Schenk mir 1001 Liebesnacht! (Julia 092020)

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Gerade noch rechtzeitig wird Kasia von Raif, dem Sohn des Scheichs, aus einem Sandsturm gerettet. Die erotische Anziehungskraft zwischen ihnen ist stärker als jede Vernunft. Willenlos vor Erregung schenkt Kasia dem Wüstenprinzen unter tausend Sternen ihre Unschuld. Ihr Schicksal scheint besiegelt. Nach Landestradition bedeutet das Heirat. Aber das ist für Kasia undenkbar! Überstürzt flieht sie nach England, wo Raif sie einige Monate später aufspürt. Sie wappnet sich gegen seinen Zorn, weil sie ihn verlassen hat. Aber er will nur eins: eine zweite Nacht …
  • Erscheinungstag 11.06.2020
  • Bandnummer 92020
  • ISBN / Artikelnummer 9783963690990
  • Laufzeit 04:56:45
  • Auflagenart ungekürzte Lesung
  • Audio Format mp3-Download
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Leseprobe

1. KAPITEL

Kasia Salah blinzelte in den Hitzedunst am Horizont und die darüber schimmernde ominöse Staubwolke. Dann sah sie wütend auf ihr Smartphone.

Kein Empfang.

Leise stieß sie einen Kraftausdruck aus, den sie während ihrer Jahre an der Universität von Cambridge aufgeschnappt hatte. Schweiß sammelte sich über ihrer Oberlippe und rann ihr unter dem T-Shirt und dem weiten Gewand, das sie gegen Hitze und Staub der Wüste trug, den Rücken hinunter. Sie schob das Smartphone in die Gesäßtasche ihrer Shorts unter den voluminösen Stoffbahnen. Frustriert starrte sie auf den Motor des schwarzen SUVs und fluchte noch einmal, dieses Mal lauter. Schließlich hielt sich im Umkreis von fünfzig Meilen kein Mensch auf, der sie hätte hören können, und Fluchen vermittelte ihr ein Gefühl der Stärke, auch wenn es nichts nützte.

Warum hatte sie nicht daran gedacht, das Satellitenhandy einzustecken, als sie aus dem Palast zu dieser Erkundungsfahrt aufgebrochen war? Oder einen Begleiter mitzunehmen? Vorzugsweise einen, der etwas mehr von Motoren verstand als sie? Kasia seufzte und trat gegen den Reifen des fahruntauglichen Jeeps.

Es war ein Fall von Leichtsinn, überhöhtem Selbstvertrauen und übertriebenem Optimismus – ihre drei liebsten Fehler.

Scheich Zane Ali Nawri Khan, der Mann ihrer besten Freundin Catherine, Herrscher von Narabia und nominell ihr Chef, hatte große Anstrengung darauf verwendet, weiten Teilen des Königreichs Internet und Mobilfunknetz zugänglich zu machen. Kasia vermutete, dass sie zu dicht an die Grenzgebiete geraten war, unerschlossene Wüste, im Süden flankiert vom Bergland, bevölkert von den Kholadi-Nomaden. Soweit sie informiert war, verfügten die Kholadi nicht einmal über fließendes Wasser. Entsprechend gering waren die Chancen, dass sie ein Handysignal brauchten.

Sie zog den Stoff ihres Gewands über ihre Hände, um sich beim Schließen der Kühlerhaube nicht am heißen Metall zu verbrennen. Zum Glück hatte sie Cat und ihrer Sekretärin Nadia einen detaillierten Routenplan ihres Tagesausflugs geschickt. Wenn sie abends nicht zurück war, würden sie einen Suchtrupp schicken.

Das bedeutete aber trotzdem, dass sie die Nacht im Jeep verbringen musste.

Das konnte ein Heidenspaß werden, zumal die Temperatur massiv sank, sobald die Sonne untergegangen war.

