Schockierendes Wiedersehen an der Riviera

– oder –

Im Abonnement bestellen
 

Rückgabe möglich

Bis zu 14 Tage

Sicherheit

durch SSL-/TLS-Verschlüsselung

Die heiße Nacht mit dem verwöhnten It-Girl Bea Medford war unvergesslich! Aber mehr darf nicht sein, schwört sich der Selfmade-Milliardär Mason Foxx. Sein Imperium braucht schließlich seine ganze Konzentration. Umso größer ist Masons Schock, als er Bea Monate später in einem Boutique-Hotel in Italien überraschend wiedersieht. Nicht etwas als Gast in der exklusiven Unterkunft: Sie arbeitet hier als Zimmermädchen! Was ist passiert? Und sie ist sichtbar schwanger – sind das etwa die süßen Folgen ihrer Liebesnacht?


  • Erscheinungstag 03.09.2024
  • Bandnummer 2664
  • ISBN / Artikelnummer 9783751524957
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Mason Foxx lehnte sich an die fünfundzwanzig Meter lange Champagnerbar, die aus einem einzigen Stück edlem Mahagoni gefertigt war, und nippte an seinem Glas mit lauwarmem Dom Perignon aus dem Jahr 1959. Er ließ seinen Blick über die anderen Gäste schweifen, die sinnlosen Small Talk hielten und die kostenlosen Cordon Bleu-Canapés verspeisten.

Die riesige ehemalige Fabrikhalle war mit künstlichen Pflanzen geschmückt, um die perfekte Umgebung für die Präsentation eines neuen Herrenduftes zu bieten, der – Masons bescheidener Meinung nach – nach Schimmel roch.

Vor einigen Jahren war das stillgelegte Kraftwerk am Südufer der Themse entkernt, saniert und schließlich in diesen imposanten Veranstaltungsort umgewandelt worden.

Irgendwie seltsam, dachte Mason amüsiert, dass dieser ultramoderne und minimalistische Palast aus Stahl und Beton nur einen Katzensprung von dem Loch entfernt ist, in dem ich aufgewachsen bin. Dabei rieb er mit dem Daumen über die Narbe in seiner Augenbraue – eine vertraute Geste, mit der er sich an seine Kindheit erinnerte und daran, wie viel Kraft es ihn gekostet hatte, nie wieder in eben diesem Loch zu landen.

Ein Hauch von Verachtung mischte sich in sein Lächeln.

Keiner dieser verwöhnten Narzissten hier wusste, wie es sich anfühlte, für alles kämpfen zu müssen, was man zum Überleben brauchte. Doch Mason war durch sein Hotel-Imperium, in das er all seine Energie steckte, an soziale Verpflichtungen wie diese gebunden. Sie setzten jedoch niemals auch nur annähernd so viel Adrenalin in ihm frei wie das Leben allein in den miesen Straßen von Bermondsey.

Die Wahrheit war, dass ihm eine ordentliche Prügelei im Dog and Duck – wo das Geld noch schneller den Besitzer gewechselt hatte als die Pillenpäckchen mit den Smileys darauf – immer noch lieber gewesen wäre als hier gelangweilt an überteuertem Blubberwasser zu nippen.

Natürlich war das Dog and Duck schon vor zehn Jahren abgerissen und Bermondsey genauso gentrifiziert worden wie der Rest von Southwark. Die Schurken von damals, vor denen er sich als Junge so gefürchtet hatte, saßen allesamt im Knast oder waren tot. Doch zumindest hatten all diese Verbrecher Persönlichkeit besessen – im Gegensatz zu den langweiligen, talentlosen Prominenten-Kindern, Anzugträgern und Rampenlichtjägern, die zuverlässig bei Society-Events wie diesem auftauchten.

Er stellte die extravagante Champagnerflöte auf die Bar. Wenn er sentimental wurde und in Erinnerungen an die schlechten alten Zeiten schwelgen wollte, war es an der Zeit, in die Penthouse-Suite zurückzukehren, die er im Foxx Grand in Belgravia bewohnte, oder in das ebenso seelenlose Loft-Apartment in den Foxx Suites mit Blick auf die Tower Bridge.

