Romantik pur in Sugar Falls - 6-teilige Serie

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Mit seinen glasklaren Flüssen und bewaldeten Hügeln bietet die Kleinstadt Sugar Falls wirklich alles, was das Romantikerherz begehrt - die perfekten Kandidaten für aufregende Liebesgeschichten natürlich auch!

DIESES BEGEHREN IN DEINEN AUGEN ...

Was für ein niedlicher Junge - und die Mom erst! Matthew ist fasziniert, als er Hunter und dessen Mutter Maxine kennenlernt. Wie gerne würde er sie küssen! Aber sie weist ihn ab - obwohl in ihren Augen das Begehren funkelt. Warum wehrt sie sich gegen ein romantisches Weihnachtsmärchen?

DER GOLDENE RING DES FREMDEN

Wie kommt der Ehering an meinen Finger? Schlagartig ist Kylie hellwach. Schlimmer noch: Der Fremde neben ihr im Bett trägt den gleichen Ring! Sie kann sich an nichts erinnern. Eigentlich wirklich schade, denn sie hat zu einem sehr attraktiven Mann Ja gesagt …

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Nach ihrer einzigen unvergesslichen Liebesnacht im Hotel hat Dr. Garrett McCormick die schöne Unbekannte nie wiedergesehen. Bis Mia jetzt überraschend vor ihm steht. Sofort fühlt er sich wieder wie magisch von ihr angezogen. Da macht sie ihm ein unerwartetes Geständnis …

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Seine achtjährigen Zwillinge halten Witwer Luke Gregson ziemlich auf Trab. Ihr jüngster Coup: Sie haben heimlich eine neue Mommy ausgesucht! Zwar fühlt Luke sich ohne es zu wollen tatsächlich zu Carmen hingezogen. Aber ist er überhaupt schon bereit für eine neue Beziehung?

DIE LIEBE LIEGT SO NAH

So erfolgreich Julia im Job ist, so wenig versteht sie von Männern. Auch der sexy Bauunternehmer Kane Chatterson ist ihr ein Rätsel. Nur eins scheint klar: Er interessiert sich nicht für sie als Frau! Warum sonst will er ihr einen Mann suchen, statt sie selbst zärtlich zu küssen?

SEHNSUCHT UNTER DEM STERNENZELT

Dieses Modepüppchen will in der Wildnis überleben? Niemals! Nur widerwillig gibt sich Alex mit Reporterin Charlotte ab - Stadt-Ladys sind nichts für ihn! Bis ein Sturm ihn zwingt, die Nacht mit ihr in einem Zelt zu verbringen und sie seine harte Schale einfach fortküsst …


  • Erscheinungstag 01.03.2018
  • ISBN / Artikelnummer 9783733735517
  • Seitenanzahl 780
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Cover

Christy Jeffries

Romantik pur in Sugar Falls - 6-teilige Serie

IMPRESSUM

Dieses Begehren in deinen Augen ... erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Cora-Logo Redaktion und Verlag:
Postfach 301161, 20304 Hamburg
Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0
Fax: +49(0) 711/72 52-399
E-Mail: kundenservice@cora.de

© 2016 by Christy Jeffries
Originaltitel: „A Marine for His Mom“
erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA EXTRA
Band 37 - 2016 by CORA Verlag GmbH, Hamburg
Übersetzung: Tatjána Lénárt-Seidnitzer

Umschlagsmotive: jacoblund / GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 11/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733754242

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:
BACCARA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

 

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PROLOG

4. September

Lieber Soldat,

ich heiße Hunter Walker und gehe in die fünfte Klasse bei Miss Gregson. Ich wohne in Sugar Falls in Idaho. Das ist die langweiligste Stadt, die du dir denken kannst. Ich liebe Football und Baseball, aber meine Mom lässt mich nicht spielen. Grandma sagt, dass mein Dad der beste Footballspieler von Sugar Falls war, aber er ist gestorben, als ich noch ein Baby war und bevor er Profi werden konnte.

Weil ich nicht spielen darf, habe ich nie was zu tun, wenn meine Mom arbeitet oder bei ihren Freundinnen ist.

Meine Mom hat eine tolle Bäckerei, die berühmt ist für Kekse. Sie ist lieb, aber sie steht voll auf Weiberkram. Letztes Jahr musste ich sogar zum Yoga. Da war ich der einzige Junge, und deswegen hab ich mich geweigert. Ich darf nie richtig coole Sachen für Jungs machen.

Manchmal vermisse ich meinen Dad, auch wenn ich mich nicht an ihn erinnern kann. Ich würde so gern ab und zu mal mit einem Mann reden. Mit den anderen Jungs aus meiner Klasse verstehe ich mich nicht so gut, denn sie machen sich immer lustig über mich.

Ich schicke dir ein Bild von mir, damit du weißt, wem du schreibst. Kannst du mir auch eins von dir schicken? Vielleicht eins in einem Panzer oder einem Kampfflugzeug. Jake Marconi sagt, dass sein Onkel einen Harrier fliegt, aber das ist bestimmt gelogen. Kann man ein Kampfpilot werden, wenn man erst achtzehn ist? Gibt es überhaupt welche bei der Küstenwache?

Wenn du kein Kampfpilot bist, ist es auch okay. Ich schreibe dir trotzdem. Du bist doch ein Mann, oder? Ich will nicht an Mädchen schreiben, weil ich sowieso andauernd mit welchen zusammen bin.

Magst du Boxen? Ich darf kein Boxen im Fernsehen gucken, bloß Baseball. Die Colorado Rockies sind mein Lieblingsteam, und ich kann die Statistik von den letzten drei Jahren auswendig. Jedenfalls wünsche ich mir, dass du ein Mann bist und auch Baseball magst und mir antwortest.

Viele Grüße

Hunter Walker

1. KAPITEL

Sergeant Matthew Cooper umklammerte die Armlehnen, als der Flieger auf dem Rollfeld in Boise aufsetzte. Egal, zu wie vielen Orten auf der ganzen Welt er schon gestartet war, er hatte sich nie an den steilen Sinkflug und das holprige Aufsetzen gewöhnen können. Diesmal hatte er darüber hinaus die Befürchtung, dass seine gesamte Zukunft eine Bruchlandung erleiden könnte.

Vor ein paar Monaten, als ihm der befehlshabende Offizier den ersten Brief von Hunter Walker überreicht hatte, war er wutentbrannt aus dem Dienstzimmer gestürmt. Noch mehr hatte er sich über den Militärpsychologen Dr. Gregson geärgert, der ihn zur Teilnahme an dem lächerlichen Projekt Brieffreundschaft vorgeschlagen und den Kontakt zu irgendeinem Kind aus einem Nest in Idaho hergestellt hatte.

Ein Militärstützpunkt in Afghanistan war Coopers Meinung nach kein geeigneter Ort, um per Post Nanny für ein zehnjähriges Kind zu spielen, das keine Freunde, dafür aber eine überängstliche Mutter hatte. Schließlich war er kein einsamer jugendlicher Infanterist, der moralischen Auftrieb brauchte. Vielmehr war er als Militärpolizist auf Stützpunkten in der ganzen Welt stationiert gewesen, hatte Anschläge und Morde untersucht und sich gelegentlich als verdeckter Ermittler betätigt.

Er war nicht für die Rolle des Babysitters und schon gar nicht des männlichen Vorbilds geschaffen.

Doch nun – dank eines Selbstmordattentäters – war seine militärische Laufbahn womöglich beendet. Den einzigen Lichtblick in einer düsteren und einsamen Zukunft stellte die Verbindung zu jenem Kind dar, die durch E-Mails und Briefe erwachsen war.

Die Anschnallzeichen erloschen, und der Mittelgang füllte sich mit Passagieren, die ihr Handgepäck aus den Luken holten. Cooper öffnete seinen Sicherheitsgurt. Zu gern wäre er aufgestanden und hätte seine Beine ausgestreckt. Doch sein Knie wurde nur notdürftig von Schrauben zusammengehalten, und er musste warten, bis die übrigen Passagiere ausgestiegen waren und das Bordpersonal ihn in einem Rollstuhl zur Gepäckausgabe befördern konnte.

Er hasste es, so schwach zu sein, und zweifelte an seiner Entscheidung, sich in diesem Zustand zum ersten Mal mit dem Kind zu treffen. Er hatte starke Schmerzen und war am Rande der Erschöpfung. Seit über dreißig Stunden war er nun schon mit einer kommerziellen Airline unterwegs, mit Aufenthalten in Tokio und San Francisco.

Beim letzten Zwischenstopp hatte er ein starkes Schmerzmittel geschluckt. Nun fragte er sich, ob er in der Verfassung war, seinem jungen Brieffreund von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten – und sich von dessen Mutter zum Militärkrankenhaus am Stadtrand von Boise fahren zu lassen.

Wieso hatte er sich bloß dazu überreden lassen? Weil er während seiner Stationierung in Afghanistan und später im nächstgelegenen Lazarett einen regen Briefwechsel mit dem mitteilsamen Fünftklässler geführt hatte.

Und obwohl Cooper eigentlich nicht an göttliche Vorsehung glaubte, erschien es ihm doch wie eine Fügung des Schicksals, dass eine Behandlung im Walter Reed Medical Center in Maryland oder im Shadowview Military Hospital in Boise die beste Heilungschance für sein Bein bot – laut Auskunft der Ärzte in Okinawa.

Bevor an ein neues Kniegelenk gedacht werden konnte, musste allerdings der Oberschenkelbruch ausheilen. Cooper stand eine lange Reha bevor. Obwohl er sich normalerweise nicht an seinem Einzelgängerdasein störte, hatte er sich für das Shadowview entschieden, weil er dort in Hunters Nähe war. Wie erbärmlich ist das denn!

Er tröstete sich damit, dass er gebraucht wurde. Der Junge hatte kein männliches Vorbild. Ihm fehlte offensichtlich eine starke Hand, die ihn anleitete. Wie kann seine Mutter ihn zum Yogaunterricht schicken und ihm Sport verbieten? Wer tut einem Jungen so etwas an? Angesichts ihres Berufs war sie vermutlich ebenso außer Form geraten wie ihr Sohn und zu sehr mit ihrer Arbeit beschäftigt, um sich vernünftig um ihn zu kümmern.

Beim Aussteigen kam es zu Verzögerungen; die Passagiere im Mittelgang rührten sich nicht von der Stelle.

Cooper bückte sich nach seinem Rucksack, holte den Ausdruck einer E-Mail heraus und begann zu lesen.

3. Januar

Wow! Ich kann gar nicht glauben, dass du wirklich nach Idaho kommst! Wie lange musst du im Krankenhaus bleiben? Ich lasse mich von meiner Mom jede Woche zu dir bringen. Vielleicht kann ich auch mal per Anhalter fahren, wenn sie arbeitet.

Dein Hund Helix hat einen Orden dafür verdient, dass er auf den Attentäter losgegangen ist und dir das Leben gerettet hat. Darfst du bei der Navy bleiben, auch wenn dein Knie nicht mehr richtig gesund wird? Du kannst trotzdem mein Brieffreund sein, auch wenn die dich rausschmeißen.

Kommst du nach Sugar Falls, wenn du aus dem Krankenhaus entlassen wirst? Das wäre so cool! Ich wäre der Einzige aus meiner ganzen Klasse, der seinen Brieffreund kennenlernt. Bitte, bitte, komm hierher! Ich weiß, dass ich geschrieben habe, dass es in Sugar Falls blöd und langweilig ist, aber das ist es nicht mehr, wenn wir zusammen abhängen und angeln gehen und so.

Du kannst bei mir und meiner Mom wohnen. Das findet sie bestimmt auch ganz toll. Bitte, bitte sag Ja!

Hunter

Cooper faltete das Blatt Papier zusammen und betrachtete das Foto, das der Junge seinem ersten Brief beigelegt hatte. Seine Mutter sollte ihm die Kekse entziehen und ihn auf Diät setzen. Vielleicht kann ich ihn dazu bringen, ein paar Übungen mit mir zusammen zu machen.

Nach den chirurgischen Eingriffen stand ihm eine lange und intensive Physiotherapie bevor. Womöglich ist Ms. Walker bereit, sich auch in Form zu bringen.

Schon seit einigen Wochen dachte er häufig über sie nach. Er hatte zwar nie Kontakt zu ihr aufgenommen und nie ein Foto von ihr gesehen, sich aber ein Bild von ihr gemacht. Als Militärpolizist konnte er schließlich zwischen den Zeilen lesen und hatte sie folglich als übergewichtige Frau abgestempelt, deren Welt sich um Kekse und kaum etwas anderes drehte.

„Mom, kannst du nicht mehr aus der Kiste rausholen? Der neue Porsche von Jake Marconis Dad schafft locker hundertsechzig Meilen.“

Maxine Walker warf ihrem Sohn einen entnervten Blick zu. Jake Marconis Dad und sein neuestes Statussymbol interessierten sie herzlich wenig. Ihre Gedanken kreisten vielmehr um die Frage, wie sie seinen Freund schnellstmöglich vom Flughafen zum Hospital kutschieren und vor Einbruch der Dunkelheit nach Sugar Falls zurückkehren konnte. Zumal in der vergangenen Nacht wieder mehrere Zentimeter Schnee gefallen waren und sie die steile Bergstraße selbst bei optimalem Wetter nur ungern fuhr. „Ich verstehe immer noch nicht, warum wir diesen Kerl abholen müssen. Stellt das Militär keinen Krankentransport?“

„Ich hab dir doch gesagt, dass ich es ihm versprochen habe. Wie würde es dir denn gefallen, wenn du in einem Kriegsgebiet in die Luft gesprengt und um die ganze Welt in ein abgelegenes Krankenhaus gekarrt wirst, wo du niemanden kennst? Er ist ein Kriegsheld, Mom. Es ist unsere patriotische Pflicht.“

Maxine brauchte von ihrem zehnjährigen Sohn keine Belehrung über patriotische Pflichten. Ihre Eltern waren beide Berufssoldaten und hatten sie und ihre sechs Geschwister von Stützpunkt zu Stützpunkt geschleift, bis sie sich schließlich mit achtzehn abgenabelt und ein Studium an der staatlichen Universität von Boise angefangen hatte.

Sie atmete erleichtert auf und blies sich eine blonde Locke aus der Stirn, als sie endlich vom Highway auf die Autobahn in Richtung Boise Airport abbog. „Reicht es nicht, dass ich dir erlaubt habe, ihm zu schreiben, obwohl wir nichts von ihm wissen?“

„Was redest du denn da? Ich weiß alles über Coop. Er ist mein allerbester Freund.“

Und das erklärte, warum sie ihrem Sohn diese unkonventionelle Brieffreundschaft gestattet hatte. Früher war Hunter gut mit anderen Kindern ausgekommen, doch seit der dritten Klasse vertrug er sich nicht mehr mit seinen Mitschülern.

Maxine nahm an, dass es zum Teil an ihr lag. Weil sie Single war und noch immer so knackig aussah wie zu College-Zeiten als Cheerleaderin, betrachteten die anderen Mütter sie als Rivalin und hielten ihre Ehemänner von ihr fern. Somit wurden sie und Hunter kaum eingeladen und hatten nur wenige Kontakte. Seit sie das Keksgeschäft betrieb, blieb ihr außerdem kaum Zeit für außerschulische Unternehmungen.

Ihr früher so glücklicher Sohn war zunehmend introvertiert geworden und richtete seine Aufmerksamkeit mehr auf seinen Computer und weniger auf die Aktivitäten, die das Kleinstadtleben in der herrlichen Natur möglich machte.

Zum Glück hatte sie einige gute Freundinnen und ihre Schwiegermutter, die sich um ihren Sohn kümmerten. Und seit Kurzem hatte sie jemanden im Verkauf eingestellt, sodass sie mehr Zeit für Hunter erübrigen konnte – obwohl er nie etwas mit ihr unternehmen wollte.

Diese Brieffreundschaft schien positiv auf ihn zu wirken, was ihr nur recht sein konnte. Anfänglich hatte sie die Korrespondenz verfolgt, um sich zu überzeugen, dass dieser Cooper kein Kinderschänder war und keinen schlechten Einfluss auf ihren süßen, aber naiven Sohn ausübte.

Dabei war sie immer davon ausgegangen, dass die Freundschaft allmählich im Sand verlaufen würde. Nun war sie ganz und gar nicht glücklich über die unerwartete Wendung und wusste nicht, wie sie mit der Ankunft des unbekannten Soldaten umgehen sollte. „Hast du die E-Mail mit dem Reiseverlauf dabei?“, wollte sie wissen.

„Ja. Hier ist sie.“ Hunter hielt ihr den Ausdruck unter die Nase.

Um ein Haar verpasste sie die Abfahrt zum Flughafen. „Ich fahre gerade Auto! Ich kann jetzt nicht lesen.“

„Warum hast du mich dann danach gefragt?“

„Ich wollte die genauen Flugdaten wissen.“

„Er landet um ein Uhr siebenundvierzig.“

„Das hast du mir schon gesagt. Mit welcher Airline kommt er, und sollen wir ihn direkt ins Krankenhaus fahren oder was?“

„Keine Ahnung.“

„Was soll das heißen?“ Maxine lehnte den Kopf an die Kopfstütze und atmete tief durch. Sie durfte nicht vergessen, dass Hunter erst zehn war. „Hat er denn geschrieben, ob er mit einem Militärflugzeug oder mit einer kommerziellen Fluglinie kommt?“

Er überflog die E-Mail. „Davon steht hier nichts.“

„Was ist, wenn der Flug Verspätung hat? Was ist, wenn das Krankenhaus eine Ambulanz schickt, um ihn abzuholen?“

„Dann fahre ich mit ihm, und du kannst mich da abholen.“

Sie bog in die Kurzparkzone ein. „Das kommt überhaupt nicht infrage. Du triffst dich nicht mit ihm allein.“

„Mom, bitte! Der Militärpsychologe ist Miss Gregsons Bruder und hat alle Mariner persönlich geprüft, bevor sie Kindern scheiben durften. Sie kämpfen für unsere Freiheit. Die sind keine Spinner oder Sonderlinge.“

Maxine parkte das Auto ein und warf ihrem Sohn einen skeptischen Blick zu. Doch er schnappte sich bereits das Willkommensschild, an dem er die ganze Nacht gebastelt hatte, und rannte zum Terminal.

Kaum hatte Cooper seinen olivgrünen Seesack vom Gepäckband gehievt, als ein pummeliger Junge ihn beim Namen rief, ein handgemaltes Schild mit der Aufschrift Willkommen zu Hause, Coop schwenkte und zu ihm stürmte.

Im nächsten Moment stürzte sich der kleine untersetzte Körper mit solcher Wucht auf Cooper, dass der Rollstuhl beinahe umgekippt wäre. Das verletzte Bein schmerzte nach dem plötzlichen Zusammenprall, aber sein Herz schlug höher vor Freude, als Hunter ihm die Arme um den Hals schlang.

