Baccara Exklusiv Band 257

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ZWISCHEN MACHT UND LEIDENSCHAFT von KAT CANTRELL

Das Präsidentenamt ist zum Greifen nah und Phillip Edgewood kann keine Ablenkung gebrauchen. Auch nicht, wenn sie so sexy ist wie Alex. Zwar bittet er sie nach einer heißen Nacht um ihre Hand, aber nur, damit er für den Wahlkampf eine Frau an seiner Seite hat …


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  • Erscheinungstag 05.04.2025
  • Bandnummer 257
  • ISBN / Artikelnummer 9783751530880
  • Seitenanzahl 448
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Kat Cantrell

1. KAPITEL

Nachdem Alex sich jetzt schon zum dritten Mal hinter der griechischen Statue versteckt hatte, gewann die Neugier von Senator Phillip Edgewood die Oberhand. Ja, er hatte sie in dem Raum, der voller Menschen war, dabei beobachtet, wie sie mit ihren Freunden und Kollegen geplaudert hatte. Warum auch nicht?

Schließlich war Alexandra Meer die schönste Frau von allen hier.

Das war überraschend. Denn eigentlich hatte Phillip erwartet, dass sie in Jeans zu seiner Fundraising-Party erscheinen würde, wogegen er nichts gehabt hätte. Ihm gefiel sie immer, egal, was sie trug. Aber diese perfekt gestylte, transformierte Version der Frau, die er vor ein paar Wochen in den Büros von Fyra Cosmetics kennengelernt hatte, war einfach – wow!

In diesem Moment räusperte sich Ramona Galindo und lenkte seine Aufmerksamkeit erneut auf ihr Gespräch. Die Senatorin aus Texas und Phillip hatten eine Menge gemeinsam und trafen sich öfter, wenn sie beide in Dallas waren. Aber er fand es schwierig, sich auf sie zu konzentrieren, während Alex ihren geheimnisvollen Aktivitäten nachging. Doch er tat so, als würde er Ramona zuhören, denn schließlich ging es an dem heutigen Abend vor allem darum, sich mit seinen Kollegen, die nicht in Washington lebten, zu vernetzen. Gleichzeitig bemühte er sich, Alex weiterhin im Blick zu behalten.

Versteckte sie heimlich Canapés, bevor jemand bemerkte, dass sie sie nicht aß? Oder erhoffte sie sich in den dunklen Nischen des Raums eine interessante Begegnung?

Wenn Ersteres der Fall war, empfand er es als seine Pflicht, ihr zu sagen, dass er die Häppchen ebenfalls nicht ausstehen konnte, obwohl es schließlich seine Party war. Und wenn es sich um Letzteres handelte, würde er ihr ihren Wunsch nur allzu gern erfüllen.

Um ehrlich zu sein, brauchte Phillip diese Ablenkung, denn heute war Ginas Geburtstag. Oder, um genauer zu sein, es wäre ihr Geburtstag gewesen. Wenn seine Frau noch gelebt hätte, wäre sie heute zweiunddreißig geworden. Eigentlich hätte man annehmen sollen, dass er sich nach zwei Jahren als Witwer mit dieser Bezeichnung abgefunden hätte. Aber es fiel ihm immer noch schwer, den Umstand zu akzeptieren.

Und das gab seiner Entscheidung den Ausschlag. Entweder, er verbrachte den Rest des Abends übellaunig und verdrossen, oder er schürte die Funken, die immer zu sprühen begannen, wenn er in Alex’ Nähe war. Als Phillip sich einverstanden erklärt hatte, Fyra Cosmetics bei der Lizensierung durch die Bundesbehörde behilflich zu sein, hätte er nie erwartet, dabei eine so faszinierende Frau kennenzulernen – besonders nicht, wenn diese Frau die Finanzchefin der Firma war.

Alex und er hatten sich öfter zum Lunch getroffen. Sie lachte über seine Witze und gab ihm das Gefühl, ein Mann zu sein, nicht bloß ein Politiker. Und sie war zu dieser Party gekommen, obwohl er sicher gewesen war, dass sie seine Einladung ablehnen würde. Das schien ein Hinweis darauf zu sein, dass es in ihrer Beziehung um mehr ging als nur um eine rein geschäftliche Zusammenarbeit.

„Bitte entschuldigen Sie mich“, sagte er zu Senatorin Galindo und ging an ihr vorbei, während er an den Ärmeln seines weißen Hemdes unter der Smokingjacke zog und sich zielstrebig durch den Raum auf die interessanteste der anwesenden Frauen zubewegte, die gerade … na ja, was auch immer sie da machte.

Er verschränkte die Arme, trat hinter die Statue und stellte sich ihr in den Weg. Zuerst überwältigte ihn ihr Duft … frisch, fruchtig … und dann sie selbst. Beides brachte sein Blut in Wallung, und zwar von null auf hundertachtzig.

„Sieh mal einer an, wen haben wir denn hier?“, sagte er munter. „Ich hoffe, ich bin nicht der Langweiler, dem Sie aus dem Weg gehen wollen.“

Alex’ Augen weiteten sich und gewannen gefährlich schnell an Glanz. Sie waren von einem faszinierenden Grün mit einem braunen Fleck in der linken Iris, der Phillip sofort auffiel. Mit Sicherheit war sie die aparteste Frau, die er je kennengelernt hatte, und das wollte etwas heißen, da er sich regelmäßig mit der weiblichen Elite aus Dallas und Washington traf.

„Nein, natürlich nicht. Diesen Titel hat nur unser Bürgermeister verdient.“ Dann stöhnte sie, woraufhin er schmunzeln musste. „Damit will ich natürlich nicht sagen, dass ich dem Bürgermeister aus dem Weg gehen möchte. Und auch nicht, dass er ein Langweiler ist. Genauso wenig, wie Sie es sind. Ich gehe niemandem aus dem Weg.“

War es falsch, dass es ihm Spaß machte, sie aus der Fassung zu bringen? Es war so leicht, denn sie sagte stets irgendetwas Unfassbares, das ihn zum Lächeln brachte. Und er verspürte das dringende Bedürfnis zu lächeln, besonders heute Abend. Dieses Kunststück gelang nur ihr. Sie war die einzige Person, die er seit Langem getroffen hatte, der seine gesellschaftliche Stellung völlig gleichgültig zu sein schien. Und das gefiel ihm.

„Aber wenn Sie hier wären, um jemandem aus dem Weg zu gehen, wäre das der perfekte Platz“, erwiderte er und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. „Niemand würde Sie entdecken, es sei denn, man hätte Sie beobachtet.“

Die Nische war nicht dunkel genug, um ihre Röte zu verbergen. „Sie haben mich beobachtet?“

„Also, hören Sie mal!“ Er schnalzte mit der Zunge. „Wenn eine Frau ein solches Kleid trägt wie Sie, wird sie doch wohl nicht schockiert darüber sein, dass ein Mann sie anschaut.“

Alex sah zu Boden und runzelte die Stirn. „Es ist doch nur ein Kleid.“

Oh nein, das war es nicht. Das fließende cremefarbene Material, durchzogen mit Goldfäden, die das Licht einfingen, wenn sie sich bewegte, umspielte ihre atemberaubende Figur. Bis jetzt hatte Phillip nicht einmal geahnt, dass sie derart tolle Kurven hatte, und es kam einer Sensation gleich. Schon vor dem heutigen Abend hatte er gewusst, dass sie eine wunderschöne Frau war, und fühlte sich nun in seiner Meinung mehr als bestätigt.

In diesem figurbetonten Kleid genoss sie seine volle Aufmerksamkeit. Er hoffte sehr, dass sie nicht abgeneigt war, sich hin und wieder für eine Veranstaltung in Schale zu werfen. Als Politiker musste er zu vielen Events gehen, doch bisher hatte es ihm an der passenden Begleitung gemangelt.

Aber vielleicht hatte er jetzt eine potenzielle Kandidatin dafür gefunden.