„Möchten Sie noch ein Glas Champagner, Sir?“, fragte der junge Barmann eifrig.

„Nein, danke, Kumpel, ich muss noch fahren. Und nennen Sie mich nicht Sir“, erwiderte er.

Der Junge errötete und lachte gezwungen. Dann weiteten sich seine Augen, als er etwas über Masons linke Schulter erblickte.

„Wow“, murmelte er ehrfürchtig. „Sie ist ja sogar noch umwerfender als auf Fotos.“

Interessiert wandte Mason sich um, in der Erwartung, von der Frau, die der Junge anstarrte, nicht beeindruckt zu sein. Seiner Erfahrung nach wurde das Aussehen überbewertet. Er war schon mit vielen attraktiven Frauen ausgegangen, oft genug besaßen sie überraschend wenig Persönlichkeit.

Dann entdeckte auch er sie.

Sein Verstand setzte aus, sein Herzschlag verlangsamte sich – und beschleunigte dann auf ungefähr fünftausend Schläge pro Sekunde. Umwerfend war nicht einmal ansatzweise das richtige Wort.

Ein elegantes Kleid in Himmelblau umschmeichelte ihre zarten Kurven und funkelte im Glanz der unzähligen winzigen Lichter, die die exklusive Balkonbar der Fabrikhalle stimmungsvoll beleuchteten. Dieses Mädchen strahlte eine Art königlicher Schönheit aus, über die Männer, die wesentlich gebildeter waren als er, früher Sonette geschrieben hätten.

Unwillkürlich fragte er sich, ob ihre Haut sich so weich und sinnlich anfühlte, wie sie aussah.

Die Wucht, mit der er sich auf einmal wünschte, mit den Fingern durch die blonden Locken zu fahren, die zu einer kunstvollen Frisur aufgetürmt waren, traf ihn wie ein Faustschlag in die Magengrube.

Was zum Teufel …?

Mason schob die Hände in die Hosentaschen. Auch wenn er gerne seinen niederen Instinkten nachgab, so hatte er doch noch nie eine Frau auf den ersten Blick so sehr begehrt. Das gefiel ihm nicht, weil es ihn an das wilde Kind erinnerte, das er einmal gewesen war. Das Kind, das nie dazugehört und sich immer nach dem perfekten Leben der anderen gesehnt hatte.

Sie drehte den Kopf, als würde sie spüren, dass er sie von der anderen Seite der Bar aus beobachtete. So erhaschte er einen Blick auf ihre zarten, nahezu vollkommen symmetrischen Gesichtszüge.

Ihr Gesicht war genauso bemerkenswert wie der Rest von ihr. Es erinnerte ihn an ein Kunstwerk, die dunkle Schminke betonte ihre Augen und ließ sie riesig wirken … und seltsam unschuldig.

Alles nur Show.

Es konnte nicht anders sein. Einer Frau, die so mühelos Sinnlichkeit ausstrahlte wie sie, konnte unmöglich entgehen, welche Wirkung ihr „Ich-bin-zu-perfekt-zum-Berühren“-Auftritt auf jeden heterosexuellen Kerl in dem Gebäude hatte.

In diesem Moment befeuchtete sie sich mit der Zunge die Lippen – eine nervöse Geste, die er fast liebenswert hätte finden können, wäre sie nicht so sexy gewesen.

Sie lenkte seinen hungrigen Blick auf ihren Mund. Ihre vollen Lippen schimmerten im Licht. Der Drang, sie zu küssen, überwältigte ihn geradezu. Auf einmal fühlte seine Kehle sich so ausgedörrt an wie die Wüste Gobi.

Mason schluckte und holte tief Luft, als er verärgert feststellen musste, dass ihm leicht schwindelig wurde, weil sein Blut unter die Gürtellinie strömte. Trotz oder gerade wegen seines schwindenden Denkvermögens konnte er nicht aufhören, die Frau anzustarren.

Unvermittelt weiteten sich ihre großen Rehaugen, als ihr Blick auf seinen traf. Die Unbekannte zuckte zusammen.

