Tiffany Pure Lust Band 26

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DEAL UM MACHT UND LUST von AVRIL TREMAYNE

Lektorin Veronica fühlt sich von ihrem Ex in seinen Büchern bloßgestellt. Um das in Zukunft zu verhindern, lässt sie sich auf einen Deal ein: Sie gibt Rafael zwei Wochen alles, wonach er verlangt; dafür betreut sie sein neuestes Werk. Körperlich harmonieren sie wieder ideal – aber können sie auch mit all den Worten umgehen, die unausgesprochen zwischen ihnen stehen?

GESTÄNDNIS EINER SEXY AGENTIN von RILEY PINE

Lora und ihre Jugendliebe Max sind als Agenten undercover in einem Sexclub unterwegs. Loras Herz klopft vor Anspannung, aber nicht wegen ihres Einsatzes, sondern wegen des attraktiven Mannes an ihrer Seite. Als beide bald ihrem Verlangen nachgeben, verstricken sie sich in eine heiße Affäre. Dabei ahnt Max nicht einmal, welche Mission Lora eigentlich hat …


  • Erscheinungstag 29.03.2025
  • ISBN / Artikelnummer 9783751530620
  • Seitenanzahl 320
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Avril Tremayne

1. KAPITEL

Veronica kamen allmählich Zweifel, ob es so eine gute Idee gewesen war, Sturmhöhe vor dieser Reise nach Yorkshire wieder zu lesen. Sie fand es unmöglich, Rafael Velez, der sechs Kirchenbänke vor ihr saß, nicht mit Heathcliff zu vergleichen – der natürlich ein erstklassiger Mistkerl war, wenn auch ein äußerst anziehender.

Und derlei Gedanken führten unweigerlich zu der Frage, ob sie Ähnlichkeit mit Cathy besaß – die faszinierend war, andererseits jedoch blöd genug, um in der Mitte des Romans an durch Heathcliff verschuldetem gebrochenem Herzen zu sterben. Und tot umfallen wegen eines gebrochenen Herzens kam für Veronica nicht infrage!

Tatsächlich sah sie sich als den lebenden Beweis, dass eine Frau eben nicht an gebrochenem Herzen sterben musste. Schließlich war es nicht ihr Ende gewesen, als Rafael vor sieben Jahren, zwei Monaten, drei Wochen und fünf Tagen entschied, ein passendes Geschenk zum Abschluss ihres Studiums sei es, sie einfach sitzen zu lassen. Nachdem sie dreieinhalb verdammte Jahre zusammengelebt hatten! Genauso wenig würde sie heute tot umfallen, auch wenn sie in jeder Zelle ihres Körpers Mordlust verspürte beim Anblick seines Hinterkopfes.

Nein, tot umfallen war nicht drin.

Jedenfalls würde sie nicht diejenige sein, die tot umfiel.

Wenn ihm danach war, dann herzlich gern. Nicht, dass sie ihm die Befriedigung verschaffen und ihn auffordern würde, doch bitte tot umzufallen. Sie wollte diesen Bastard zwar am liebsten pulverisieren, aber sie war eine Johnson, und für die gehörte sich skandalöses Verhalten in der Öffentlichkeit nicht.

Na ja, für die meisten jedenfalls nicht – andere mussten daran arbeiten.

Okay, schön, sie arbeitete bereits daran und hatte jeden Tag daran gearbeitet seit ihrem Studienabschluss, als das Arschloch Velez ihr den Boden unter den Füßen weggezogen hatte.

Sie hatte sogar noch härter daran gearbeitet, seit Romy sie angerufen hatte, um sie zu warnen, dass Rafael nicht nur bei der Hochzeit anwesend sein würde, sondern auch das äußerst attraktive rothaarige Soap-Opera-Sternchen Felicity als seine Begleiterin mitbringen würde.

Sie würde ganz die Lässige geben, während der Hochzeitsfeier zu ihm und Felicity zu gehen – nicht zu früh und nicht zu spät – und sich dabei sehr charmant, liebenswürdig und kein bisschen gekränkt zeigen.

Sie würde einfach jemand sein, mit dem Rafael auf dem College zusammen gewesen war.

Als zweimal Geschiedene, die sich nichts mehr beweisen musste, hatte sie es nicht nötig, ein Date zum Angeben und Herumzeigen mitzubringen.

In ihrem knallpinken Dior-Kleid, mörderisch hohen Christian-Louboutin-Pumps und einer Frisur, in der genügend Nadeln steckten, um bei jedem Metalldetektor am Leeds Bradford Airport Alarm auszulösen, hatte sie nicht vor, sich irgendwo im Hintergrund zu halten wie eine verzweifelte Loserin ohne Begleitung.

Bewaffnet mit einem zurechtgelegten Text, den sie ein paar tausendmal geübt hatte, um ihn in genau dem richtigen Ton der Gleichgültigkeit und Leidenschaftslosigkeit vortragen zu können. Schließlich sollte er begreifen, dass es ihr nichts mehr ausmachte. Hallo Rafael, lange nicht gesehen. Meinen Glückwunsch zu deinen beiden Bestsellern – die stehen auf meiner Leseliste.

Und das Meisterstück? „Der Blick“. Direkt aus der Trickkiste ihrer Mutter. Veronica hatte ihn vor dem Spiegel geübt – die Augenbrauen der Zerstörung, die nach oben gezogenen Mundwinkel.

„Der Blick“ würde ihm zu verstehen geben, dass sie nicht die Absicht hatte, seine langweiligen Romane zu lesen, auch wenn sie keine Skrupel hatte, das Gegenteil zu behaupten.

Ihre Mutter hatte Rafael mit dem „Blick“ angesehen bei ihrer ersten Begegnung. Veronica hatte ihn extra gewarnt, alle Freunde, auch die ihrer Schwester Scarlett, würden ihm ausgesetzt werden, um ihre Standhaftigkeit zu testen. Er solle es also nicht persönlich nehmen. Aber Rafael war erst neunzehn gewesen und hatte fälschlicherweise angenommen, ihre Familie gehöre zu einem Zweig echten amerikanischen Adels, und daher bibberte er, als stünde er im arktischen Wind.

Nun, sie freute sich schon darauf zu sehen, wie er mit dem „Blick“ klarkam, jetzt wo er neunundzwanzig und erfolgreicher Autor war. Sollte sie ihn heute dazu bringen, dass er erschauerte, wäre sie geradezu dankbar, dass er ihr vor Jahren keinen Antrag gemacht hatte. Denn das hieße, dass er sie nicht verdient hatte. Es würde, kurz gesagt, das Sahnehäubchen auf ihrer Rache sein, die unter anderem darin bestanden hatte, jeglichen Kontaktaufnahmeversuch seinerseits abzublocken, nachdem er sie verlassen hatte, und nicht bloß einen, sondern zwei Männer zu heiraten, die all das verkörperten, was Rafael verachtete.

Nur ein einziges unwürdiges Erschauern, mehr verlangte sie nicht. Danach würde es nicht mehr nötig sein, ihm den Kopf abzureißen und diesen durch die Yorkshire-Heidelandschaft zu kicken – diese Vorstellung hatte ihr ein ungesundes Maß an Befriedigung verschafft, auch wenn es ihr eigentlich nur signalisierte, dass ihr die Geschichte längst noch nicht egal war. Ganz und verdammt noch mal gar nicht.

Tief einatmen, sonst würde sie erleiden, wovor Scarlett-die-Wundertherapeutin sie gewarnt hatte: einen vasovagalen Anfall. Schräge Bezeichnung für eine Ohnmacht!

Oh Mist! Was passierte mit ihr? Dieses Blut pumpende Organ in ihrer Brust, das sie lebenslänglich im Koma gewähnt hatte, erwachte schmerzlich wieder zum Leben. Ihre Handflächen waren feucht, ihre Haut kribbelte und die Luft, die sie eingeatmet hatte, schien nicht wieder herauszuwollen. Was, hatte Scarlett gesagt, war da zu tun? Hinsetzen, damit man nicht fiel? Den Mund halten, um nichts Dummes zu plappern? Check und check – es gab dafür keinen besseren Ort als eine stille Kapelle. Ach ja, und sie sollte unbedingt Trigger, also auslösende Reize, vermeiden. Und das hieß, dass sie aufhören musste, Rafaels verdammten Hinterkopf anzustarren.

Nur konnte sie einfach nicht damit aufhören.

Es. Ging. Nicht.

Da gab es nur eines: Hinausgehen.

