schon, was ihr besprochen habt.“

Gnadenlos verschränkte Steve die Arme vor der Brust und tat, als hätte er alle Zeit der Welt. „Bist du eigentlich immer so unausstehlich, oder ist das mein besonderes Privileg?“

Auch wenn Amber ihn am liebsten geschüttelt hätte, hielt sie sich zurück. „So bin ich extra nur für dich. Könntest du jetzt bitte endlich von deinem hohen Ross steigen, aufhören, so frech zu lächeln und mir erzählen, was ihr vereinbart habt?“

Doch er lachte nur amüsiert, was sie noch wütender machte. „Ich erzähl dir alles, wenn du mit mir kommst.“

„Du musst wirklich vollkommen verrückt sein!“

Doch sein ernster Gesichtsausdruck verriet ihr, dass er nicht mehr scherzte. „Ich möchte dir einen Vorschlag machen – einen sehr interessanten Vorschlag.“

Jetzt reichte es ihr endgültig. „Ich glaube kaum, dass mich das interessieren wird. Ich werde meinen Vater fragen, und du kannst jetzt gehen.“

„Was ich dir vorschlagen möchte, könnte den Vergnügungspark retten.“ Heute ließ Steve Amber stehen und ging davon.

Verblüfft sah sie ihm nach. In ihrem ganzen Leben war sie noch nie einem Mann nachgelaufen. Aber der Köder war einfach zu verlockend. Also schluckte sie ihren Stolz hinunter und rief hinter Steve her: „Okay, ich komme mit, aber wehe, wenn du mich enttäuschst.“

Blitzschnell hob sie den Blick, als Steve sich umdrehte. Es hätte gerade noch gefehlt, dass er sie dabei ertappte, wie sie verliebt auf seinen sexy Po starrte. Auch so war der Mann schon eingebildet genug.

Allerdings beruhigte sie sein siegesbewusstes Lächeln auch nicht gerade. „Hab Vertrauen“, sagte er nur.

Genauso gut hätte er sie zum Bungeejumping von der Sydney Harbour Bridge auffordern können. Aber hatte sie eine Wahl? Sie würde alles tun, um den Vergnügungspark ihres Vaters zu retten, selbst wenn das hieße, Männern wie Steve Rockwell schöne Augen zu machen.

Eine halbe Stunde später konnte sie kaum glauben, wie Steve mit dem Geld um sich warf. Gestern der Mietwagen, das Abendessen und nun das. Als sie sich einverstanden erklärt hatte, ihn zu begleiten, hatte sie nicht im Traum daran gedacht, auf einer gemieteten Jacht zu landen und auf dem Kanal zu segeln.

„Hier gefällt es mir.“ Auch wenn sie ihr ganzes bisheriges Leben in Queensland verbracht hatte, war sie bisher noch nie auf den Kanälen gesegelt. Bewundernd betrachtete sie die prächtigen Villen entlang der Küste. Jedes Anwesen verfügte über einen eigenen Landungssteg und das dazugehörige Boot. Manche Leute führten wirklich ein sorgenfreies Leben.

„Vorsicht.“ Mit einem Augenzwinkern reichte Steve ihr ein Glas Chardonnay. Der Wein hatte die perfekte Temperatur. „Das klang ja fast wie ein Kompliment.“

Genießerisch trank sie einen Schluck Wein, der aus Barossa-Trauben gekeltert war. „Ich sage einfach, wie es ist.“

„Gilt das für alle Lebensbereiche?“ Ohne eine Vorwarnung setzte er sich zu ihr, etwas zu nah für ihren Geschmack.

Er war einfach zu attraktiv. Selbst wenn sie ihn aus fünf Metern Entfernung sah, prickelte ihr ganzer Körper. „Sicher, warum sollte ich in Rätseln sprechen? Ich habe es immer mit der Wahrheit gehalten, und das werde ich auch weiterhin tun.“

Als er zustimmend nickte, bemerkte sie, wie das Sonnenlicht auf seinem dunkelblonden Haar schimmerte, das sich auf dem Kragen des Polohemds lockte. Für einen Geschäftsmann ist es eindeutig zu lang, stellte Amber erstaunt fest. Bisher hatte sie ihn für sehr angepasst gehalten, für einen Mann, der sich den gesellschaftlichen Zwängen beugte. Vielleicht hatte er mehr Widerspruchsgeist, als sie dachte.

Doch die perfekt gebügelte Khakihose, die Designermarke auf dem Polohemd und die teuren italienischen Segelschuhe sprachen eine andere Sprache.

„Das finde ich gut. Allerdings kann die Wahrheit manchmal auch verletzend sein.“ Den Blick in die Ferne gerichtet, betrachtete Steve den Horizont hinter ihr.

Als sie ihn beobachtete, überlegte sie, was oder wer wohl verantwortlich für den Schmerz war, der sein Gesicht überschattete. „Nur, wenn du das zulässt“, erwiderte sie und widerstand dem Impuls, die sorgenvolle Linie zu glätten, die sich auf seiner Stirn gebildet hatte.

„Wie soll man ihn ignorieren, wenn man dem Schmerz jeden Tag ausgesetzt ist?“

Weil Amber keine Ahnung hatte, wovon er sprach, beschloss sie, lieber zu schweigen. Wenn er ihr ein dunkles Geheimnis anvertrauen wollte, bevor sie über den Vergnügungspark sprachen, dann sollte er das tun.

Bevor er weitersprach, trank er sein Glas leer. „Hast du dich jemals so eingeengt gefühlt, dass du am liebsten davongelaufen wärst?“

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, eigentlich nicht. Mein Leben ist schön. Schon seit frühester Kindheit haben meine Eltern mich meine eigenen Entscheidungen treffen lassen. Wenn ich darüber nachdenke, habe ich mich tatsächlich nie eingeengt gefühlt. Allerdings war der Schmerz überwältigend, als meine Mutter gestorben ist. Das war sehr bedrückend und fürchterlich traurig.“

„Woran ist sie gestorben?“

Noch heute spürte Amber den Schmerz über den Verlust – all die Jahre hatten nichts daran geändert. Vermutlich weil ihre Mutter ihre Seelenverwandte gewesen war. Als Kind der Hippie-Zeit hatte sie Amber ein Gefühl tiefen Friedens vermittelt. Und sie hatte ihre Tochter nach ihrem Lieblingsstein benannt. „Krebs. Es war ein langer Kampf“, antwortete sie leise.

Erstaunt bemerkte sie, wie Steve sich verspannte. „Meine Großmutter stirbt gerade an Krebs.“ Auch er hatte leise gesprochen, so leise, dass Amber ihn kaum verstanden hatte.

„Oh, das tut mir sehr leid.“ Tröstend ergriff sie seine Hand. Manchmal konnten Worte nicht helfen, aber Berührungen waren wohltuend und tröstlich. Dass sie darüber hinaus an Reiki und die heilenden Kräfte der Hände glaubte, musste sie ihm ja nicht verraten. Wahrscheinlich würde er sie spätestens dann eindeutig für verrückt erklären und über Bord springen.

Zu ihrer Erleichterung zog er seine Hand nicht zurück, und Amber sehnte sich danach, sie zärtlich zu streicheln.

„Es ist eine schreckliche Krankheit, und ich fühle mich so hilflos. Ich kann überhaupt nichts tun.“

Autor

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