Was hatte das zu bedeuten? So göttlich sie auch erscheinen mochte, sie konnte doch nicht aus zwanzig Schritt Entfernung seine schmutzigen Gedanken lesen? Bevor er sich entscheiden konnte, wie er reagieren wollte, drehte sie sich um und verschwand.

Mehrere Herzschläge lang stand er wie ein Trottel da, starrte auf die Stelle, an der sie eben noch gestanden hatte und versuchte herauszufinden, ob er sich vielleicht alles nur eingebildet hatte. War sie ein Hirngespinst seiner sexhungrigen Fantasie? Immerhin hatte er seit über einem Monat kein Date mehr gehabt – nicht mehr, seit Della angefangen hatte, sehr deutlich zu machen, dass sie bei ihm einziehen wollte.

„Wow“, wiederholte der Barmann flüsternd. „Warum nennt man sie die Eiskönigin, wenn sie so heiß ist?“

„Wer ist sie?“, fragte Mason und wünschte sich plötzlich, er hätte sich mehr für den Klatsch und Tratsch von Prominenten interessiert.

„Das … das ist Beatrice Medford“, stotterte der Junge. „Die Tochter von Lord Henry Medford.“

Medfords Tochter? Im Ernst? Er kannte Medford, wenn auch nur flüchtig. Ein paar Mal war er ihm im exklusiven Mayfair-Club begegnet, dem Mason vor einigen Jahren beigetreten war – hauptsächlich um die vornehmen Leute zu ärgern, die dort verkehrten. Der Mann war ein aufgeblasener Vollidiot, der sein Vermögen geerbt und bereits das meiste davon verloren hatte … Weil er eine gute Investition nicht einmal erkannte, wenn sie ihm mit Anlauf in den Allerwertesten trat.

Wie konnte eine so umwerfende Frau Medfords Tochter sein?

„Außerdem ist sie Jack Wolfes Schwägerin“, erzählte der Barmann weiter. „Die beiden waren verlobt, aber er hat ihre ältere Schwester Katherine geheiratet. Das stand in allen Boulevardzeitungen.“

Wolfe. Er kannte Jack Wolfe besser als Medford. Beide kamen sie aus ähnlichen Verhältnissen, nämlich der Arbeiterklasse. Genau wie Mason war Wolfe klug und ehrgeizig und ein rücksichtsloser Geschäftsmann. Zumindest war er das, bis er geheiratet und ein Kind bekommen hatte. Danach war er irgendwie weich geworden.

Auch Wolfes Frau hatte er kennengelernt. Obwohl die Frau eine üppige und sehr natürliche Schönheit besaß, mit der sie Wolfe offensichtlich versklavt hatte, hätte Mason sie niemals in denselben Genpool gesteckt wie die Göttin, die er gerade noch in seinen Gedanken ausgezogen hatte.

„Stimmt das auch?“, fragte er den Barmann mit einer Unbeschwertheit, die er gar nicht spürte. Noch immer durchströmte ihn ein so leidenschaftliches Verlangen, wie er es schon lange nicht mehr empfunden hatte.

Der Gedanke beunruhigte ihn.

Die Göttin war also die Tochter eines Aristokraten. Wenn sie unbezahlbares antikes Porzellan war, dann war er billiges Geschirr, das man auf jedem Straßenmarkt im Süden Londons in rauen Mengen kaufen konnte.

Das passte. Daher musste ihre natürliche Anmut rühren – Reichtum, Privilegien und ein angeborenes Gefühl von Überlegenheit, das ihm schon immer auf die Nerven gegangen war.

Andererseits war es lange her, dass er den Nervenkitzel einer Verfolgungsjagd genossen hatte. Und vielleicht würde es seinen Abend retten, wenn es ihm gelang, diese Prinzessin von ihrem Sockel zu stoßen.

Er schlenderte hinüber zum Balkon und suchte die Gästeschar nach ihr ab. Er entdeckte sie sofort, ihr blondes Haar schimmerte wie ein Leuchtfeuer.