Sie warf einen Blick nach rechts, wo sie bereits den nächstgelegenen Ausgang gesehen hatte, von dem sie wusste, dass er zu einem berühmten Mausoleum führte. Wenn eine Frau ohnmächtig wurde, dann doch am besten zwischen den Toten – die erzählten nichts und kümmerten sich nicht darum. Sie konnte auf eine Gruft niedersinken und wieder zu sich kommen, rechtzeitig zum Sie-dürfen-die-Braut-jetzt-küssen.

Super!

Sie beugte sich zu der älteren Dame, die in dunkelblaues Yves Saint Laurent gekleidet steif neben ihr saß, und flüsterte: „Entschuldigung, ich muss dringend telefonieren. Darf ich mich mal vorbeiquetschen?“

„Selbstverständlich“, kam die höfliche Antwort.

Veronica stand auf, wartete, bis Platz gemacht wurde, um mit Entsetzen zu beobachten, wie Miss YSLs dunkelblaue Handtasche, die die Ausmaße eines mittelgroßen Hundes hatte, ihr vom Schoß rutschte und mit einem lauten Poltern zu Boden fiel.

Das wäre vielleicht noch nicht so schlimm gewesen, wenn nicht diese Rolle Pfefferminzbonbons dem Lederbehältnis entwichen und außer Reichweite gerollt wäre, was der kleinen alten Dame Anlass zu einem klar und deutlich verständlichen „Oh, fuck“ gab und Veronica prompt zum Lachen brachte. Aber ernsthaft – wie sollte sie auch nicht lachen, wenn in der gebannten Stille einer Kapelle plötzlich ein Oh fuck erklang, und zwar mit einem so vornehmen Akzent, dass es die Königin von England mit Stolz erfüllt hätte. Das Problem war Veronicas Lachen, spontan und begleitet von einem entsprechenden Schnorchellaut, und dieses Lachen würde Rafael augenblicklich mit ihr in Verbindung bringen. Denn es hatte ihn stets zum Lachen gebracht. Zum Lachen und dazu … sie zu küssen.

Die Dominosteine fielen rasch, Köpfe drehten sich Reihe um Reihe in die Richtung, aus der die Unruhe kam.

Jeden Moment würde Rafael sich auch umdrehen und sie dastehen sehen wie einen knallpinken Leuchtturm mit silbernem Dach. Vasovagale Synkopie würde sie überwältigen und darniedersinken lassen, mit gespreizten Beinen, sodass man ihre Unterwäsche sehen konnte. Ganz und gar nicht wie eine kühl über den Dingen stehende Johnson. Und dann würde sie wirklich in dem Mausoleum landen, aber als Leiche, weil sie vor Scham gestorben wäre!

Es ging alles ganz schnell, war eine Sache von Sekunden, doch ihr kam es vor wie eine Zeitlupentraumsequenz: alles Sichtbare, die Geräusche und Gerüche der Kapelle verschwanden aus ihrem Bewusstsein … Rafael, der über die Schulter sah … sie entdeckte … Felicity die Hand auf die Schulter legte … Felicity, die sich umdrehte und sie durchdringend und neugierig anstarrte und offenbar ganz genau wusste, wer sie war.

Nicht gut. Absolut nicht gut.

Und dann, bevor Veronicas Herz anfangen konnte zu galoppieren, sahen Rafael und Felicity sich an, sich im Stillen über irgendetwas einig, und sahen synchron wieder zu ihr, die Köpfe aneinandergelegt.

Oh. Mein. Gott.

Veronica hörte das Blut in ihren Ohren rauschen, ihren beschleunigten Atem, und nahm ihren eigenen Vanilleduft wahr, der sich mit dem Weihrauchgeruch der Kapelle vermischte, während ihr heiß wurde.

Neben ihr raschelte es, und sie sah automatisch hin.

„Tut mir schrecklich leid“, sagte Miss Dunkelblau – und jetzt flüsterte sie! Die Handtasche hatte sie wieder, die Beine neigte sie zur Seite. „Kommen Sie hier vorbei?“

Veronicas Kopf wurde klar. Sie befand sich in einer Kapelle in Yorkshire bei der Hochzeit ihrer beiden besten College-Freunde, und sie würde nicht ohnmächtig werden. Würde sie nicht. Johnsons fielen nicht in der Öffentlichkeit in Ohnmacht.

„Nein, mir tut es leid“, sagte Veronica, nahm wieder ihren Platz ein und setzte ein freundliches breites Lächeln auf. „Ich glaube, es ist zu spät für den Anruf – die Braut kommt gleich.“

Ein Geräusch am Haupteingang bestätigte, dass das nicht gelogen war. Veronica drehte sich anmutig, und der Anblick Romys, vor Glück strahlend am Arm ihres Vaters, vertrieb für einen herrlichen Moment sämtliche andere Gedanken.

Es folgte eine Pause, dann setzte Musik ein, und Romy kam den Mittelgang entlang. Elfenbeinfarbene Seide raschelte um ihre Knöchel. Das Kleid war schlicht, schick und modern wie Romy selbst, umschmiegte ihre üppigen Kurven und betonte ihren kostbarsten Besitz – ihren runden Babybauch. Romy hatte die Idee, einen Schleier zu tragen, verworfen, weil es ihr die Sicht auf Matt einschränken würde. Und als Romy den Blick fest auf den Mann richtete, den sie schon so lange liebte und nie zu bekommen befürchtet hatte, ergab diese Entscheidung absolut einen Sinn.

Veronica drehte sich wieder um, um Matts Reaktion zu sehen. Liebe. Freude. Und etwas Unerwartetes: Ungezügeltes Verlangen. Als könnte er sich jeden Moment von dem ganzen Hochzeitspalaver befreien, den Mittelgang entlangmarschieren und Romy gierig verschlingen. Der arme Teague – Veronicas dritter Collegekumpel, der gequält aussehende Trauzeuge – machte ein Gesicht, als wollte er Matt festhalten, indem er dessen Jackettärmel packte. Aber als Romy bei Matt ankam, gab er es auf. Es war offensichtlich, dass nichts Matt davon abhalten konnte, Romy in die Arme zu schließen.

Während Matt seine Braut viel zu früh küsste und viel, viel zu leidenschaftlich, hörte man Lachen und Seufzer in der Kapelle.

Veronica versuchte sich vorzustellen, wie einer ihrer beiden Ehemänner seine Braut außerhalb des üblichen Ablaufs küsste. Es gelang ihr nicht. Ihr erster Mann, Piers, war noch in seine Ex-Freundin verliebt gewesen – er hatte kein Geheimnis daraus gemacht, und es war ihm egal gewesen, dass Veronica Rafael noch liebte. Und Simeon hatte sie wegen seiner Einsamkeit und ihrer Verzweiflung geheiratet, nicht aus Liebe. Es war kaum überraschend, dass diese Verbindungen – Trostverbindungen hatte sie sie genannt – nicht gerade feurig gewesen waren, obwohl beide Männer sich bemüht hatten, genau wie sie.

Erneut sah sie zu Rafael und fragte sich, ob sie wohl deshalb nie mehr als lauwarme Gefühle entwickelte, weil sie ihre gesamte Leidenschaft in den dreieinhalb Jahren mit ihm aufgebraucht hatte. Es war der reinste Molotowcocktail von einer Beziehung gewesen. Wild. Körperlich sehr intensiv. Stürmisch. Vom ersten Moment ihres Studienbeginns an der Capitol University hatten sie die Hände nicht voneinander lassen können.

Es fiel ihr beunruhigend leicht, sich das, was Matt mit Romy tat, zwischen ihr und Rafael auszumalen. Nur würde sie noch einen draufsetzen, indem sie die Beine um Rafaels Taille schlang. Das würde Miss Yves Saint Laurent einen echten Oh-fuck-Moment bescheren. Auch Rafael würde geschockt sein, denn so leidenschaftlich er im Schlafzimmer auch war, besaß er doch einen Kern Wohlanständigkeit, der ihr hingegen komplett abging. Der Kuss – ja. Die Beine – Veronica, nein! Denk an deine Eltern!