Er fragte sich, warum er so gefühlvoll reagierte. Der Junge war ihm praktisch fremd; trotzdem bedeutete er ihm in diesem Moment mehr als jeder andere Mensch auf der Welt.

Bei jeder Rückkehr von einem Einsatz hatte er abseits gestanden und beobachtet, wie die anderen Mariner sich mit ihren Angehörigen trafen. Er hatte seinen Kampfgefährten nie den liebevollen Empfang missgönnt, jedoch immer einen Stich im Innern verspürt. Denn er selbst wurde immer nur von Freiwilligen der USO mit einer Tasse Kaffee und einem Lächeln willkommen geheißen – wie jeder in Uniform, der auch nur im Geringsten einsam wirkte.

Coopers Augen wurden feucht. Diese sentimentale Anwandlung musste an Erschöpfung und Jetlag liegen. Entschieden befahl er sich, keine Schwäche in der Öffentlichkeit zu zeigen. Er war nicht rührselig veranlagt und weinte nie, seit … nun, nicht mehr, solange er zurückdenken konnte. „Ich habe dir doch geschrieben, dass du nicht herkommen musst“, sagte er mit einem breiten Grinsen.

„Machst du Witze? Ich konnte es gar nicht erwarten, dich zu treffen. Letzte Nacht habe ich überhaupt nicht geschlafen. Ich habe meine Mom überredet, mich früher aus der Schule zu holen, damit wir rechtzeitig hier sind.“

Cooper wandte den Kopf. Sein Blick glitt an den verführerischsten Beinen hinauf, die er jemals gesehen hatte. Sie steckten in hellbraunen Cowboystiefeln und hautengen Hüftjeans, die ein Stück Bauch zwischen dem Bund und einem weißen Sweater freiließen. Selbst eine weiße Daunenweste konnte die fantastische Figur dieser Frau nicht verbergen. Blonde Locken umrahmten ihr bildhübsches Gesicht. Es juckte ihn in den Fingern, durch das seidige Haar zu streichen.

Das Bild von einer ungepflegten, übergewichtigen und überforderten Keksbäckerin, das er sich gemacht hatte, entsprach in keinster Weise der Wirklichkeit. Maxine Walker wirkte so umwerfend, dass er sich mehrere rasche Herzschläge lang wünschte, sie würde sich ihm ebenso auf den Schoß werfen wie ihr Sohn.

Doch selbst wenn er sich in Bezug auf ihr Äußeres geirrt hatte, ihre Persönlichkeit hatte er goldrichtig eingeschätzt. Sie hielt sich abseits, distanziert und unnahbar. Ihre feminine Aufmachung erweckte den Eindruck von Wärme, doch die fest vor der Taille verschränkten Arme signalisierten Abwehr.

Cooper zerzauste Hunters Locken, hob ihn von seinem Schoß und reichte der Frau die Hand. „Matthew Cooper, Ma’am.“

„Freut mich, Sie kennenzulernen, Matthew. Ich bin Maxine Walker.“

Er hasste es, Matthew genannt zu werden. Niemand außer seiner Mutter hatte ihn jemals mit Vornamen angesprochen. „Bitte nennen Sie mich Cooper.“

Sein Bein tat weh, und er war überzeugt, dass sich die Schmerzen ebenso wie der Schlafmangel auf seinem unrasierten Gesicht widerspiegelten. Er verfluchte seine Verletzung, den verdammten Rollstuhl und alles andere, was ihn veranlasste, sich in Gegenwart dieser attraktiven Frau unmännlich zu fühlen.

Es wurde höchste Zeit, die Dinge in die richtige Perspektive zu rücken. Eine alleinerziehende Mutter kam für ihn nicht infrage. Je eher er sich damit abfand, umso besser. Und deshalb verkündete er schroff: „Sie hätten nicht herkommen sollen.“

Seinetwegen bin ich den ganzen Berg runtergefahren, dachte Maxine verärgert. Und er benimmt sich, als würde ich ihn belästigen. Was für ein Idiot!

Ein umwerfender, äußerst männlicher Idiot mit sanften grünen Augen, der ihr Herz schneller schlagen ließ. Obwohl er im Rollstuhl saß, erkannte sie, dass er groß und gut gebaut war. Seine Attraktivität bedeutete allerdings noch lange nicht, dass sie sich in seiner Gegenwart wohlfühlte. Ganz im Gegenteil.

Schon im Vorwege hatte diese erste Begegnung sie verunsichert. Als er und Hunter sich mitten im Terminal so auffällig benahmen, wusste sie nicht, wie sie reagieren sollte.

Ein Passagier hatte bereits sein Handy gezückt und nahm von der vermeintlichen rührseligen Heimkehr ein Video auf, das sicherlich in kürzester Zeit im Internet auftauchen würde.

Außerdem störte sie sich an dem Machogehabe dieses Soldaten. Wer ließ sich schon mit seinem Nachnamen anreden? Ihr war zwar klar, dass es beim Militär und im Mannschaftssport üblich war. Aber doch nicht in der feinen Gesellschaft! Feine Gesellschaft? Herrje, das klingt ja wie meine Schwiegermutter! Aber ich bin nun mal nicht seine Teamkollegin oder Gruppenführerin.

Warum war sie eigentlich so genervt? Sie ärgerte sich nicht darüber, dass er in die Stadt gekommen war und sie seinetwegen zum Flughafen gefahren war. Sie störte sich auch nicht daran, dass er so breite Schultern oder so durchdringende Augen oder so kräftige Hände hatte, die ihre klein und zart wirken ließen. Okay, vielleicht wurmt mich das ein kleines bisschen.

Viel schlimmer war, dass er ihren Sohn umarmte wie ein liebevoller Vater, der aus einer Schlacht heimkehrte. Hunter ist mein Kind. Ich allein habe ihn aufgezogen, aber dieser testosterongesteuerte Fremde benimmt sich, als hätte er ihn mehr ins Herz geschlossen als ich.

„Ich wollte damit nur sagen, dass ich niemandem zur Last fallen möchte“, erklärte Cooper, während er Hunter erneut das lockige Haar zerzauste.

Warum hat er das nicht gleich gesagt, anstatt so aggressiv rüberzukommen? fragte Maxine sich nur geringfügig versöhnt.

„Das ist doch Blödsinn“, entgegnete Hunter. „Ich wollte meinen besten Freund unbedingt treffen. Ich wäre sogar mit dem Fahrrad gekommen, selbst wenn meine Mom mir Stubenarrest gegeben hätte.“

„Demnach hat deine Mom wohl alle Hände voll mit dir zu tun, Junge.“

Will er damit andeuten, dass ich nicht mit meinem eigenen Kind klarkomme? dachte sie empört. „Lass sein Gepäck in Ruhe“, verlangte sie, als Hunter zu dem Seesack griff. „Das ist viel zu schwer für dich.“

„Aber er ist ein kräftiger Junge, Mom. Der schafft das schon“, beschwichtigte Cooper.

Sie konnte es kaum fassen, dass er – ein erwachsener Mann – sie Mom nannte. Was für eine gönnerhafte Beleidigung! Und versuchte er etwa absichtlich, ihre Autorität gegenüber ihrem Sohn zu untergraben? Warum verhielt er sich so feindselig? Sie hatte ihm schließlich nichts getan.

Bevor sie ihn zurechtweisen konnte, drehte er den Rollstuhl um und rollte zum Ausgang – mit Hunter an seiner Seite.

„Hey, Leute!“ Die Absätze ihrer Stiefel klickten laut, als sie den beiden notgedrungen nachlief. „Wo soll’s denn hingehen?“

Cooper bremste den Rollstuhl ab und drehte sich zu ihr um. „Ich soll mich bis drei Uhr im Shadowview einfinden. Ich könnte einen Krankentransport anfordern, aber ich fühle mich gut genug, um ein Taxi zu nehmen.“

In ihren Augen sah er alles andere als kräftig aus. Dunkle Bartstoppeln unterstrichen seine gräulich-blasse Gesichtsfarbe, und er schien starke Schmerzen zu haben. Schon zückte sie ihr Handy, um ihm einen Krankenwagen zu rufen, doch die nächsten Worte ihres Sohnes hielten sie davon ab.

„Du brauchst kein Taxi“, sagte Hunter entschieden. „Das Auto von meiner Mom ist echt groß. Wir bringen dich ins Krankenhaus. Das liegt sowieso auf dem Weg nach Sugar Falls.“

Oh nein, flehte Maxine insgeheim. Bitte sagen Sie Nein!

Cooper musterte sie abwägend – als ob er ihre geheimsten Gedanken zu erraten versuchte. Er grinste herausfordernd und sagte zu Hunter: „Weißt du was? Das ist eine gute Idee. Ich fahre sehr gern mit.“

Sie konnte nicht fassen, dass er eine Fahrt über die kurvige Bergstraße mit ihr und der Quasselstrippe von Sohn für eine weise Entscheidung hielt. Ganz offensichtlich mochte er sie nicht, warum also wollte er sich für über eine halbe Stunde mit ihr in ein Auto quetschen? Nimmt er Hunters Angebot nur an, um mich zu ärgern?

Dieser Verdacht führte Maxine zu der Erkenntnis, dass Cooper der querköpfigste, aufmüpfigste Mann war, der ihr je begegnet war. Und dazu der attraktivste. Doch das sollte er nicht wissen. Ebenso wenig wollte sie sich anmerken lassen, wie unbehaglich er sich in ihrer Nähe fühlte. Lieber gehe ich auf sein Spiel ein und übertreffe ihn darin.

Für den Fall, dass er nach seiner Genesung in der Gegend zu bleiben gedachte – Gott bewahre! –, hielt sie es für angebracht, ihn unverzüglich in seine Schranken zu weisen und ihn spüren zu lassen, dass sie hier das Sagen hatte. Das Benehmen mochte kleinkariert und kindisch sein, doch das hatte der attraktive Sergeant sich selbst zuzuschreiben.

Sie holte ihren Schlüsselbund aus der Handtasche und ließ ihn klimpern. „Na schön! Dann ist ja alles geklärt. Ich hoffe, Sie haben nichts gegen Frauen am Steuer einzuwenden.“

2. KAPITEL

Während der gesamten Rückfahrt vom Shadowview Military Hospital plapperte Hunter ununterbrochen über seinen besten Freund.

Maxine nickte hin und wieder mit zusammengebissenen Zähnen und gab nichtssagende Laute von sich. Insgeheim betete sie, dass seine Heldenverehrung noch vor Coopers Entlassung aus dem Krankenhaus verblasste.

Selbst der Gedanke an den Sergeant beschleunigte ihren Herzschlag. Inzwischen war sie zu der Überzeugung gelangt, dass er sich nur wie ein übellauniger Macho aufführte, weil es ihm so schlecht ging. Sie versuchte, sich an die Informationen zu erinnern, die Hunter ihr im Laufe der Monate gegeben hatte, aber bei seinem ununterbrochenen Redefluss konnte sie sich nicht konzentrieren.

Sicherlich war es effektiver, die Briefe zu lesen. Schließlich war die Korrespondenz kein Geheimnis. Hunter hatte ihr die Briefe mehrfach gezeigt, doch sie hatte sie nur flüchtig gelesen und ihnen keine größere Bedeutung beigemessen.

Sie bog auf den Parkplatz hinter der Sugar Falls Cookie Company ein, die zum Glück täglich um drei Uhr schloss. Sobald Hunter wie jeden Donnerstag das Haus mit seiner Großmutter verließ, wollte sie sich in ihr Apartment über der Bäckerei zurückziehen und es sich bei einem Glas Wein gemütlich machen. Oder bei einer ganzen Flasche.

„Grandma kommt dich jeden Moment abholen. Lauf nach oben und zieh dir den neuen Sweater von ihr an.“

Hunter folgte ihr in die Backstube. „Mom, der ist mir viel zu klein und hat einen Bären mit einem Football auf dem Vorderteil. Darin kann ich nicht in der Stadt rumlaufen.“

„Manchmal müssen wir Dinge tun, die uns nicht gefallen, um andere Leute in unserem Leben glücklich zu machen.“ Zum Beispiel einen mürrischen Mariner ins Krankenhaus kutschieren, um deinem Sohn eine Freude zu machen.

„Na gut. Ich muss Grandma gleich von Coop erzählen. Sie hat gesagt, dass sie mich zu ihm ins Krankenhaus fährt. Und Tante Kylie hat ein Foto von ihm gesehen und gemeint, dass er ein heißer Typ ist. Ich wette, sie fährt mich auch hin. Er ist Single, und vielleicht können die beiden mal zusammen ausgehen, wenn es ihm besser geht.“

Obwohl Maxine es nicht auf Cooper abgesehen hatte, gefiel ihr die Vorstellung gar nicht, dass er und ihre beste Freundin, die bildhübsch war, zueinanderfinden könnten. „Ich bringe dich zu ihm. Du brauchst Grandma oder Tante Kylie nicht damit zu belästigen. Lass uns erst mal abwarten, wie die Operation verläuft, bevor du Pläne schmiedest. Außerdem musst du dich vorrangig um die Schule und andere Dinge kümmern.“

„Was für andere Dinge? Ich hab keine Freunde, und du lässt mich nicht mal Baseball spielen.“

„Du tust ja gerade so, als würde ich dir jeden Sport verbieten. Du kannst jeden Nachmittag mit mir joggen gehen oder mit Grandma Tennis spielen. Außerdem habe ich dir die Wii-Konsole gekauft. Ich halte sehr viel von Bewegung. Ich will nur nicht, dass du Mannschaftssport betreibst. Es gibt so viele andere Dinge im Leben.“

„Nicht für deinen Dad, mein Junge“, entgegnete eine zuckersüße Stimme. Cessy Walker kam zur Hintertür herein, um wie üblich ihren Senf dazuzugeben. „Dein Vater hat Football mehr als alles andere auf der Welt geliebt.“

Jedenfalls mehr als seine Frau und seinen Sohn, dachte Maxine. „Hunter, lauf nach oben und zieh dich um. Wir reden weiter, wenn du nach Hause kommst.“ So hilfreich ihre Schwiegermutter auch sein mochte, sie neigte dazu, ebenso aufdringlich und eigenwillig wie ihr Parfum zu sein. Gewiss hätte es ihr nicht gefallen, dass Hunter neben seinem verstorbenen Vater Bodrick „Bo“ Walker, dem legendären Quarterback der Sugar Falls Highschool, andere Helden verehrte.

„Diese Jeans stehen dir gut“, verkündete Cessy. „Ich besorge dir noch eine, wenn ich nächste Woche in die Stadt komme.“

„Danke, nicht nötig. Du hast mir und Hunter schon mehr als genug gekauft.“ Maxine brachte es nicht übers Herz, offen auszusprechen, dass ihr mittlerweile blühendes Keksgeschäft sicherlich mehr einbrachte als Cessys Unterhaltszahlungen und Aktiendividenden zusammen.

„Liebes, Bo hätte nicht gewollt, dass seine Frau und sein einziger Sohn in Schnäppchen aus dem Discounter herumlaufen.“

Der erste Seitenhieb. Maxine verkniff sich eine Entgegnung. Sie wusste, dass Cessy sie nicht beleidigen wollte, sondern von Natur aus etwas versnobt klang.

„Außerdem tue ich es gern für euch beide. Schließlich bin ich eure einzige Angehörige.“

Und die zweite Spitze folgt sogleich. Maxine schluckte. Warum muss sie mir ständig unter die Nase reiben, dass ich keinen ständigen Kontakt zu meiner weit verstreuten Familie habe?

Als Hunter wieder hinunterkam und am Saum des zu kurzen, verhassten Sweaters zerrte, ermahnte sie ihn: „Sei brav zu Grandma. Und schnall dich an. Kein Fernsehen oder Computerspiel, bevor du deine Hausaufgaben fertig hast.“

„Alles klar, Mom. Mach dir keinen Kopf“, wehrte er ab, doch er hielt ihr die Wange zu einem Abschiedskuss hin.

Cessy schob ihn zur Hintertür hinaus und zu ihrem nagelneuen roten Lexus. Sie schaffte sich jedes Jahr ein neues Modell an, obwohl sie nicht mehr mit dem Autohändler verheiratet war. Vermutlich gehörte es zu ihrer Scheidungsvereinbarung.

Maxine blickte dem davonfahrenden Wagen nach. Eine Welle der Einsamkeit erfasste sie. In den frühen Morgenstunden, wenn es draußen noch dunkel war und sie in ihrer warmen Backstube Teig anrührte, liebte sie das Alleinsein und die absolute Stille.

Doch sie hasste die Leere, die dieses Alleinsein nachmittags und abends in ihr auslöste, wenn eine ständige Geräuschkulisse von draußen ihr in Erinnerung rief, dass überall Familien zusammenkamen und die Höhen und Tiefen des Tages miteinander teilten.

Seufzend ging sie in ihr Schlafzimmer und schlüpfte in ihre Trainingssachen, um sich wie jeden Donnerstag mit ihren Freundinnen Kylie und Mia zum Yoga zu treffen und anschließend bei ihrem Lieblingsitaliener zu essen. Sie hatte sich einen fabelhaften alternativen Clan zugelegt, auch wenn sie nicht im trauten Schoß einer Familie lebte, wie sie es sich immer gewünscht hatte.

Ein Blick zur Uhr verriet ihr, dass ihr noch ein wenig Zeit blieb. Sie betrat Hunters Zimmer. Während sie als eines von sieben Geschwistern in den beengten Behausungen auf Stützpunkten aufgewachsen war, hatte sie sich geschworen, ihren eigenen Kindern mehr Privatsphäre einzuräumen.

Andererseits hielt sie es für ihre mütterliche Pflicht, sich zu informieren, mit wem ihr Sohn Umgang pflegte. Außerdem wollte er diese Angelegenheit gar nicht für sich behalten. Im Gegenteil. Am liebsten hätte er von den viktorianischen Dächern am Snowflake Boulevard geschrien, dass er den coolsten Brieffreund aller Zeiten hatte.

An der Pinnwand hing ein Foto von Cooper, das sie bisher kaum eines Blickes gewürdigt hatte. In Tarnkleidung und Sturmhaube sah er wie ein x-beliebiger Mariner aus.

Auf dem Schreibtisch lag ein Stapel Umschläge. Nach den Datumsstempeln der Feldpost suchte sie den ersten Brief heraus. Er enthielt ein Foto von Cooper in Wüstenuniform und mit kurz geschorenen, dunklen Haaren. Sie hatte in ihrem Leben schon mehr als genug Militäruniformen gesehen. Normalerweise waren Soldaten für sie alle gleich. Doch dieser Mann wirkte anders. Vielleicht lag es daran, dass sie sein attraktives Gesicht mittlerweile in natura kannte.

Er hielt einen Arm um den Hals eines zotteligen rotbraunen Hundes gelegt. Seine Miene kündete von einer anrührenden Einsamkeit; seine Augen blickten traurig.