In diesem Moment wurden die Lichter im Lagerhaus gedimmt, ein weltberühmter DJ betrat die Bühne am anderen Ende des riesigen Raumes und eröffnete sein Programm.

Mason ging die gewundene Metalltreppe zur Tanzfläche hinunter. Schon bewegten sich bereits unzählige Menschen im Takt der pulsierenden Musik. Bunte Laser durchzuckten die künstlichen Rauschschwaden, was die Vorfreude in seinem Bauch noch verstärkte.

Natürlich war es zweifelhaft, ob er Medfords unantastbare Tochter nach einem Gespräch überhaupt noch wollte – schließlich besaß er nur eine geringe Toleranz gegenüber hochnäsigen Society-Prinzessinnen. Aber es gab nur einen Weg, das herauszufinden.

Dann entdeckte er die Blondine auf der Treppe ihm gegenüber. Wollte sie schon gehen? So früh?

Nicht so schnell, meine Liebe …

Wer ist der Kerl? Schaut mich an, als wolle er mich mit ein paar gierigen Bissen verschlingen …

Beatrice Medford hob den Saum ihres langen Designerkleides an und hastete die Treppe zum Balkon im ersten Stock hinauf.

Sie sollte wirklich empört sein. Diese Anzüglichkeit, mit der dieser Kerl sie eben mit Blicken ausgezogen hatte, hatte sie noch nie erlebt. Normalerweise starrten Männer sie mit Ehrfurcht und Bewunderung an. Alles, was sie in ihr sahen, waren der Glanz ihrer Klasse und die unantastbare Anmut, die zu der Fassade gehörten, die ihr Vater geschaffen hatte.

Aber Beatrice hatte keine Empörung verspürt. Wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, hatte sie … nun ja, Erregung empfunden.

Aus zwei Gründen war das wirklich seltsam. Männliche Aufmerksamkeit interessierte sie nicht. Sie bekam mehr als genug davon und wusste, dass sie nicht dem Menschen galt, der sie wirklich war.

Außerdem hatte sie gar nicht herkommen wollen. Hätte ihr Vater sie nicht praktisch gezwungen, dieses viel zu freizügige Kleid anzuziehen und diese unbequemen Zehn-Zentimeter-Absätze zu tragen, wäre sie gar nicht hier.

Trotzdem. Sie hätte sich nicht von ihm dazu drängen lassen dürfen, bei dieser Veranstaltung „gesehen zu werden“. Sie wusste genau, worum es ihm ging – weshalb er ihr einen Stylisten und ein sündhaft teures Designerkleid geschickt hatte, damit sie sich bei der Markteinführung dieses Parfüms blicken ließ. Es war nur ein weiterer von Henry Medfords immer verzweifelteren Versuchen, seine schwächelnden Finanzen zu retten, indem er seine Tochter mit dem nächstbesten halbwegs geeigneten Milliardär verkuppelte.

Heute Nachmittag hatte er ihr in seinem Arbeitszimmer sogar eine Liste mit Männern vorgelegt, mit denen sie sich abends „sehen lassen“ könnte. Und als ob es nicht reichte, dass ihr Vater erniedrigende Absichten verfolgte: Auf seiner absurden Liste standen auch noch die unmöglichsten Namen!

Da war der dreimal geschiedene Investmentbanker, der älter als er selbst war. Oder der Hotelmagnat, der es aus einer Sozialsiedlung im Süden Londons herausgeschafft hatte und dafür berüchtigt war, sich mit den schönsten Frauen zu verabreden, nur um sie gleich darauf wieder mit derselben rücksichtslosen Effizienz abzuservieren, mit der er sein Immobilienimperium aufgebaut hatte.

Danke dafür, Daddy. Sag mir, dass du mich verkuppeln willst, ohne mir zu sagen, dass du mich verkuppeln willst.

Seufzend erreichte sie eine weitere der vielen versteckten Bars der Halle und starrte auf die Menge der tanzenden Menschen, die ihr den Weg zum Ausgang versperrten.

Sie hätte ihrem Vater sagen sollen, dass er sich seinen Plan sonst wohin stecken konnte – wie es ihre Schwester Katie ihr schon vor Jahren empfohlen hatte.