„Ich glaube, ich habe Sie bisher noch nie im Kleid gesehen.“ Fragend sah er sie an. „Wie oft haben wir uns bisher bei Ihnen in der Firma getroffen? Drei- oder viermal? Bis jetzt waren Sie dabei immer diejenige, die am lässigsten angezogen war. Cass, Trinity und Harper trugen meist Businesskostüme. Aber Sie hatten eigentlich immer Jeans an.“

Die anderen drei Firmengründerinnen von Fyra zogen sich sehr geschmackvoll an und bevorzugten luxuriöse Marken. Normalerweise schätzte Phillip es an einer Frau, wenn sie einen guten Geschmack in Sachen Mode hatte. Gina hatte es geliebt, in Boutiquen zu gehen, und auch die meisten Frauen aus seinem Umfeld waren stets nach dem letzten Schrei gekleidet. Das Problem war nur, dass er sehr schnell das Interesse an ihnen verlor.

Alex hingegen … nun, Alex faszinierte ihn. Als sein Cousin Gage ihm die Gründerinnen von Fyra Cosmetics vorgestellt hatte, war sie es gewesen, die ihn am meisten beeindruckt hatte.

Es war ihm unmöglich gewesen, die zierliche Brünette, die ihr Haar zum Pferdeschwanz gebunden hatte und ein einfaches T-Shirt und Jeans trug, zu ignorieren. Außerdem war sie als Einzige nicht geschminkt gewesen, und das als Finanzchefin einer Kosmetikfirma. Das war ungefähr so, als würde er sich jemandem als Senator Phillip Edgewood vorstellen und dann behaupten, dass die Gesetze der Vereinigten Staaten von Amerika ihn nicht interessierten.

Er war sofort von ihr fasziniert gewesen und hatte sie näher kennenlernen wollen. Außerdem wollte er verstehen, warum er nicht aufhören konnte, an sie zu denken. Warum sie so anders war als jede Frau aus seinem Bekanntenkreis. Doch aus vielerlei Gründen war ihm klar, dass er vorsichtig sein musste, was das andere Geschlecht betraf. Nicht zuletzt, um einen Skandal zu vermeiden. Außerdem gab es da noch einen wichtigen Punkt: Er suchte eine ständige Begleiterin. Die Frau, die diese Rolle ausfüllen konnte, musste schon die Richtige sein, und seine Kriterien waren sehr streng.

Phillip hatte keine Ahnung, ob Alex in diese Kategorie fallen würde, aber er war fest entschlossen, es herauszufinden.

„Haben Sie keine Gäste, um die Sie sich kümmern müssen?“, fragte sie und schaute ihm über die Schulter. „Ich möchte Sie nicht von ihnen fernhalten.“

„Es sind insgesamt siebenundachtzig, wenn ich mich recht erinnere“, erwiderte er und nickte. Ja, er sollte sich um seine Gäste kümmern, da hatte Alex wirklich recht. Doch er rührte sich nicht. „Sie gehören schließlich auch dazu, daher ist es meine Pflicht, mich um Ihr Wohl zu kümmern. Irgendwie hatte ich den Eindruck, dass etwas nicht stimmt, denn sonst hätten Sie sich ja wohl kaum hinter dieser Statue versteckt.“

„Na ja, mein Kleid ist … es ist ein bisschen unbequem“, erklärte sie und zeigte auf ihr Oberteil. „Irgendwie sitzt es nicht richtig.“

Unwillkürlich konzentrierte sich sein Blick auf die von ihr angedeutete Zone. „Für mich sieht es aber gut aus.“

„Weil ich es gerade zurechtgerückt habe“, gab sie zurück.

Die Vorstellung, wie Alex sich hinter der Statue ins Dekolleté gefasst hatte, um es zu richten, brachte sein Blut in Wallung. Er konnte das Bild gar nicht mehr aus dem Kopf bekommen. Plötzlich schien die Nische für einen Senator und die Finanzchefin von Fyra Cosmetics viel zu eng. Die Luft zwischen ihnen knisterte vor Spannung.

Er verbot sich, nachzuhaken und sie zu fragen, ob er ihr beim Zurechtrücken behilflich sein konnte, obwohl ihm die Frage auf der Zunge lag. Doch schließlich war er seiner gesellschaftlichen Position etwas schuldig. Als Senator konnte man nicht einfach sagen, was man wollte, auch wenn er nur zu gern mit Alex geflirtet hätte. Unter anderem.

Phillips Leben gehörte nicht ihm. Als Senator war er größtenteils fremdbestimmt, und das würde sich auch nicht mehr ändern. Er war ein Edgewood, hineingeboren in eine Politikerfamilie mit langer Tradition und fest etabliert im Ölgeschäft. Und diese Familie zählte darauf, dass er als Erster aus dem Clan ins Weiße Haus einziehen würde.

Doch um das zu erreichen, brauchte er eine Frau. So war es nun einmal. Seit dem achtzehnten Jahrhundert hatte es keinen Präsidenten mehr gegeben, der Single gewesen war. Das Problem war nur, dass sein Herz noch immer Gina gehörte. Und er hatte bisher noch keine Frau getroffen, die sich damit begnügt hätte, die zweite Geige zu spielen, obwohl Gina tot war.

Es war ein furchtbares Dilemma. Entweder heiratete er nur pro forma und begnügte sich damit, die nächsten fünfzig Jahre lang einsam zu bleiben. Oder das Wunder geschah, und er fand eine Frau, der es nichts ausmachte, wenn sie nur Freunde und Liebhaber wären. Denn wahre Liebe konnte er niemandem bieten, das wäre ihm wie ein großer Verrat an seiner verstorbenen Frau vorgekommen.

Phillip wusste, dass das nicht fair war. Doch er glaubte nun einmal nicht an die zweite Chance. Niemand hatte das Glück, zweimal im Leben seine Seelenpartnerin zu finden. Falls Alex aber tatsächlich die richtige Frau für ihn sein sollte, würde sie das bestimmt verstehen.

Doch statt der vielen anderen Angebote, die er ihr gern gemacht hätte, begnügte er sich damit, sie zu fragen: „Hätten Sie gern ein Glas Champagner?“

„Sehe ich etwa so aus, als würde ich einen Drink brauchen?“, erwiderte sie trocken und fügte hinzu: „Oder können Sie etwa Gedanken lesen?“

Er grinste. „Weder noch. Ich finde es nur schade, dass Sie sich hier in dieser Ecke verkriechen und die Party nicht genießen können.“

Alex strich sich eine Locke aus dem Gesicht, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur gelöst hatte. „Wissen Sie, es braucht mehr als nur ein Glas Champagner, damit ich eine so formelle Party genießen kann.“

Das war wieder eine ihrer ungeheuerlichen Äußerungen, die Phillip zum Lächeln brachte. „Heißt das, meine Party genügt Ihren Ansprüchen nicht?“

Entsetzt sah sie ihn an. „Oh nein! Ihre Party ist perfekt, weil … nun, Ihr Haus ist ein wahrer Traum, und ihre Gäste sind großartig. Ich bin nur einfach nicht so gut im Small Talk. Aber das liegt ja wohl auf der Hand.“

Sie blinzelte, was bei jeder anderen Frau wie Koketterie gewirkt hätte. Für Phillip wäre es normalerweise das Signal gewesen, sich sofort aus dem Staub zu machen. Aber sie wirkte verletzlich und unsicher. Und das traf ihn mitten ins Herz.

Damit hatte er nicht gerechnet.

„Unsinn“, erwiderte er. „Sie sind einfach nur ehrlich. Und das finde ich sehr erfrischend.“

„Es freut mich, dass jemand so denkt.“ Sie runzelte die Stirn, was irgendwie süß aussah. „Zahlenmenschen wie ich werden nicht oft zu solchen Veranstaltungen eingeladen. Denn wir neigen dazu, uns hinter irgendwelchen Statuen zu verstecken und Probleme mit unserer Garderobe zu haben.“

„Warum sind Sie dann überhaupt gekommen, wenn Sie sich nicht gern in Schale werfen?“

Offensichtlich hatte sie sich nicht in jemanden verwandelt, der elegante Abendveranstaltungen mochte, was wirklich schade war. Sie erschien immer weniger wie die ideale Kandidatin für eine dauerhafte Begleitung. Doch das Problem war: Je länger Phillip neben ihr stand, desto mehr wünschte er sich, all seine Eheregeln über den Haufen zu werfen.