Na ja, es war müßig, sich das auszumalen, da Rafael ihr damals keinen Antrag gemacht hatte, wie alle es erwartet hatten. Es lag näher, sich seine Hochzeit mit Felicity vorzustellen. Ein ungeduldiger Kuss zwischen diesen beiden schönen Menschen, dokumentiert in der Klatschpresse, würde die gesamte Bevölkerung Amerikas begeistern. Angesichts Felicitys Schauspielkarriere sowie Rafaels außerordentlichem literarischen Erfolg bei den Kritikern und kommerziell – der angesagte neue Autor, der bereits an einer Filmadaption arbeitete –, würde es eine ausführliche Berichterstattung in US Weekly geben, obwohl die Hochzeit in Columbia stattfand, nicht in L. A., wegen Rafaels geliebten Großeltern. Was den Ort anging, hatte er das zumindest Veronica gegenüber stets angedeutet.

Veronicas tatsächliche Hochzeiten waren kein Thema in der Klatschpresse gewesen. Sie waren aufwendige gesellschaftliche Anlässe gewesen, aber sehr privat – wie es der Art der Johnsons entsprach. Bis zum Schleierkraut durchgeplant von ihrer Mutter, die eingesprungen war, da es Veronica einfach nicht genug interessierte, die Planung der Hochzeiten selbst zu übernehmen. Veronica hatte sie einfach nur hinter sich bringen wollen …

Für immer zusammen.

Für immer.

Te amaré por siempre, Verónica.

Das waren die letzten Worte gewesen, die Rafael zu ihr gesagt hatte.

Ich werde dich immer lieben.

Lügner.

Elender verdammter Lügner.

Sie war allein hier – und das änderte alles.

Rafael wollte sich vor Verzweiflung am liebsten die Haare raufen, nur konnte er das nicht, da sie es sehen und deuten würde.

Mist.

Matt hätte ihn warnen sollen, dass sie ohne Begleitung hier sein würde. Okay. Unfair. Es war seine eigene verdammte Schuld, dass Matt es ihm nicht erzählt hatte. Er war derartig darauf konzentriert gewesen, so zu tun, als sei Veronicas An- oder Abwesenheit ihm vollkommen gleichgültig, dass er lässig abgewinkt hatte, als Matt ihm von der Einladung an sie erzählte. Das sei doch alles längst abgehakt, hatte er gemeint.

Und Matt hatte daraufhin das Thema prompt fallen gelassen. Daraufhin hatte Rafael sich über sich selbst geärgert, nicht wenigstens eine vage Reaktion gezeigt zu haben, die Matt vielleicht dazu gebracht hätte, zu erwähnen, ob sie nach ihrer zweiten Scheidung wieder mit jemandem zusammen war.

Der einzige Weg, derartige Sachen über eine Johnson herauszufinden, bestand darin, dass ein Eingeweihter es einem erzählte. Johnsons hatten keinen Social-Media-Account, sie gaben keine Interviews – jedenfalls sprachen sie dann nicht über ihr Privatleben –, und wenn sie bei gesellschaftlichen Anlässen fotografiert wurden, sahen sie makellos und absolut PR-tauglich aus. Kein Wort, kein Haar, das nicht präzise saß. Das Ergebnis? Nur oberflächliches, unverfängliches Zeug über die Familie war im Umlauf. Aus diesen wenigen Informationen wusste er immerhin, dass sie als Autorenbetreuerin für die Johnson / Charles Book Group arbeitete (Daddys Verlag, also keine Überraschung), welche Autoren sie unter Vertrag nahm und welche Wohltätigkeitsorganisationen sie mit ihrer Botschafter-mäßigen Anwesenheit und ihren Dollars unterstützte. Er hatte Fotos von ihr mit ihren Ehemännern bei gesellschaftlichen Anlässen gesehen, doch ohne kommentierenden Klatsch.

Der einzige romantische Tratsch, den er je über einen Johnson gelesen hatte, betraf Veronicas jüngere Schwester Scarlett – und darauf war er nur deshalb gestoßen, weil der Typ aus irgendeinem kleinen Kaff stammte, wo wegen einer Drogenrazzia etwas über ihn in der Lokalzeitung gestanden hatte. Das hatte Rafael geärgert, denn dass Scarlett mit einem Drogenabhängigen zusammen war, wenn auch nur vorübergehend, machte sein Opfer, Veronica verlassen zu haben, lächerlich. Was dachten ihre Eltern sich denn eigentlich dabei, einen solchen Typen überhaupt in ihre Nähe zu lassen?

Er schweifte ab. Das Entscheidende war doch, dass er nichts über den aktuellen Status von Veronicas Liebesleben wusste. Die Tatsache, dass sie solo hier war, hieß ja nicht, dass es keinen Freund irgendwo gab, einen neuen Verlobten vielleicht. Es sah ihr ganz ähnlich, einfach hier aufzukreuzen, um ihn aus der Fassung zu bringen. Als hätte sie ihn nicht schon genug gequält.

Veronica: Warum sollte ich jemanden mitbringen, Rafa? Es interessiert mich nicht einmal, dich eifersüchtig zu machen.

Er: Tja, ich trauere dir auch nicht mehr hinterher, deshalb ist es vollkommen egal, ob du über mich hinweg bist oder nicht. Fahr doch zur Hölle, Veronica!

Er schaute auf seine Hand, die zur Faust geballt auf seinem Oberschenkel ruhte. Sie vibrierte aufgrund einer unheiligen Mischung aus ohnmächtiger Lust und schierer Wut.

Felicity legte ihre Hand auf diese Faust. „Hör auf, Rafa!“

Er atmete mit einem Zischlaut tief ein. „Nenn mich nicht so.“

„Warum nicht? Ich bin angeblich in dich verliebt, schon vergessen? Außerdem nennt deine Mom dich so.“

„Du bist nicht meine Mutter.“

„Ich bin nicht sie, meinst du wohl.“

Er legte ihr einen trügerisch sanften Finger auf die Lippen, für die möglichen Zuschauer. „Nimm die Hand von mir und halte den Mund.“

Felicity, das Biest, saugte prompt an seinem Finger.

„Hör auf damit“, flüsterte er.

„Wie wäre es, wenn ich dich auf den Mund küsse?“, flüsterte sie zurück. „Mal sehen, wie sie das findet.“

Er antwortete nicht. Er war zu sehr verärgert über sich selbst, Felicity aus Los Angeles mit hergeschleppt zu haben, für eine Vorstellung, die sich nun als unnötig erwiesen hatte.

Felicity reckte den Hals, um ihren Mund seinem nicht entgegenkommenden Ohr zu nähern. Für die nicht Eingeweihten sah es wahrscheinlich aus, als gurre sie zärtliche Worte, aber tatsächlich sagte sie: „Wie viel ist Matt eigentlich wert? Dieser Verlobungsring an Romys Finger ist vielleicht ein Klunker – ich kann ihn von hier aus funkeln sehen.“

Instinktiv legte Rafael seine Hand an die Brusttasche seines Jacketts – in der sich der Ring befand, den er damals für Veronica gekauft hatte, und den er stets bei sich trug. Der war nicht mit Romys Ring zu vergleichen. Oder einem von Veronica. Zum Glück hatte er sich die Demütigung erspart, ihr diesen Ring vor Jahren zu überreichen.

Das war genau die Erinnerung, die er brauchte, um ins Hier und Jetzt zurückzukehren. „Mehr als du und ich zusammen mal Hundert“, antwortete er.

Sie legte ihren Kopf an seine Schulter. „Du wirst dich an sie heranmachen, oder?“

Er atmete tief ein. Und wieder aus. „Ja.“

„Werde ich dich aufhalten können?“

„Nein.“

2. KAPITEL

Die Hochzeit war vorbei, und Veronica nicht ohnmächtig geworden. Yippie.

Und nun zum schwierigen Teil: Vor Rafael aus der Kapelle zu kommen, sich nach vorn in der Schlange der Gratulanten durchkämpfen und dabei so tun, als kümmere es sie nicht im Geringsten, wo Rafael gerade war, während sie Küsschen und Umarmungen mit dem Hochzeitspaar austauschte.

Aber Romys mitfühlende Stimme, mit der sie sich erkundigte, ob alles okay sei, weckte in ihr den Wunsch, laut zu schreien.

„Hallo!“, rief sie übertrieben. „Ich habe dir doch versichert, ich würde mich vorbildlich benehmen. Was hast du denn gedacht, was ich tun würde?“

Matt zog sie von Romy weg und drückte sie so fest an sich, bis ihre Knochen knackten. „Na, einen Killer anheuern natürlich“, erwiderte er.