Unvermittelt musste sie an die Situation denken, als sie wirklich Angst vor ihrem Vater gehabt hatte. Zwölf Jahre war sie damals gewesen und hatte mit ansehen müssen, wie er schimpfend und wütend ihre sechzehnjährige Schwester aus dem Haus warf. Noch immer schämte sie sich dafür, nichts getan zu haben, um Katie zu helfen, weil sie zu sehr damit beschäftigt gewesen war, sich mit den Händen über den Ohren in einer Ecke zu verkriechen und so zu tun, als sei sie unsichtbar.

Das war viele Jahre her. Heute hatte sie keine Angst mehr vor ihrem Vater. Und ihr standen jetzt Türen offen. In den vergangenen zwei Jahren hatte sie an den Nachmittagen, an denen sie angeblich im Kosmetik- oder Fitnessstudio oder mit Freunden beim Lunch war, Kurse besucht, die Katie bezahlt hatte. Beatrice besaß eine natürliche Begabung für Sprachen. Intuitiv erkannte sie die richtige Aussprache. Ihr Verstand war fasziniert von den Feinheiten von Grammatik und Satzkonstruktionen. Sie hoffte, eines Tages aus ihren Fähigkeiten einen Beruf zu machen. Allerdings wusste sie noch nicht ganz, wie sie das anstellen sollte.

Natürlich hatte Katie ihr angeboten, bei ihr und Jack und ihrem kleinen Sohn Luca in ihrem Haus in Mayfair zu wohnen. Aber Bea konnte nur einen gewissen Teil von Katies Wohltätigkeiten annehmen, um nicht das letzte bisschen Stolz zu verlieren.

Sie schlängelte sich durch die Bar voller Tänzer, in der ein mitreißender Disco-Beat pulsierte.

Als sie vorhin im geleasten Wagen ihres Vaters zu dieser Veranstaltung gefahren wurde, hatte sie sich eingeredet, dass sie endlich einmal den erstbesten, möglichst unpassenden Kerl verführen würde, um ihrem Vater zu zeigen, dass ihr Liebesleben ihn nichts anging. Aber jetzt war sie sich nicht mehr so sicher. Seit es dem Mann an der Bar vorhin mit einem einzigen „Ich-will-dich-nackt-sehen“-Blick gelungen war, sehr lebendige erotische Fantasien in ihr auszulösen, hatte sie die Nerven verloren.

Na, wunderbar! So viel zu Bea, der großen Verführerin! Wohl eher: Bea, die jungfräuliche Tatsachenverdreherin!

War es da verwunderlich, dass ihr Vater glaubte, er könne ihr Liebesleben kontrollieren? Schließlich hatte sie außer Jack Wolfe noch nie einen richtigen Freund gehabt – und selbst bei ihm hatte sie nicht geschlafen.

Mit dreiundzwanzig noch Jungfrau zu sein, zu Hause zu wohnen und auf das Geld ihres Vaters angewiesen sein – denn es zählte nicht, fünf verschiedene Sprachen zu lernen, ohne davon den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten –, könnte man beschämend nennen. Oder erbärmlich.

Bea erreichte die andere Seite der Bar und gelangte in einen weiteren Korridor.

Warum hatte der heiße Blick von dem Kerl an der Bar ihren Fluchtinstinkt geweckt? Weil er sie auf ganz andere Weise angeschaut hatte als die Männer, mit denen sie schon einmal ausgegangen war?

Auf eine raue und ungeschliffene Weise hatte er gut ausgesehen. Der maßgeschneiderte Designeranzug brachte seinen muskulösen Körper perfekt zur Geltung. Irgendwie hatte er den ganzen Raum an der Bar dominiert. Doch wirklich beunruhigt hatte sie das Aufblitzen von Wissen in seinem Blick, der jeden Zentimeter ihrer Haut zu verbrennen schien und ihren Puls beschleunigte.

Dieser sengende Blick hatte sich so aufregend und überraschend angefühlt … Wow, offenbar besaß sie tatsächlich eine Libido!