Der heiße, trockene Wind trieb ihr Sand ins Gesicht. Kasia zog die Kopfbedeckung des Gewands über Mund und Nase, um den körnigen Staub nicht einzuatmen, und spähte in Richtung Horizont. Die Wolke war größer geworden, breitete sich rasch nach links und rechts aus und verdeckte den flimmernden Hitzeschleier.

Adrenalin schoss durch ihren Körper. Und die Angst, die sie gezügelt hatte, trieb ihr ein Schaudern über den Rücken.

Ist das ein Sandsturm?

Kommt er auf mich zu?

Sie hatte noch nie einen Sandsturm erlebt, so abgeschieden, wie sie den größten Teil ihres Lebens im luxuriösen Schutz der Frauenquartiere im Goldenen Palast verbracht hatte.

Doch sie hatte von Sandstürmen gehört. Die Verheerungen, die sie anrichteten, konnten erwachsene Männer und Frauen vor Angst erblassen lassen. Ihre Großmutter hatte ehrfürchtig im Flüsterton von Sandstürmen erzählt: wie die schlimmsten von ihnen das Königreich verwüstet, Ackerland zurück in Wüste verwandelt und zahlreiche Tote gefordert hatten.

Sie wehrte sich gegen die aufkommende Panik.

Sei nicht so eine Drama-Queen.

Noch einer ihrer Fehler. Sie stellte sich alles viel zu lebhaft vor.

Ihre Großmutter war trotz all ihrer angeborenen Weisheit ebenfalls eine Drama-Queen gewesen. Kasia war erst vier gewesen, als ihre Großmutter sie zu sich genommen hatte. Als der alte Scheich gestorben war und sein Nachfolger Scheich Zane die Wissenschaftlerin Catherine Smith von der Cambridge Universität einstellte, um ein Buch über das Königreich zu schreiben, war sie selbst Teil des Palastpersonals geworden.

Mit neunzehn Jahren Catherines persönliche Assistentin zu werden hatte Kasias Leben verändert. Ganz besonders, als Catherine den Scheich heiratete, Königin von Narabia wurde und Kasia die Augen für die aufregende Welt jenseits der Palastmauern öffnete. Jetzt war sie nicht mehr der übereifrige, übertrieben fantasievolle und romantische Teenager, der alle Unsicherheiten hinter einem Schleier unerfüllbarer Träume verbarg. Heute war sie eine erwachsene Frau mit dem Traum, Umweltwissenschaftlerin zu werden und Narabias Kulturlandschaften vor der Wüste zu retten, die diese zu vernichten drohte.

Ein bisschen Sand und eine Nacht im Jeep konnten Kasia nicht aus der Fassung bringen … Nicht sehr. Eine Nacht in der Wüste brachte ihr womöglich sogar nützliche Forschungsdaten ein.

Und wer sagte überhaupt, dass es ein Sandsturm war? Der Wetterbericht hatte nichts dergleichen angekündigt, und sie hatte vor ihrem Aufbruch sowohl den lokalen als auch den Satellitendienst befragt. Denn sie mochte waghalsig sein, aber blöd war sie nicht.

Kasia redete sich beruhigend zu, löste den Blick jedoch nicht vom Horizont.

Die dunkle, undurchdringliche Wolke wuchs und verdeckte die Sonne. Sie war mindestens dreißig, vierzig Meter breit, sicher noch eine Meile entfernt, näherte sich aber rasch. Lärm zerriss die Wüstenstille. Kleine Lebewesen – eine Eidechse, eine Schlange, ein Nagetier – huschten und glitten an ihren Stiefeln vorbei, um sich eiligst in den Boden zu graben. Der helle, wolkenlose Himmel verdunkelte sich.

Angst schnürte Kasia die Kehle zu. Sollte sie in den SUV steigen? Oder lieber darunterkriechen?

Dann sah sie, wie etwas Kugelartiges – ein Fleck am Horizont – aus der Wolke hervorschoss. Es dauerte eine Weile, bis der schimmernde Fleck sich zu einem Umriss verdichtete. Es war ein Mensch, auf einem Pferd, in vollem Galopp.