Unwillkürlich strich Maxine mit einem Finger über das markante Kinn, als könnte sie ihm dadurch ein Lächeln entlocken, bevor sie den Brief zu lesen begann.

28. September

Lieber Hunter,

ich bin Sergeant im Marine Corps und arbeite bei der Militärpolizei. Ich fliege keinen Jet und fahre keinen Panzer, aber ich habe einen eigenen Geländewagen und verhafte Terroristen und Soldaten, die gegen das Gesetz verstoßen.

Ich lege dir ein Foto von mir mit Helix bei. Ich habe ihn von der Straße aufgelesen und versuche, ihn zum Diensthund auszubilden, aber er will immer nur Notrationen fressen und sich unter meiner Koje zum Schlafen verstecken.

Ich bin beeindruckt, wie gut du über Militärfahrzeuge informiert bist. Weiß deine Mom, dass du das alles recherchierst? Ich glaube auch nicht, dass der Cousin deines Freundes ein richtiger Kampfpilot ist. Bei der Küstenwache sind solche Jets nicht im Einsatz. Außerdem dauert es sehr lange, um Pilot zu werden, und achtzehn ist dafür ein bisschen zu jung. Manchmal übertreiben Kids, um vor den anderen anzugeben.

Mal sehen, was du mich sonst noch gefragt hast. Ich bin ein Mann. Ich mag Baseball. Mein Lieblingsteam sind die Detroit Tigers, aber im Gegensatz zu dir kann ich die Statistiken nicht auswendig. Boxen mag ich eigentlich nicht. Ich habe schon so viele Kämpfe erlebt, dass ich es mir nicht so zum Spaß ansehen will.

Ich kann mir denken, dass es echt cool ist, eine Mom zu haben, die so viele Kekse backt. Trotzdem hoffe ich, dass du auch gesunde Nahrung zu dir nimmst. Und selbst wenn deine Mom dich nicht Baseball spielen lässt, solltest du dich trotzdem in irgendeiner Form bewegen. Wir bei der Navy müssen uns jeden Tag fit halten. Das nennt man Konditionstraining.

Mach’s gut

Cooper

Maxine las noch ein paar Briefe, bevor sie eine Pause einlegte und sich ein Glas Wein aus der Küche holte. Die Lektüre vermittelte ihr etwas mehr Verständnis für den Mann, der sich der Ausbildung eines Hundes widmete und einem vaterlosen Jungen regelmäßig schrieb.

Im November hatte sie Hunter erlaubt, sich per E-Mail mit seinem Brieffreund auszutauschen. Nun klickte sie in seinem Laptop die Anhänge an, die Fotos von Cooper enthielten. Auf einem Bild hielt er lachend eine folienverpackte Einmannration über den Kopf, während sein Hund in hohem Luftsprung danach schnappte.

Aus den Texten reimte Maxine sich zusammen, dass Cooper den Hund kürzlich bei einem Bombenanschlag verloren hatte. Armer Kerl.

Als Nächstes betrachtete sie einen Schnappschuss, auf dem Cooper ausnahmsweise in Shorts und ohne Sonnenbrille zu sehen war. Sie musste zugeben, dass er auf eine markante Art anziehend war. Selbst am Flughafen mit Jetlag, Bartstoppeln und starken Schmerzen hatte er attraktiv gewirkt.

In Uniform sah er noch besser aus. Allerdings hatte sie sich nie zu solchen Typen hingezogen gefühlt, weil sie all das verkörperten, dem sie in ihrer Kindheit am liebsten entflohen wäre.

Doch er wirkte irgendwie anders. Trotz seines vorschriftsmäßigen Haarschnitts schien er nicht in die militärische Schiene zu passen. Und Kylie hatte recht – er war wirklich ein heißer Typ. Seine gebräunten Beine waren muskulös, und das hochgerutschte T-Shirt enthüllte etwas von seinem Waschbrettbauch.

Vielleicht war es nur der Wein, der Maxine wärmte, jedenfalls pulsierte es in ihrem Unterkörper. Sie hatte dort seit langer Zeit keine Regung verspürt und fühlte sich nicht wohl dabei. Vielleicht weil es ein Wildfremder war, der diese Empfindung auslöste. Oder weil sie im Zimmer ihres Sohnes saß, umgeben von Angry-Birds-Postern und Lego-Baukästen.

Eine SMS von Kylie traf ein. Sie schaffte es zeitlich nicht zur Yogastunde, und Mia hatte zu starke Schmerzen im Knie.

Maxine trank noch einen Schluck Wein. Ihr blieben zwei Möglichkeiten. Entweder den Abend an Hunters Computer verbringen und sich Fotos von Cooper anschauen oder sich mit ihren Freundinnen bei Patrelli’s zu Pizza und mehr Wein treffen.

Kurz entschlossen zog sie sich wieder um und rannte förmlich aus dem Haus, um ihren aufgewühlten Gefühlen so schnell und weit wie möglich zu entkommen.

25. Januar

Hallo Hunter,

die Oberschenkeloperation ist gut verlaufen. Dr. McCormick ist angeblich der beste orthopädische Chirurg in der Navy. Er geht davon aus, dass ich schnell genesen werde und die Knie-OP genauso gut klappen wird.

Wie man mit Skype umgeht, muss ich mir erst zeigen lassen. Außerdem sollst du deine Mom um Erlaubnis fragen, bevor wir uns am Computer miteinander unterhalten.

Da wir gerade von deiner Mom reden: Danke ihr bitte für die Kekse, die sie mir geschickt hat. Ich habe sie mit den Jungs auf meinem Korridor geteilt und mich dadurch bei allen sehr beliebt gemacht.

Danke auch für die Liste mit den Polizeiwachen, die Mitarbeiter suchen. Allerdings weiß ich noch nicht, ob ich Zivilpolizist werden will. Und ganz bestimmt werde ich Idaho nicht lieben ‚wie ein Trinker einen Martini‘. Weiß dieser Jake Marconi überhaupt, was ein Martini ist? Wie auch immer, ich gebe dir Bescheid, wenn ich Besuch bekommen darf.

Cooper überflog noch einmal die E-Mail, die er gerade verfasst hatte. Offen zuzugeben, dass er nicht auf Dauer in Idaho zu bleiben beabsichtigte, brachte er nicht übers Herz. Es war schlimm genug, dass er vorläufig nicht besucht werden wollte – weil er einfach nicht wusste, wie er mit Maxine Walker umgehen sollte.

Im Flughafen hatte sie ihn dazu gebracht, sich von seiner schlechtesten Seite zu zeigen. Zu allem Überfluss hatte sie ihn dann aus dem Rollstuhl in ihr Auto heben müssen. Dabei war ihm aufgefallen, dass sie so unglaublich gut roch, wie sie aussah. Während der Fahrt zum Hospital hatte sie total verkrampft gewirkt und eine sehr angespannte Atmosphäre hervorgerufen.

Er freute sich nicht darauf, ihr distanziertes steifes Verhalten erneut zu ertragen, und gleichzeitig konnte er es nicht erwarten, sie wiederzusehen. Sie zu riechen. Ihre Hände auf seinem Körper zu spüren – selbst wenn er sie dafür bitten musste, ihm aus dem verdammten Bett und zur Toilette zu helfen.

Ein Skype-Anruf ging auf dem Laptop ein. Ein grobkörniges Bild von Dr. Gregson erschien auf dem Monitor. „Wie ist die OP verlaufen?“

„Die Ärzte haben mir prophezeit, dass mein Bein nie wieder hundertprozentig heilen wird“, antwortete Cooper düster und ließ einen derben Fluch folgen.

„Tut mir leid, das zu hören. Ich weiß, dass die Truppe Ihr Leben war, aber achten Sie trotzdem auf Ihre Ausdrucksweise.“

„Müssen Sie immer so ein heiliger Weltverbesserer sein?“

„Müssen Sie ständig so mürrisch sein? Ich dachte, die Nähe zu Ihrem Brieffreund würde Sie aufmuntern.“

„Im Gegenteil! Ich bin immer noch stinksauer auf Sie. Ich habe Ihnen gesagt, dass ich nicht Brieffreund spielen will. Aber Sie hatten ja nichts Besseres zu tun, als sich an meinen Vorgesetzten zu wenden und mir die Teilnahme befehlen zu lassen. Jetzt denkt wahrscheinlich jeder in meiner Einheit, dass ich an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide und moralische Unterstützung brauche.“

Dr. Gregson lauschte dem hitzigen Ausbruch mit einem höflichen Lächeln, ohne eine Miene zu verziehen. „Sie haben mich gezwungen, mich an Colonel Filden zu wenden, weil Sie nicht freiwillig teilnehmen wollten. Wieso sind Sie immer noch sauer deswegen? Sie hatten doch in Ihrer dienstfreien Zeit nichts Besseres zu tun. Sie haben keine Freunde in der Truppe und sind nirgendwohin gegangen – außer in die Kantine und den Fitnessraum.“

„Es hätte aber meine Entscheidung sein müssen“, beharrte Cooper, obwohl er einsah, dass der Briefwechsel mit dem Jungen in der schweren Zeit nach der Explosion genau die richtige Medizin gewesen war.

Andererseits hatte dieser Kontakt dazu geführt, dass er Maxine begegnet war, nun von verdammt erotischen Träumen gequält wurde und nicht wusste, wohin mit seinen Emotionen. Es machte ihn wahnsinnig, untätig im Krankenhaus liegen zu müssen. Natürlich sagte ihm der Verstand, dass diese Situation nicht Dr. Gregsons Schuld war. Doch die Tatsache blieb bestehen, dass sein Bein schmerzte, sein Stolz verletzt war und er auf irgendjemanden sauer sein wollte.

„Wie lange wird denn die Genesung nach der Knieoperation dauern?“

„Ein paar Wochen muss ich im Krankenhaus bleiben und danach regelmäßig zu einer Physiotherapie herkommen. Die wird noch mal mehrere Wochen dauern.“

„Wo werden Sie unterkommen?“

„Wahrscheinlich in einem Motel. Oder ich miete mir ein möbliertes Apartment. Das wird sich zu gegebener Zeit zeigen.“

„Meine Familie besitzt übrigens eine Blockhütte in den Bergen bei Sugar Falls, die Sie benutzen könnten“, bot Dr. Gregson an.

„Was sollte es mir bringen, mich in Ihrer Ferienidylle zu verkriechen?“

„Da hätten Sie es gemütlicher als in einem schäbigen Motel. Sie könnten in aller Ruhe Ihr Bein ausheilen lassen und sich überlegen, was Sie anfangen, falls Sie nicht wieder verpflichtet werden. Wieso schrecken Sie vor Sugar Falls zurück?“

Cooper sträubte sich gegen die Unterstellung, dass er Angst haben könnte. Er hatte zwei Orden für besondere Tapferkeit vor dem Feind erhalten, die das Gegenteil bewiesen. In Sugar Falls abzusteigen hieße jedoch, Maxine regelmäßig zu begegnen. Sein scharfer Verstand sagte ihm, dass es keineswegs tapfer, sondern dumm war, sich auf feindlichem Gebiet zu verkriechen. „Ersparen Sie mir den psychologischen Unsinn. Der zieht bei mir nicht.“

„Wir kennen beide den wahren Grund, warum Sie sich nicht mit dem Jungen abgeben wollen. Sie trauen sich nicht, jemanden so nahe an sich heranzulassen. Es könnte einen Riss in der harten Schale um Ihr Herz verursachen.“

Cooper biss die Zähne zusammen angesichts dieser unliebsamen Analyse, zumal er nicht einmal Dr. Gregsons Patient war und die einzige Gemeinsamkeit zwischen ihnen in einer Vorliebe für die nächtliche Benutzung des Kraftraums bestand. „Ich muss Schluss machen“, sagte er schroff, als ein Klopfen ertönte und eine weibliche Stimme Hallo rief. Er klappte den Laptop zu und setzte sich auf.

Im nächsten Moment tauchte Maxine Walkers bildhübsches Gesicht in der offenen Tür auf. Mit ihren großen blauen Augen schaute sie ihn unsicher an. „Stören wir?“

Er verfluchte das kurze Krankenhaushemd und stieß beinahe den Tabletttisch um in seiner Hast, seine nackten Beine zu bedecken. „Nein. Ich skype nur gerade mit meinem Kumpel und …“ Er unterbrach sich, als sie skeptisch zu dem geschlossenen Laptop blickte. „Was wollen Sie hier?“

Ihm wurde bewusst, dass er auf den schroffen vorwurfsvollen Ton zurückgriff, den er in unangenehmen Situationen einzusetzen pflegte. Um nicht wie der undankbarste Schuft der Welt zu wirken, zwang er sich zu lächeln, als er eine hässliche, mickrige Grünpflanze in ihrer Hand sah.

„Hunter hat gesagt, dass Sie Besuch empfangen dürfen. Ich habe ihn hergefahren und …“ Sie blickte über die Schulter. „Vor einer Sekunde war er noch bei mir. Ich sollte ihn suchen.“ Sie wandte sich zum Gehen.

„Warten Sie! Das wird nicht nötig sein. Er ist bestimmt nicht weit und kommt jeden Moment.“ Cooper deutete zum Blumentopf. „Ist der für mich?“

„Ach, das ist nur eine Kleinigkeit, um Ihr Zimmer ein bisschen fröhlicher zu gestalten.“ Sie durchquerte den Raum und stellte die welkende Pflanze auf das Fensterbrett, wobei mehrere zusammengerollte Blätter abfielen.

Obwohl das Gewächs in einem erbärmlichen Zustand war, dankte er ihr dafür.

Da ihre Hände nun leer waren, nahm sie wieder die Pose vom Flughafen ein – mit abwehrend vor der Taille verschränkten Armen. „Die Operation ist also gut verlaufen?“

„Es sieht ganz danach aus.“

„Hey!“ Hunter stürmte herein. „Den Gang runter ist ein Mann mit total coolen Roboterbeinen. Die sind aus Titan und sehen wie Sprungfedern aus, und er muss damit Hampelmann und Kniebeugen und so was machen. Er sieht wie ein Bioniker aus. Vielleicht kriegst du auch solche Beine, Coop.“

So aufregend es aus dem Kindermund auch klingen mochte, Cooper schätzte sich sehr glücklich, noch im Besitz seiner eigenen Gliedmaßen zu sein. „Hoffentlich nicht, Kleiner. Irgendwie hänge ich an diesen Beinen hier.“ Er klopfte auf die Bettdecke.

„Kann ich die mal sehen?“

„Hunter, lass es gut sein!“, tadelte Maxine. „Er braucht bestimmt Ruhe.“

Dass sich ihre Wangen vor Verlegenheit röteten, gefiel Cooper gut. Es ließ sie warmherziger wirken. „Schon gut“, beschwichtigte er und schlug die Bettdecke zurück.

„Das Bein ist ja rasiert! Wie bei einem Mädchen.“ Hunter verzog angewidert das Gesicht. „Davon hat Dr. McCormick mir gar nichts erzählt.“

„Wann hast du denn mit meinem Arzt gesprochen?“

„Als ich ihn gestern angerufen und gefragt habe, wie die OP verlaufen ist und wann wir dich besuchen dürfen. Er hat gesagt, dass es heute geht. Deshalb hat Mom mich hergefahren.“

Maxine zog die Schultern hoch und schüttelte den Kopf. Sie hatte keine Ahnung, wie ihr zehnjähriger Sohn es fertigbrachte, sich zu einem viel beschäftigten Chirurgen durchstellen zu lassen und vertrauliche Patienteninformationen zu beschaffen.

Cooper hingegen wunderte sich kein bisschen. Vermutlich hatte das Kind sogar in Erfahrung gebracht, was es zu essen gab, wie oft der Infusionsbeutel gewechselt wurde und wann die nächste Waschung auf dem Programm stand. Er blickte zu Maxine, die nun die Arme in die Hüften stemmte, sodass ihre Brüste unter dem weißen Baumwolltop voll zur Geltung kamen. Wie schön wäre es, wenn sie mir bei meinem nächsten Bad helfen würde …

„Ich hab dir meine ganze Serie Herr der Ringe auf DVD mitgebracht“, verkündete Hunter und brachte Cooper damit zurück in die Wirklichkeit. „Und meine Mom hat dir die Pflanze besorgt. Die hat zuerst im Geschäft viel besser ausgesehen. Grandma sagt, dass Mom einen schwarzen Daumen hat und alles umbringt, was sie anfasst.“

„Es ist der Gedanke, der zählt“, erwiderte Cooper, um ausnahmsweise etwas Positives von sich zu geben.

„Jetzt klingst du wie meine Mom, wenn ich die blöden Klamotten anziehen muss, die Grandma für mich aussucht.“

Das weiße Telefon auf dem Nachttisch klingelte. Hunter schnappte sich den Hörer. „Sergeant Matthew Coopers Zimmer.“

„Tut mir leid“, flüsterte Maxine. „Ich dachte, Sie hätten ihm gesagt, dass wir Sie besuchen dürfen. Ich wusste nicht, dass er Ihren Arzt angerufen hat.“

„Schon gut“, murmelte Cooper und stellte überrascht fest, wie sehr sich seine Laune durch das Wiedersehen mit den beiden besserte.

„Ja, er ist hier“, sagte Hunter ins Telefon. „Aber er hat immer noch die alten langweiligen Menschenbeine. Moment, Colonel Filden.“

Cooper übernahm den Hörer, bedeckte die Sprechmuschel und sagte zu seinen Gästen: „Danke für den Besuch.“

„Ich komme bald wieder“, versprach Hunter, während Maxine ihn aus dem Zimmer bugsierte.

Cooper wollte nicht unhöflich wirken, aber dieser Anruf entschied womöglich über seine gesamte Zukunft. Und er wollte so schnell wie möglich aus dieser Gegend verschwinden, wie liebenswert der Junge auch sein mochte – oder wie hübsch dessen Mom. „Guten Tag, Sir“, wünschte er.

Ohne Umschweife verkündete Colonel Filden: „Ich habe mein Bestes gegeben, um Ihre Wiedereinberufung durchzusetzen, aber es sieht nicht gut aus. Wenn es an mir läge, wären Sie nach Ihrem letzten Einsatz befördert worden. Ihre Akte spricht für sich. Sie sind ein phänomenaler Mariner. Ein Gewinn für das Marine Corps. Ihre Männer respektieren Sie und sehen zu Ihnen auf. Aber heutzutage werden nicht mehr so viele Soldaten gebraucht. Zählt man Ihre Verwundung dazu, kann man sich denken, dass die Rechnung nicht aufgeht. Es ist noch nicht offiziell, aber ich wollte Sie vorab informieren, damit Sie sich Gedanken über mögliche Alternativen machen können.“

Am liebsten hätte Cooper das Telefon durch den Raum geschleudert. Doch so verhasst ihm die Wahrheit auch war, zog er es vor, dass die Situation nicht beschönigt wurde. „Ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen, Sir.“

„Sie sind wie geschaffen für Polizeiarbeit, und derzeit suchen zahlreiche Departments in den Staaten fähige Leute wie Sie. Ich denke, es ist keine schlechte Idee, mal die Fühler auszustrecken und zu sehen, ob sich in Ihrer Heimatstadt etwas bietet.“

„Jawohl, Sir“, erwiderte Cooper, obwohl er nie wieder einen Fuß in seine alte Wohngegend setzen wollte. Die traurige Wahrheit war, dass er weder ein Zuhause noch jemanden hatte, mit dem er über seine Optionen sprechen konnte.