„Sie wissen doch, warum.“

Die unterschwellige Spannung zwischen ihnen wuchs noch, als ihre Blicke sich trafen. Phillip war ihr jetzt so nahe, dass er den braunen Punkt in ihrer Iris sehen konnte, was er merkwürdig intim fand. Ihre Anziehungskraft war unglaublich stark, und das war ein Problem.

„Sind Sie etwa meinetwegen gekommen?“, wollte er wissen. Doch in Wirklichkeit war es gar keine Frage. Ihr Lächeln war bereits Antwort genug. „Ich fühle mich sehr geschmeichelt, dass Sie sich für mich in ein unbequemes Kleid geworfen und sogar geschminkt haben.“

„Na ja, das können Sie gern als einen seltenen Ausbruch von Spontanität bezeichnen. Eigentlich sieht mir das gar nicht ähnlich. Aber ich hoffe, es wird sich am Ende auszahlen.“

Fast hätte er aufgestöhnt. Sie brachte ihn um. Warum konnten sie nicht einfach zwei Menschen sein, die sich ohne Hintergedanken auf einer Party kennenlernten? „Ich bin ein großer Fan spontaner Frauen.“

Zumal er selbst nur wenig Gelegenheit hatte, sich so zu verhalten. Das kam für einen Senator, der die Präsidentschaftskandidatur im Auge hatte, überhaupt nicht infrage. Sein Leben bestand aus Statements und Auftritten, die bis ins letzte Detail inszeniert und durchdacht waren. Die Chance, dass er zum Beispiel auf eine ausgesprochen faszinierende Frau treffen würde, die sich in einer Nische versteckte, war praktisch gleich null.

Doch hier war er nun. Alex und ihn verband die Gemeinsamkeit, dass sie nicht spontan sein konnten. Er musste grinsen.

„Dann sollten wir jetzt etwas ganz Impulsives tun. Tanzen Sie mit mir!“

Energisch schüttelte sie den Kopf, wobei sich noch mehr Strähnen aus ihrer Hochsteckfrisur lösten. „Ich kann unmöglich vor all diesen Leuten mit Ihnen tanzen.“

„Warum denn nicht? Sie haben Ihr Kleid zurechtgerückt, sind über achtzehn und nicht verheiratet.“

Das waren die drei neuralgischen Punkte, die er sofort überprüfte, wenn er eine Frau kennenlernte. Denn nachdem sein Onkel aufgrund von ein paar pikanten Fotos mit einer fremden Frau seine Nominierung für den Senat verloren hatte, hatte Phillip sich geschworen, kein Risiko dieser Art einzugehen.

Schließlich ging es in seiner Karriere nicht nur darum, gewählt zu werden, sondern etwas zu bewegen. Die Welt zu verändern. Bei diesem Ziel würde ihm keine Frau im Weg stehen, das stand fest. Ja, sein Leben war sehr privilegiert, daran konnte es keinen Zweifel geben. Doch mit diesem Privileg ging auch eine große Verantwortung einher.

„Dieses Kleid besitzt keine magischen Eigenschaften, Phillip. Ich bin nun mal ungeschickt, mit Worten und mit meinen Füßen.“

„Ihnen scheint nicht klar zu sein, dass Sie eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau sind, die ein Millionen-Dollar-Unternehmen mitbegründet hat. Sie sollten auf der Tanzfläche sein und all diese Leute hier einschüchtern. Weil Sie Alexandra Meer sind und es Ihnen egal ist, was sie denken.“

Er streckte die Hand aus. Auf keinen Fall würde er zulassen, dass sie den Rest des Abends hier in der Nische verbrachte. Aber in Wirklichkeit war dies nur eine Entschuldigung dafür, dass er einfach mehr Zeit mit ihr verbringen wollte.

Alex zögerte und starrte auf Phillips ausgestreckte Hand.

Es gab einen Grund, warum sie sich hinter der Statue versteckt hatte. Vielleicht waren andere Frauen dazu in der Lage, trägerlose Kleider zu tragen, ohne dass sie verrutschten. Sie gehörte jedenfalls nicht dazu, und wenn sie tanzte, würde das den anderen Gästen bestimmt auffallen.

„Kommen Sie schon“, drängte er sie, und erneut jagte ihr seine Stimme Schauer über den Rücken. „Ich kann Sie nicht einfach hier stehen lassen, und außerdem bin ich schließlich der Gastgeber. Das hier ist mein Haus. Wie Sie richtig gesagt haben, muss ich mich um meine Gäste kümmern.“

Zweifelnd betrachtete sie die große und ziemlich hässliche Statue, hinter der sie Zuflucht gesucht hatte. „Sie hätten mich gar nicht entdecken dürfen.“

Eigentlich war sie froh gewesen, sich verstecken und trotzdem ein Teil von allem sein zu können. Partys erinnerten Alex immer daran, warum sie sie nicht gern besuchte. Für gewöhnlich verstand sie die komplizierten sozialen Gepflogenheiten nicht.

Grundsätzlich hatte sie nichts gegen Regeln, aber nur, wenn sie sinnvoll waren, wie zum Beispiel im Finanzbereich. Zahlen änderten sich nun einmal nicht, und das fand sie sehr beruhigend.

In Phillips Fall hingegen … nun, das schien genau das Feld zu sein, auf dem er sich gern aufhielt. Und es ließ sich nicht leugnen, dass sie vom ersten Moment ihrer Begegnung an von ihm fasziniert gewesen war.

Deshalb hatte sie schließlich auch zugestimmt, als ihre Freundin und Partnerin Cass sie dazu gedrängt hatte, auf seine Party zu gehen. Cass hatte darauf bestanden, dieses glamouröse Kleid zu kaufen und sich ausnahmsweise auch schminken und zurechtmachen zu lassen. Alex hatte sich zunächst zwar gesträubt, aber am Ende musste sie sich geschlagen geben und war mit dem Ergebnis mehr als zufrieden.

Jetzt flirteten Phillip und sie miteinander, und er hatte sie sogar gebeten, mit ihm zu tanzen. Anscheinend besaß das Kleid also doch magische Fähigkeiten.

Vielleicht sollte sie tatsächlich mit ihm tanzen. Nur dieses eine Mal. Danach würde sie schnell wieder in irgendein Mauseloch schlüpfen.

Langsam streckte Alex die Hand aus. Insgeheim hegte sie die winzige Hoffnung, dass der Himmel endlich ein Einsehen hatte und sie sich nicht mehr so einsam fühlen musste. Sie hatte sich zwar hin und wieder mit Männern getroffen, aber weiter war daraus nichts entstanden. Phillip hingegen war der erste Mann seit langer Zeit, an den sie immer wieder hatte denken müssen.

Heute würden sie sehen, ob und wie sich die Dinge zwischen ihnen entwickelten.

Allerdings war sie auch noch reichlich eingeschüchtert von dem großen prächtigen, mehr als hundert Jahre alten Haus. Es symbolisierte den Status, den er genoss, und das Leben, das er führte. Ein Leben, das überhaupt nicht zu einem stillen Mauerblümchen wie ihr passte.

Sie erschauerte, als er sie berührte.

„Alex“, sagte Phillip und verstärkte seinen Griff. „Wir müssen jetzt tanzen. Sonst passiert noch etwas Schlimmes.“

„Was denn?“, fragte sie neugierig. Sein Blick ruhte auf ihren Lippen, als würde er sich jeden Moment vorbeugen und sie küssen wollen.

Davon träumte sie seit Wochen, seit dem ersten Mal, als er in ihre Firma gekommen war.

„Na ja, ich könnte zum Beispiel all meine Gäste rauswerfen“, verkündete er. „Und mich nur noch auf Sie konzentrieren.“

Das war eine Einladung. Und eine Frage. Wie sollte dieser Abend ihrer Meinung nach enden?

Alex wusste, dass sie nun mutig sein und über ihren Schatten springen musste. Egal, wie viel Angst sie davor hatte, sich vor den anderen zu blamieren.