Aber dann war seine Aufmerksamkeit zu intensiv geworden, viel zu intensiv.

Bea verlangsamte ihre Schritte. Zwar fühlte sie sich noch immer atemlos, doch sie ärgerte sich auch ein wenig über ihre Kapitulation. Sie dachte nach.

Der Kerl an der Bar hatte sich überhaupt nicht auf sie zu bewegt. Vielleicht hatte er sie gar nicht richtig wahrgenommen, sondern bloß in ihre Richtung gesehen.

Warum genau läufst du dann vor ihm weg?

Bea atmete ein paar Mal tief durch, um das leise Pulsieren aus ihrem Unterleib zu vertreiben, als eine Gestalt am Ende des Korridors erschien.

Ihr Herz machte einen Sprung, als die Person auf sie zu kam.

Der Unbekannte.

War er ihr gefolgt?

„Hallo, Beatrice“, murmelte er, als er auf ihrer Höhe angekommen war. Die Belustigung, die in seiner tiefen Stimme mitschwang, war fast ebenso beunruhigend, wie die Empfindungen, die unvermittelt zwischen ihren Beinen aufflammten. „Wozu die Eile?“

Er stand so nahe vor ihr, dass sein Duft aus Waschmittel und Sandelholz die Gerüche nach Schweiß und abgestandenem Alkohol überdeckte, die in der ganzen Fabrikhalle hingen.

Wie groß war er? Normalerweise musste sie nicht zu Männern aufschauen – schon gar nicht auf High Heels. Trotzdem überragte er sie um etliche Zentimeter.

„Woher wissen Sie meinen Namen? Kenne ich Sie?“, fragte sie und hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt.

Warum klang sie so hochnäsig und abweisend? Natürlich kannte er sie. Die meisten Leute wussten, wer sie war, seit sie vor zwei Jahren mit Jack Schluss gemacht hatte – und vor allem, weil er zwei Monate später ihre Schwester geheiratet hatte. Die heiße Nachricht war in jeder Klatschzeitung und jedem Promi-Blog von hier bis Timbuktu diskutiert worden.

Auf seinen sinnlichen Lippen erschien die Andeutung eines ironischen Lächelns.

„Offiziell sind wir einander noch nicht vorgestellt worden“, erwiderte er.

Das war ihr bereits klar. Sie hätte ihn auf keinen Fall vergessen, wenn sie ihm schon einmal begegnet wäre. „Aber dem Barmann zufolge“, fügte er hinzu, „sind Sie die Eiskönigin von Medford.“

Bea zuckte zusammen. „Sie haben ja keine Ahnung, wie ich diesen Spitznamen hasse“, fuhr sie ihn an. Und gerade in diesem Moment passte er auch nicht im Geringsten zu ihr: Sie fühlte sich, als würde sie gleich in Flammen aufgehen.

Der Fremde kicherte – ein samtiger tiefer Laut, der in ihrer Brust wiederhallte.

„Das überrascht mich nicht“, entgegnete er dann. „Der Name passt nicht zu Ihnen.“

Das Blut schoss ihr in die Wangen. Doch bevor sie reagieren konnte, fuhr er fort: „Warum sind Sie geflüchtet?“

Beschämt runzelte sie die Stirn. Woher wusste er, dass der kurze Blickkontakt in der Bar sie so erschreckt hatte? Sie mochte noch Jungfrau sein, aber normalerweise war sie auch Expertin darin, die unnahbare Göttin zu spielen … da brauchte man nur den Schreiberling zu fragen, der sie zur Eiskönigin von Medford gekrönt hatte.

„Ich weiß nicht, was Sie meinen.“ Die Lüge wäre überzeugender gewesen, wenn sich die Röte in ihren Wangen nicht schon bis zu ihrem Haaransatz ausgebreitet hätte.

Er hob eine Augenbraue, durch die eine Narbe verlief. „Natürlich wissen Sie das“, sagte er. „Habe ich Sie eingeschüchtert?“

„Unsinn“, erwiderte sie spöttisch, was ihr nicht gerade leichtfiel, weil das Pulsieren zwischen ihren Beinen in einen wilden Rumba-Rhythmus übergegangen war.