„Als Mariner ist man immer für alles offen, stimmt’s?“

„Richtig, Sir. Allzeit bereit.“

Cooper wunderte sich selbst, wie sanft er den Hörer auflegte, obwohl er noch nie so heftig mit seinem Schicksal gehadert hatte.

Das war’s also. In einem Moment war er mit seinem Hund Helix über das Gelände des Stützpunktes gejoggt, und im nächsten war seine sechzehnjährige Karriere beim Marine Corps durch ein Bombenattentat zerplatzt wie eine Seifenblase.

3. KAPITEL

1. März

Hallo Coop,

ich wusste gar nicht, dass Miss Gregson eine Hütte hier in Sugar Falls hat. Es ist echt cool, dass du darin wohnen darfst, wenn du aus dem Krankenhaus kommst. Trotzdem finde ich, dass du zu mir und meiner Mom ziehen solltest, damit wir uns um dich kümmern können. Aber wenigstens bist du so dicht bei uns, dass wir uns jeden Tag sehen können.

Ich kann ja verstehen, dass du sauer bist, weil du aus der Navy entlassen wirst, aber in Idaho gibt es echt tolle Stellenangebote für Cops. Hast du die Liste schon mal gecheckt, die ich dir ausgedruckt habe?

Jedenfalls holen ich und meine Mom dich am Sonntag ab und bringen dich zu der Hütte. Oder zu unserem Haus, wenn du schlau bist und es dir anders überlegst.

Bis bald.

Hunter

Nein, nein, nein! Maxine stöhnte verzweifelt. Was hast du denn jetzt wieder angestellt?

Sie hatte nur die Schmutzwäsche aus Hunters Zimmer holen wollen und auf dem Monitor seines aufgeklappten Laptops die E-Mail vorgefunden, die er an diesem Nachmittag verschickt hatte. Nun drohte sich die perfekte Kleinstadtidylle, die sie für sich und ihren Sohn erschaffen hatte, dramatisch zu verändern.

Seit Jahren bekam sie immer wieder zu hören, dass er ein männliches Vorbild brauchte. Grundsätzlich teilte sie diese Meinung, doch sie allein wollte darüber entscheiden, wer diesen Einfluss auf ihn ausübte.

Was soll ich bloß tun? Sie brauchte dringend einen Rat. Aber von wem? Mia kannte sich zwar gut mit Kindern aus, gab jedoch an diesem Abend einen Tanzkursus. Bei Kylie schaltete sich die Mailbox ein. Vermutlich hatte sie wieder einmal ein Date.

Zu dumm, dass ich meine Sorge nicht mit seinem Vater teilen kann, dachte Maxine niedergeschlagen. Das war das eigentliche Problem. Sosehr sie sich auch bemühte, Hunter Mutter und Vater zugleich zu sein, gelang es ihr offensichtlich nicht. In seinem Leben schien etwas zu fehlen, das er bei einem x-beliebigen Soldaten zu finden hoffte.

Seit dem Tag, an dem Cooper sie weggescheucht hatte, um den Anruf anzunehmen, setzte sie keinen Fuß mehr in sein Krankenzimmer. Wenn sie Hunter zu ihm fuhr – jede Woche seit über einem Monat – wartete sie in der Lobby.

Gerade als sie die E-Mail noch einmal las, poppte auf dem Monitor eine Mitteilung über einen Skype-Anruf von Cooper auf.

Spontan klickte Maxine das Fenster an, um die leidige Angelegenheit zu klären, bevor Sergeant Heartbeat sich in ihrem Alltagsleben einnistete. Das grobkörnige Bild zeigte ihn mit traurigem Blick auf dem weißen Kopfkissen liegend.

„Hey, Junge.“ Abrupt richtete er sich auf. „Oh, hallo.“

„Hallo. Hunter ist im Kino. Ich … räume gerade in seinem Zimmer auf.“ Die Ausrede wirkte ebenso dürftig wie ihre Erscheinung. In dem kleinen Fenster auf dem Monitor erkannte sie sich kaum wieder. Sehe ich wirklich so furchtbar aus?

Cooper dagegen sah wundervoll aus – durch und durch männlich und umwerfend, sogar in einem Krankenhausbett. Da fehlt es mir gerade noch, ihn gesund und munter in der Stadt herumlaufen zu sehen!

„Sie werden also bald entlassen?“, fragte sie, sobald ihr klar wurde, dass er nicht in der Stimmung war, ein Gespräch mit ihr anzufangen.

„Stimmt. Ich wollte eigentlich bleiben, bis ich in den Ruhestand gehen kann, aber …“ Er schwankte, stieß einen Fluch aus und erklärte dann verlegen: „Entschuldigung. Sie brauchen nicht zu befürchten, dass ich vor Ihrem Sohn fluche. Sie auf meinem Bildschirm zu sehen hat mich nur … überrumpelt.“

Das war die perfekte Gelegenheit, ihm mitzuteilen, dass sie sich von seinem geplanten Besuch in Sugar Falls überrumpelt fühlte. Doch ausgerechnet in diesem Moment rief Hunter hinter ihr: „Oh, cool, du redest mit Coop!“

Maxine zuckte zusammen. Sie hatte seine Schritte überhört, weil sie fasziniert Coopers Bartstoppeln betrachtet und sich dabei vorgestellt hatte, wie es sich anfühlen mochte, wenn er …

Hunter beugte sich über sie, um in den Blickwinkel der Webcam zu geraten. „Hey, Coop, kommst du nach Sugar Falls?“

„Hey, Kleiner.“ Coopers Blick wurde sanft, ebenso wie seine Stimme. „Darüber wollte ich gerade mit deiner Mom reden.“

Bevor es dazu kommen konnte, steckte Cessy ihren perfekt frisierten Kopf zur Tür herein.

Hastig sprang Maxine auf und bugsierte sie zum Hinterausgang, ohne zu wissen, warum sie einen Kontakt zwischen ihrer Schwiegermutter und Hunters Brieffreund unterbinden wollte. Schließlich habe ich nichts zu verbergen. Ich betrüge Bo nicht. Er ist tot, und Cooper interessiert mich überhaupt nicht. Ich heirate nie wieder. Der Zug ist abgefahren.

Trotzdem brauchte Cessy nicht unbedingt zu erfahren, dass ihr Enkel gerade online Heldenverehrung betrieb und ihre Schwiegertochter errötete wie ein Schulmädchen, das zum ersten Mal verknallt war.

Maxine musste dem Mariner dringend klarmachen, dass er unter gar keinen Umständen zu Besuch kommen durfte. Also umarmte sie Cessy hastig zum Abschied und schob sie zur Tür hinaus. Doch bevor sie in Hunters Zimmer zurückkehren konnte, klingelte ihr Handy. Es war Kylie. „Na, ist dein Date schon vorbei?“

„Nein. Ich habe mich aufs Klo verdrückt und überlege gerade, ob ich durchs Fenster passe.“

„Wieso denn das?“

„Er ist Steueranwalt und hält schon den ganzen Abend einen stinklangweiligen Monolog über internationales Steuerrecht. Sogar mit vollem Mund! Stell dir bloß mal vor …“

„Kannst du mir das morgen erzählen?“, unterbrach Maxine. „Ich brauche dringend deinen Rat. Hunter will Cooper überreden, nach der Entlassung aus dem Krankenhaus nach Sugar Falls zu kommen.“

„Du meinst Sergeant Heartbeat?“

„Nenn ihn nicht so!“

„Du hast ihn doch selbst so getauft. Wird er bei dir wohnen? Ich habe da nämlich so ein aufreizendes Krankenschwesterkostüm. Das könnte ich dir leihen, damit du ihn auf dem Weg der Genesung unterstützen kannst.“

„Kylie! Selbst wenn ich wollte – was nicht der Fall ist –, kann ich es nicht mit irgendeinem hergelaufenen Mariner treiben. Schließlich habe ich einen Sohn.“

„Aber der Typ scheint echt cool zu sein. Hunter hält große Stücke auf ihn und braucht dringend Umgang mit einem Mann, so ungern ich dir das auch unter die Nase reibe. Besser ein Militärpolizist als ein kleinkrimineller Junkie.“

„Wo sollte er denn in Sugar Falls so jemanden kennenlernen?“

„Gute Frage. Diese Stadt kann ja so langweilig sein!“

„Bitte bleib bei der Sache! Hunter hat ihn hierher eingeladen.“

„Ja und? Er hat Jorge de la Rosa von den Colorado Rockies auch zu seinem Vortrag über Baseball in seine Klasse eingeladen. De la Rosa ist nicht gekommen, und dieser Mann wird ebenso wenig auftauchen.“

„Wenn du dich da mal nicht irrst.“

„Meinst du wirklich?“

„Ich weiß es nicht. Deswegen muss ich ja mit dir reden.“ Maxine berichtete in kurzen Zügen von Hunters E-Mail und dem Gespräch per Skype.

„Hunter wäre bestimmt begeistert, seinen Brieffreund oft zu sehen.“

„Nun, da ist er der Einzige.“

„Nur weil er dir gegen den Strich geht, muss er deinem Sohn nicht unbedingt schaden.“

„Ich soll ihm also nicht sagen, dass ich es für eine schlechte Idee halte?“

„Ist es das denn? Der Typ scheint doch ganz in Ordnung zu sein. Hunter betet ihn an und wäre am Boden zerstört, wenn du die Freundschaft zwischen den beiden unterbindest.“

„Mag sein. Aber was ist, wenn Cooper die Erwartungen nicht erfüllt? Hunter fühlt sich schon von seinem Vater im Stich gelassen. Noch so eine Enttäuschung kann ich ihm nicht zumuten.“

„Vielleicht will der Typ ja gar nicht nach Sugar Falls kommen. Sprich mit ihm. Lern ihn besser kennen. Dann siehst du die ganze Sache bestimmt gelassener.“ Kylie stöhnte theatralisch. „Ich muss auflegen. Der Staranwalt kommt.“

Nachdenklich kehrte Maxine ins Kinderzimmer zurück. Hunter lag auf dem Bett und las in einem Buch. Der Chat war vorüber.

Umso besser. Sie atmete erleichtert auf. Für diesen Abend hatte sie sich genügend Sorgen wegen des attraktiven Mariners gemacht. Das Beste war, die ganze Sache erst einmal zu überschlafen. Probleme konnte sie ohnehin am besten frühmorgens bewältigen, wenn sie allein in der Backstube war.

Wenn sie Glück hatte, ließ Cooper sich nicht breitschlagen, nach Sugar Falls zu kommen. Was hatte die idyllische Kleinstadt einem Mann wie ihm auch schon zu bieten? Eigentlich nichts.

Und doch humpelte er zwei Tage später zu ihrem Auto, bewaffnet mit den Entlassungspapieren vom Hospital und der hässlichen Topfpflanze, die sich zu erholen begann.

„Du brauchst nicht mal einen Mietwagen“, teilte Hunter ihm mit, „weil du dir das Auto von meiner Mom ausleihen kannst, wenn du irgendwohin musst.“

„Honey, lass ihn seinen Aufenthalt selbst planen“, mahnte Maxine, während sie in ihren SUV stiegen. Sie hoffte, dass es sich um einen sehr, sehr kurzen Aufenthalt handelte. „Wenn er sich einen Leihwagen nehmen will, sollte er es tun. Ich brauche mein Auto nämlich selbst, und wir wollen doch nicht, dass er irgendwo ohne Transportmittel festsitzt.“ Sie wollte überhaupt nicht, dass er in ihrer Stadt bei ihrem Sohn, ihren Freunden und ihren Nachbarn festsaß. Niemand braucht diesen Macho für längere Zeit um sich.

Ursprünglich hatte sie sich sogar geweigert, ihn vom Krankenhaus abzuholen, woraufhin Hunter gedroht hatte, Cessy oder Kylie darum zu bitten. Sie wollte weder, dass ihre Schwiegermutter sich in die Angelegenheit einmischte, noch dass Kylie mit dem Mann flirtete, den sie Sergeant Heartbeat nannte. Weil seine Nähe ihr Herz heftig klopfen ließ, ob es ihr gefiel oder nicht.

„Ich steige in Dr. Gregsons Blockhütte am Snowflake Boulevard ab“, verkündete er. „Zum Haus gehört ein alter Jeep, den ich benutzen kann, solange ich in der Gegend bin. Also besteht kein Grund, sich meinetwegen Gedanken zu machen.“

Als er Hunter anlächelte, wurde Maxine warm ums Herz. Allerdings nur für eine Sekunde. Jeep hin oder her, sie wollte nicht, dass der Mann sich allzu wohl in Sugar Falls fühlte.

Die Fahrt in die Berge erwies sich als Qual für Cooper. Nicht nur, weil Maxine aufreizend langsam fuhr, sondern weil sie nach Vanille und anderen Düften roch, nach denen er sich in seiner Kindheit gesehnt hatte. Doch damit endete auch schon jedes Gefühl von Heim und Herd.

Warum verhielt sie sich ihm gegenüber so kalt? Nicht, dass er sich einen Flirt von ihr erhoffte, aber ein bisschen Small Talk hätte wohl nichts geschadet. Stattdessen schwieg sie verbissen und umklammerte das Lenkrad. Wieso war ihr seine Gegenwart derart lästig?

Beinahe hätte er es abgelehnt, sich von ihr in die Blockhütte fahren zu lassen. Andererseits wollte ein kleiner Teil von ihm in ihrer Nähe sein, selbst wenn es bedeutete, ihr distanziertes Verhalten zu ertragen.

Zum Glück redete Hunter nonstop während der halbstündigen Fahrt und linderte somit die Spannung zwischen den Erwachsenen.

Als sie Sugar Falls erreichten, fiel Cooper ein Straßenschild auf, das Besucher willkommen hieß und für Skifahren, Kajakfahren und die Sugar Falls Cookie Company warb. Wow! Die Cookie-Queen muss ein hohes Tier in der Stadt sein, wenn ihr Geschäft einen Ehrenplatz auf der Reklametafel am Ortseingang hat.

Sobald sie sich innerhalb des Stadtgebiets bewegten, plapperte Hunter noch schneller als zuvor drauflos. „Da ist meine Schule, und da sind die Feuerwehr und das Postamt. Siehst du das gelbe Haus da drüben? Das ist der Cookie-Shop von meiner Mom. Wir wohnen im ersten Stock. Mein Zimmer ist das zweite Fenster.“

Cooper nickte nur und wunderte sich, als Maxine beschleunigte und eine Kreuzung bei Gelb überfuhr. Sie schien es eilig zu haben, ihn durch ihre vertraute Umgebung zu schleusen, die höchstwahrscheinlich ihre Komfortzone darstellte.

„Da ist Patrelli’s, mein Lieblingsitaliener“, fuhr Hunter fort. „Und da drüben die Eisdiele. Lebensmittel kaufen wir hier im Duncan’s Market ein … Hey, Mom, das war Mr. Jonesy. Dem hast du gerade die Vorfahrt genommen. Fahr langsamer. Sonst kann Cooper ja gar nichts sehen.“

Die Cookie-Queen atmete mehrmals tief durch und hob den Cowboystiefel vom Gaspedal. Ihr Rocksaum war ein wenig hochgerutscht und enthüllte prachtvolle, gebräunte Beine.

Mehr nackte Haut werde ich von ihr wohl nie zu sehen kriegen, dachte Cooper bedauernd. Sie konnte es offensichtlich nicht erwarten, ihn loszuwerden. Nun, auch ihm war daran gelegen, so schnell wie möglich aus dem Auto zu kommen.

Inzwischen spürte sogar Hunter die Spannung zwischen den Erwachsenen und verstummte.

Cooper nutzte die Gelegenheit, sich die Umgebung anzusehen. Er dachte an Dr. Gregson, der via Skype in Kindheitserinnerungen an Sugar Falls geschwelgt, von Streifzügen durch die Berge und Angelpartien geschwärmt und empfohlen hatte, sich in der Gegend zu erholen.

Muss eine schöne Kindheit gewesen sein … Sugar Falls war nicht so abgelegen wie erwartet und besaß eindeutig mehr Charakter als viele andere Orte, an denen Cooper sich bisher aufgehalten hatte. Kein viktorianisches Gebäude glich dem anderen, wodurch eine fröhliche Vielfalt an Farbe und Form inmitten der schroffen Wildnis ringsumher entstand.

Doch sosehr er, der heimatlose Ex-Mariner, auch Gefallen an dem geruhsamen Städtchen fand, er war fest entschlossen, baldmöglichst aus der Gegend zu verschwinden. Überhaupt stieg er nur in Sugar Falls ab, weil er selbst es so wollte. Nicht etwa, weil ein kleiner Junge mit ihm abhängen wollte. Nicht, weil ein heimwehkranker Kamerad faszinierende Geschichten über den idyllischen Ferienort erzählte. Und schon gar nicht, weil eine äußerst attraktive Cookie-Queen dort lebte.

Nach drei Kreuzungen mit scheinbar unnötigen Ampeln erreichten sie den Ortsausgang.

Hunter tippte Cooper auf die Schulter und deutete stumm zu einem Spielfeld der Little League, das aus dem Winterschlaf erwachte. Offensichtlich wollte das kleine Plappermaul vor seiner Mutter verbergen, dass es sich etwas, das mit Sport zusammenhing, auch nur anschaute.

Das wollte Cooper als Erstes ändern – auch wenn es ihm nicht zustand, sich in die Beziehung zwischen Mutter und Sohn einzumischen, und er sich nicht wie einer der lästigen Sozialarbeiter aufführen wollte, die er in seiner Kindheit gehasst hatte. Insgeheim stöhnte er. Ich bin kaum drei Minuten in der Stadt, und schon plane ich meine erste verdeckte Operation.

Die Fahrt ging etwa zwei Meilen lang in die Berge hinauf, bevor Maxine auf einen Feldweg abbog, der von Pinien und Lärchen gesäumt und von tiefen Schlaglöchern übersät war. Allein hätte Cooper die Hütte bestimmt nicht gefunden, da die Abzweigung nicht beschildert war.

Sobald der Wagen anhielt, sprang Hunter hinaus und rief: „Wow! Hier ist es ja cool!“

Die Blockhütte war einfach und kastenförmig gebaut, aber mit hübschen Spalierfenstern und überdachter Terrasse ausgestattet und in gutem Erhaltungszustand.

Cooper stieg ebenfalls aus. Das beruhigende Plätschern eines nahen Baches und die frische Bergluft wirkten entspannend und belebend.