„Also gut. Tanzen wir!“

„Hier entlang, Ms. Meer.“

Er führte sie aufs Parkett und zog sie in seine Arme.

Die Aufmerksamkeit der Menge war sofort auf sie gerichtet. Alle Gäste beäugten die Frau, die mit dem Senator tanzte. Unter den neugierigen Blicken wurde ihr ganz warm. Die einzigen Freunde unter den Anwesenden waren ihre Chefin Cassandra und deren Verlobter Gage, der Phillips Cousin war.

Alex hatte das Gefühl, als wären ihre Füße aus Blei.

„Hallo, hier spielt die Musik.“ Phillip legte ihr die Hand um die Taille. „Schauen Sie nur mich an. Vergessen Sie die anderen. Sie existieren gar nicht.“

Ha – wenn das nur stimmen würde! Doch Alex tat wie ihr geheißen und sah in seine tiefblauen Augen. Gekonnt bewegte er sich mit ihr zum Rhythmus der klassischen Musik, die aus den Lautsprechern seiner teuren Stereoanlage drang. Schließlich traten die Gesichter der anderen in den Hintergrund, und sie spürte nur noch seine Hände auf ihrem Körper – so, wie sie es sich schon oft vorgestellt hatte.

Nun, nicht ganz. In ihrer Vorstellung waren sie beide nackt gewesen.

Eindringlich sah Phillip sie an.

„Sehen Sie?“, fragte er leise. „So ist es doch schon viel besser.“

Oh ja. Dieser Abend, dieser Mann, der sie in seinen Armen hielt. Alles war besser. Es war nicht das Kleid, sondern Phillip, der magische Eigenschaften hatte. In seiner Gegenwart war sie ein anderer Mensch – jemand, der sich nicht mehr verstecken musste. Nicht einmal ihm gegenüber, obwohl sie gesellschaftlich so weit voneinander entfernt waren.

Und Alex wollte diese Magie genießen, solange sie andauerte. Vielleicht gelang ihr das ja, wenigstens für diesen einen Abend.

2. KAPITEL

Phillip wich die ganze Zeit nicht von Alex’ Seite.

Das war ebenso schön wie aufregend. Sie verlor jedes Gefühl für Zeit und Raum und vergaß auch die Blicke der anderen, genau wie er es sich von ihr gewünscht hatte. Er war wirklich ein erstaunlicher Mann, der ihr das Gefühl gab, etwas ganz Besonderes zu sein. Ihre hungernde Seele verschlang seine Aufmerksamkeit geradezu und bettelte um mehr.

Sie könnte sich daran gewöhnen, das Zentrum seiner Welt zu sein. Ihr Herz schien von Minute zu Minute leichter zu werden, als ihr plötzlich jemand auf die Schulter klopfte. Sie sah sich um. Cass. Fast hatte Alex schon vergessen, dass ihre Freundin auf der Party war.

„Ms. Claremont!“ Phillip nickte ihr zu. „Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen heute noch nicht gesagt habe, wie umwerfend Sie aussehen. Gage ist wirklich ein Glückspilz.“

„Ja, mir ist schon aufgefallen, wie beschäftigt Sie heute Abend sind“, erwiderte Cass doppeldeutig. „Aber ich werde dafür sorgen, dass Gage es später bei mir wiedergutmacht.“

Alex dachte kurz daran, ihr eine Ohrfeige zu geben, doch dafür hätte sie ihre Schultern von Phillips Armen nehmen müssen.

„Ich muss Ihnen Alex kurz entführen“, sagte ihre Freundin, und er ließ sie sofort los.

Dann schleppte Cass sie mit in die Damentoilette, aus der gerade zwei Hollywood-Berühmtheiten kamen. Von dieser Welt hatte Alex keine Ahnung. Sie hätte nicht sagen können, wer die glamourösen Frauen waren. Cass hingegen war in diesem Umfeld voll in ihrem Element.

Alex war darauf nicht neidisch, sie gönnte Cass, die sie wie eine Schwester liebte, alles Glück dieser Welt. Schließlich war auch sie es gewesen, die dafür gesorgt hatte, dass sie den Posten als Finanzchefin bei Fyra bekam. Und das, obwohl Cass gewusst hatte, dass sie eine Weile im Gefängnis gesessen hatte.

Ja, sie verdankte Cass ihre zweite Chance und würde daher auch bis zu ihrem Tod bei der Firma bleiben, wenn es nötig wäre. Aber natürlich war sie trotzdem sauer über die Unterbrechung.

„Was ist denn so wichtig?“, fragte sie, nachdem sie allein waren und keiner sie hören konnte. „Ich hab gerade so schön getanzt.“

Cass zog die Augenbrauen in die Höhe. „Ja, ist mir klar. Aber Gage und ich wollen gehen.“

„Jetzt schon?“ Alex war mit ihnen hergekommen, weil Gage darauf bestanden hatte, dass es genug Platz in seiner Limousine gab. Während der Fahrt hatte sie schon überlegt, wie sie sich am besten aus dem Staub machen könnte, wenn sie früher gehen wollte. Doch die Dinge hatten sich anders entwickelt.

„Es ist bereits Mitternacht“, erwiderte Cass und zeigte auf die Wanduhr. „Wir haben schließlich einen kleinen Sohn, der morgens um sechs Uhr aufwacht.“

Bestürzt starrte Alex auf die Uhr und hätte sich gewünscht, es wäre früher.

„Aber ihr habt doch ein Kindermädchen“, erinnerte sie Cass mit dem Mut der Verzweiflung. „Kann sie sich nicht um Robbie kümmern?“

Ihre Freundin schüttelte den Kopf und lachte. „Nein, das ist mein Job, solange Gage und ich noch nicht in derselben Stadt wohnen. Wenn du lieber noch bleiben möchtest, sag es ruhig. Du kannst dir ja auch ein Taxi nehmen.“

„Nein, das geht nicht.“

„Warum denn nicht?“

„Weil … weil … weil es keine gute Idee wäre, wenn ich mich auf Phillip einlassen würde“, meinte Alex verzagt.

„Aber das ist doch längst passiert! Nur seinetwegen bist du überhaupt hier. Du magst ihn nämlich sehr und willst sehen, wohin sich das Ganze entwickelt. Richtig? Sonst hätte ich dich schließlich nicht dazu überreden müssen, dir dieses unglaubliche Kleid zu kaufen.“

„Ja, ich mag ihn, aber …“

Forschend sah Cass sie an. „Geht es hier wieder um deine Mutter? Dann lass dir bitte einmal gesagt sein, dass ihr völlig verschieden seid. Und nur weil dein Vater ein Mistkerl ist, bedeutet das noch lange nicht, dass das auf alle Männer zutrifft.“

Alex machte den Mund wieder zu. Ja, die Scheidung ihrer Eltern hatte sie stark beeinflusst und sie übervorsichtig werden lassen. Und sie war auch der Grund, warum sie als Teenager im Knast gelandet war. Es war der ungeschickte Versuch einer Rebellion gewesen, sie hatte ihren Eltern die Trennung heimzahlen wollen. Doch bei alldem hatte sie vor allem eins gelernt: Die Liebe war viel zu kompliziert. Es war viel leichter, sich hinter langen Zahlenreihen zu verstecken und sich unsichtbar zu machen.

„Also – willst du jetzt bleiben oder nicht?“, fragte Cass ungeduldig. Es war klar, was sie damit wirklich meinte.

Zu bleiben würde bedeuten, Phillip grünes Licht zu geben. Er hatte sie zwar den ganzen Abend wie ein Gentleman behandelt, aber man brauchte kein Genie zu sein, um zu wissen, dass der Senator mehr als nur tanzen wollte.

Wenn jemand anderes als Cass sie gefragt hätte, hätte sie wahrscheinlich gelogen. „Ja, ich würde gern bleiben. Aber ich bin nicht …“

„Doch, bist du.“ Ihre Freundin legte ihr die Hände auf die Schultern und sah sie beschwörend an. „Du machst es dir zu schwer. Niemand verlangt von dir, dass du ihn heiratest. Es geht nur um das Hier und Jetzt – um den Mann, den du haben willst. Hol ihn dir!“

Alex entspannte sich ein wenig.