Veronica gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Das wäre allerdings eine Idee!“, sagte sie, als er sie losließ. „Ich muss Scarlett anrufen, um den Namen von ihrem zu erfahren. Obwohl ich glaube, sie nennt ihn Schläger, nicht Killer.“

„Was zum Geier? Nur zu, Scarlett!“

„Sie ist nicht mit ihm zusammen, Matthew. Sie kennt ihn rein auf Patienten-Basis.“

Matt vollführte eine Drehung, um Teague zu rufen, der gerade mit einem Blatt Papier in der einen und dem Handy am Ohr Multitasking probierte. „Behalte Tisch zwei heute Abend im Auge, ja? Tu dein Bestes, um das Blutbad zu verhindern, das V plant.“

Veronica boxte Matt gegen die breiten Schultern. „Ich werde den Schläger anheuern, um dich hinauswerfen zu lassen, wenn du nicht aufpa…“ Sie stutzte, als sie begriff. „Moment mal. Was meinst du mit Tisch zwei?“

„Er sitzt an Tisch zwei“, meldete Teague sich zu Wort, sein Telefonat beendend und Veronica einen Kuss auf die Stirn gebend. „Außerdem ist er jetzt gerade ungefähr dreißig Meter von dir entfernt und wird aufgehalten von mindestens sieben, acht … nein, zehn Autogrammjägern, die Felicity belagern, da Romys Freunde alle keinen Stolz besitzen. Wenn du also fliehen möchtest, wäre dies der geeignete Zeitpunkt.“

Veronica sah Felicity lebhaft plaudern und ihre Unterschrift auf Zettel setzen, bei denen es sich vermutlich um das Programm des Hochzeitsgottesdienstes handelte. Rafael stand neben ihr und lächelte freundlich, schien mit den Gedanken jedoch woanders zu sein.

Einen Moment lang konnte Veronica nicht mehr atmen und war dankbar, als Teague sie ein wenig zur Seite bugsierte, damit die nächsten Gäste mit Romy und Matt reden konnten.

„Du siehst aus, als würdest du gleich ohnmächtig werden“, bemerkte Teague.

Sie schüttelte erst den Kopf, dann nickte sie. „Ich muss unbemerkt in die Kapelle zurück und durch den Seiteneingang verschwinden. Da befindet sich ein Mausoleum.“

„Äh …“

„Ja, ein Mausoleum! Stell dir vor! Tremenhill Estate ist für alles zuständig: Geburten, Todesfälle, Hochzeiten. Die Kapelle, den Saal, das Herrenhaus, die Cottages, das Mausoleum, wo ich hin muss. Ich übernachte hier, weißt du – oder weißt du wahrscheinlich nicht. In einem der Cottages, nicht in einer Krypta. Und es ist mir herzlich egal, falls du es noch nicht mitbekommen hast.“

„Na ja, bis jetzt kann ich nicht behaupten, dass ich den Eindruck habe, als sei es dir egal. Du plapperst, nur zu deiner Information.“

„Das sind Vorboten vasovagaler Synkopie. Ich glaube, es bedeutet, dass ich demnächst ohnmächtig werde. Also sollte ich lieber aufhören zu reden und mich hinsetzen.“

„Verdammt.“ Er zog sie an sich und schob seinen Arm unter ihren. „Wie weit ist es bis zu deinem Cottage?“

„Zu Fuß erreichbar. Warum?“

„Weil ich dich dorthin bringen werde.“

Sie machte sich von ihm los. „Nein! Nein, nein, nein. Ich werde ganz ruhig weggehen, meine Schwester anrufen und mich von ihr davon abbringen lassen, diesen Mistkerl umzubringen, während du …“ Sie schubste ihn Richtung Romy und Matt. „… deine Pflicht tust, auf den Hochzeitsfotos lächelst und alle beeindruckst mit deinem Strahlen.“

„Okay, aber …“

„Teague! Wenn ich ohnmächtig werde, dann während ich plappere. Lass mich wenigstens so tun, als interessiere es mich nicht.“

Er betrachtete sie eingehend, dann seufzte er. „Na schön. Aber du kommst und holst mich, wenn du mich brauchst.“

Sie wartete, bis er wieder bei Matt und Romy war, dann zeigte sie ihm den erhobenen Daumen zur Beruhigung, straffte die Schultern und ging gemessenen Schrittes auf die Kapelle zu. Sie gestattete sich einen Blick über die Schulter, als sie den Eingang erreichte, und stellte fest, dass die Autogrammstunde vorbei war. Felicity hing jetzt an Rafaels Arm, während sie gemächlich auf die Braut und den Bräutigam zugingen. Ein beunruhigender Schauer lief ihr über den Rücken, als Rafael sie ansah, und prompt erstarrte sie wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Jede Zelle in ihrem Körper vibrierte.

Er legte den Kopf schief, als fordere er sie heraus – wozu wusste sie nicht –, und da löste sie sich aus ihrer Starre. „Oh nein“, zischte sie mit zusammengebissenen Zähnen. „Interessiert mich null.“ Sie drehte ihm den Rücken zu, um die Kapelle zu betreten. Dort vergeudete sie keine Zeit, sondern ging direkt wieder hinaus durch den berühmten Seiteneingang, den sie vorhin gemieden hatte.

Sie hatte keine Ahnung, was sie mit dem Mausoleum erwartete, aber es war prachtvoll. Eine kreisförmige Steinstruktur stand auf einer Plattform auf einem Grashügel, umgeben von einer Veranda, deren Dach getragen wurde von einem Säulenkreis. Über den akkurat gepflegten Rasen führte ein Steinweg, der das Mausoleum mit der Kapelle verband und es gleichzeitig zu trennen schien, was irgendwie surreal wirkte und absolut passend.

Als Veronica langsam den Pfad entlangging, hatte sie die abstruse Vorstellung, das Mausoleum sei nicht nur ein Wächter der Seelen, sondern ein Hüter der ungezähmten Heidelandschaft jenseits der zivilisierten Perfektion eines Gebäudes. Düster, wild und einsam auf der einen Seite, gepflegte Makellosigkeit auf der anderen – ähnlich Veronicas zwei Seiten.

Sie lachte, als sie sich den Stufen näherte, und malte sich aus, was Scarlett dazu sagen würde, wenn sie sich einmal mit derartigen Begriffen beschreiben würde. Vermutlich so etwas wie: Hör auf, Bäume zu umarmen und reiß dich mal zusammen!

So war Scarlett, stets vernünftig redend. Und genau das brauchte Veronica jetzt!

Sie nahm ihr Handy aus der Handtasche, suchte die Nummer ihrer Schwester und drückte die Anruftaste.

Scarlett meldete sich beim zweiten Klingeln, als hätte sie den Anruf bereits erwartet. „Du hast ihn also gesehen“, sagte sie ohne Einleitung.

„Ja.“

„Und?“

„Ich habe Angst, dass ich mich vergesse, wenn ich mit ihm rede. Oder möglicherweise ohnmächtig werde. Was wäre wohl schlimmer?“

„Du könntest natürlich auch versuchen, beides zu vermeiden.“

„Wenn du mir damit sagen willst, dass ich nicht mit ihm reden sollte, warum hast du mich dann überhaupt herkommen lassen?“

„Ich habe dich nicht herkommen ‚lassenʿ. Niemand hat dich irgendetwas tun lassen. Du tust es einfach! Soweit ich mich erinnere, besaß ich die Verwegenheit, dir ins Gedächtnis zu rufen, dass du immer noch ausflippst, sobald jemand seinen Namen erwähnt. Außerdem warst du diejenige, die darauf beharrte, bereit für eine Begegnung zu sein.“

„Hm, da war ich wohl ein wenig voreilig in meiner Selbsteinschätzung.“

„Was wirst du tun? Dich den ganzen Abend in der Toilette verstecken?“

„Nein.“

„Wo bist du jetzt?“

„Vor einem Mausoleum.“

„Wie bitte? Die Hochzeit findet auf einem Friedhof statt? Ich hätte Romy nie und nimmer für einen Grufti gehalten!“

„Romy ein Grufti? Nein, es ist kein Friedhof, nur eine Art … Grabmal in der Nähe der Kapelle.“

„Ooooh, ich sehe tote Leute!“

„Genau das ist das Problem!“, erwiderte Veronica. „Ich sehe nämlich tatsächlich tote Leute. Besser gesagt, ich will Leute tot sehen. Nein, ich korrigiere: Ich will eine Person tot sehen.“ Sie machte eine Pause, in der sie Felicity wieder an Rafaels Arm in der Kapelle vor sich sah. „Na schön, vielleicht auch zwei.“