„Hunter, steig wieder ein“, ordnete Maxine an. „Wir können nicht bleiben. Du weißt doch, dass Grandma uns zum Sonntagsdinner erwartet.“

„Hey, Coop, willst du zu meiner Grandma mitkommen?“, fragte er impulsiv.

Schnell legte sie ihm einen Arm um die Schultern und redete leise, aber entschieden auf ihn ein, bis er betroffen nickte und mit dem Sneaker einen Stein von der Auffahrt kickte.

„Nein danke“, erwiderte Cooper und gähnte herzhaft. „Mein Knie bringt mich um, und ich brauche dringend Schlaf. Komm doch im Lauf der Woche mal vorbei. Dann können wir die Gegend erforschen und ein bisschen angeln. Ich rede mit deiner Mom und mache einen Zeitpunkt mit ihr aus.“

„Na gut.“ Hunter ließ den Kopf hängen und stieg ein. „Bis bald.“

Cooper erwartete, dass Maxine seine Unterstützung zu schätzen wusste. Immerhin hatte er die Situation entschärft und ihr einen Vorwand geliefert, sich schleunigst zu verabschieden.

Doch sie blickte ihn stirnrunzelnd an und sprang hastig beiseite, als er auf sie zuging, um an ihr vorbei zum Kofferraum zu gelangen. „Was haben Sie vor?“

„Mein Gepäck holen, falls es Ihnen recht ist.“

„Oh, ja, natürlich. Sie haben mich nur erschreckt.“

Sie war ihm ein Rätsel. Während der Fahrt hatte sie sich wie eine Eiskönigin verhalten; nun hüpfte sie nervös um ihn herum wie ein aufgescheuchtes Reh.

Kaum hatte er seinen Seesack geschnappt, als sie auch schon die Heckklappe zuknallte.

Ganz leise, damit Hunter es nicht hören konnte, murmelte er: „Ich habe begriffen, Lady. Sie wollen mich nicht um sich haben. Aber warten Sie wenigstens, bis ich mich und mein Gepäck in Sicherheit gebracht habe, bevor Sie mich noch überfahren und meine Leiche in diesen idyllischen Bergen verrotten lassen.“

„Das würde mir nie in den Sinn kommen.“

„Da hatte ich einen ganz anderen Eindruck.“

Sie blickte ihn mit ihren kalten blauen Augen durchbohrend an. „Ich will doch nicht riskieren, dass Ihre stahlharten Muskeln mein Auto verbeulen.“ Und damit stieg sie ein und setzte wesentlich schneller zurück, als sie vorwärtsgefahren war.

Zumindest sind ihr meine Muskeln aufgefallen. Cooper fasste es als Kompliment auf und trug lächelnd sein Gepäck auf die Veranda.

Die grüne Haustür war unverschlossen. Das sollte sich ändern, so beschaulich das Städtchen auch sein mochte. Er pflegte seine Türen zu verschließen und seine Waffe griffbereit zu halten. Ganz egal, wo er sich aufhielt.

Er trat ein und sah sich um. Mehrere Flickenteppiche zierten den Holzfußboden. Die Wände waren beige gestrichen, die Decke wies dunkle Holzbalken auf. Wohnbereich, Essecke und Küche gingen ineinander über. Vor einem steinernen Kamin stand ein Sofa mit Jeansbezug.

Die rustikale Blockhütte wirkte täuschend ansprechend. Genau wie Maxine Walker, die an eine Werbeikone aus den Fünfzigerjahren erinnerte – eine warmherzige Hausfrau, die Kekse buk und ihr Kind bemutterte. Doch trotz der Schönheit war sie kalt wie dieses Haus, in dem er auf unbestimmte Zeit festsaß.

Verdammt! Er musste aufhören, an sie und den Grund für seinen Aufenthalt in Sugar Falls zu denken, und stattdessen Feuer machen, bevor er erfror. Obwohl es ein sonniger Frühlingstag war, hielt sich die Kälte der Nacht in der Hütte. Durch den Aufenthalt im Militärhospital war er offensichtlich verweichlicht und hatte die Fähigkeit verloren, den Elementen zu trotzen.

Ein kleiner Stapel Brennholz, Kienspäne und Streichhölzer lagen neben dem Kamin. Cooper kniete sich hin und entfachte ein Feuer. Als die Flammen aufloderten, streckte er ihnen die Hände entgegen.

Nicht schlecht für jemanden, der in einer Großstadt aufgewachsen ist, dachte er. Andererseits war er erst beim Militär erwachsen geworden. Die Ausbildung hatte ihn alles gelehrt, was es brauchte, um in dieser Welt zu überleben. Und wie soll ich jetzt überleben, wo ich kein Mariner mehr bin?

Entschieden verdrängte er diesen düsteren Gedanken und ging in die Küche. Der Kühlschrank war sauber, aber leer und außer Betrieb. Der Vorratsschrank enthielt lediglich eine Flasche Scotch, die sich als nützlich erweisen konnte, und einige wenige Konserven.

Die Sonne war bereits untergegangen. Vermutlich waren die Bürgersteige in diesem charmanten, aber winzigen Nest bereits für die Nacht hochgeklappt. Außerdem zeigte die frische Bergluft bereits Wirkung, sodass ein Einkauf bis zum nächsten Tag warten musste. So gern Cooper die Einladung zum Dinner auch angenommen hätte – schon allein, um Maxine aus der Reserve zu locken –, war seine Ausrede nicht erfunden. Er brauchte wirklich Schlaf, und sein Knie schmerzte.

Er stöpselte den Kühlschrank ein und suchte in den Schubladen nach Besteck und Dosenöffner. Zu seiner Überraschung war die winzige Küche sehr gut ausgestattet.

Er aß Thunfisch im Stehen direkt aus der Dose und nahm zwei Schmerztabletten mit einem Glas Wasser aus dem Hahn. Es war eiskalt und köstlich – vermutlich, weil es so rein war und direkt aus der Quelle, dem Sugar Falls River stammte.

In der Hütte war es inzwischen durch das Feuer spürbar wärmer geworden. Er hoffte, dass die Pillen genauso schnell wirkten. Ihm war sehr daran gelegen, die Nacht durchzuschlafen.

Ein kräftiger Schluck könnte nachhelfen. Cooper schenkte sich drei Fingerbreit Scotch ein – allein aus medizinischen Gründen. Mit dem Glas und seinem Seesack ging er die Räumlichkeiten erkunden. Vom Flur zweigte ein Zimmer mit Etagenbetten und ein weiteres mit Doppelbett und fluffiger Daunendecke ab, für das er sich entschied.

Er warf all seine Besitztümer – die mühelos in den Seesack passten – auf einen Stuhl, bevor er den Scotch trank und sich schlafen legte. Es musste an der Kombination aus Erschöpfung, Medizin und Alkohol liegen, dass er sich nach einer hinreißenden Blondine sehnte, die zu ihm schlüpfte und ihm ausnahmsweise ein Lächeln schenkte.

4. KAPITEL

„Warum musst du denn so gemein zu Cooper sein? Jetzt hasst er uns bestimmt und will gleich wieder weg von hier.“

Maxine hatte keine gute Erklärung für ihr ungehobeltes Benehmen. Zumindest keine, die ein Zehnjähriger verstehen konnte. Nicht einmal sie selbst verstand es. Irgendetwas an Cooper ging ihr gewaltig auf die Nerven. Kein Mann hatte sie je so frustriert.

Vielleicht lag es daran, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Er war – ganz anders als der jungenhafte Bo – ein ganzer Mann. Ganz zu schweigen davon, dass er sich mit ihrem Sohn verstand wie kein anderer. Da musste ihr doch einfach das Herz aufgehen!

„Tut mir leid, mein Lieber. Ich weiß ja, dass er dein Freund ist, aber ich kenne ihn nicht so gut wie du und war wohl etwas nervös. Außerdem will ich nicht zu spät zum Dinner kommen.“

„Aber wir haben ihn einfach allein da oben gelassen und wissen nicht mal, ob alles in Ordnung ist. Was ist, wenn er keinen Strom oder nichts zu essen hat?“

„Er hat doch einen Jeep zur Verfügung und kann sich kaufen, was er braucht.“

„Und wenn sein Knie so wehtut, dass er nicht fahren kann? Oder wenn der Jeep nicht anspringt oder gestohlen wurde? Was ist, wenn eine Räuberbande die Hütte als Versteck benutzt? Oder noch schlimmer, wenn die Räuber eigentlich Zombies sind, die den Menschen für ihre wissenschaftlichen Experimente die Herzen stehlen? Cooper ist ganz allein da oben und hat nicht mal ein Handy. Mom, wir müssen zurückfahren und ihn holen!“

„Ich bin sicher, dass es keine Räuber oder Zombies in der Hütte gibt.“ Außerdem würden die Zombies eine große Enttäuschung erleben, da Cooper kein Herz zu haben scheint. Diese Ansicht behielt Maxine lieber für sich. „Selbst wenn es ein Problem mit dem Strom oder dem Jeep geben sollte, kommt er sicher zurecht. Schließlich war er bei der Navy.“

„Aber was ist …“

„Es reicht“, unterbrach sie entschieden, als sie ihre Schwiegermutter auf der Veranda des größten und teuersten Hauses von ganz Sugar Falls stehen sah. Wie mag sie als Bos größter Fan darauf reagieren, dass Hunter einen neuen Helden verehrt? Bestimmt wäre sie der Meinung, dass es das Andenken ihres Sohnes schädigt. Weil sich Maxines Gewissen mittlerweile regte, schlug sie vor: „Du bleibst hier bei Grandma, und ich fahre schnell beim Supermarkt vorbei und bringe Cooper etwas zu essen.“

„Ich komme mit.“

„Nein. Du sollst Grandma inzwischen zeigen, wie ihr neuer Flachbildschirm funktioniert. Ich bin in einer halben Stunde wieder da.“

Im Supermarkt belud Maxine einen Einkaufswagen mit Brot und Butter, Aufschnitt und Käse, Müsli und Milch. Und weil sie sich Cooper gegenüber tatsächlich ziemlich patzig verhalten hatte, wollte sie ihm als Friedensangebot eine warme Mahlzeit bringen und holte ein frisches Grillhähnchen an der Fleischtheke.

Als sie das Geschäft verließ, blieb ihr gerade noch eine Viertelstunde, um pünktlich zum Dinner bei Cessy zu kommen. Hastig warf sie die beiden Einkaufstüten in den Kofferraum und knallte die Klappe zu. Ein Knirschen ertönte. Wahrscheinlich habe ich die Müslipackung eingeklemmt, dachte sie und fuhr los.

Als Maxine zur Blockhütte abbog, kippten die Einkaufstüten um. Bei jedem Schlagloch polterten die Lebensmittel im Kofferraum herum.

Rauch stieg aus dem Schornstein der Hütte auf und bestätigte Maxine, was sie die ganze Zeit gewusst hatte: Der Mann war wohlauf und brauchte keine Fürsorge.

Trotzdem wollte sie nicht unverrichteter Dinge umkehren. Außerdem war eine Entschuldigung für ihr rüdes Verhalten angebracht. Sie stieg aus und öffnete den Kofferraum.

Verdammt! Nicht die Müslipackung war zerquetscht, sondern der Plastikbehälter mit dem Hähnchen, dessen Saft ausgelaufen war. Sie stopfte alle Lebensmittel zurück in die beiden Tüten, trug sie zur Haustür und klopfte an.

Keine Antwort.

Sie klopfte erneut, diesmal lauter und länger. Währenddessen tropfte der Fleischsaft beständig aus der durchweichten Papiertüte.

Plötzlich schwang die Tür auf – und da stand er. Seine Haare waren zerzaust, seine Augen halb geschlossen. Er wirkte irgendwie benommen.

Während ihr Blick über seine nackte, muskulöse Brust zu seinem Waschbrettbauch wanderte, wurde ihr bewusst, dass er nichts außer Boxershorts trug. Er sah total sexy und halb erregt aus. Ich hätte nichts dagegen, jeden Morgen mit diesem Anblick aufzuwachen …

Schnell kam Maxine zur Besinnung und verdrängte diesen abwegigen Gedanken. „Ich … äh … habe Ihnen ein paar Lebensmittel mitgebracht.“ Sie hielt die Tüten hoch.

In diesem Moment fiel das Hähnchen durch das braune Papier, prallte auf den Verandaboden und kugelte aus dem kaputten Plastikbehälter – gefolgt von dem Laib Brot.

„Ups!“ Sie grinste verlegen. Wie peinlich, vor einem fast nackten Mann Lebensmittel zu verstreuen! Sie wollte sich nach dem Hähnchen bücken, doch Coopers Stimme hielt sie davon ab.

„Du hast gelächelt“, stellte er schleppend fest. „Für mich. Endlich.“

Erneut fiel ihr auf, wie glasig seine Augen waren. „Das tue ich ständig“, entgegnete sie und fragte sich, ob er überhaupt wusste, wer sie war.

„Ich habe darauf gewartet, dass du mich anlächelst. Die ganze Zeit im Krankenhaus habe ich an dich gedacht. Und jetzt bist du hier.“ Er streckte eine Hand aus und streichelte ihre Wange. „Du bist wundervoll.“

Sie hätte zurückweichen sollen. Trotzdem tat sie es nicht. Vielmehr schmiegte sie die Wange in seine warme Handfläche, und als sein Daumen über ihre Lippen strich, küsste sie ihn impulsiv. Die zweite Papiertüte entglitt ihr. Ihre Knie wurden weich. Sie tastete nach einem Halt, bevor auch sie zu Boden ging. Anstatt nach dem Türrahmen zu greifen, packte sie seine nackte Schulter.

„Du siehst aus wie ein Engel, wenn du nicht sauer auf mich bist“, murmelte er. „Ich wünsche mir, dass du mich immer so ansiehst. Wie meine süße Cookie-Queen.“

Cookie-Queen? Er weiß also doch, wer ich bin.

„Du riechst wie deine Kekse. Schmeckst du auch so süß?“ Begierig kostete Cooper ihre Lippen und ließ eine Hand zu ihrer Brust wandern, während er ihr den anderen Arm um die Taille legte und ihren Körper fest an sich zog.

Ein harter Gegenstand bohrte sich ihr in die Hüfte und brachte sie zur Besinnung. „Was ist das denn?“

„Hm?“

Sie wich zurück und sah eine Pistole in seiner Hand. „Was in aller Welt soll die Waffe?“

„Ich bin in einem fremden Haus. In einer fremden Stadt. Man kann nie wissen, wann eine kleine sexy Diebin vorbeikommt und versucht, mir meine Sinne zu rauben.“

„Sie sind ja betrunken“, vermutete Maxine, denn nichts mehr erinnerte an den Mann, der kaum zwei Stunden zuvor total kalt und distanziert gewirkt hatte.

„Ich hatte bloß einen kleinen Scotch zu den Schmerztabletten und bin ziemlich entspannt. Möchtest du auch einen Drink, mein Cookie-Engel? Es gefällt mir, wenn du nicht so verklemmt bist.“

„Sie sind ja nicht ganz bei Trost! Legen Sie die Waffe weg und gehen Sie wieder ins Bett. Mit etwas Glück erinnern Sie sich morgen nicht an diesen Zwischenfall.“ Obwohl ich mir jedes Detail merken werde. „Wir reden später, okay?“

„Okay. Süße Träume, mein Engel.“

Maxine lief zu ihrem Auto, startete den Motor und raste den Feldweg hinunter. Vor der Kreuzung zum Highway hielt sie am Seitenstreifen an, lehnte den Kopf zurück und atmete tief durch, um ihr rasendes Herz zu beruhigen. Sie hatte völlig die Kontrolle über sich verloren und war in Panik geraten. Wie konnte das passieren?

Es lag nicht daran, dass Cooper eine Pistole besaß. Das war nicht ungewöhnlich für einen Militär, der in einem fremden Haus schlief. Außerdem hatte er die Waffe nicht gegen sie gerichtet.

Nein, sie war so aufgewühlt, weil er sie in seinem umnebelten Geisteszustand begehrt hatte. Und das Schlimmste an allem war, dass sie unter seinen Händen förmlich dahingeschmolzen war – bei völlig klarem Verstand.

Wer zum Teufel hat meine Veranda zugemüllt?

Zuerst glaubte Cooper, dass Teenager eine Orgie veranstaltet hatten. Dann erschien es ihm wahrscheinlicher, dass Tiere die Mülltonne eines Nachbarn durchwühlt und die Überreste ihres Picknicks vor seiner Tür verstreut hatten. So oder so, er beschloss, Schmerzmittel und Scotch zu reduzieren und künftig nachts wachsam zu bleiben.

Was für eine verrückte Nacht! Voller Träume von Maxine, die ihn verklärt anlächelte. Selbst als er aufgewacht war, hatte er ihren Vanilleduft an seinen Fingern zu riechen geglaubt. Eben total verrückt.

Er sammelte die leeren Verpackungen ein und beschloss, zum Frühstück in die Stadt zu fahren, um nicht nur von Thunfisch zu leben. Es brauchte drei Versuche, um den Jeep in Gang zu bringen, doch dann ließ sich der Wagen auf der kurvenreichen Bergstraße erstaunlich gut manövrieren.

Schon bald erreichte Cooper den Snowflake Boulevard. Die große Uhr im Stadtzentrum zeigte zwanzig Minuten nach neun.

Er passierte die Sugar Falls Cookie Company und spielte mit dem Gedanken, sich dort etwas zum Frühstück zu holen und das feindliche Lager auszuspionieren. Doch er wollte Maxine nicht persönlich begegnen. Es war schon schlimm genug, dass sie ihn bis in seine Träume verfolgte. Also fuhr er weiter und parkte schließlich neben dem Cowgirl Up Café.

Das Gebäude war leuchtend rot gestrichen und sah eher wie ein Saloon als ein Esslokal aus. Sobald Cooper aus dem Auto stieg, wehte ihm jedoch der Duft nach gebratenem Bacon und frischem Kaffee entgegen. Vor dem Gebäude waren zwei gesattelte und aufgezäumte Pferde angebunden.

Bin ich hier im Wilden Westen gelandet? Kopfschüttelnd stieß Cooper die Schwingtüren auf und erblickte Westernmotive, wohin das Auge reichte. Pferdebilder zierten die Wände. Auf jedem Tisch stand ein Mini-Cowboystiefel mit einem Kaktus. Steigbügel und Sporen, Zaumzeug und allerlei Krimskrams, der aus Sattelkammern zu stammen schien, waren mit Glitzerspray und Pailletten verziert an Wände und Decke getackert worden.

Alles in allem sah es hier aus, als hätte sich eine durchgeknallte Rodeo-Queen ausgetobt. Trotzdem waren alle Tische besetzt. Demnach musste das Essen gut sein.