Angst und Panik packten sie.

Schwarze fließende Gewänder flatterten hinter der reitenden Gestalt im Wind wie die Flügel eines riesigen Raubvogels. Über das Brüllen des Sandsturms hinweg wurde der Hufschlag des Pferdes hörbar.

Der Reiter war ein Mann. Ein sehr großer Mann. Seine Silhouette war breit und kräftig, seine elegante Erscheinung kraftvoll und überwältigend. Er schien eins zu sein mit seinem galoppierenden Hengst. Sein Gesicht war weitgehend unter seiner Kopfbedeckung verborgen.

Panik krampfte Kasias Herz zusammen, das im Takt der sich nähernden Hufe hämmerte, als Pferd und Reiter den Kurs änderten und direkt auf sie zuhielten.

Dann bemerkte sie den Büchsengurt über seiner breiten Brust.

Ein Rebell. Was sonst konnte er sein, so fern der Zivilisation?

Lauf, Kasia, lauf.

Der stumme Schrei hallte in ihrem Kopf nach. Der heulende Wind wirbelte den Sand um sie herum auf. Die Stimme ihrer Großmutter – eine Stimme, die sie immer mit Rettung in Verbindung brachte – ermahnte sie: Bleib ruhig. Keine Panik. Er ist nur ein Mann.

Aber noch während sie ihre Angst zu bändigen versuchte, breitete sich ein merkwürdig schmelzendes Gefühl in ihrem Inneren aus.

Von seinem Halstuch gedämpft und in einem Dialekt, den sie nicht erkannte, ertönte ein Ruf.

Er hatte sie fast erreicht.

Um Himmels willen, Kasia, steh nicht dumm herum! Beweg dich!

Der eigene Aufruf zum Handeln half ihr über die Angst hinweg, allein und schutzlos zu sein, eine Angst, gegen die sie als Kind lange Jahre gekämpft hatte.

Du bist nicht mehr das kleine Mädchen, das nicht gut genug war. Du bist klug und mutig und tüchtig.

Sie drückte sich um den Jeep herum, riss die Beifahrertür auf und stürzte sich ins stickige Wageninnere. Das Prasseln des Sands gegen die Scheiben klang wie Gewehrsalven. Kasia griff nach der Pistole auf dem Beifahrersitz.

Zane hatte darauf bestanden, dass sie schießen lernte, bevor er ihr erlaubte, allein hinaus in die Wüste zu fahren. Doch als sich ihre Finger nun um das Metall schlossen, schlug ihr das Herz bis zum Hals.

Eine Zielscheibe traf sie sehr sicher, doch sie hatte noch nie auf ein Lebewesen geschossen.

Das heranstürmende Pferd hielt abrupt vor der Stoßstange des SUVs. Kasia stieg aus. Der Sand peitschte ihre Wangen, als sie mit beiden Händen die Pistole hob und mit zitterndem Finger den Abzug fand.

„Stehen bleiben oder ich schieße!“, rief sie auf Englisch.

Schokoladenbraune Augen verengten sich über dem Gesichtsschutz und glommen vor Zorn und Entschlossenheit. Das warme Gefühl in Kasias Unterleib wurde heiß und schwer. Und noch beängstigender.

Der Rebell schwang ein Bein über den Pferdehals und sprang elegant herab, ohne etwas zu sagen. Seine dunklen Augen brannten sich in ihre Seele ein.

Kasia fuhr einen Schritt zurück, und ein Schuss löste sich aus der Pistole. Im Brausen des Sturms war der Knall kaum zu hören, doch der Rückschlag ließ Kasia hart auf dem Hinterteil landen. Sie sah, wie der Mann zurückzuckte.

Habe ich ihn getroffen?