„Wovon redest du überhaupt?“

„Ich will ihn umbringen! Was denn sonst?“

„Okay, atme erst mal tief durch.“

„Ich habe so oft tief durchgeatmet, dass ich die Hälfte des Sauerstoffs in Yorkshire aufgebraucht habe!“

„Nun, dann atme noch einmal tief durch und versuche dich daran zu erinnern, was ich dir über die Katastrophenskala gesagt habe, mit der du die Dinge ins richtige Verhältnis rücken kannst.“

„Oh, auf der Katastrophenskala ist es eine Zehn!“

„Nein, Veronica, es ist keine Zehn. Es gibt schlimmere Dinge, als deinen Ex auf einer Hochzeit zu treffen, also nimm dir einen Moment Zeit, um an sie zu denken.“

„Ähm, zum Beispiel … sagen wir … ein Taifun, der übers Gelände fegt und alle Gäste umbringt?“

„Na ja, obwohl das ein klein wenig unwahrscheinlich ist. Aber wenn du dich dadurch besser fühlst, relativ betrachtet natürlich …“

„Alle Leichen aus dem Mausoleum erheben sich als Zombies aus ihren Gräbern und schwärmen aus, um sämtliche Gäste umzubringen …“

„Das ist ein bisschen makaber, aber …“

„Ein plötzlicher Blizzard …“

„Im Juli?“

„… lässt blitzartig die Heidelandschaft einfrieren und killt alle Gäste.“

„Ich erkenne ein Muster, Veronica.“

„Ein Sharknado. Eine Herde trampelnder Bisons. Eine Invasion von Serienkillern. Alle tot.“

„Meinst du nicht, alle Gäste umzubringen ist ein wenig extrem, wo du doch eigentlich nur einen umbringen willst?“

„Doch!“, stimmte Veronica ihr zu. „Und ich muss nur in mein Cottage gehen und ein Messer aus der Küche holen. Es liegt so nahe, dass ich in fünf Minuten wieder hier sein könnte. Wahrscheinlich küsst er gerade noch Romy und umarmt Matt und schüttelt Teague die Hand und hält Felicity im Arm und sag mir nie wieder, wie gut sie in This Time Forever ist … und dann wäre es mit einem Stich vorbei.“

„Okay, das reicht, Veronica! Niemand muss sterben!“

„Dann eben Kastration. Ich werde ein rostiges Messer nehmen.“

„Kannst du nicht einfach die Voodoo-Puppe kastrieren?“, schlug Scarlett vor und fing an zu lachen. „Ich kann nicht glauben, dass ich dir rate, eine Voodoo-Puppe zu kastrieren, als sei das tatsächlich eine Lösung!“

„Mach keine Witze über meine Puppe!“, warnte Veronica sie. „Nadeln in sie hineinzustechen hat mir sehr geholfen.“

„Na schön, ich geb’s auf! Bring Rafael um! Nur zu! Tu es! Aber hinterlasse keine DNA, weil Mum ausrasten wird, wenn man dich schnappt. Und wenn wir von der Katastrophenskala sprechen … Sagen wir, den Taifun kann ich ihr verkaufen, die Haie auch. Die Bisons hätten allerdings keine Chance.“

„Zombies?“

„Pfft. Kinderkram. Blitzeis im Juli haut auch nicht hin. Ich bin mir ziemlich sicher, die Serienkiller hätten es bei ihr auch nicht leicht.“ Pause. „Du solltest wirklich aufhören, darüber hinwegkommen zu wollen – oder diesen Versuch zumindest aufschieben – und dich stattdessen von ihm fernhalten.“

„Die Nachteile?“

„Für immer verbittert und verkorkst sein.“

„Du bist nicht sehr hilfreich.“

„Okay, wie wäre es damit? Erstich oder kastriere Rafael nicht, es sei denn, du willst entweder im Gefängnis oder für tausend Jahre in der Anstalt landen! Vielleicht solltest du dem Kerl genauso begegnen, wie du es vorgehabt hast, indem du über seine Bücher redest, dich zivilisiert benimmst und das Kriegsbeil irgendwo anders vergräbst als in seinem Schädel. Und anschließend kommst du endlich drüber hinweg.“

„Wir waren früher nicht zivilisiert, also warum sollte ich glauben, dass wir es jetzt sind?“

„Das war damals, das hier ist jetzt. Collegekids – reife Erwachsene. Kapiert?“

„Schon klar, nur habe ich die Bücher nicht gelesen. Seine Bücher. Du weißt warum.“

„Dann lies seine verdammten Bücher eben! Möglicherweise lernst du etwas dabei, was dir dabei hilft, ihn der Vergangenheit zu überlassen – oder dem Teufel. Was auch immer. Und jetzt leg auf, bevor ich reif für eine Therapie bin!“

„Nicht sehr hilfreich.“

„Ich lege jetzt auf, Veronica“, verkündete Scarlett in einem Singsang, und dann war die Leitung tot.

„Seine verdammten Bücher lesen“, murmelte Veronica und schleuderte ihr Smartphone beinah in die Handtasche. „Von wegen.“ Sie hatte die Klappentexte gelesen, und das hatte genügt, um zu wissen, dass sie seine Bücher nicht lesen sollte. Reiches Mädchen – armer Junge. Zickiges Mädchen – stolzer Junge. Romeo – Julia. Tragisches Ende. Sie war Lektorin, sie konnte zwischen den Zeilen eines Klappentextes lesen. Ihr war vollkommen klar, dass er über sie schrieb, auch wenn sie die Einzige war, die das wusste.

Tja, das war in gewisser Hinsicht dann doch für immer – unsterblich geworden in der Literatur. Nur eben nicht „Bis dass der Tod uns scheidet“, was sie sich vorgestellt hatte, als er Te amaré por siempre, Verónica gesagt hatte, damals, in der Garage ihres Reihenhauses in DC.

„Bis dass der Tod uns scheidet“, sagte sie leise und dachte an die Seelen im Innern des Mausoleums, die zusammen in die Ewigkeit reisten. Sie hatte gehört, dass dort ein verheiratetes Paar beerdigt lag, das sechzig Jahre lang zusammen gewesen und im Abstand von einem Tag gestorben war. Das war für immer.

Sie war neidisch gewesen, als Matt und Romy heute in der Kapelle das Ehegelübde sprachen. Sie hatte bei ihren beiden Hochzeiten auf kirchlichen Segen verzichtet – sehr berechtigterweise, wie sich gezeigt hatte, da diese Ehen nur zwölf Monate beziehungsweise zwanzig Monate gehalten hatten. Es wäre ihr ohnedies nie in den Sinn gekommen, mit Piers oder Simeon an einem Ort wie diesem bis in alle Ewigkeit vereint zu sein. Eine solche Verbindung setzte eine ganz andere Art von Liebe voraus. Eine verzehrende Liebe. Eine Sturmhöhe-Liebe. Die Sorte, die Heathcliff dazu brachte, den Kirchendiener zu bestechen, damit dieser die Seitenwand von Cathys Sarg herausnahm, sodass, wenn man ihn in einem ebenso seitlich offenen Sarg neben ihr beerdigte, ihre sterblichen Überreste vereinigt würden.

„Ich wünschte, ich wäre wieder ein kleines Mädchen, wild und mutig und frei …“, murmelte sie, und die Wehmut dieser Worte aus Sturmhöhe veranlasste sie, die Augen zu verdrehen. „Verschwinde aus meinem Kopf, Cathy“, rief sie in die Heide hinaus. „Und nimm Heathcliff mit!“

Sie lauschte auf ein Echo, doch stattdessen vernahm sie eine raue Stimme mit der Andeutung eines Akzents hinter ihr. „Hast du Sturmhöhe gelesen, Veronica? Wieder einmal?

Sie drehte sich um … und da war er.

3. KAPITEL

Rafael bemerkte, wie ihre Augen sich weiteten und ihre Nasenflügel bebten, ihre Atmung sich beschleunigte, Anspannung sie erfasste, Wut aufloderte.

Aber dann hatte sie sich plötzlich ganz im Griff, hob das Kinn, wölbte die Brauen und beherrschte das Lodern. Sie war wie Eiswasser, das auf heiße Kohlen tropfte – ein Zischen, das war’s. „Du weißt ja, wie sehr ich auf düstere Liebesgeschichten stehe“, erwiderte sie gedehnt.