Eine ältere Frau mit weißblond gebleichtem Haar in hautengen Jeans und limettengrüner Schürze deutete zum Tresen. „Setzen Sie sich, wo Sie möchten, Darling. Ich bin gleich bei Ihnen.“

Cooper wählte einen Barhocker, von dem aus er die Tür im Auge behalten und das Kommen und Gehen beobachten konnte. Manch alte Gewohnheit lässt sich schwer ablegen.

Eine hübsche Brünette, die allein an einem Tisch in seiner Blickrichtung saß, verfolgte offensichtlich dasselbe Ziel, denn sie starrte unentwegt zum Eingang. Sie sah sportlich aus, wirkte aber sehr schreckhaft und zuckte jedes Mal zusammen, wenn jemand von hinten an ihr vorbeiging.

Cooper beobachtete sie für eine Weile. Nicht, dass er an ihr interessiert war oder sich gar zu ihr hingezogen fühlte. Doch sie wirkte wie eine Frau mit einem Geheimnis, und ihn reizte es immer, die Heimlichkeiten anderer Leute aufzudecken.

Die Kellnerin, die leicht für eine ältere Schwester von Dolly Parton durchgehen konnte, hielt ihm eine dampfende Kanne unter die Nase. „Wollen Sie mit einem Kaffee anfangen?“

„Sehr gern. Danke.“

Sie füllte einen Becher und reichte ihm eine Speisekarte.

Unwillkürlich starrte Cooper auf ihre Fingernägel. Es waren die längsten, die er jemals gesehen hatte. Violett lackiert und mit funkelnden Steinchen besetzt, passten sie perfekt zu der Glitzerdeko des Lokals.

„Sind Sie neu in der Stadt oder nur auf Besuch?“

„Auf Besuch, Ma’am.“

„Dann wohnen Sie bei Freunden?“

Cooper verschluckte sich beinahe an seinem Kaffee. Er war es gewohnt, andere Leute zu verhören, nicht umgekehrt. „Wie kommen Sie denn darauf?“

„Ganz einfach. Wären Sie in Betty Lou’s B and B abgestiegen, würden Sie nicht hier essen, weil Betty ihren Gästen ein hervorragendes Frühstück vorsetzt. Und die Hotelgäste kommen normalerweise nicht zum Frühstück in die Stadt hinunter. Da es keine anderen Unterkünfte in Sugar Falls gibt, müssen Sie einen Freund besuchen.“

Er umging eine Antwort mit einer Gegenfrage. Eine weitere Gewohnheit, die sich schwer ablegen ließ. „Wie sind die Würstchen mit Bratensaft, Ma’am?“

„Hey, ich will kein Ma’am mehr hören. Jeder hier nennt mich Freckles. Mir gehört dieser Laden, und selbst auf die Gefahr hin, dass es voreingenommen klingt, die Würstchen mit Bratensaft schmecken köstlich. Mit Bratkartoffeln oder Pommes?“

„Was immer Sie mir empfehlen, Miss Freckles. Kann ich zwei Spiegeleier und einen großen Orangensaft dazu haben?“

Miss Freckles, aha.“ Sie lächelte. „Ich mag gute Manieren und einen gesunden Appetit bei meinen Gästen. Ich hoffe, dass Sie für eine ganze Weile bleiben.“

Sie wandte sich ab, um die Bestellung an die Küche weiterzugeben, bevor Cooper ihr sagen konnte, dass er nicht besonders lange bleiben wollte. Er wusste nicht einmal, was er überhaupt wollte.

Er trank einen Schluck Kaffee und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Zwei ältere Männer mit Chaps und Stiefeln setzten ihre staubigen Hüte auf und standen auf. Als ihre Stuhlbeine über den Boden schrammten, zuckte die schreckhafte Frau heftig zusammen.

Einer der Cowboys rief: „Bis morgen, Freckles!“

„Warte, Scooter.“ Sie eilte zu ihm und drückte ihm eine Tüte in die Hand. „Ich habe euch ein paar Apfelspalten für Klondike und Blossom eingepackt.“

Klondike und Blossom – das dürften die Pferde vor der Tür sein, vermutete Cooper.

Die Cowboys bedankten sich und wollten hinausgehen, doch da tauchte ein blonder Lockenkopf in der Tür auf. Sie blieben abrupt stehen und tippten sich an die Hüte. „Morgen, Maxine.“

In Coopers Bauch breitete sich ein warmes Gefühl aus, das nicht von dem heißen Kaffee herrührte, den er gerade getrunken hatte. Vielmehr lag es daran, dass Hunters Mutter in dem feuchten T-Shirt und den leuchtend blauen Shorts verdammt sexy aussah. Ihre Beine waren aufreizend lang, gebräunt und wohlgeformt. Und ihre orangefarbenen Sportschuhe waren abgetragen und zeigten, dass sie regelmäßig lief.

Genau wie ich. Verdammt! Cooper wollte keine Gemeinsamkeiten entdecken, sondern Distanz wahren. Doch er konnte nicht leugnen, dass der Anblick ihres vertrauten Gesichts in dem überdekorierten Café voll neugieriger Fremder sehr angenehm wirkte.

Maxine begrüßte Freckles und mehrere Gäste, bevor sie sich zu der schreckhaften Brünetten setzte.

Sie hatte Cooper noch nicht bemerkt. Zum Glück, denn er wusste nicht, was er zu ihr sagen sollte. Seit sie und Hunter ihn am vergangenen Abend bei der Hütte abgesetzt hatten, musste er ständig an sie denken. Das war äußerst lästig, da sie deutlich klargestellt hatte, dass sie absolut nichts von ihm wissen wollte.

Muss ich ihr jedes Mal begegnen, wenn ich in die Stadt komme? Diese Aussicht gefiel ihm gar nicht, weil sie sich ihm gegenüber stets so kratzbürstig verhielt.

„Hat der Bewährungsausschuss dir erklärt, was für Möglichkeiten du hast?“

„Pst! Nicht so laut!“ Mia blickte verstohlen nach links und rechts, bevor sie leise berichtete: „Wenn ich dafür sorgen will, dass Nick im Gefängnis bleibt, muss ich persönlich vor der Kommission aussagen. Aber ich ertrage es nicht, im selben Raum mit dem Schuft zu sein, selbst wenn er in Handschellen von zig Gefängniswärtern bewacht wird. Er hat meine Karriere zerstört, ja mein ganzes Leben.“

Maxine konnte die Angst vor dem Mann nachempfinden, der ihre Freundin gestalkt, die Knie mit einem Baseballschläger zertrümmert und somit ihre Tanzkarriere vernichtet hatte. „Kannst du nicht einfach eine schriftliche Erklärung abgeben oder jemand anderen in deinem Namen hinschicken?“

„Schon, aber das hätte nicht so viel Gewicht wie meine eigene Aussage.“ Mia beugte sich verschwörerisch vor. „Da drüben an der Bar sitzt ein Typ, der dauernd zu uns rüberstarrt. Glaubst du, dass Nick ihn geschickt hat?“

Maxine drehte sich um und erblickte Cooper. Er aß mit gesundem Appetit von einem übervollen Teller, während er sie abschätzend beobachtete. Seine Anwesenheit gefiel ihr gar nicht. Sie hatte gehofft, vor dem nächsten Wiedersehen ihre Gefühle für ihn in den Griff zu bekommen. „Unsinn!“

„Wieso Unsinn?“

„Das ist Hunters Brieffreund. Du weißt schon, Sergeant Heartbeat.“

„Oh!“ Mia, die noch vor wenigen Sekunden geglaubt hatte, dass jeder Mann auf der ganzen Welt ihr Böses wollte, sprang auf und eilte lächelnd zu Cooper. „Hi, ich bin Hunters Tante Mia.“

„Aha, die Tanzlehrerin. Hunter hat Sie erwähnt.“ Er legte die Gabel nieder und schüttelte ihr die Hand.

Da Maxine in Blickkontakt zu ihm getreten war, konnte sie ihn schlecht ignorieren. Notgedrungen schlenderte sie hinüber und murmelte: „Hallo.“

„Sie sind mir bekannt vorgekommen“, eröffnete Mia, „aber ich wusste nicht, wo ich Sie einordnen soll. Jetzt weiß ich wieder, dass ich Sie von den Fotos in Hunters Computer kenne, die Maxine uns gezeigt hat.“

Verstohlen stieß Maxine sie mit einem Ellbogen an und blickte sie beschwörend an.

Doch Mia verstand den Wink nicht. „Was ist? Warum siehst du mich so komisch an?“ Sie wandte sich wieder an Cooper, der unverhohlen grinste. „Jedenfalls hat Hunter uns alles über Sie und Ihre OPs erzählt. Wie gefällt es Ihnen in Sugar Falls?“

Himmel, er sieht verdammt gut aus, wenn er nicht so finster guckt! Das war Maxine schon am vergangenen Abend aufgefallen, als sie ihm die Lebensmittel gebracht und er sie dankbar angelächelt hatte. Dass es diesmal Mia galt, gefiel ihr nicht sonderlich.

„Das versuche ich noch herauszufinden“, antwortete er. „Es ist nämlich mein erster Vorstoß ins Zentrum. Auf jeden Fall ist es hier anders als alles, was ich bisher erlebt habe.“

„Das kann ich mir denken“, bestätigte Mia. „Als ich aus Miami hergezogen bin, war es für mich ein Unterschied wie Tag und Nacht. Aber Kleinstädte können einem ans Herz wachsen, und jetzt liebe ich es hier. Man kümmert sich umeinander, und Fremde fallen auf wie bunte Hunde.“

„Tja, dieser bunte Hund fühlt sich gewaltig fehl am Platz“, gestand Cooper. Diesmal schloss er Maxine in sein Lächeln ein, und ihr Herz schlug noch schneller als eine halbe Stunde zuvor, als sie nach einem Notruf von Mia in die Stadt gesprintet war.

„Sie werden sich schon eingewöhnen. Maxine stellt Sie sicher gern den Einheimischen vor und zeigt Ihnen die Hotspots.“

„Cooper ist bloß hier, um sich von seinen OPs zu erholen“, wehrte Maxine ab. „Er will bestimmt nicht mit all dem Touristenkram behelligt werden.“ Sie war überzeugt, dass sie in seinem Sinne gesprochen hatte, und konnte nicht verstehen, warum er wieder so finster guckte.

Nun spürte auch Mia die Spannung zwischen den beiden und sagte: „Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, aber ich habe gleich eine Ballettstunde und muss deshalb …“ Sie wandte sich ab und verließ das Lokal, ohne den Satz zu beenden.

Cooper schien es nicht zu bemerken, denn er hielt den Blick auf Maxine gerichtet.

„Hey, Maxine!“, rief Freckles. „Kann ich deinen Tisch weitergeben? Ich bringe dir dein Rührei an die Theke, damit du mit deinem Freund essen kannst.“

Alle anderen Gäste drehten die Köpfe zum Tresen. Um nicht noch mehr Aufsehen zu erregen, sank Maxine auf den Hocker neben Cooper. „Trinken Sie den nicht?“ Bevor er antworten konnte, griff sie nach seinem frisch gepressten Orangensaft und leerte das Glas in einem Zug, um ihre Gefühle und ihre Nerven abzukühlen – und hoffentlich auch ihren Hormonspiegel zu normalisieren.

„Was ist mit Ihrer Freundin?“, erkundigte er sich.

„Mia? Sie ist Single, falls Sie danach fragen, aber absolut nicht auf der Suche.“

„Nein, danach frage ich nicht. Sie ist nicht mein Typ, und ich bin auch nicht auf der Suche. Ich möchte wissen, warum sie vor ihrem eigenen Schatten Angst hat.“

„Ach so! Sie wurde vor einiger Zeit ziemlich böse gestalkt.“

„Das ist hart. Was tut die Ortspolizei dagegen?“

„Wir haben keine. Noch nicht. Angesichts des zunehmenden Tourismus in der Gegend hat der Stadtrat erst kürzlich beschlossen, ein Dezernat einzurichten – allerdings ein eher kleines.“

„Wie klein?“

Sie sah ihm an, was in ihm vorging, und beschloss, dem Einhalt zu gebieten, bevor er sich in den Kopf setzte, seine Karriere bei der Polizei in Sugar Falls fortzusetzen. „Superklein. Geradezu winzig. Soweit ich weiß, ist die Rede von einem Leiter und höchstens zwei Mitarbeitern. Momentan wird der gesamte Gesetzesvollzug vom County Sheriff’s Department in Boise abgewickelt, das auch weiterhin die größeren Fälle bearbeiten wird. Also ziemlich langweilig. Und sehr klein.“

„Ja, das sagten Sie bereits.“

Seine herablassende Art ging ihr gegen den Strich, doch bevor sie sich dazu äußern konnte, servierte Freckles Rührei mit Gemüse und schenkte Orangensaft nach.

„Danke.“

Cooper griff zu seiner Gabel. „Und? Ist der Sheriff über den Stalker informiert?“

Maxine wurde bewusst, dass er mit dem Essen auf sie gewartet hatte. Er mochte arrogant und herablassend wirken, besaß aber gute Manieren – obwohl er sich noch nicht für die Lebensmittel bei ihr bedankt hatte und sich benahm, als wäre am vergangenen Abend nichts passiert. „Nein. Mia will die Sache nicht an die große Glocke hängen. Außerdem sitzt der Typ im Gefängnis, sodass er keine echte Bedrohung darstellt. Jedenfalls noch nicht.“

Noch nicht? Ist denn zu erwarten, dass sich das ändert?“

Sie nickte. „Eine Bewährungsanhörung. Deswegen ist Mia so aufgebracht. Das kann ich gut verstehen. Nick Galveston – so heißt der Stalker – ist echt beängstigend. Total durchgeknallt.“

„Durchgeknallt ist die schlimmste Art von beängstigend, weil man nie wissen kann, was demjenigen als Nächstes einfällt. Sie muss das Sheriff’s Office unbedingt informieren.“

„Als ob das was nützen würde! Nehmen Sie’s mir nicht übel, aber was kann man schon von einer hoffnungslos überlasteten Altherrenriege erwarten?“

„Ich bin nicht beleidigt, da ich kein alter Herr bin.“

Da musste Maxine ihm recht geben. Er musterte sie von Kopf bis Fuß auf eine Art, die ihn weder alt noch wie ein Herr wirken ließ.

Das schweißfeuchte T-Shirt klebte ihr am Körper. Aber musste er sie so unverhohlen anstarren? Und mussten ihre Wangen brennen, nur weil er sie nach wie vor attraktiv fand, obwohl er nicht länger unter dem Einfluss von Schmerztabletten stand?

Weil sie dringend eine Ablenkung brauchte, eröffnete sie: „Hunter hat mich gefragt, ob er nach der Schule zu Ihnen radeln darf – obwohl er weiß, dass ich ihn nicht allein über den Highway fahren lasse. Deshalb sollten wir beide uns mal unterhalten und ein paar Grundregeln aufstellen.“

„Grundregeln wofür?“

„Hunter hat kein männliches Vorbild und hofft, dass Sie das für ihn werden. Mag sein, dass Sie ein netter Mensch sind und es gut mit ihm meinen, aber ich weiß nichts von Ihnen, und er ist sehr leicht zu beeindrucken. Ich will nicht, dass er sich Hoffnungen macht und dann verletzt wird.“

„Sie glauben also, dass ich ihm wehtun werde?“

„Das kann ich nicht beurteilen. Ich weiß ja nicht mal, warum Sie hier sind.“ Sie trank noch einen Schluck von seinem Saft, bevor sie Freckles und den übrigen Gästen, die sie und Cooper mit unverhohlenem Interesse musterten, ein Lächeln schenkte.

„Hören Sie, Lady, ich weiß auch nicht, warum ich hier bin. Vielleicht, weil ich nirgendwo sonst unterkommen konnte. Oder weil mich etwas mit einem Zehnjährigen verbindet, der mich zu brauchen scheint. Ich habe meinen Vater nie kennengelernt und mit zwölf Jahren meine Mutter verloren. Ich habe also nicht viel Erfahrung mit Kindern oder Eltern und bin offensichtlich ein Problem für Sie. Aber ich will auf keinen Fall Schwierigkeiten zwischen Ihnen und Hunter hervorrufen. Sagen Sie ihm, dass ich die Stadt früher als erwartet verlassen musste, und ich werde ihn nicht mehr kontaktieren.“

Maxine bemühte sich, ihr Mitgefühl zu verbergen, das ein stolzer Mann wie er vermutlich nicht zu schätzen wusste. Trotzdem legte sie eine Hand auf seine und versicherte: „Nein. Das will ich nicht.“ Denn es würde Hunter das Herz brechen.

Cooper rührte keinen Finger unter ihrer Hand. Er sah Maxine nicht und versprach auch nicht zu bleiben. Aber er wich nicht zurück.

Sie verstand sich selbst nicht. Obwohl sie eigentlich betete, dass er aus der Stadt verschwand, flehte sie ihn nun förmlich an, es nicht zu tun. Du solltest dich bald mal entscheiden. „Wir hatten wohl einen schlechten Start. Ich habe nichts dagegen, dass Sie hier sind oder Umgang mit meinem Sohn haben. Er hat sich durch Sie positiv verändert. Er ist nicht mehr so unsicher und kommt viel besser mit den anderen Kindern in der Schule aus.“ Sie seufzte.

„Ich mache mir nur Sorgen, weil er dazu neigt, aus allem eine große Sache zu machen, und für ihn sind Sie das Größte überhaupt. Er hat Sie zu seinem Helden auserkoren, und ich befürchte, dass er Sie irgendwann langweilt und Sie ihm das Herz brechen.“ Genau, wie sein Dad es getan hat.

Cooper starrte auf ihre Hände, bevor er ihr schließlich in die Augen blickte. Ihr stockte der Atem. „Ich verstehe es selbst nicht, aber aus irgendeinem Grund ist ein Band zwischen Hunter und mir entstanden, obwohl ich gewiss nicht der Typ für Bindungen bin. Und ein Held bin ich auch nicht. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass er mich nicht langweilen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich irgendjemand in seiner Gegenwart langweilt.“

Das brachte ihm einige Pluspunkte ein, denn Maxine sah die Sache genauso.

„Eher wird er das Interesse an mir verlieren, wenn er merkt, dass ich bloß ein gewöhnlicher Mann mit einem kaputten Knie und ohne Job bin. Dann wird er froh sein, wenn ich meiner Wege gehe.“

Ohne dass es Maxine bewusst geworden war, hatte er seine Hand in ihrer umgedreht. Auch ihr Herz hatte eine Kehrtwende gemacht; sie lief Gefahr, es einem Fremden zu schenken, der genauso einsam und unsicher wirkte wie Hunter.