Es klang so einfach. Mach dir keine Sorgen um Dinge, die du nicht kontrollieren kannst, und genieß einfach die Aufmerksamkeit des Mannes, nach dem du dich schon wochenlang verzehrst. Geh nicht davon aus, dass es ihm um irgendetwas anderes als Sex geht. Was wäre schon so schlimm daran, wenn sie eine kurze Affäre mit einem Mann hätte, in den sie sich eindeutig verliebt hatte? Die Magie musste schließlich nicht um Mitternacht enden.

Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Es war schon lange her, dass sie Sex gehabt hatte, der ohne batteriebetriebene Hilfsmittel auskam. Und Phillip war bestimmt der richtige Kandidat, um ihr die Freuden echter Lust wieder nahezubringen. Schließlich war er ein Prachtexemplar der Gattung Mann.

„Gut, dann sag Gage bitte, dass ich noch hierbleibe“, erklärte sie entschlossen. „Ich muss schließlich einen Senator verführen.“

Alex war erst seit fünf Minuten weg, und schon hatte sich eine Traube von Menschen um Phillip gebildet, die alle seine Meinung zu verschiedenen Themen hören wollten. Einer davon war sein Vater, der seit über einer Woche nicht mehr aus Washington herausgekommen war. Ihre Wege kreuzten sich nur selten, obwohl sein Dad ebenfalls dem Senat angehörte. Sie sprachen gerade über ein Energieprojekt, doch Phillip konnte sich einfach nicht auf das Thema konzentrieren, weil er immer wieder Ausschau nach der Frau hielt, die er gerade noch im Arm gehalten hatte.

Dann tauchte endlich wieder das glänzende Kleid in seinem Blickfeld auf. Das wurde aber auch höchste Zeit! Vorfreude ergriff ihn, wie er sie den ganzen Abend über schon gespürt hatte. Und dieses Gefühl hatte eindeutig mit Alexandra Meer zu tun. Sein anfängliches Interesse, sie besser kennenlernen zu wollen, hatte sich unmerklich zu etwas anderem entwickelt. Etwas, das ihn fest im Griff hatte.

Er machte sich von seinem Dad los und ging auf sie zu. Alle anderen Gäste zählten plötzlich nicht mehr für ihn. Als er sie erreichte, beugte er sich zu ihr hinunter, und ihr süßer Duft nach Pfirsich machte ihn hungrig. Wie gern würde er davon probieren!

Sie hatte den ganzen Abend über in seinen Armen gelegen und ihn davor bewahrt, wieder stundenlang über Gina nachzudenken. Er liebte es, in ihrer Nähe zu sein, fühlte sich ausgesprochen wohl in ihrer Gegenwart.

„Sie hatten übrigens recht“, flüsterte er und zwinkerte ihr verschwörerisch zu. „Der Bürgermeister ist wirklich ein Langweiler.“

„Das habe ich Ihnen doch gesagt“, erwiderte sie lachend.

„Kommen Sie mit“, sagte er leise. „Ich möchte Ihnen gern etwas zeigen.“

Plötzlich verspürte Phillip das dringende Bedürfnis, mit ihr allein zu sein, und führte sie nach oben auf die Galerie, von der aus man den großen Salon überschauen konnte. Sein Großvater hatte ihm das prächtige Haus zur Verlobung geschenkt. Es war seit Generationen im Besitz seiner Familie und hatte sich seitdem nur wenig verändert. Das schmiedeeiserne Geländer der Galerie verbarg sie vor den neugierigen Blicken unter ihnen.

Phillip ließ sich auf dem geräumigen Ledersofa nieder und klopfte auf den Platz neben sich. „Von hier aus kann man unbemerkt das ganze Untergeschoss sehen.“

„Sehr praktisch.“ Alex räusperte sich. „Übrigens, Gage und Cass werden gleich aufbrechen. Sie sind meine Mitfahrgelegenheit.“

Enttäuscht sah er sie an. Das klang ziemlich endgültig. Hatte er ihre sehnsuchtsvollen Blicke falsch interpretiert?

„Wollen Sie mich jetzt schon loswerden?“, fragte er und gab sich Mühe, unbekümmert zu klingen.

Vielleicht war es besser so. Was konnte schon zwischen ihnen sein? Ein kurzes Intermezzo, nach dem er sich unweigerlich verabschieden musste? Eine Frau wie Alex verdiente Versprechungen, die er nicht machen konnte. Bestimmt wollte auch sie heiraten und Kinder bekommen. Und das konnte er ihr nicht bieten. Niemals.

Gina war genug für ihn gewesen. Manchmal überwältigte ihn die Trauer über ihren Verlust geradezu. Daher war er auch sehr dankbar für die Ablenkung gewesen, die Alex ihm geboten hatte.

Aber wenn die Party zu Ende war, würde ihm das riesige Haus noch leerer vorkommen als zuvor. Das war keine besonders erfreuliche Aussicht.

Alex sah ihn an, und ihre Lippen öffneten sich leicht. „Also, ich wollte Sie eigentlich fragen, ob Sie mich nach Hause bringen könnten. Später, meine ich.“

Später war ein Wort, das Phillip sehr gut gefiel. Darin lagen viele Möglichkeiten verborgen. Ein Lächeln umspielte seine Lippen. „Mein Wagen steht Ihnen rund um die Uhr zur Verfügung.“

„Sieht ganz so aus, als wäre die Party bald zu Ende“, sagte sie unvermittelt. Er brauchte eine Sekunde, um den Sinn ihrer Worte zu verstehen.

Dann spähte er durch die Streben nach unten. Ja, sein Wohnzimmer war überraschend leer geworden. Wie spät war es? Er hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Und nicht nur das, auch die Gäste, um die er sich eigentlich kümmern sollte, waren plötzlich zweitrangig geworden. Und nun würde er die noch Verbliebenen auch noch hinauswerfen müssen, wie ein schlechter Gastgeber. Oder, was noch schlimmer war, er würde seinen Butler bitten müssen, diese unangenehme Aufgabe zu erledigen.

Phillip winkte George zu, der gerade ein paar Gäste zur Tür gebracht hatte. Er arbeitete bereits seit über vierzig Jahren für die Familie Edgewood und besaß die seltene Gabe, Gedanken lesen zu können. Er verstand sofort und forderte den Rest der Anwesenden zum Gehen auf.

„Perfektes Timing“, sagte Phillip zufrieden.

Alex nickte. „Ja, stimmt. Ich habe mich schon sehr darauf gefreut, allein mit Ihnen zu sein.“

Bei diesen Worten schoss ein Blitz der Lust durch seine Lenden. Sein Körper erwachte.

„Es sei denn“, fuhr sie fort, „Sie möchten, dass ich gehe?“

„Wie kommen Sie denn darauf?“

Sie biss sich auf die Lippen – eine Angewohnheit, die ihm schon früher bei ihr aufgefallen war.

„Ach, ich wollte mich nur vergewissern. Ich bin nicht gut darin, die Gedanken anderer zu lesen.“

Plötzlich wurde ihm klar, worauf sie aus war.

Er nahm ihr Gesicht in beide Hände. Ihre Augen glänzten warm und erwartungsvoll. Selbst der braune Punkt schien unter seinem prüfenden Blick zu vibrieren, was sein Verlangen noch mehr anfachte.

„Heute Abend geht es darum, spontan zu sein“, erklärte er. „Keiner von uns beiden ist gut darin. Es gibt keine Erwartungen, also mach daraus, was du möchtest.“

Das meinte er durchaus ernst. Wenn sie sich die ganze Nacht über mit ihm unterhalten wollte, hatte er nichts dagegen. Aber natürlich würde er auch eine bereitwillige Frau in seinem Bett nicht zurückstoßen. Vor allem wollte er Zeit mit ihr verbringen, selbst wenn es egoistisch war. Plötzlich begriff er, dass er ihr nicht viel bieten konnte und sich besser woanders nach einer passenden Frau umschauen sollte.

Doch darüber musste er jetzt nicht weiter nachdenken. Nicht heute Abend.