Bevor der Gedanke richtig greifen konnte, stieg der Hengst und schwang über ihrem Kopf die Hufe. Der Mann fing die Zügel des Pferdes ein, bevor es Kasia in den Wüstenboden trampeln konnte, und eine Welle der Erleichterung überrollte sie. Doch binnen Sekunden stand der Mann drohend über ihr, und die Erleichterung darüber, dass sie ihn nicht getötet hatte, wich einer neuerlichen Panik. Sie trat mit den Füßen aus.

„Lass mich in Ruhe.“

Wo war die Waffe?

Verzweifelt sah sie sich nach der Pistole um, doch der wirbelnde Sand nahm ihr fast vollständig die Sicht. Einzig der Mann stand in ihrem Blickfeld, und sein bedrohlicher Umriss rückte ihr zu Leibe.

Er griff nach ihrem Arm, zog Kasia auf die Füße, beugte sich herab und warf sie sich über die Schulter. Und noch ehe sie begriff, wie ihr geschah, fand sie sich auf dem schweißnassen Rücken des riesigen schwarzen Pferdes wieder.

Sie hob ein Bein, um abzusitzen, doch bevor sie das Knie über den Sattelknauf schwingen konnte, saß der Mann bereits hinter ihr.

Mit einer Hand ergriff er die Zügel, den anderen Arm legte er um ihre Mitte und zog Kasia fest an seinen harten Körper.

Ein „Umpf“ entfuhr ihr, als alle Luft aus ihrer Lunge wich. Die eiserne Umklammerung seines Unterarms quetschte ihre Brüste. Und dann flogen sie plötzlich, und ihr Hinterteil hüpfte im Sattel auf und ab. Kasia wollte schreien, sich gegen die auf den Schrecken folgende Lethargie aufbäumen. Die tief sitzende Glut, die sich in ihr ausbreitete, machte ihr all die Stellen überdeutlich bewusst, an denen ihre Körper einander berührten.

Er entführt dich. Du musst kämpfen. Du musst überleben.

Die Worte dröhnten in ihrem Kopf, doch ihr Atem ging inzwischen so schnell, dass es schmerzte. Ihr gesamter Körper wurde von seinem eingeengt, unterworfen, überwältigt. Während Sand, Staub und Dunkelheit um sie herumtobten.

Sie ritten eine gefühlte Ewigkeit durch den wirbelnden Sand, bis Angst und Panik irgendwann aufhörten und ihr Körper vor Erschöpfung erschlaffte. Die rhythmischen Bewegungen des Pferdes krochen ihr in die Knochen, die eiserne Stärke des Mannes schützte sie vor den Elementen.

Stockholm-Syndrom? fragte sie sich benommen. Ihr erschöpfter Verstand war nicht mehr fähig, sich mit dem Schrecken auseinanderzusetzen, als ihr Körper sich der undurchdringlichen Dunkelheit, der beherrschten Zielstrebigkeit ihres Entführers und der lähmenden Glut in ihrem Inneren ergab.

Als ihr die Augen zufielen und ihr Körper schlaff wurde, wanderte sie in den Jahren zurück, bis sie wieder das kleine Mädchen war. Doch dieses Mal war sie nicht allein und schutzlos, nachdem ihre Mutter ohne einen Blick zurück gegangen war, sondern lag vor dem Sturm geschützt in starken Armen.

2. KAPITEL

Kasia wachte immer wieder auf. Zuerst streifte die Kälte ihr Gesicht, dann spürte sie das schwere Gewicht in ihrem Rücken, das sie gleichzeitig beengte und wärmte. Als Kasia die Augen aufschlug, klopfte ihr das Herz bis zum Hals.

Rotes Licht glühte am Horizont, über ihr glitzerten Sterne. Sternschnuppen schossen über den Himmel und beleuchteten die Dünen. Kasias Schenkel zitterten, und sie wurde sich des großen warmen Leibes zwischen ihnen bewusst.

Ein Pferd. Sie saß auf einem Pferd.

Auf seinem Pferd.

Die Erinnerungen brachen über sie herein.

Entführt!