„Tut mir leid, dass Piers und Simeon nicht deinen Erwartungen entsprachen“, sagte er noch gedehnter. „Aber ‚düsterʿ ist ein bisschen hart.“

Eis tropfte weiter, von den Kohlen stieg Rauch auf, und es war nur eine Frage der Zeit, bis das Eis ganz schmolz. „Hm, ja, es ist wohl ein bisschen harsch“, stimmte sie ihm zu. „Wenigstens besaßen sie den Mut, es zu versuchen, nicht wahr?“

„Sie haben es versucht … und sind gescheitert.“

„Ich glaube nicht, dass du der Mann bist, der mir etwas von gescheiterten Ehen erzählt, wo du es selbst nie bis vor den Altar geschafft hast.“

„Ist das ein Antrag?“

„Könnte durchaus sein … wenn die Hölle zufriert.“

„Ist wohl auch egal, da die dreieinhalb Jahre mit mir ein längerer Zeitraum waren als die Dauer deiner Ehen zusammengenommen. Die Ehe scheint nichts für dich zu sein. Ich frage mich wieso …?“

Sie lachte, laut und gekünstelt. „Spüre doch in deinem nächsten Buch meinen Ehen nach.“

Er lächelte, ließ die Worte für einen Moment stehen und erklärte dann: „Was meinst du damit? Im nächsten Buch?“

Er sah, wie sich ihre Brust hob und senkte, als sie langsam tief ein- und wieder ausatmete. Oh, sie hatte Methoden der Selbstbeherrschung gelernt in den vergangenen Jahren. Ein Jammer.

„Du hast sie längst zerrissen, nicht wahr?“, sagte sie, und er hätte sie glatt für gelangweilt halten können, wäre da nicht die Glut in ihren Augen gewesen.

„Sag du es mir.“

Weiteres gekünsteltes Lachen. „Ich wüsste nicht wie, da ich deine Bücher nicht gelesen habe.“

Okay, das traf ihn. Es reichte schon, dass es ihn Mühe kostete, gleichgültig auszusehen. Seine Bücher waren alle beide auf der Bestsellerliste der New York Times gewesen, und sie war Lektorin bei Johnson / Charles, einem der angesehensten mittelgroßen Verlegern in Amerika. Diese beiden Tatsachen allein hätten garantieren sollen, dass sie die Bücher gelesen hatte, sogar ohne die Geschichte zwischen ihnen beiden im Hinterkopf zu haben. „Kann ich davon ausgehen, dass du mich nach wie vor blockierst? Selbst nach all diesen Jahren? Ein selbstbezogenerer Mann als ich würde vielleicht denken, dass du noch nicht über ihn hinweg bist.“

Der aufflackernde und gleich wieder gebändigte Zorn, das langsame Luftholen. „Pass mal auf …“ Sie nahm ihr Smartphone aus der Handtasche. „Wie wäre es, wenn ich sie gleich herunterlade? Um der alten Zeiten willen. Du warst immer so knauserig, wenn es darum ging, wofür ich mein Geld ausgebe, aber ich nehme an, du wirst nichts dagegen haben, wenn ich dafür ein paar Scheine investiere.“

„Mach ruhig, denn es ist Geld, das ich gleichzeitig verdiene“, erklärte er locker, ihre Courage bewundernd; gleichzeitig hätte er sie am liebsten dafür geschüttelt. „Vielleicht können wir uns mal irgendwann darüber austauschen, und du verrätst mir, was du davon hältst.“

„Klar“, erwiderte sie, aber ihre Augen sagten ihm, er solle tot umfallen. „Kannst du mir die Titel nennen?“

Er unterdrückte ein Lachen über ihre dreiste Arroganz. „Das erste heißt Catch, Tag, Release.

„Ach ja“, sagte sie und tippte auf ihrem Handy herum. „Wie wenn man einen armen Fisch fängt, seine Rückenflosse markiert und ihn anschließend ins Wasser zurückwirft.“

„Mein zweites Buch – Liar, Liar, falls es dich wirklich interessiert – beschäftigt sich mit der Frage, was dieser Fisch mit seiner wiedergewonnenen Freiheit anfängt.“

„Wie erbaulich das klingt – Lügner, Lügner.

„Ich bin mir sicher, du wirst beide Bücher … aufschlussreich finden.“

„Oh, Freude!“, meinte sie und verdrehte die Augen, worauf er sich schwor, dieses Augenverdrehen auf eine noch viel bessere Art zu provozieren, ehe diese Nacht vorbei war. „Genau das, was ich von einem Buch erwarte – dass es aufschlussreich ist!“ Sie verstaute ihr Smartphone wieder. „Alles klar. Tja, du kannst es sicher kaum erwarten, zu Felicity zurückzukehren – die Trennung muss dir schwergefallen sein.“

Es war wirklich hart, nicht zu lachen. „Eifersüchtig, Veronica?“

„Eifersüchtig? Bitte!“ Sie prustete. „Ich versichere dir, du hast mein Einverständnis, jede zu vögeln, die du vögeln willst.“

Er trat näher, bedrängte sie fast, und ihr Vanilleduft umnebelte seine Sinne. Sie tupfte sich überall mit diesem speziellen Öl ein, sogar zwischen den Beinen – und die Geschmackserinnerung, wie er es von ihr abgeleckt hatte, war so lebendig, dass er schlucken musste, weil ihm das Wasser im Mund zusammenlief. „Bist du dir da sicher?“

„Absolut.“

„Das ist sehr gut zu wissen.“

„Wenn das alles ist, dann steht jetzt Ehemann Nummer drei schon auf der Feier in den Startlöchern.“

Er nahm ihre linke Hand in seine und rieb mit dem Daumen ihren Ringfinger, ohne den Blick von ihrem Gesicht abzuwenden. Aber er fand nichts an ihrem Finger. Gut. Die Fotos, die er von ihr und ihren Ehemännern gesehen hatte, die Diamantenklunker der Verlobungsringe, die im Kameralicht glitzerten, hatten ihn dazu gebracht, zwei teure Mobiltelefone gegen die Wand zu schleudern. Es wurde Zeit, dass sie dafür bezahlte, was der Anblick dieser Ringe ihm angetan hatte.

Er lächelte sie an, so eiskalt verführerisch, wie er konnte. „Ich weiß, dass du alleine hier bist, Veronica, und ich bin mir auch ziemlich sicher, wieso.“

Sie zog schnell ihre Hand zurück. „Ehemann Nummer drei ist noch in Arbeit, aber er wird kommen, das verspreche ich dir.“

„Dann freue ich mich jetzt schon darauf, ihm vorgestellt zu werden.“

„Und ich freue mich darauf, deinen siamesischen Zwilling kennenzulernen, sobald du wieder bei ihr angedockt hast“, erwiderte sie und marschierte an ihm vorbei.

Veronica stürmte über den Rasen, wütend auf sich selbst.

So viel dazu, dass sie allein gekommen war – er hatte sie gleich durchschaut.

So viel dazu, dass sie ihren Text einstudiert hatte – er hatte als Erster seine Bücher zur Sprache gebracht.

So viel dazu, charmant und süß zu sein – stattdessen war sie abfällig und giftig gewesen.

So viel zu ihren einschüchternden Augenbrauen – er hatte ausgesehen, als wollte er mit der Zunge darüberfahren.

Und, oh Gott, ihr ganzer verräterischer Körper hatte gebrodelt. Sie wollte ihn erdolchen und … und ihn küssen, verdammt! Ihn noch einmal schmecken. Ihn berühren. Ihn irgendwie spüren.

So viel dazu, endlich einen Schlussstrich unter diese Geschichte mit ihm zu ziehen!

Ehemann Nummer drei? Wo sollte sie den denn hernehmen? Herbeizaubern?

Sie konnte nur hoffen, dass es einen Single auf der Feier gab, dem sie sich an den Hals werfen würde. Einen alleinstehenden Mann, der sich nicht gleich verplapperte, wenn Veronica ihn in Felicitys Umlaufbahn brachte.

„Dann viel Glück dabei“, murmelte sie, während sie durch die Gärten und über noch mehr Rasenflächen stapfte, auf dem Weg zu dem, was als Tremenhill Hall bekannt war, was aber lediglich ein umfunktioniertes Herrenhaus war.

Na schön, Zeit, die Katastrophenskala abzustauben. Sie brauchte etwas echt Endzeitmäßiges, wenn sie die nächste Begegnung mit Rafael mit Würde überstehen wollte. Blöd nur, dass ihr gar nichts einfiel.