„Keine Erwartungen“, wiederholte sie lächelnd. „Das gefällt mir. Auch dass du verstehst, dass es mir schwerfällt, spontan zu sein. Aber ich möchte, dass wir etwas tun, was uns beiden gefällt. Vorausgesetzt, wir wollen dasselbe.“

Sein Lächeln wurde breiter. „Das hoffe ich.“

Ein schöner Abend, ohne jede Verpflichtung. In welcher Form auch immer.

„Aber wird es nicht komisch sein?“, fragte Alex besorgt. „Morgen, meine ich? Schließlich arbeiten wir zusammen. Manche Leute finden es schwierig, sich im Konferenzraum zu begegnen, wenn sie miteinander im Bett waren.“

Also gut. Jetzt gab es anscheinend keine Frage mehr, ob sie auf derselben Wellenlänge lagen. Das Brennen in seinen Lenden wurde immer stärker, während er ihr die Hand um den Nacken legte und sie noch näher an sich zog.

Wortlos zog er ihr eine Haarnadel nach der anderen heraus, bis ihr das Haar offen auf die Schultern fiel. Das hatte er schon machen wollen, seit sie angefangen hatten, miteinander zu tanzen. Und jetzt war es endlich so weit.

„Nein, das ist nicht komisch“, erwiderte er leise. „Was in meinem Haus geschieht, bleibt auch in meinem Haus.“

Alex erschauerte und schüttelte den Kopf, während er die letzten Nadeln aus ihrem Haar zog. Dann sah sie ihn an.

„Kann ich dir ein Geheimnis anvertrauen?“ Ihre Stimme klang jetzt ein wenig heiser.

„Natürlich. Alles.“

„Bei unseren Meetings kann ich mich manchmal gar nicht auf die Diskussion konzentrieren, weil ich nur noch daran denke, wie du mich küsst. Und dann wünsche ich mir, wir wären ganz allein.“

Er stöhnte auf, denn dieses Problem war ihm sehr vertraut. „Geht mir genauso. Ich kann immer nur daran denken, wie du wohl schmeckst. Und zwar hier.“

Leicht strich er ihr über den Nacken, fuhr dann über ihr Schlüsselbein, beugte den Kopf und küsste sie. Genüsslich kostete er ihre Haut, nahm ihren Duft ganz in sich auf, während sie tief ausatmete. In seinen Ohren klang das besser als Musik.

Er brauchte mehr. Mehr Kontakt. Mehr Musik. Mehr Alex. Er zog sie noch näher an sich, auf seinen Schoß, wobei ihr Kleid hochrutschte. Sehnsüchtig schmiegte sie sich an ihn.

Und dann saß sie plötzlich rittlings auf ihm. Wortlos umfasste er mit beiden Händen ihren Po und drückte seine Lippen auf ihre. Der Kuss ließ Adrenalin durch seinen Körper schießen und euphorisierte ihn bis in jede Nervenspitze.

Mehr. Alex musste das gehört oder gespürt haben, denn sie drängte ihre Hüfte gegen seine und bewegte sich in einem so sinnlichen Rhythmus, dass Phillip das Gefühl hatte, die stärkste Erektion zu erleben, an die er sich erinnern konnte.

Hitze durchströmte ihn und ballte sich da zusammen, wo ihre Körper sich berührten. Fast wäre alles vorbei gewesen, bevor sie überhaupt begonnen hatten. Er löste sich von ihr und atmete schwer.

„Warte“, flüsterte er und erhob sich mit ihr in seinen Armen. Sie schlang ihm die Beine um die Taille, und er stolperte in Richtung seines Schlafzimmers, während sie ihn gierig küsste.

„Das ist nicht unbedingt die korrekte Definition von Warten“, stieß er hervor und ließ Alex zu Boden gleiten, nachdem er die Tür mit einem Fußtritt hinter sich zugeknallt hatte.

„Ich bin nicht besonders geduldig.“ Zum Beweis drehte sie sich um und bedeutete ihm, ihr den Reißverschluss herunterzuziehen.

Das tat er auch und sah mit angehaltenem Atem dabei zu, wie das glitzernde Kleid zu Boden glitt. Dann drehte sie sich um und sah ihn an. Sie war nackt, und ihre festen spitzen Brüste reckten sich ihm entgegen.

Phillip konnte sich eines Fluchs nicht erwehren. „Verdammt! Willst du mich umbringen?“

„Nein, ich versuche, dich ins Bett zu kriegen. Aber ich scheine was falsch zu machen, denn du bist immer noch angezogen.“

Lachend zog er sich aus. Dann hob er sie hoch und setzte sie behutsam aufs Bett, bevor er in ihrer Umarmung versank. Ihr Duft umfing ihn und nahm ihn so sehr gefangen, wie es die ganze Frau tat.

„Von diesem Moment träume ich seit Langem“, stieß sie hervor.

Honigsüße Wärme strömte durch seine Adern, und sie sahen sich nur an. Jetzt waren sie ganz allein – zwei Menschen ohne jegliche Erwartungen. Doch Alex berührte ihn noch tiefer, brachte etwas in ihm zum Fließen, das eingefroren gewesen zu sein schien. Etwas, das er für eine andere Frau eigentlich gar nicht empfinden wollte.

Ja, er mochte sie. Sie war smart und erfolgreich und gleichzeitig auch verletzlich, was sie von anderen unterschied und was er vom ersten Moment an gespürt hatte.

„Ich auch“, gab er zu.

Phillip küsste sie, und sie merkte, dass er genauso hungrig nach ihr war wie sie nach ihm.

Schnell suchte er in der Schublade seines Nachtschränkchens nach einem Päckchen mit Kondomen, das er dort platziert hatte, als er das letzte Mal mit einer Frau geschlafen hatte. Wie lange war das her? Acht Monate? Vielleicht ein Jahr? Zuerst konnte er es nicht finden, doch dann schlossen sich seine Finger um das Gesuchte.

Er riss die Folie auf, zog den Schutz über und war dann auch schon wieder bei ihr. Jetzt gab es kein Halten mehr, er zog sie an sich, sie drängte sich ihm entgegen, und im nächsten Moment waren sie nicht länger voneinander getrennt. Phillip konnte kaum fassen, wie weich und sinnlich Alex sich anfühlte.

Sie bewegten sich miteinander in einem Rhythmus, der langsam an Fahrt aufnahm. Geben und Nehmen waren gleich verteilt, und er konnte an nichts anderes mehr denken, als ihr möglichst viel Vergnügen zu bereiten. Immer höher erklommen sie die Spirale der Lust, stachelten sich gegenseitig mit ihrem Stöhnen an, bis sie schließlich gemeinsam den Höhepunkt erreichten.

Während ihr Körper noch zuckte, hielt er sie ganz fest an sich geschmiegt. Alex duftete nach Pfirsichen, nach einer durch und durch befriedigten Frau, und er hätte sie am liebsten gar nicht mehr losgelassen.

Doch dann kam er langsam wieder zur Vernunft und wusste, dass er sie dazu bringen musste, sein Bett möglichst schnell zu verlassen, bevor er sie auffordern würde, die Nacht mit ihm zu verbringen. Denn das hatte er noch nie getan, außer natürlich mit Gina. Und bestimmt würde er heute nicht damit beginnen.

Später brachte Phillip Alex in seinem Tesla nach Hause, anstatt die Limousine mit Chauffeur für sie zu rufen. Irgendwie konnte er sich noch nicht von ihr trennen. Der Abend war viel zu kurz gewesen.

An der Tür zu ihrem Haus im Norden von Dallas gab er ihr einen Gutenachtkuss und sah sie noch einmal an, genoss ihren Anblick in dem glamourösen Kleid. Denn morgen würde sie gewiss wieder Jeans und T-Shirt tragen.

Doch egal, was sie anhatte, er wollte sie unbedingt wiedersehen.

„Kann ich dich anrufen?“, fragte er und räusperte sich. „Ich würde dich gern zum Dinner ausführen.“

Sie lächelte ihn an. „Ja, das fände ich schön.“

In Gedanken ging er seinen Terminkalender durch und fluchte leise. Morgen würde er wieder zurück nach Washington fliegen müssen. Und wann er nach Dallas zurückkehren würde, war unklar.