Der Mann, dessen muskulöser Unterarm ihre Taille umklammerte, hatte sie entführt.

All die unangebrachten Träume von ihm kamen ebenfalls zurück. Sie verdrängte sie und versuchte, ihre Arme zu befreien.

Der Sturm war vorüber. Und sie war mitten in der Wüste, allein mit dem Rebellen, der sie gefangen genommen hatte. Und gerettet. Aber warum?

Die Hufe des Pferdes stampften geduldig über die Dünen. Im Tal vor ihnen kam eine Oase in Sicht. Sicher und zuverlässig suchte das Pferd sich den Weg den Hügel hinab. Im Wasser spiegelte sich das Rot des Sonnenuntergangs, rundum wuchsen Palmen und Pflanzen in üppiger Vielfalt. Der raue Atem des Entführers hallte in Kasias Ohren und brachte ihr Herz zum Hämmern.

War das Erregung, was sie in seinem rauen Atmen zu erkennen glaubte? Woher sollte sie das wissen? Sie hatte noch nie in den Armen eines erregten Mannes gelegen.

Als sie sich an den Sattelknauf klammerte, kribbelten ihre tauben Finger. Ihre Schenkel zitterten und brannten, wund von Stunden auf dem Pferd. Sie spürte den stechenden Schmerz an den Stellen, wo der Sandsturm ihre ungeschützte Haut abgeschürft hatte.

Sie schluckte und versuchte, ihrem erschöpften Verstand einen Plan abzuringen.

Wenn er sie vor dem Sandsturm gerettet und vielleicht gar nicht die Absicht hatte, ihr etwas anzutun, war jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, mit ihm zu reden.

„Danke für die Rettung vor dem Sandsturm“, sagte sie so verbindlich, wie ihre raue Kehle und das Gefühl seines massiven Brustkorbs an ihrem Rücken es erlaubten. „Ich bin eng mit der Königin befreundet. Sie wird es Ihnen großzügig danken, wenn Sie mich jetzt zum Palast zurückbringen.“ Ihre Worte klangen unangemessen laut in der stillen Nacht.

Doch der Mann antwortete nicht. Sein Körper drückte sich schwer an ihren, als das Pferd sich dem Wasser näherte. Kasia entdeckte ein großes Zelt in einem Palmenhain. Vor dem Zelt blieb das Pferd stehen, und wieder beschleunigte sich Kasias Puls.

Der Duft frischen Wassers vertrieb den Geruch nach Pferd und schwitzendem Mann. Mit der Schulter stemmte sie sich gegen seine Brust und befreite ihre Arme.

Der Mann stöhnte leise, doch seltsamerweise setzte keine neuerliche Panik bei Kasia ein.

Der Mann war groß und bestimmt sehr stark, wenn er meilenweit geritten war, um dem Sturm zu entkommen, doch die Art und Weise, wie er sie gehalten hatte, erschien Kasia nicht bedrohlich, sondern vielmehr beschützend.

Er hatte keinerlei Anstalten gemacht, ihr zu nahe zu treten. Deshalb hielt sie an ihrem Optimismus fest, so lächerlich er auch sein mochte, und wiederholte ihr Versprechen, dass ihn in Narabia Reichtümer erwarteten. Doch sie erhielt keine Antwort.

Schweigend saßen sie auf dem Pferd, und sie nahm mit dem ganzen Körper überdeutlich wahr, wie er sein Gewicht kaum merklich verlagerte.

Sie spürte, wie die festen Muskeln, die sich gegen ihre Hüften pressten, entspannten, und es ging ihr durch und durch. Diese Erregung schockierte sie. Wie konnte sie erregt sein, obwohl sie nicht einmal wusste, ob dieser Mann einer von den Guten war oder nicht?

Wollte er … Wollte er absitzen?

Sie presste dem Pferd die Knie in die Seiten und umklammerte den Sattelknauf. Dem Luftzug in ihrem Rücken, als sein heißes Gewicht sich von ihr löste, folgte ein dumpfer Aufprall.