Als Antwort erhielt sie ein sarkastisches Lächeln. Er hatte sie eindeutig durchschaut.

„Ich weiß wirklich nicht, wovon Sie sprechen.“ Noch einmal versuchte sie, aus dem Loch der Peinlichkeit zu klettern, dass sie sich selbst gegraben hatte.

Vielleicht hältst du jetzt einfach den Mund, Bea. Du protestierst zu viel.

„Dann darf ich mich vorstellen“, sagte er sanft. „Mason Foxx.“

Foxx? Wo hatte sie den Namen schon einmal gehört?

Dann fiel es ihr wieder ein. Er war dieser Hotelmagnat ganz oben auf der Liste ihres Vaters, dem sie sich heute Abend an den Hals werfen sollte.

Nach dem ersten Schock begriff sie, dass diese Erkenntnis nichts an der absolut berauschenden Wirkung änderte, die dieser Mann gerade auf sie hatte.

Sie musterte die Hand, die er ihr entgegenstreckte. Seine Finger waren lang und wirkten trotz der Narben an den Knöcheln erstaunlich elegant. Das Tattoo eines Raubvogels im Flug auf dem Handrücken fesselte ihre Aufmerksamkeit.

Bea räusperte sich und ergriff die Hand. Es wäre unhöflich gewesen, es nicht zu tun.

„Bea Medford“, murmelte sie. Das Gefühl seiner rauen Handfläche ließ erregende Empfindungen ihren Arm hinaufwandern.

„Bea, ja? Das passt auch nicht zu Ihnen“, erwiderte er viel zu aufdringlich.

Aber sie hatte ohnehin längst den Eindruck, dass Mr. Foxx es mit Förmlichkeiten nicht so genau nahm.

„Nun, es war mir ein Vergnügen, Mr. Foxx“, sagte sie möglichst abweisend, was ihr aber wegen des kribbelnden Gefühls, das mittlerweile ihre Brüste erreicht hatte, nicht sonderlich gut gelang.

Sie entriss ihm ihre Hand.

„Ist das so?“, fragte er unbeeindruckt. „Ich hatte eben den Eindruck, dass Sie sich lieber selbst verletzen würden, als meine Bekanntschaft zu machen, so wie Sie losgesprintet sind.“ Vielsagend ließ er seinen Blick zu ihren hohen Absätzen wandern.

„Was die Frage aufwirft, weshalb Sie mir überhaupt gefolgt sind?“, gab sie rasch zurück.

„Dann geben Sie es also zu?“, fragte er. „Ich habe Sie an der Bar erschreckt?“

„Um mich nicht selbst zu belasten, werde ich diese Frage auf keinen Fall beantworten.“

Er lachte. Und auf einmal war das Funkeln in seinen Augen von echter Belustigung erfüllt. Warum hatte sie den Eindruck, dass er nicht oft lachte – und wenn, dann äußerst selten ohne sarkastischen Unterton?

Er neigte den Kopf zur Seite. Unter seinem flammenden Blick wurde ihr ganz heiß. Aber dieses Mal verstörte es sie nicht, es erregte sie … was sie Sekunden später noch verstörender fand.

„Warum habe ich dich erschreckt?“, erkundigte er sich noch einmal neugierig und einschmeichelnd zugleich.

Schulterzuckend betrachtete sie ihre Absätze. Sie musste Zeit gewinnen.

Wie, um alles in der Welt, sollte sie darauf antworten, wenn sie die Antwort selbst nicht kannte?

Bea spannte die Zehen an. Unerträglicher Schmerz brandete in ihren Füßen auf.

Einer Eingebung folgend, schlüpfte sie aus den Schuhen. Zuerst verspürte sie nur Erleichterung, gefolgt von einem Gefühl der Freiheit und dann einem Moment überwältigender Klarheit.

Sie musste weder die Eiskönigin von Medford noch die Marionette ihres Vaters sein. Ebenso wenig musste sie schmerzhafte Absätze tragen, die ein Stylist ausgewählt hatte, um das Interesse von Männern zu wecken.