Sie hätte sich für dieses verdammte Messer entscheiden sollen, und scheiß auf die DNA-Spuren! Ihre Mutter hätte sie in ein Land bringen können, das keine Auslieferungsvereinbarung mit den Vereinigten Staaten hatte. Wie zum Beispiel … sie hatte keine Ahnung … gab es eine mit Indien? Sie könnte dort in einem Ashram leben. Das wär’s doch! Sie würde ihrer Mutter erklären, dass sie ihr gesamtes Treuhandvermögen einem indischen Ashram vermachte.

„Na, vielen Dank“, sagte sie und kicherte plötzlich, als die Markise vor dem Saal in Sicht kam, unter der die Begrüßungsgetränke serviert wurden. Tja, die Katastrophenskala funktionierte offenbar wirklich!

Sie stieß die Luft ihres ersten sich normal anfühlenden Atemzuges an diesem Tag aus, während sie noch eine Rasenfläche überquerte, in Richtung des hochzeitlich geschmückten Unterstandes. Weiße Blütengirlanden zierten den oberen Rand der Markise, bauschiger weißer Stoff schlängelte sich um die Pfeiler. Sie schaute auf ihr knallpinkes Kleid und fühlte sich genauso auffällig wie in dem Oh-fuck-Moment in der Kapelle. Aber nach ihrer heiklen Begegnung mit Rafael vor dem Mausoleum war das okay für sie.

Zumindest würde es einigermaßen okay sein, sobald sie dafür gesorgt hatte, dass sie nicht an Tisch zwei mit Rafael und Felicity sitzen würde, denn das würde einfach zu weit gehen. Zwar hielt sie es nicht wirklich für möglich, dass Romy und Matt sie in eine derartig peinliche Situation bringen würden, aber sie wollte lieber auf Nummer sicher gehen. Was, wenn sie tatsächlich für Tisch zwei vorgesehen war? Nun, das Brautpaar würde zu den ersten Opfern des folgenden Blutbades gehören, das war alles. Das wäre ihr Carrie-Moment!

Sie hatte genügend Gala-Veranstaltungen absolviert, um zu wissen, dass die Sitzordnung üblicherweise am Eingang des Festsaals einzusehen war, also ging sie unter der Markise hindurch direkt darauf zu – und Bingo! Zwei goldene Staffeleien standen zusammen mit Topfpflanzen zu beiden Seiten der Doppeltür. Veronica ging auf eine der Staffeleien zu und überflog die Liste für Tisch zwei.

Erleichtert schloss sie kurz die Augen, denn sie fand Rafael und Felicity, aber nicht ihren Namen – der stand bei Tisch sieben.

Der Saalplan unter der Tischordnung zeigte, dass Tisch zwei und Tisch sieben auf gegenüberliegenden Seiten der Tanzfläche standen. Sie beschloss, dass es sie noch mehr beruhigen würde, wenn sie hineinginge und sich selbst ein Bild davon machte.

Durch die hohen klassizistischen Fenster zu beiden Seiten des Eingangs konnte sie das Personal sehen, das letzte Korrekturen an den Tischgedecken vornahm. Sie hoffte, man würde sie nicht hinausscheuchen, wenn sie zu früh auftauchte, sonst würde sie die Nerven verlieren. Aber wenn sie hineinging, als gehöre ihr der Laden – mit dem angriffslustigen Lächeln ihrer Mutter und dem einschüchternden Auftreten der Direktorin der Koller Finishing School in der Schweiz –, würde es niemand wagen.

„Legt euch nicht mit mir an, Leute“, sagte sie leise zu sich selbst und schob die schwere Doppeltür auf.

Innerhalb von Sekunden hatte sie den Weg zu Tisch zwei zurückgelegt, knallpink und unbehelligt. Sie setzte sich auf den für Rafael Velez reservierten Platz, dann auf Felicitys und überprüfte den Blickwinkel von dort zu allen anderen Tischen, bevor sie zu Tisch sieben ging. Wo sie feststellte, dass sie den beiden zwar nicht direkt gegenübersitzen würde, von ihnen jedoch im Profil gesehen werden konnte.

Das würde sich ändern müssen. Sie stellte ihre Handtasche auf einen Stuhl, ging um den Tisch und blieb an jedem Platz für eine neue Einschätzung stehen.

Und dann hörte sie ihren Namen. „Veronica Johnson.“

Männlich. Britischer Akzent.

„‚Oh fuckʿ aus der Kapelle“, fügte er hinzu.

„Ich frage mich, wie viele Leute das mir gegenüber heute Abend wohl noch erwähnen werden“, sagte sie … und drehte sich um … und ja! Anfang dreißig. Gut aussehend. Tadelloser Anzug – mit Krawatte, im Gegensatz zu Rafael Velez.

„Ich werde Ihr Ritter in schimmernder Rüstung sein und Sie vor Angriffen beschützen“, erklärte er.

„Hey, ich habe das nicht gesagt, sondern nur gelacht.“

„Wie auch nicht?“

„Eben!“, sagte sie und schenkte ihm ihr bestes Lächeln. „Aber für einen Sir Galahad bin ich heute Abend zu haben.“

„Ah! Tja, in dem Fall, setzen wir Sie am besten …“ Er nahm ihre Tischkarte und brachte sie dorthin, wo Veronica stand. „… hier hin, neben mich!“ Er stellte die Karte auf den Platz links von ihr.

Lachend schaute sie auf seine Karte. „Vielen Dank, Phillip Castle.“ Sie deutete auf die Karte, die jetzt zu viel war. „Aber was wird Sally Paulson dazu sagen?“

„Hm, tja, was das betrifft …“ Er nahm Sallys Karte vom Tisch und trug sie zu Veronicas früherem Platz. „Zufällig weiß ich, dass Sally Paulson auf Romys Cousin Lloyd Allen steht – Ihren vorherigen Tischnachbarn. Die neue Tischordnung passt also definitiv besser.“

Ein blitzschneller Blick hinüber zu Tisch zwei ergab, dass sie nun mit dem Rücken zu Rafael sitzen würde. „Ja, scheint so“, bestätigte sie und beschloss, seine Empfänglichkeit für Felicity zu testen. „Sind Sie da nicht enttäuscht, dass Sie nicht den ganzen Abend die berühmte Felicity sehen können?“

Er drehte sich um, als habe besagte Schauspielerin sich gerade materialisiert. Schlechtes Zeichen. „Woher wissen Sie das?“

„Ich habe mir kurz alle Tische angesehen und sie an Tisch zwei gefunden.“

„Ah! In dem Fall müssen wir eventuell weitere Tischkarten tauschen – Sally und Lloyd gegen sie und Rafael Velez.“

„Sie sind ein Fan, oder?“, fragte Veronica und ließ bereits alle Hoffnungen fahren, dies könnte der Ehemann-Nr.-3-Darsteller werden.

„Von ihr? Nein. Von ihm? Absolut.“

Verdammt, der nützt mir gar nichts, dachte sie und fragte sich gleich darauf, ob sie diese Worte aus Versehen laut ausgesprochen hatte, da Phillip lachte. „Nein, ich bin nicht schwul“, versicherte er ihr. „Ich will bloß sein nächstes Buch, Stomp.“

„Sein nächstes … Ah! Sie sind im Verlagswesen tätig!“

„Stimmt! Smythe & Lowe.“

„Ich auch – Johnson / Charles. Das erklärt, warum Romy uns an denselben Tisch gesetzt hat.“

Er musterte sie von Kopf bis Fuß, pflückte ihre Karte erneut vom Tisch und las sie noch einmal. „Sie sind die Veronica Johnson?“

„Wenn Sie Veronica Johnson, die Lektorin meinen, dann ja.“

„Mit dem Nachnamen sind Sie nicht nur Lektorin.“

„Der Name hat längst nicht so viel Gewicht, wie Sie vielleicht annehmen, und seit der Fusion schon gar nicht.“

„Höre ich da Unzufriedenheit heraus? Sollten Sie einen Jobwechsel in Betracht ziehen – wir suchen eine Programmleiterin für unsere neue Romance-Reihe.“

„Vermutlich in London, oder?“

„Sie würden London lieben.“

„Das tue ich schon.“ Veronica lachte. „Vielen Dank, ich werde darüber nachdenken.“

„Ich meine es ernst!“

„Ich auch.“

„Nein, tun Sie nicht – ihr New Yorker seid schwer wegzulocken. Allerdings glaube ich fest an das alte Sprichwort, nach dem man den Tag nicht vor dem Abend loben soll. Ich gebe die Hoffnung also nicht auf.“ Er stellte ihre Karte wieder auf den Tisch. „Und? Wollen wir den Kartentausch machen?“

„Hm …“, sagte sie und tat, als denke sie darüber nach. „Das hieße, Namen auf Romys Sitzplan streichen und neu schreiben, oder es gibt ein Chaos hier drin. Wenn Sie das tun wollen, obwohl Romy diese Tischordnung mit goldener Tinte hat prägen lassen, sind Sie bedeutend mutiger als ich!“

„Verflixt! Vergessen Sie’s. Romy ist eine solche Pedantin …“

Aber Veronica war mit Romys Pedanterie nur allzu vertraut und hörte deshalb nicht mehr zu. Stattdessen versuchte sie einzuschätzen, wie lange es her war, dass sie Rafael am Mausoleum hatte stehen lassen. Bestimmt waren er und Felicity inzwischen auch bei der Markise angekommen.