„Langsam, langsam“, flüsterte sie verzweifelt in ihrer Angst, dass das Pferd durchgehen könnte. Doch nachdem es viel zu dicht am Kopf des Mannes mit den Hufen aufgestampft hatte, beruhigte es sich.

Wie konnte er vom Pferd fallen? Ist er eingeschlafen? Hat er mir darum nicht geantwortet? Nach dem scharfen Ritt war er sicherlich noch erschöpfter als sie.

Fragen schwirrten ihr durch den Kopf. Erleichterung und Verwirrung wechselten sich ab.

Sie beugte sich über den Hals des Pferdes und ergriff die hängenden Zügel. Seit sie Narabia damals verlassen hatte und nach England gereist war, war sie nicht mehr geritten, schon gar nicht auf einem so großen Pferd. Doch als sie dem Hengst die Fersen geben wollte, blickte sie noch einmal auf den Mann herab. Er hatte sich nicht gerührt und lag völlig still da. Ihre Beine entspannten sich, und statt das Pferd anzutreiben, ließ sie sich von dem riesigen Tier herabgleiten.

Vielleicht war sie verrückt – eine lächerliche Optimistin und blauäugige Romantikerin –, aber sie brachte es einfach nicht über sich, wegzureiten und ihn dort liegen zu lassen. Nicht, nachdem sie mehrere Stunden in seinen Armen geschlafen hatte, während er sie beide in Sicherheit gebracht hatte.

Sie kam auf der anderen Seite zu Boden, ergriff die Zügel und führte das Pferd weiter fort von der reglosen Gestalt.

Sie versuchte, das Tier zu dem Zelt unter den Palmen zu führen, doch es ließ sich nicht bewegen, sondern schnaubte nur und warf den Kopf auf.

„Du willst ihn wohl nicht allein lassen, was?“

Das Pferd hob und senkte den Kopf, als würde es nicken.

Irgendwann gab Kasia den Versuch auf, das Pferd fortzulocken. Sie näherte sich dem am Boden liegenden Mann. Er hatte sich nicht gerührt, trotzdem war sie vorsichtig. Auf dem Pferd war er ihr riesig vorgekommen, und jetzt, flach auf dem Rücken liegend, wirkte er kaum kleiner.

Eine Sternschnuppe erhellte den dunklen Himmel, und Kasia schnappte nach Luft, als das strahlende Licht über ihr explodierte. Die schwarze Kopfbedeckung hatte Mund und Nase freigelegt. Der Mann hatte welliges dunkles Haar, das jetzt in wilden Büscheln von seinem Kopf abstand. Sein auffallend schönes Gesicht raubte ihr den Atem.

Scharfe hohe Wangenknochen, schwarze Brauen, sonnenbraune Haut und perfekt symmetrische Züge. Bartstoppeln bedeckten die untere Gesichtshälfte. Nicht einmal Scheich Zane konnte ihm das Wasser reichen. Seine Züge waren nicht so fein wie die des Scheichs, aber umso anziehender.

Darauf kommt es nicht an, Kaz. Und wenn er tausendmal aussieht wie ein Filmstar, ist er doch ein Rebell.

Aber er war der Filmstar-Rebell, der sie gerettet hatte.

Entschlossen ließ sie sich neben ihm auf die Knie nieder, so nahe, dass sie im schwächer werdenden Licht sein Gesicht sehen konnte. Warum kommt er mir bekannt vor?

Wieder schoss eine Sternschnuppe über den Himmel und beleuchtete sein Gesicht. Schock gesellte sich zu der Glut tief in ihrem Inneren, als sie ihn erkannte.