Das hat mir gerade noch gefehlt! Sie zog die Hand zurück und aß einige Bissen Rührei, um ihren inneren Aufruhr zu überspielen. „Sie wollen also bleiben?“

„Ja. Wenn es kein Problem für Sie ist.“

Das einzige Problem für sie war, dass sie sich mehr und mehr zu ihm hingezogen fühlte, was sie allerdings unter gar keinen Umständen eingestehen wollte. „Nein. Aber Sie müssen mir sagen, wenn Hunter Sie zu sehr in Beschlag nimmt. Ich möchte nicht, dass Sie sich verpflichtet fühlen, sich dauernd mit ihm abzugeben.“

„Abgemacht. Demnach haben Sie nichts dagegen, wenn er sich nach der Schule mit mir trifft?“

„Na ja, das ist ein ziemlich langer Weg für ihn. Und wie gesagt, ich lasse ihn eigentlich nicht allein mit dem Fahrrad auf dem Highway …“ Unter seinem eindringlichen Blick fiel ihr das Atmen schwer, ganz zu schweigen vom Denken und Sprechen. Und als es um seine Mundwinkel zuckte, ließ sie die Gabel auf den Teller fallen. „Warum grinsen Sie mich so an?“

„Natürlich würde ich ihn abholen. Ich möchte nur wissen, ob Sie keinen Kontakt zwischen ihm und mir wünschen oder allgemein überängstlich sind.“

„Überängstlich?“, hakte sie pikiert nach.

„Entspannen Sie sich und seien Sie nicht gleich eingeschnappt. Ich will Sie nicht kritisieren, aber eines Tages müssen Sie loslassen, damit er erwachsen werden kann.“

„Na toll! Ich kriege erzieherische Ratschläge von einem ledigen Mariner, der keine Kinder hat, das letzte Jahr in einem Wüstenzelt gehaust hat und von Schmerzmitteln betäubt mit einer Waffe in der Hand rumläuft.“

Cooper zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. Ganz offensichtlich erinnerte er sich nicht an den vergangenen Abend. Anstatt nachzufragen, entgegnete er jedoch: „Nun, ich weiß jedenfalls, wie es ist, ein kleiner Junge zu sein und erwachsen zu werden.“

„Und ich weiß ganz genau, wie es ist, alleinerziehend und eine Frau zu sein. Also lassen Sie sich einen kleinen Rat von mir geben. Einer Frau zu sagen, dass sie sich entspannen soll, hat genau die gegenteilige Wirkung.“ Damit sprang sie auf und wirbelte zum Ausgang herum.

Als sie die Tür erreichte, rief Cooper ihr nach: „Machen Sie sich keine Sorgen! Ich hole Hunter einfach nach der Schule ab und bringe ihn nach Hause.“

Ohne zu antworten, ließ sie die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Warum sagte er ihr ständig, was sie tun oder lassen sollte? Wollte er sie absichtlich ärgern?

Für einen kurzen Moment hatte sie ihm Verständnis entgegengebracht, doch nun war wieder alles beim Alten. Und das Schlimmste an allem war, dass er es zu genießen schien, sie aus der Fassung zu bringen.

5. KAPITEL

14. März

Jake Marconi flippt total aus, wenn du mich von der Schule abholst! Seinem Dad gehört die Tankstelle, und Jake kriegt da nach der Schule immer so viele Süßigkeiten, wie er will. Die anderen Kinder treffen sich oft da, wenn sie von ihren Dads abgeholt werden. Jetzt, wo du da bist, kann ich auch hingehen. Das wird so cool! Ich kann es gar nicht erwarten!

Hunter

PS: Meine Mom hat gesagt, dass du eigentlich ganz nett bist und sie nichts dagegen hat, wenn wir immer zusammen abhängen und coolen Jungskram machen.

Maxine seufzte schwer und klappte den Laptop zu. Sie musste Hunter dringend ermahnen, seinen Computer herunterzufahren und nicht ständig im Wohnzimmer herumliegen zu lassen.

Dabei war die Stromrechnung ihre geringste Sorge. Aber sie wollte nicht an den Mann erinnert werden, der den Jeep wenige Meter von ihrem Haus entfernt geparkt hatte und schon den ganzen Vormittag lang von einem Geschäft zum anderen humpelte. Darüber hinaus hatte sie Hunter nie gesagt, dass sie Cooper nett fand und die beiden ständig zusammen sein durften.

Besonders nahe ging ihr jedoch die Erkenntnis, dass Hunter nur dann zu den anderen Jungen zu passen glaubte, wenn er von einem Mann von der Schule abgeholt wurde.

Das Läuten des Telefons unterbrach ihre Überlegungen. Sie zögerte, als sie den Namen auf dem Display sah. Sie hatte keine Lust, mit Cessy zu reden. Wenn sie es nicht tat, lief sie jedoch Gefahr, den ganzen Vormittag aus dem Fenster zu starren und den Mann mit Blicken zu töten, der ihre ganze Welt auf den Kopf stellte. Sie entschied sich für das kleinere Übel. „Hi, Cessy.“

„Da Hunter jetzt in der Schule ist, können wir endlich mal offen reden. Sag mir, was du denkst.“

„Worüber?“

„Matthew Cooper natürlich. Seit er in der Stadt ist, bist du noch verkrampfter als vorher. Befürchtest du, dass er Bos Platz in Hunters Herzen einnehmen könnte?“

Nein, darüber machte Maxine sich keine Gedanken. Weil Bo wegen Trunkenheit am Steuer tödlich verunglückt war, bevor er sich in Hunters Herz hatte einnisten können. Das wollte sie seiner Mutter allerdings nicht unter die Nase reiben.

Stattdessen sagte sie: „Mr. Cooper scheint ganz nett zu sein. Aber ich weiß nicht viel über ihn, außer dass er bei der Marine war.“ Und dass er seinen Vater nie kennengelernt und seine Mutter in sehr jungen Jahren verloren hat.

„Ich habe einen meiner Leute bei der Gemeinde ein bisschen recherchieren lassen.“

„Cessy, wie kannst du nur! Das ist wahrscheinlich illegal und auf jeden Fall unmoralisch.“

„Willst du wissen, was ich herausgefunden habe, oder nicht?“

„Na gut.“

„Ausgezeichnete Militärlaufbahn, zahlreiche Auszeichnungen, großartiger Ermittler. Kein Grundbesitz, aber kreditwürdig. Den genauen Finanzstatus konnten wir nicht ermitteln, aber wenn du willst, rufe ich Phil Hemingway in der Bank an.“

Maxine sank auf das Sofa und rieb sich die Schläfen. „Nein! Du hörst auf, in seinem Privatleben zu schnüffeln!“

„Mal sehen, was wir noch haben“, fuhr Cessy fort, als hätte sie den Protest nicht gehört. „Er stammt ursprünglich aus Detroit. Heimkind. Keine Kinder. Er war schon mal verheiratet. Nach allem, was Mary Pat… meine Quelle in Erfahrung bringen konnte, hat die Ehe nur ein paar Monate gehalten. Die Exfrau ist wieder verheiratet und hat zwei Kinder. Er selbst scheint ungebunden zu sein.“

Insgeheim fragte Maxine sich, wie seine Exfrau sein mochte, und wer wohl für das schnelle Scheitern der Ehe verantwortlich war. Laut fragte sie: „Wieso erzählst du mir das alles? Warum sollte ich mich für sein Liebesleben interessieren?“

„Natürlich interessiert es dich nicht. Das wäre ja total abwegig und ungehörig. Und selbst wenn du einen Mann wie ihn dazu bringen könntest, sich in dich zu verlieben, wäre es nicht zu vergleichen mit der Liebe zwischen dir und Bo. So etwas passiert nur ein einziges Mal im Leben.“

Dass Cessy ihren Sohn maßlos idealisierte, prallte normalerweise an Maxine ab. Doch die Unterstellung, dass sie bei einem Mann wie Cooper nicht landen konnte, ging ihr erheblich gegen den Strich. Zugegeben, am vergangenen Abend hatte er unter dem Einfluss von Schmerzmitteln gestanden. Trotzdem war sie überzeugt, dass er auf sie stand.

Und gerade aus diesem Grund musste sie sichergehen, dass sie ihm nie seinen Willen ließ. Daher musste sie sich von ihm fernhalten.

Denn ihr Widerstand gegen die wachsende Anziehungskraft zwischen ihr und Sergeant Heartbeat war in etwa so zuverlässig wie eine durchweichte Papiertüte von Duncan’s Market.

Auf der Rückfahrt zur Blockhütte ging Cooper das letzte Gespräch mit Maxine immer wieder durch den Kopf. Vor allem beschäftigte ihn ihre Bemerkung, dass er unter dem Einfluss von Schmerzmitteln mit einer Waffe in der Hand herumgelaufen sein sollte.

Er stellte den Jeep ab und brachte die Einkäufe ins Haus. Außer Lebensmitteln hatte er einen Baseballhandschuh und Schläger im Sportgeschäft besorgt. Die Saison der Little League begann an diesem Wochenende; er wollte Hunter unbedingt dafür anmelden. Allerdings wusste er noch nicht, wie er das bewerkstelligen sollte, denn er war den Umgang mit einer so starrköpfigen Mutter nicht gewohnt.

Daher konzentrierte er sich vorläufig auf das, was er beherrschte: Recherche. Zum Glück war die Blockhütte mit Festnetz und Internetzugang ausgestattet.

Die Suche nach Nick Galveston hatte auf Anhieb Erfolg. Er war Profi-Footballer in der B-Liga und verbüßte derzeit eine zehnjährige Haftstrafe wegen Terrordrohungen, Körperverletzung und Mordversuch.

Coopers Puls beschleunigte sich wie immer, wenn er an einem Fall arbeitete und auf eine neue Spur stieß. Wie sehr vermisste er seinen Beruf jetzt schon!

Er scrollte durch ältere Zeitungsartikel, bis er sich zusammenreimen konnte, was Maxines Freundin widerfahren war.

Mia hatte als Profi-Cheerleaderin für ein Team gearbeitet, dessen Kicker ein krankhaftes Interesse an ihr entwickelt und sie auf albtraumhafte Weise gestalkt hatte. Weil sie sich seinen Avancen widersetzt hatte, war er mit einem Baseballschläger auf sie losgegangen.

Mitgefühl stieg in Cooper auf. Denn Mias Karriere war ebenso wie seine eigene von einem geisteskranken Schuft ruiniert worden. Allerdings war es ihr offensichtlich gelungen, sich ein neues Leben aufzubauen – eine imposante Aufgabe, die ihm erst noch bevorstand.

Er rief Corporal Sanchez an, mit dem er bei der Militärpolizei in der Bucht von Guantanamo stationiert gewesen war. „Hier ist Sergeant Cooper“, meldete er sich, obwohl er diesen Rang nicht mehr innehatte. Doch er wusste nicht, wie er sich sonst definieren sollte.

„Coop, zum Teufel! Wie geht’s denn so?“

Nach ein wenig Small Talk eröffnete Cooper: „Ich habe gehört, dass Sie einen Insassen haben, der für bedingte Haftentlassung infrage kommt, und möchte Sie um einen Gefallen bitten.“

„Worum geht’s denn genau?“

Er erläuterte Mias Situation und redete sich ein, dass er lediglich einer verängstigten Frau helfen wollte, die wie er selbst Opfer eines Soziopathen geworden war. Wenn es ihm ganz nebenbei Pluspunkte bei seinem sexy Cookie-Engel einbrachte, war nichts dagegen einzuwenden.

Engel? Wie kommst du denn darauf?

Maxine Walker hatte nichts Engelhaftes ausgestrahlt, als sie ihn an diesem Morgen zurechtgewiesen hatte, weil er Umgang mit ihrem Sohn haben wollte.

Cooper stellte den Jeep hinter der Bäckerei ab, weil dort nach Hunters Aussage alle Gäste parkten. Er bezweifelte jedoch, dass Maxine ihn als Gast betrachtete. Eher als Persona non grata.

Er war mit Hunter nach der Schule zum Baseballplatz gefahren und hatte mit Handschuh und Schläger einen Riesenhit gelandet. Nach einer Stunde Training war sein Knie ziemlich lädiert, und er brannte darauf, das Bein hochzulegen und zu kühlen.

Er hätte Hunter einfach absetzen und weiterfahren können, doch das hätte Maxine ihm sicherlich verübelt. Außerdem gefiel es ihm, sie aufgebracht zu sehen, und er hoffte, dass sie sich nach ihrer morgendlichen Konfrontation im Cowgirl Up noch nicht vollständig beruhigt hatte.

„Mom, wir sind wieder da!“ Hunter rannte die Treppe hinauf. „Ich hatte einen tollen Tag! Morgen wollen wir im Bach angeln. Coop sagt, der fließt ganz bis in den Sugar River.“

Das schmerzende Knie zwang Cooper, wie ein Kleinkind eine Stufe nach der anderen zu nehmen. Als er oben angekommen war, blickte er sich interessiert in dem offen gestalteten Apartment um. Die Küche war ganz in Weiß und Edelstahl gehalten und doppelt so groß wie der angrenzende Wohnbereich.

„Hi, mein Lieber! Schön, dass ihr Spaß hattet.“ Maxine umarmte Hunter und strich ihm durch das Haar. Dann musterte sie ihn prüfend von Kopf bis Fuß, um zu sehen, ob er irgendwelche Blessuren davongetragen hatte. „Aber morgen solltest du lieber ausfallen lassen, um deinen Freund nicht zu überfordern.“

Will sie damit andeuten, dass ich zu schwach bin? fragte Cooper sich verschnupft. „Das kann er gar nicht. Außerdem bin ich ja nach Sugar Falls gekommen, um Zeit mit meinem Lieblingsbrieffreund zu verbringen.“

Sie verdrehte die Augen, als die beiden einander abklatschten.

Cooper fiel auf, dass sie eine Vorliebe für neutrale Farben zu haben schien. Nicht nur die Küche, auch ihre Kleidung strahlte ganz in unschuldigem Weiß. Hautenge Hüftjeans und ein Sweater, der ihre Rundungen umschmeichelte, dazu die üppigen goldenen Locken, die ihren Kopf wie eine Sonnenkrone umgaben – da war es nicht weiter verwunderlich, dass sie in seinen Augen wie ein Engel aussah. Zu schade, dass sie mir alles andere als engelhafte Blicke zuwirft …

„Hey, Coop, komm mit in mein Zimmer und guck dir meinen neuen Lego-Bausatz an!“ Hunter ließ seinen Rucksack fallen und lief in den Flur voraus.

Cooper blickte fragend zu Maxine, um ihre Erlaubnis einzuholen, bevor er tiefer in ihre Privatsphäre eindrang. Er brachte sie zwar gern aus der Fassung, aber er wollte keine Grenzen überschreiten und ihre Rolle als Hunters Erziehungsberechtigte keinesfalls untergraben.

Sie antwortete mit einer einladenden Handbewegung zum Flur und wandte sich zur Küche um.

Auf dem Weg zum Kinderzimmer stellte er fest, dass der Wohnbereich in unterschiedlichen Weißtönen gehalten war. Lediglich graue Fußböden und schwarze Beistelltische bildeten ein wenig Kontrast. Ja, die Frau steht eindeutig auf unbunt. Insgesamt wirkte die Wohnung stilvoll-elegant und gleichzeitig gemütlich. Was hätte ich dafür gegeben, in so einer Umgebung aufzuwachsen! Hunter ist ein Glückspilz. Ein redseliges, aber beneidenswertes Kind.

Zehn Minuten lang plapperte der Junge nonstop, während er stolz jedes einzelne Spielzeug vorführte. Sein riesiges Reich schien der einzige Raum in der ganzen Wohnung zu sein, in dem ein Mischmasch an Farben herrschte. Gott sei Dank, dass sie ihrem Sohn erlaubt, seinen persönlichen Bereich frei zu gestalten, dachte Cooper.

„Da drüben ist das Zimmer von meiner Mom“, verkündete Hunter. „Das ist noch größer als meins. Dabei habe ich viel mehr Zeug als sie. Aber das ist okay, weil ich immer da drinnen abhängen darf, sogar wenn ihre Freundinnen da sind und sie über Weiberkram reden.“

Cooper fühlte sich wie ein Voyeur, als er in das Zimmer spähte. Natürlich war es ganz in Weiß gehalten; trotzdem wirkte es warm und freundlich. Er konnte verstehen, dass man sich darin aufhalten wollte – selbst wenn es bedeutete, sich Frauengespräche anhören zu müssen.

„Meine Mom hat Angst, dass ich zu viel mitkriege, aber Tante Kylie sagt, dass es gut für mich ist, wenn ich lerne, Frauen zu verstehen und wie man sie richtig behandelt.“

„Und? Hast du dir schon gute Ratschläge gemerkt?“

„Na ja, Mom sagt, dass ich ganz ich selbst sein soll. Tante Kylie meint, dass ich ein Mädchen immer wie eine Lady behandeln muss und als ob sie das Wichtigste in meinem Leben ist. Tante Mia sagt, dass ich merken muss, wenn ein Mädchen nichts von mir wissen will. Aber ich bin ziemlich sicher, dass Kayla Patrelli mich mag. Jedenfalls hat sie mich nicht wie die anderen Kinder ausgelacht, als ich ihr das Gedicht geschrieben habe.“

Der Junge scheint mit seinen zehn Jahren mehr über Frauen zu wissen als ich mit vierunddreißig. „Das klingt ja ziemlich vielversprechend.“ Weil sein Knie höllisch wehtat, trat Cooper den Rückzug an. „Wir sehen uns morgen nach der Schule“, versprach er und ging zur Wohnungstür.

„Warte! Meine Mom macht Reisauflauf. Willst du mit uns essen? Sie kann echt gut kochen.“

Maxine, die mit einem Glas Weißwein an der Kochinsel stand, gestikulierte verstohlen, um ihre Missbilligung über die Einladung kundzutun. Doch Hunter achtete gar nicht auf sie.

„Nein danke“, wehrte Cooper ab. „Ich habe heute eine Menge Lebensmittel eingekauft und will mir selbst was kochen.“

„Wieso hast du denn eingekauft? Hat dir das Zeug vom Supermarkt nicht geschmeckt, das meine Mom dir gestern vorbeigebracht hat?“

Sie drehte sich zum Herd um, als wäre sie zu beschäftigt, um sich an dem Gespräch zu beteiligen.

„Was für …?“ Cooper unterbrach sich, als er sich an den Unrat vor seiner Haustür erinnerte. „Moment mal! Waren Sie gestern Abend bei der Blockhütte?“

Sie leerte das Weinglas und rührte in einem Topf auf dem Herd, bevor sie schließlich nickte.