„Viel besser“, seufzte sie. „Hohe Absätze sind Teufelswerk.“

Das kribbelnde Pulsieren zwischen ihren Beinen verstärkte sich, als sie aufblickte und feststellte, dass er sie nun um weitere zehn Zentimeter überragte.

„Das glaube ich dir aufs Wort“, erwiderte er. „Deshalb trage ich sie äußerst selten.“

Die Bemerkung war so unpassend, dass Bea lachen musste. Nach dem wenigen, was sie bislang über Mason Foxx wusste, hätte sie nicht erwartet, dass er charmant und selbstironisch sein könnte.

Unvermittelt legte er einen Finger unter ihr Kinn und zwang sie, ihn anzusehen. Ein Schauer überlief sie, als sie in seine Augen blickte, die er zu schmalen Schlitzen verengte. „Warum beantwortest du meine Frage nicht?“ Das spöttische Funkeln war erloschen. Fast schien es ihr, als sei ihre Antwort wirklich von Bedeutung für ihn. „Warum bist du vor mir weggelaufen?“

Bea wich zurück, und er ließ seine Hand sinken. Etwas an dieser Geste wirkte so verletzlich, dass sie mit der Wahrheit herausplatzte. „Weil es mir wirklich gefallen hat, als du mich so angeschaut hast.“

Das Feuer, das nun in seinen Augen aufglühte, ließ auch die Flammen in ihrem Inneren wieder auflodern.

Sehr beunruhigend. Eigentlich hätte das Kribbeln erlöschen sollen, aber genau das Gegenteil war der Fall.

„Und warum ist das ein Problem?“, erkundigte er sich mit der Direktheit eines Mannes, der genau wusste, was er wollte und keine Skrupel hatte, sein Ziel zu erreichen.

In seiner Arroganz erkannte sie das Selbstvertrauen, das ihr immer gefehlt hatte. Plötzlich wollte sie nicht mehr die feige Prinzessin sein, die unbequeme Schuhe trug, weil ihr Vater es von ihr verlangte.

Oder die Eiskönigin von Medford, die sich vor ihren eigenen Wünschen fürchtete. Oder die Frau, die lieber tausendmal an sich zweifelte, als einen Fuß aus ihrer Komfortzone zu bewegen.

Oder das Mädchen, das so lange jeder Konfrontation ausgewichen war, bis sie auf dieser Veranstaltung gelandet war, um einen Mann zu verführen, damit ihr Vater daraus seinen Vorteil zog.

Ihr Vater war gar nicht hier.

Er musste nie erfahren, dass sie Foxx getroffen hatte und dass sie ihn … extrem heiß fand. Warum sollte es also eine Rolle spielen, ob er auf dieser blöden Liste ganz oben stand oder nicht?

Mason Foxx war der erste Mann, der in ihr dieses lustvolle Prickeln weckte. Wie sollte sie jemals ihr Leben und ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen, wenn sie nicht einmal den Mut fand, sich ihre eigene Libido zuzugestehen?

Im Gegensatz zu ihm.

„Ich schätze, das ist kein Problem“, entgegnete sie schließlich. „Per se.“

Per se?“, wiederholte er spöttisch.

Das amüsierte Funkeln in seinen dunklen Augen reizte sie nur noch mehr, etwas Verbotenes und Verruchtes zu tun. Vielleicht gelang es ihr sogar, sich in eine Frau zu verwandeln, die so mutig und tapfer und cool war wie Katie.

Trau dich, Bea. Jetzt.

„Was bedeutet denn per se?“, bohrte er nach.

„Es bedeutet, dass es kein Problem ist, wenn du mich auch magst“, stieß sie hervor.

Autor

Heidi Rice
<p>Heidi Rice wurde in London geboren, wo sie auch heute lebt – mit ihren beiden Söhnen, die sich gern mal streiten, und ihrem glücklicherweise sehr geduldigen Ehemann, der sie unterstützt, wo er kann. Heidi liebt zwar England, verbringt aber auch alle zwei Jahre ein paar Wochen in den Staaten: Sie...
Mehr erfahren