„Ich kann dir noch kein genaues Datum sagen“, fügte er schnell hinzu. „Aber das ist nur wegen der Arbeit, es hat nichts mit dir zu tun.“

„Phillip, wir haben doch gesagt, keine Erwartungen.“ Sie umschloss sein Gesicht mit beiden Händen und sah ihm tief in die Augen. „Ich bin gern mit dir zusammen. Aber ich werde nicht neben dem Telefon sitzen und auf deinen Anruf warten. Melde dich einfach, wenn du Zeit hast.“

Ungläubig sah er sie an. So etwas war ihm noch nie passiert. Die meisten Frauen hätten unbedingt eine Verabredung ausmachen wollen. Aber Alex war eben etwas Besonderes. „Das ist sehr nett von dir.“

Sie zuckte die Achseln. „Du bist es wert, dass man auf dich wartet.“

Diese Worte trafen ihn mitten ins Herz. Statt nach einem Termin für ein Wiedersehen zu suchen, sollte er sich lieber schnell umdrehen und wegfahren. Um endlich die Frau zu finden, die in sein Leben passte und die verstehen würde, dass er Gina gegenüber loyal bleiben musste. Und dass seine Karriere Opfer verlangte, die auf Kosten ihrer eigenen gehen würden.

Die Frau, die er brauchte, würde nicht all diese komplizierten Gefühle in ihm hervorrufen. Und Alex war definitiv nicht diese Frau.

Seine Karriere bedeutete ihm alles, sie war sein Leben. Sie hatte ihn davor bewahrt, vor ein paar Jahren vor Kummer zu sterben. Jetzt, da er das Präsidentschaftsamt im Auge hatte, musste er alles vermeiden, was ihm dabei im Weg stand. Alex würde die Dinge nur unnötig komplizieren. Nein, sie war nicht das, was er brauchte. Aber sie war alles, wonach er sich sehnte. Und das machte sie sehr gefährlich für ihn.

3. KAPITEL

Vier Wochen später …

Die Verpackung des Schwangerschaftstests war glatt und entglitt Alex’ zitternden Händen. Ungeduldig steckte sie sich das eine Ende in den Mund und riss sie auf. Der kleine Stab fiel heraus und landete platschend im Klobecken. Natürlich!

Die ganze Situation war irgendwie unwirklich. Alex befand sich in den Räumen der Firma, die sie gegründet hatte. Fyra war inzwischen ein Multimillionen-Dollar-Unternehmen, für dessen Aufstieg sie gemeinsam mit ihren Freundinnen und Partnerinnen aufopferungsvoll geschuftet hatte. Vom ersten Tag an war jeder Dollar der Einnahmen und Ausgaben durch ihre Hände gegangen. Sie war dafür verantwortlich, dass Hunderte von Mitarbeitern am Ende des Monats ihr Gehalt bekamen.

Und jetzt schaffte sie es nicht einmal, eine Plastikverpackung aufzureißen.

„Was ist passiert?“, fragte Cass aus der anderen Toilettenkabine.

„Gar nichts. Mir ist nur schlecht, und ich bin total ungeschickt“, gab Alex zurück. „Der blöde Test ist im Wasser gelandet.“

Ihre Mittagspause hatte sie sich wahrlich anders vorgestellt.

Außerdem ging sie davon aus, dass ihr gleich das bestätigt werden würde, was sie in ihrem Herzen bereits wusste. Und die Übelkeit, die sie seit einer Woche plagte, hatte auch nichts mit den Meeresfrüchten zu tun, die sie am Freitag gegessen hatte. Der Grund dafür war einzig allein die Nacht, die sie mit Phillip verbracht hatte.

„Kannst du ihn rausfischen?“

„Ich arbeite daran.“

Lügnerin. Den kleinen weißen Stab im Wasser einfach nur anzustarren würde ihr Problem nicht lösen. Einen Moment lang dachte Alex daran, einfach nur die Spülung zu betätigen und damit die Frage zu verdrängen, warum sie trotz aller Gebete nicht ihre Periode bekam. Das alles dürfte eigentlich gar nicht passieren.

„Warum pinkelst du nicht einfach in die Toilette?“, schlug Cass vor. „Du brauchst den Test nicht in der Hand zu halten, damit er funktioniert.“

Alex seufzte tief und ergab sich ihrem Schicksal. „Na gut. Das hab ich gemacht. Wie lange muss ich jetzt noch warten?“

„Keine Ahnung.“ Cass raschelte mit der Gebrauchsanweisung, die Alex ihr gegeben hatte, bevor sie sich in der Toilette eingeschlossen hatte. „Drei Minuten.“

Einen Tag nach der Party war Phillip wieder nach Washington zurückgekehrt, und seitdem hatten sie sich ein paar Mails geschickt. Er hatte sie zweimal angerufen, um Hallo zu sagen, aber bis jetzt hatten sie noch keine Verabredung zum Dinner getroffen. Doch das machte ihr nichts aus. Er würde sie wissen lassen, wann er Zeit hatte, und das war offenbar noch nicht der Fall.

Genau das hatte sie sich immer gewünscht. Eine leidenschaftliche Nacht mit einem außergewöhnlichen Mann, der ihr seine ganze Aufmerksamkeit schenkte. Noch immer träumte sie davon, wie seine Lippen ihre berührt hatten und was für einen wunderbaren Körper er hatte. Natürlich hätte sie ihn gern wiedergesehen. Andererseits wollte sie die Magie auch nicht durch die ganz normalen Sorgen des Alltags zerstören.

Allerdings würde sich ein Gespräch mit ihm nicht vermeiden lassen, wenn der Test positiv ausfiel. In diesem Fall wäre es auch keine Frage mehr, ob sie sich verabredeten oder nicht. Allein die Vorstellung machte sie ganz fertig.

Sie spähte in die Kloschüssel. Nichts. Oder doch? Sah das Ergebnis ein bisschen rosa aus? Ihr Herz machte einen Satz. „Was sagt die Gebrauchsanleitung denn darüber, wie man den Test interpretieren soll? Was bedeutet es, wenn der Streifen pink ist?“

Alex hatte sie zwar selbst gelesen, in ihrer Aufregung jedoch alles vergessen.

„Eine rosa Linie bedeutet nicht, dass du schwanger bist. Nur zwei Linien bedeuten das. Hast du denn noch nie einen Schwangerschaftstest gemacht?“ Cass konnte es nicht fassen. „Nicht einmal im College?“

„Nein“, erwiderte sie mürrisch. „Dazu hätte ich ja Sex haben müssen.“

Im College war sie genauso unbeholfen gewesen wie jetzt. Männer standen nicht auf so etwas. Phillip schien da eine Ausnahme zu sein.

In diesem Moment erschien eine klare pinkfarbene Linie auf dem Teststreifen. Das bedeutete, sie war nicht schwanger. Aber halt, hatte sie auch richtig hingeschaut? Tatsächlich, es schien sich eine zweite Linie in den Vordergrund zu schieben.

„Warum zwingst du mich eigentlich dazu?“

„Weil du es nicht von dir aus machst. Phillips Party ist jetzt vier Wochen her“, entgegnete Cass durch die Tür hindurch. „Wenn du schwanger bist, bist du im ersten Drittel des ersten Trimesters. Die Fakten zu leugnen wird weder dir noch dem Baby helfen.“

Baby. Oh Gott! Alex wollte nicht darüber nachdenken. Doch dann … ja, da war sie, die zweite Linie. Damit war die Sache klar.

„Gib mir den zweiten Test“, verlangte sie verzweifelt, denn sie wollte wirklich ganz sichergehen. Doch auch hier zeigte sich dasselbe Ergebnis.

„Wie genau sind diese Dinger eigentlich?“, flüsterte sie und starrte entsetzt auf die beiden pinkfarbenen Linien.

„Ziemlich genau“, erwiderte Cass. „Manchmal wird die Schwangerschaft nicht bestätigt, wenn man den Test zu früh macht. Aber wenn das Ergebnis positiv ist, gibt es eine hundertprozentige Gewissheit. Und ich gehe davon aus, dass beide Tests positiv waren. Stimmt’s?“

Alex antwortete nicht. Jetzt war es also Realität – eine Realität, die sich nicht mehr ändern ließ.