Kasia rang nach Luft. „Prinz Kasim?“

Der Herrscher der Kholadi. Vor fünfeinhalb Jahren hatte er an Cats und Zanes Hochzeitsfeier teilgenommen. Kasia kannte all die Gerüchte über diesen Mann: dass er der außereheliche Sohn einer der Konkubinen des alten Scheichs war, der als Junge aus dem Palast geworfen wurde. Damals war Zane, der eheliche Sohn des Scheichs, als Halbwüchsiger seiner amerikanischen Mutter in L. A. entrissen und nach Narabia entführt worden. Es hieß, Kasim sei von dem Nomadenstamm seiner Mutter mit der gleichen Verachtung behandelt worden wie in Narabia, bis er sich mit seinem Kampfgeschick bis an die Spitze des Kholadi-Stammes gekämpft hatte.

Sie hatte diese Geschichten geliebt. Sie waren so fesselnd und dramatisch und stellten Kasim noch mythischer, gefährlicher und aufregender dar, was gar nicht nötig war, nachdem Kasia ihm als Neunzehnjährige auf Cats und Zanes Hochzeit begegnet war.

In schwarzer Festkleidung war er an der Spitze einer schwer bewaffneten Ehrengarde vom Kholadi-Stamm in den Palast geschritten und hatte ihr den Atem verschlagen, genau wie jedem anderen Mädchen und jeder anderen Frau unter den Anwesenden auch. Er war groß und hochmütig und überwältigend, teils Krieger, ganz und gar Stammesfürst, ganz und gar Mann. Und er war bedeutend jünger, als Kasia erwartet hatte. Zur Zeit der Hochzeit musste er Mitte zwanzig gewesen sein, denn er war schon mit siebzehn Herrscher der Kholadi geworden. Nach jahrelangen Kämpfen gegen das Heer seines eigenen Vaters hatte er eine Waffenruhe mit Narabia ausgehandelt, als Zane den Thron bestieg.

Nachdem sie ihn während der Hochzeit und einiger anderer offizieller Besuche beobachtet hatte, entwickelte Kasia gewissermaßen ein Faible für den Kriegerprinzen. Sein Händchen für Frauen war beinahe so legendär wie seine Kriegskunst und seine politische Gewandtheit. Sie liebte all die Gerüchte, die nach jedem seiner Besuche in die Frauenquartiere des Palasts einsickerten: wie atemberaubend männlich er unbekleidet war, wie eindrucksvoll bestückt er war, wie er eine Frau mit nur einem Blick zum Orgasmus bringen konnte. Wie aller Klatsch in den Frauengemächern so wurden diese schlüpfrigen Geschichten großzügig ausgeschmückt, doch jedes Mal, wenn Kasia seinen kräftigen, muskelbepackten Körper oder sein verwegenes, unbekümmertes Lächeln sah, stellte sie sich vor, dass jedes Wort wahr wäre. Zu gern wäre sie die nächste Frau gewesen, die er mit diesem Lächeln und mehr beschenkte.

Damals war Kasim für sie ein Mythos, das Objekt der heißen Sehnsucht einer Heranwachsenden, überlebensgroß in jeder Hinsicht. Doch jetzt war er einfach nur ein Mann.

Die Glut, die sie vergeblich zu ignorieren suchte, breitete sich an ihren intimsten Stellen aus.

Man nannte ihn nicht umsonst den Schurken-Scheich.

Sie sah ihn an, konnte nicht fassen, dass sie eine Waffe auf ihn gerichtet hatte. Zum Glück hatte sie ihn nicht erschossen. Trotz seiner Verruchtheit war er ein mächtiger Prinz. Außerdem hatte er sie gerettet. Vor einem Sandsturm.

Während sie ihren romantischen Gedanken nachhing, begannen seine Augenlider zu flattern.

„Prinz Kasim, ist alles in Ordnung?“, fragte sie zuerst auf Englisch, dann auf Narabisch. Sprach er überhaupt Englisch?