Sie konzentrierte sich wieder auf Phillip, der gerade sagte: „… und auf diese Weise können wir den Sitzplan lassen, wie er ist – was meinen Sie, wollen wir es riskieren?“

„Nein, ich denke, das ist ein Rezept fürs Desaster“, erwiderte sie, da sie annahm, dass er wieder vom Tischkartentausch sprach. Sie lächelte ihn süßlich an. War es auch wirklich süß? Ihr Lächeln? Sie hoffte, es sah nicht so Sharknado-mäßig aus, wie es sich anfühlte. „Aber wenn Sie mich auf ein Glas Champagner zur Markise begleiten, mache ich Sie mit Rafael bekannt.“

Phillip stutzte. „Sie kennen ihn?“

„Ja.“

„Aber er wird verlegt von …“

„Ich kenne ihn persönlich, nicht beruflich. Johnson / Charles ist nicht daran interessiert, ihn zu verlegen.“

Jetzt betrachtete Phillip sie neugierig. „Sie wollen gar nicht sein nächstes Buch für Ihren Verlag akquirieren? Das wird aber ein Selbstgänger und mühelos die Nummer Eins der New York Times-Bestsellerliste.“

„Sie meinen Stomp? Ich dachte, das sei längst …“

„Nein, ich hörte, der Deal sei gerade geplatzt.“

„Oh. Na dann. Ich verstehe. Trotzdem … nein“, sagte sie, und als Phillip sie ungläubig ansah, fügte sie hinzu: „Wir sind bereits voll … in dem Bereich.“

„In dem unfassbar fantastischen Muss-man-lesen-und-bringt-ein-Vermögen-ein-Bereich?“

Darauf hatte sie keine Antwort. Ihre Chefin, Melissa Charles – Spitzname „Kampfhund“ –, würde nie verstehen, dass eine längst vergangene Romanze dem Geschäft im Wege stehen könnte. Veronica hatte sogar lügen müssen, als Melissa gefragt hatte, ob sie Rafael auf der Capitol University gekannt hatte. Melissa hatte verzweifelt versucht, Liar, Liar für Johnson / Charles zu gewinnen. Veronica hatte gewusst, dass jeder kleinste Hinweis darauf, dass sie Rafael nicht nur kannte, sondern sogar eine Liebesbeziehung zu ihm unterhalten hatte, Melissa dazu veranlasst hätte, ihre Lektorin Veronica umgehend loszuschicken, um schnellstmöglich den Vertrag mit Rafael unter Dach und Fach zu bringen.

Veronica wollte sich lieber nicht vorstellen, wie er darauf reagiert hätte. Immerhin hatte sie seine Anrufe nicht entgegengenommen und ihn blockiert. Außerdem hatte sie den Brief verbrannt, den er ihr über Matt geschickt hatte und ihren gemeinsamen Freunden untersagt, ihm auch nur irgendetwas über sie zu erzählen (und sie wusste, dass er von diesem Verbot wusste, weil sie Teague damit beauftragt hatte, es ihm zu sagen). Sollte also ausgerechnet sie um sein neues Buch betteln?

Nein.

Nein, nein, nein.

Sie probierte es mit einem anderen Lächeln – und es fiel ihr schon deutlich schwerer, es freundlich hinzubekommen. „Wenn Sie lieber nicht wollen, dass ich Sie ihm vorstelle, auch gut. Sie können Romy bitten, Sie beide zusammenzubringen.“

Romy kennt ihn auch?“

„Romy, Matt, Rafael und ich waren zusammen auf der Capitol University. Wir teilten uns ein Haus.“

„Wow! Warum hat sie mich nie mit ihm bekannt gemacht?“

„Vielleicht weil er in L. A. lebt“, sagte sie mit leicht zusammengebissenen Zähnen. Wollte er Rafael kennenlernen oder nur herumstehen und über ihn reden? „Wie gesagt, er ist hier … und wir sind hier, und das Angebot steht.“

Er bot ihr den Arm. „Ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann.“

4. KAPITEL

„Shit“, sagte Rafael leise, als eine triumphierend dreinblickende Veronica auf ihn zukam, begleitet von einem Typen, der eine fast identische Kopie ihrer treuhandfondsschleifenden Ehemänner war.

Sie blieb stehen, um sich von einem vorbeieilenden Kellner ein Glas zu nehmen und lachte über etwas, was der adrette Bursche von sich gab, während er sich ebenfalls ein Glas nahm. Und in diesem Augenblick hätte Rafael ebenso gut wieder neunzehn und im ersten Studienjahr sein können, rasend vor Eifersucht, weil irgendein Typ Veronica anbaggerte.

Seine Hand zuckte, sodass er Champagner auf seine Schuhe schüttete. Normalerweise hätte er sich nicht beherrschen können, das wegzuwischen. Aber die Vorstellung, dass Veronica den Fleck sehen und in dem Zuge bemerken könnte, dass seine Schuhe handgenäht waren, hielt ihn davon ab. Nicht, dass er damit angeben wollte – sie besaß einen ganzen Schrank voller Designer-Schuhe. Er wollte ihr nur zeigen, wie viel er erreicht hatte, und Schuhe waren ein Symbol, das sie zu lesen verstand.

Felicity drückte warnend seinen Arm. „Du wirst den armen Mann doch nicht erwürgen, oder?“

Seine Lippen zuckten – halb war es ein Lächeln, halb eine Grimasse. „Ich bin eher geneigt, sie zu würgen.“

„Ihr müsst ja Spaß gehabt haben auf dem College, wenn sie nicht einmal neben einem anderen Mann gehen kann, ohne dass du dich aufregst! Reiß dich zusammen.“

Und dann stand Veronica vor ihm, mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht – jenes, das sie ihr Schulabschlusslächeln nannte –, und da hätte er sie am liebsten gepackt und geschüttelt und ihr gesagt, dass sie ihn nicht mit diesem Lächeln ansehen sollte. Er wollte sie küssen, ihr diese vornehmen Nadeln aus den perfekt gestylten blonden Haaren ziehen und ihr dieses perfekte Kleid vom Leib reißen, um ihre überlegene Eleganz zu erschüttern. Früher war ihm das gelungen. Da hatte er dieselbe heftige Begierde in ihr wecken können, die er empfunden hatte. Hatte ihr die Coolness genommen nur durch seine Berührung, mit der er sie heiß und aufgewühlt und keuchend und pulsierend gemacht hatte.

Und bei Gott, er würde es wieder tun.

Aber um sie soweit zu bringen, dass sie ihre Coolness verlor, musste er selbst cool bleiben. Daher hob er amüsiert eine Braue, deutete auf den Typen, den sie hier wie eine Siegesfahne anschleppte und sagte: „Nummer drei?“

„Wie steht’s um den siamesischen Zwilling?“, konterte sie, auf Felicity deutend.

„Abgelöst“, erwiderte er. „Brauche einen Ersatz. Interessiert?“

„Tut’s nicht weh?“

„Wird besser, aber ich könnte etwas zur Überbrückung gebrauchen.“

An diesem Punkt räusperte Felicity sich, und da wurde er sich der Tatsache bewusst, dass er und Veronica genug Hitze erzeugten, um einen Ofen zu befeuern.

Veron...

Autor

Riley Pine
<p>Riley Pine, das ist die Kombination von zwei modernen Romance-Talenten, wie man es bisher noch nie erlebt hat: heiß, spannend, schmutzig und schwindelerregend skandalös. Alles Neue über Riley Pine wie Newsletter, Details zu den Büchern und vieles mehr gibt es auf rileypine.com.</p>
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