„Ich dachte, ich hätte ein Klopfen gehört, aber ich hatte Schmerztabletten genommen und muss wohl gleich wieder eingeschlafen sein. Warum haben Sie die Lebensmittel einfach auf der Veranda stehen lassen? Als ich heute Morgen aus dem Haus kam, waren Überreste und Verpackungen auf dem ganzen Grundstück verstreut.“

„Sie sind nicht eingeschlafen.“ Sie rührte weiter. „Sie haben die Tür aufgemacht und mich mit den Einkaufstaschen gesehen. Sie haben sogar … Ich weiß nicht, warum Sie die Sachen nicht mit nach drinnen genommen haben, nachdem ich weg war.“

Bezog sich ihre Bemerkung an diesem Morgen, dass er mit einer Waffe in der Hand herumgelaufen war, auf diese Begegnung? Hatte er sie durch seine Pistole erschreckt? „Ist sonst noch etwas passiert?“

Maxine warf ihm einen nervösen Blick zu. „Nein, nichts weiter“, erwiderte sie verdächtig hastig. „Es wird Zeit für Hunters Hausaufgaben. Er bringt Sie zur Tür. Genießen Sie Ihre frischen Lebensmittel.“

Und somit verließ Cooper notgedrungen die Wohnung und humpelte zum Jeep. Während er den Motor startete, fragte er sich, was am vergangenen Abend wirklich vorgefallen war. Und ob das, was immer es sein mochte, der Auslöser dafür war, dass er die ganze Nacht so unruhig geschlafen hatte.

6. KAPITEL

Als Mia, Kylie und Maxine nach der Yogastunde Patrelli’s Pizzeria betraten, schlug ihnen das Aroma von Knoblauch und Hefe entgegen und machte ihnen den Mund wässrig.

Kayla Patrelli, ein hübsches Mädchen mit glänzendem, dunklen Haar und braunen Rehaugen, führte die Frauen an ihren bevorzugten Tisch in einer hinteren Ecke und verteilte Speisekarten. Sie ging in Hunters Klasse und war viel zu jung, um schon zu arbeiten, wirkte aber kompetent.

Vielleicht sollte ich Hunter in der Backstube arbeiten lassen, dachte Maxine. Sie musste sich etwas für ihn einfallen lassen. Abgesehen von Computerspielen und Baseball schien ihn nichts zu interessieren. Sie hatte versucht, ihn für unzählige andere Freizeitaktivitäten zu begeistern, aber nichts davon sagte ihm zu. Es sei denn, ich zähle Cooper als Hobby.

„Wer ist heute in der Küche, Kayla? Deine Mom oder dein Dad?“, fragte Kylie. „Das muss ich wissen, bevor ich Knoblauchbrot bestelle. Mrs. Patrelli nimmt nie genug Kräuterbutter. Sie denkt wahrscheinlich, dass sie mir einen Gefallen damit tut, weil sie gemerkt hat, wie breit meine Hüften werden.“

„So ein Blödsinn!“, protestierte Maxine. „Deine Hüften sind schlank wie immer.“

„Stimmt. Sie sind perfekt“, pflichtete Mia ihr bei.

„Vielleicht perfekt für eine Gebärmaschine“, murrte Kylie.

„Dad ist heute in der Küche, Miss Chatterson“, antwortete Kayla. „Aber meine Mom findet gar nicht, dass Sie breite Hüften haben. Sie hat zu meinem Dad gesagt, dass er Ihnen nicht so auf den Hintern starren soll, weil sie früher auch so einen hübschen Po hatte, bevor er ihr sechs Kinder angedreht hat.“

„Wie dem auch sei, wir möchten extra Butter. Und sag deinem Dad, dass er deiner hübschen Mutter hin und wieder mal einen Klaps auf den Po geben soll.“

Während Kayla lachend in der Küche verschwand, stöhnte Maxine. Zu viele Informationen. Erwachsene sollten in Gegenwart von Kindern den Mund nicht so weit aufreißen. „Wie kannst du so mit dem Mädchen reden? Sie ist erst zehn! Genau wie Hunter.“

„Meinst du wirklich, dass die Kleine nicht weiß, was ein Hintern ist? Das weiß ja sogar Hunter.“

„Sie hat recht, Max“, warf Mia ein. „Heutzutage sind Kinder viel weiter. Die neunjährigen Mädchen in meiner Hip-Hop-Klasse wissen nicht nur, was ein Hintern ist, sondern auch, wie man aufreizend damit wackelt.“

Eine Kellnerin kam mit ihrem Bestellblock an den Tisch und ersparte es Maxine, sich auszumalen, wie kleine Mädchen mit ihren Pos herausfordernd vor Hunter wackelten. In solchen Situationen gefiel es ihr gar nicht, alleinerziehende Mutter eines heranwachsenden Jungen zu sein.

Die schwere Eingangstür öffnete sich, Hunter kam mit Cessy herein – gefolgt von Cooper. Das Trio blieb beim Eingang stehen und sah sich nach unbesetzten Plätzen um.

Maxine unterdrückte ein Stöhnen. Muss ich selbst an meinem Frauenabend auf diesen Mann stoßen? Bitte lass irgendwo weit weg einen Tisch frei sein! Ich will nicht bei Cessy und diesem Mariner sitzen.

„Guck mal, Grandma, gleich da drüben bei Mom!“ Hunter stürmte durch den Raum, ohne zu bemerken, dass die beiden Erwachsenen ihm nicht folgten. „Hi, Mom. Hi, Tante Mia und Tante Kylie.“ Er begrüßte alle drei mit einer flüchtigen Umarmung, bevor er sich zu seinen Begleitern umdrehte.

Cessy war in entgegengesetzter Richtung verschwunden.

Cooper zögerte bei der Tür, bevor er Hunter folgte. Offensichtlich gab er sich lieber mit einem Zehnjährigen und schnatternden Frauen in verschwitzter Sportkleidung ab, als gesellschaftlichen Umgang mit den hohen Tieren des Ortes zu pflegen, zu denen Cessy sich gesellt hatte.

Er trug verwaschene Jeans und Wanderstiefel. Sein schlichtes, grünes Polohemd wirkte ziemlich abgetragen. Da er lediglich mit einem Seesack am Flughafen angekommen war, besaß er wohl keine große Auswahl an Kleidung.

Bisher habe ich ihn nur in Baumwollhemden und Jeans gesehen. Ach ja, und neulich abends in Boxershorts. Hastig verdrängte Maxine die aufreizende Erinnerung.

„Guten Abend, die Damen“, wünschte er höflich, als er ihren Tisch erreichte.

Kylie und Mia lächelten ihn an.

Als er Maxines Blick begegnete, schlug ihr Herz höher, und ihre Wangen wurden warm.

„Guten Abend, Kayla“, grüßte Hunter, als sie einen Korb mit Brot an den Tisch brachte.

Sie kicherte und errötete, und er warf sich triumphierend in die Brust.

Maxine hätte ihn am liebsten aus dem Lokal geschleift und ihm verboten, jemals wieder mit dem anderen Geschlecht zu reden. Doch sie erkannte eine erfreuliche Veränderung in seinem Verhalten. Seit Jahren machte sie sich Sorgen wegen seiner Verschlossenheit. Nun musste sie sich fragen, ob er sein deutlich gewachsenes Selbstvertrauen dem Mann verdankte, der neben ihm stand.

Sobald die Getränke serviert wurden, griff sie hastig zu ihrem Rotwein und trank einen großen Schluck.

Cooper zog verwundert die Augenbrauen hoch.

Aus lauter Trotz trank sie einen zweiten Schluck und dann noch einen.

Prompt glitten seine Brauen noch höher.

Spontan platzte sie heraus: „Vorsicht, Cooper, sonst fallen Ihnen noch die Augen aus dem Kopf!“

Ihre Freundinnen, die ihn bisher verklärt angelächelt hatten, meldeten sich hastig zu Wort und bombardierten ihn mit Fragen über seine Meinung zu dem Städtchen.

Maxine war den beiden dankbar für die Ablenkung. Trotzdem kehrte sein Blick im Sekundentakt zu ihr zurück.

Kayla erwähnte einen neuen Flipper, und Hunter verschwand mit ihr im Spielsalon des Restaurants.

So jung und sorglos müsste man noch mal sein! Am liebsten wäre Maxine den Kids auf der Suche nach einer entspannten Atmosphäre gefolgt.

„Ich hätte da etwas mit Ihnen zu besprechen“, teilte Cooper ihr mit. „Meine Damen, darf ich Ihre Freundin für eine Sekunde entführen?“

„Sie gehört ganz Ihnen“, erwiderte Mia.

„So lange Sie sie brauchen“, fügte Kylie hinzu.

„Haben Sie etwas dagegen, wenn wir nach draußen gehen?“, fragte er Maxine.

Wie nett, dass Sie mich zur Abwechslung um Erlaubnis bitten! Diesen sarkastischen Gedanken behielt sie wohlweislich für sich. Als sie Cooper zum Ausgang folgte, hörte sie ihre Freundinnen hinter ihrem Rücken kichern und blickte über die Schulter zurück. Dadurch entging ihr, dass er abrupt anhielt, um eine Kellnerin mit Pizzatellern vorbeizulassen.

Maxine prallte auf seinen muskulösen Rücken und stützte sich impulsiv auf seiner Taille ab.

Cooper zog sie hinter sich her zur Tür hinaus.

Ihre Brustwarzen wurden hart. Maxine redete sich ein, dass es an der kalten Bergluft lag, nicht an der Tuchfühlung mit seinem Rücken.

Auf dem menschenleeren Bürgersteig nahm Cooper sich Zeit, bevor er sie losließ und sich zu ihr umdrehte.

Beinahe musste sie wieder nach ihm greifen, um sich zu stützen. Denn sein durchdringender Blick ging ihr zutiefst unter die Haut.

Wie so oft, wenn Cooper in Maxines Nähe kam, wurden seine Jeans sehr eng im Schritt. Diesmal war es besonders schlimm, denn in schwarzer Yogakleidung, die ihren aufregenden Körper wie eine zweite Haut umschmiegte, wirkte sie äußerst aufreizend. Solche Outfits sollte man verbieten.

Bei ihrem Zusammenstoß wäre die Leidenschaft beinahe mit ihm durchgegangen. Es hatte nicht viel gefehlt, und er hätte sich zu Maxine umgedreht, sich an sie gedrängt und sie geküsst, bis ihr der Atem verging. Um sein heftiges Verlangen zu verbergen und ihren unwiderstehlichen Anblick zu meiden, hatte er das Lokal mit ihr verlassen.

Nun bemühte er sich, ihr ins Gesicht zu sehen, doch sein Blick wanderte immer wieder zu ihrem Tanktop. Denn noch immer zeichneten sich ihre Brustwarzen, die er im Rücken gespürt hatte, deutlich unter dem elastischen Stoff ab. Er musste die Hände in die Jeanstaschen stecken, um nicht ihre Brüste zu streicheln und die harten Spitzen zu reiben.

„Sie wollten mit mir reden?“, fragte sie.

Er nickte und räusperte sich, weil er seiner eigenen Stimme nicht traute. „Ich habe eine E-Mail von einem Bekannten bei der Strafvollzugsbehörde in Florida bekommen.“

Verständnislos blickte Maxine ihn an.

Liegt es am Wein oder an der Lust, dass sie meine Bemerkung nicht zuordnen kann? Er hoffte, dass Erregung der Grund war. „Aus Florida, wo dieser Nick Galveston einsitzt?“

„Ach ja, natürlich. Moment mal! Wieso kriegen Sie eine E-Mail wegen Nick?“

„Weil Sie sich solche Sorgen um Ihre Freundin machen, habe ich recherchiert und einen Kumpel kontaktiert.“

„Sie haben das für Mia getan?“, hakte sie erstaunt nach.

„Entgegen Ihrer Meinung bin ich kein egoistischer Schuft, sondern gern bereit, anderen Menschen einen Gefallen zu tun. Ich kann nicht mit ansehen, wie jemand in ständiger Angst lebt. Und ich hasse Männer, die Frauen wehtun.“ Er verschwieg jedoch, dass er sich durch seinen Einsatz außerdem bei Maxine beliebt machen wollte.

„Und? Was ist dabei herausgekommen?“

„Seine Zelle wurde nach verbotenen Waren gefilzt. Dabei hat man unzählige Fotos von Mia und dem Außenbereich der Snowflake Dance Academy gefunden. Sie steckten in einem Umschlag mit einem Poststempel aus Boise vom vergangenen Monat. Da ihm jeglicher Kontakt zu seinem Opfer verboten wurde, konnte ihm formell Gesetzesverstoß vorgeworfen werden. Das bedeutet, dass sein Entlassungsgesuch höchstwahrscheinlich abgelehnt wird.“

Maxine schlug sich eine Hand vor den Mund und legte Cooper die andere auf den Arm. „Das ist ja fantastisch! Vielen, vielen Dank! Wir müssen es Mia gleich sagen.“

„Moment! Das gilt höchstwahrscheinlich nur vorläufig. Vor allem müssen Sie bedenken, dass dieser Kerl jemanden darauf angesetzt hat, Mia auszuspionieren. Sie muss also auf der Hut bleiben.“

Sie ließ die Hand von seinem Arm sinken und fröstelte plötzlich in der abendlichen Kühle. „Und was soll ich ihr sagen?“

„Das sollen Sie entscheiden. Sie kennen sie besser als ich. Aber es wäre ratsam, den Sheriff zu informieren, damit seine Leute nach Verdächtigen Ausschau halten können.“

„Ich glaube nicht, dass es viel nützen würde. Ach, verdammt! Ich wünschte, wir hätten vor Ort eine Polizeiwache. Was meinen Sie denn, wie man vorgehen sollte?“

Sie schaute ihn mit ihren großen blauen Augen an – ausnahmsweise nicht grollend, sondern hoffnungsvoll.

Bevor er antworten konnte, steckte Hunter den Kopf zur Tür heraus und rief: „Mom, dein Essen ist da! Coop, Grandma sucht nach dir.“ Er blickte zwischen beiden hin und her. „Was macht ihr denn da draußen?“

Hastig wich Maxine zurück und behauptete: „Nichts.“

Was für ein tolles Timing! Gerade als wir angefangen haben, ein bisschen entspannter miteinander umzugehen. „Wir reden später weiter“, schlug Cooper leise vor.

Kaum hatten sie das Restaurant wieder betreten, da rief Cessy durch den ganzen Gastraum: „Cooper! Kommen Sie her! Ich muss Ihnen einige Leute vorstellen.“

Maxine beugte sich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich habe ganz vergessen, Sie vor Hunters Großmutter zu warnen. Sie wirkt meistens etwas dominant, aber sie meint es gut.“

„Das habe ich schon gemerkt.“

„Ich entschuldige mich im Voraus für alles, was sie von sich gibt.“

Sieh an, freute er sich insgeheim, die Frau wird mir gegenüber allmählich weicher. Dagegen wurde er alles andere als weich, wenn sie ihm so nahe kam, dass ihm ihr betörender Vanilleduft in die Nase stieg. „Wenn es Ihnen wirklich leidtut, kommen Sie mit und stehen mir bei.“

„Nicht an meinem freien Abend. Sie sind auf sich gestellt, Soldat. Viel Glück.“ Lächelnd tätschelte Maxine seinen Arm und kehrte zu ihren Freundinnen zurück.

„Cooper, wo bleiben Sie denn?“, rief Cessy ungehalten.

Er straffte die Schultern und fragte sich, was man von ihm wollte, während er an den Tisch trat, an dem sie mit mehreren hohen Tieren aus Sugar Falls saß.

Noch vor Sonnenaufgang stand Maxine in der Backstube. Es war ihre bevorzugte Tageszeit, wenn Hunter noch tief und fest schlief, wenn sie allein mit ihren Gedanken war.

Sie hatte gerade das Radio eingeschaltet und Säcke mit Zucker und Mehl aus der Vorratskammer geschleppt, als es an die Hintertür klopfte. Ihre Angestellten erschienen erst um sieben, und Lieferungen kamen nicht vor Mittag. Deswegen war ihr ein bisschen unbehaglich zumute. Unwillkürlich dachte sie daran, dass irgendein Krimineller in der Stadt herumschnüffelte und Mia ausspionierte.

Mit einem flauen Gefühl im Magen ging sie zur Tür. Sie spähte durch den Spion und erblickte Cooper. Unwillkürlich hob sie eine Hand zu ihren Haaren, die nur notdürftig in einem Pferdeschwanz gebändigt waren. Dann schalt sie sich, dass sie sich überhaupt um ihr Aussehen scherte. Sie entriegelte die Tür und öffnete sie einen schmalen Spalt.

„Hey. Ich weiß von Hunter, dass Sie frühmorgens hier anzutreffen sind, und bin gekommen, weil ich mit Ihnen über eine Idee wegen Mia reden möchte.“

Eine Atemwolke lenkte ihre Aufmerksamkeit auf seine vollen Lippen und machte ihr bewusst, dass es in den Bergen selbst im Frühling noch klirrend kalt sein konnte. Sie zog die Tür weiter auf. „Kommen Sie herein. Ich habe frischen Kaffee. Möchten Sie welchen?“

„Danke, sehr gern.“

Maxine konnte kaum glauben, wie freundlich sie miteinander umgingen. Während sie zwei Becher füllte, spürte sie seinen forschenden Blick im Rücken. Als sie ihm seinen Kaffee reichte, streiften sich ihre Finger. Seine Nähe in aller Herrgottsfrühe wühlte sie innerlich auf, und ihre Haut begann zu prickeln.

„Hier entsteht also der Zauber …“

Was meint er denn damit? Will er mich in meiner warmen Backstube bezaubern?

Er blickte sich um. „Ich wollte mir diesen Ort schon längst mal ansehen. Die Kekse, die Hunter mir geschickt hat, waren köstlich, und alle Gäste vom Cowgirl Up haben mir erzählt, dass dieses Geschäft besonders an den Wochenenden boomt wie kein anderes in der Stadt.“

Ach so, die Art von Zauber … „Ja, es läuft ganz gut, aber ich weiß nicht, ob wirklich etwas so Besonderes daran ist.“

„Das muss wohl so sein. Sonst wäre es nicht in der Sendung ,Guten Morgen, Boise‘ vorgestellt worden.“

„Oh, Sie haben davon gehört?“

„Habe ich nicht erwähnt, dass ich jeden Morgen im Cowboy Up Café frühstücke? Ich glaube, ich bin in alle Geschehnisse in einem Radius von hundert Meilen eingeweiht. Wie auch immer, welches Geheimnis steckt hinter den besten Keksen in ganz Idaho?“

„Eigentlich gar keins. Soll ich Sie herumführen?“

„Ich dachte schon, Sie fragen mich nie“, erwiderte er und lächelte herausfordernd.

Sie starrte auf das bezaubernde Grübchen in seiner Wange, das sie von seinen Fotos, die er an Hunter geschickt hatte, kannte. Es ließ sein Gesicht weicher und zugänglicher wirken. Reiß dich zusammen, Maxine! Ganz egal, wie attraktiv er auch sein mag, er ist nicht für dich bestimmt.

Autor

Christy Jeffries
<p>Christy Jeffries hat einen Abschluss der University of California in Irvine und der California Western School of Law. Das Pflegen von Gerichtsakten und die Arbeit als Gesetzeshüterin haben sich als perfekte Vorbereitung auf ihre Karriere als Autorin und Mutter erwiesen. Mit zwei Energiebündeln von Söhnen, der eigenwilligen Großmutter und einem...
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