Er stöhnte, und jetzt erst bemerkte Kasia den Schweißfilm auf seiner Stirn und seine glasigen Augen. Er antwortete in nicht ganz akzentfreiem Englisch:

„Ich heiße Raif. Nur mein Bruder ruft mich bei meinem narabischen Namen.“ In seiner rauen Stimme schwang Empörung mit. „Und, nein, nichts ist in Ordnung. Du kleine Hexe hast mich angeschossen.“

Die Kugel hatte ihn doch getroffen?

„Es tut mir leid“, schrie sie auf. Bevor sie mehr sagen konnten, schloss er wieder die Augen.

Es wurde rasch dunkel. Kasia packte sein Gewand, riss es herunter und entblößte nackte Haut. Narben – so viele Narben – und eine Tätowierung bedeckten seine glatte Haut und ließen die Muskelpakete noch prachtvoller erscheinen.

Sie achtete nicht auf das heiße Pochen in ihrem Schoß, sondern legte die zitternden Finger auf seine Brust, spürte, wie die Muskeln sich spannten, als sie über seine Rippen bis zu seiner Schulter strich und die Verletzung ertastete. Ihre Finger stießen auf etwas Klebriges, Feuchtes. Sie zog die Hand zurück und starrte erschrocken auf das frische Blut. Ein metallischer Geruch drang ihr in die Nase.

Sie fluchte.

Denn sie war mit einem blutenden Mann allein in der Wüste. Mit einem blutenden bewusstlosen Kriegerprinzen, der sie vor einem Sandsturm gerettet und den sie zum Dank angeschossen hatte.

Nie im Leben hatte sie sich so machtlos gefühlt.

3. KAPITEL

Du bist nicht mein Sohn. Du bist niemandes Sohn. Du bist weiter nichts als Ungeziefer, eine Ratte, unerwünscht auf die Welt gekommen.

Die böse Erinnerung schoss durch Raifs Körper. Sein Herz klopfte so heftig, dass er zu ersticken glaubte. Das Gesicht seines Vaters tauchte vor ihm auf. Grausam verzogene Lippen, Verachtung in den harten dunklen Augen und das Echo der einzigen Worte, die er je an Raif gerichtet hatte, fuhren kalt wie eine Klinge durch den gewohnten Albtraum.

Ich habe dich zehn Jahre lang gekleidet und ernährt. Jetzt bist du ein Mann, ich habe meine Pflicht erfüllt. Geh jetzt.

„Nein!“ Beschämend, erbarmungswürdig und flehend entfuhr der verzweifelte Schrei seinem Mund.

Das Klatschen der Hand seines Vaters klang wie ein Flintenschuss, doch der Schmerz entsprang dieses Mal nicht seinem Wangenknochen, sondern seinem Arm. Raif wand sich, versuchte, den grausamen Worten und bitteren Erinnerungen zu entkommen.

„Schsch… Prinz Raif, du hast einen bösen Traum. Alles wird gut, wirklich, es ist nur eine Fleischwunde.“

Sanft gesprochene englische Worte drangen durch die Qual, die ihn einhüllte, zu ihm durch. Etwas Kühles, Weiches streifte seine Stirn. Wie Engelsflügel.

„Kein Prinz … Eine Ratte“, flüsterte er in derselben Sprache.

Ein exotischer Duft – Jasmin, Gewürze und weiblicher Schweiß – schwebte auf einer kühlenden Brise durch die Nacht. Raifs Nasenflügel bebten. Die Wärme der Nacht ließ sich in seinen Lenden nieder. Sein Glied schwoll an. Er konzentrierte sich auf das Pulsieren der Lust, ließ es durch seinen Körper fließen und den Schmerz lindern, den der Albtraum jedes Mal in seinem Herzen auslöste.

Autor

Heidi Rice
<p>Heidi Rice wurde in London geboren, wo sie auch heute lebt – mit ihren beiden Söhnen, die sich gern mal streiten, und ihrem glücklicherweise sehr geduldigen Ehemann, der sie unterstützt, wo er kann. Heidi liebt zwar England, verbringt aber auch alle zwei Jahre ein paar Wochen in den Staaten: Sie...
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