Sie war schwanger von Senator Phillip Edgewood!

Stumm schob sie den Riegel zurück und verließ die Toilette. Innerlich fühlte sie sich wie gelähmt, spürte gar nichts. Nur ihr Geist überschlug sich, wenn sie an die Konsequenzen dachte, die diese Schwangerschaft mit sich brachte.

Sie würde Mutter werden. In ihr wuchs Leben heran. Sie konnte es kaum glauben.

Cass warf Alex nur einen Blick zu und umarmte sie so fest, als wollte sie sie nie wieder loslassen. „Alles wird gut.“

„Wie denn?“, gab sie verzweifelt zurück.

Sie würde ein Kind bekommen. Diese Vorstellung machte ihr große Angst. Tief in ihrem Herzen wusste sie zwar, dass sie es schaffen würde, denn schließlich konnte sie sich auch immer an ihre Mutter wenden und sie um Unterstützung bitten. Außerdem hatte sie ihr eigenes Haus und verdiente gutes Geld. Vielleicht würde ja doch alles gut.

Phillip. Sie musste zu ihm fahren. Für den Bruchteil einer Sekunde stellte sie sich vor, wie er die Tür öffnen und sie mit einem strahlenden Lächeln begrüßen würde. Er würde ihr gestehen, dass er sie vermisst und dauernd an sie gedacht hatte und sich unglaublich freute, sie zu sehen. Und sie würde ihm beichten, dass es ihr genauso ging.

Dann würde sie ihm verkünden, dass er Vater wurde. Leider hatte Alex keine Ahnung, wie er auf diese Nachricht reagieren würde. Denn schließlich kannte sie ihn praktisch gar nicht.

„Das ist ja ein ganz schöner Schlamassel“, stieß sie hervor und löste sich aus Cass’ Umarmung.

„Es ist eine wunderbare Neuigkeit, die wir unter uns Freundinnen gebührend feiern sollten“, korrigierte Cass sie. „Du bist die Erste, die schwanger ist. Harper und Trinity werden entzückt sein.“

„Weswegen?“ Wie aufs Stichwort erschienen in diesem Moment die beiden Frauen, deren Namen gerade gefallen waren. Alex sah sie nur stumm an. Sie war noch immer zu schockiert, um etwas sagen zu können.

Trinitys Blick ging schnell zwischen Cass und Alex hin und her. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust. „Irgendetwas ist hier doch los. Hat es mit dem Lizensierungsverfahren zu tun? Was hat Phillip dazu gesagt?“

Sein Name fuhr Alex wie ein Messer durchs Herz, zumal sie in der letzten Woche kaum an ihren Antrag zur Markteinführung der Formel 47 gedacht hatte. Doch natürlich hätte sie sich darauf konzentrieren sollen und nicht ständig über die fatale Anziehung, die er auf sie ausübte, grübeln dürfen.

Einen schlechteren Zeitpunkt für eine Schwangerschaft als jetzt hätte man sich kaum vorstellen können. Fyra wollte mit der Vermarktung der neuen Kosmetikformel, die Harper in den Labors der Firma entwickelt hatte, Umsätze in Millionenhöhe machen. Doch dazu brauchten sie die Unterstützung eines Regierungsmitglieds, das bei der zuständigen Behörde ein gutes Wort für sie einlegte. Und jetzt hatte Alex alles vermasselt.

„Phillip hat noch nicht angerufen“, sagte sie zu Trinity. Sie wusste, dass ihre Partnerinnen es kaum erwarten konnten, die neue Marketingkampagne zu starten. Dann holte sie tief Luft und verkündete: „Ich bin schwanger.“

Erfreut sahen ihre Freundinnen sie an und umarmten sie herzlich. Das beruhigte Alex ein bisschen. Sie war nicht allein. Sofort fiel ihr das Atmen leichter.

Cass lächelte sie an und strich ihr über den Rücken. „Na, siehst du? Wir werden bei dir sein und dich unterstützen. Alleinerziehende Mütter sind heutzutage keine Seltenheit mehr.“

Alleinerziehende Mütter. Oh Gott! Daran hatte sie ja noch gar nicht gedacht. Hier ging es schließlich nicht nur um ihre Schwangerschaft, sondern um ein Kind, das Liebe und Fürsorge brauchte.

Die ganzen Schwierigkeiten, die damit einhergingen, raubten ihr fast den Verstand. Sie hatte eigentlich gar keine Kinder haben wollen, das hatte sie sich nach der Scheidung ihrer Eltern fest vorgenommen. Die Trennung der beiden hatte sie hart werden lassen. Um ihren Kummer darüber zu ertränken, hatte sie zur Flasche gegriffen und war sogar mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Und jetzt hatte sie das Einzige getan, was sie sich nie verzeihen würde – ein Kind zu zwingen, mit den Fehlern seiner Eltern zu leben.

Das geschah, wenn man alle Vorsicht außer Acht ließ.

Cass ging davon aus, dass Alex das Ganze ohne Phillips Hilfe durchziehen würde. Aber daran war gar nicht zu denken. Ein Baby brauchte eine Familie, es brauchte Mutter und Vater. Davon war Alex fest überzeugt.

Aber wollte Phillip überhaupt Kinder? Vielleicht verabscheute er die Vorstellung, für ein Kind verantwortlich sein zu müssen. Und was für eine Beziehung würden sie zueinander haben? Wie konnten sie Eltern sein, wenn sie nicht einmal ein Paar waren? Panik erfasste Alex, und sie verkrampfte sich.

„Seit wann bist du denn eine Expertin für die Mutterschaft?“, fuhr sie Cass wütend an.

„Seit Gage das volle Sorgerecht für Robbie bekommen hat“, gab diese ruhig zurück. „Nur weil ich ihn nicht selbst geboren habe, heißt das noch lange nicht, dass ich ihn nicht wie ein eigenes Kind lieben kann.“

Cass hatte sich in einen alleinerziehenden Vater verliebt und war so unversehens Mutter geworden. Es sah ganz so aus, als würde Alex dasselbe Schicksal erleiden.

Plötzlich hatte sie einen schrecklichen Gedanken. Vielleicht würde Phillip das Kind ja großziehen wollen … und zwar ohne sie! Oh Gott! Was sollte sie tun, wenn er seinen Einfluss dazu nutzen würde, ihr das Baby wegzunehmen? Sofort legte sie beschützend die Hand auf den Bauch. Nein, so etwas würde er nie tun. Oder? Fakt war, dass sie ihn kaum kannte.

Aber das war jetzt auch egal. Niemand würde ihr ihr Baby wegnehmen, so viel stand fest. Das Kind gehörte ihnen beiden, und beide würden eine Rolle in seinem Leben spielen!

„Als Erstes muss ich zum Gynäkologen, um die Schwangerschaft bestätigen zu lassen“, sagte sie entschlossen. „Und dann fliege ich nach Washington. Ich weiß, jetzt ist wirklich kein guter Zeitpunkt dafür, aber …“

„Nun sei doch nicht albern, Alex. Natürlich musst du hinfliegen. Nimm dir Zeit, und überleg dir deine nächsten Schritte gut. Wir sind immer für dich da.“

Trinity und Harper nickten einstimmig.

„Danke.“ Mehr konnte sie im Moment nicht sagen. Aber das war auch nicht nötig. Sie würde ihre Stimme für das Gespräch mit Phillip brauchen, das sich jetzt nicht mehr aufschieben ließ.

Phillip tippte seine Signatur ein und verschickte die E-Mail. Ein Punkt weniger auf seiner langen Liste.

Draußen vor seinem Bürofenster standen die Kirschbäume in voller Blüte. Der Frühling war seine liebste Jahreszeit in Washington, obwohl er auch die Winter mochte. Winter in Dallas bedeutete jedoch Eissturm, gefolgt von plötzlich heißen Tagen. Dieses Auf und Ab machte einen verrückt. Doch in Dallas lebte sein Großvater Max, deshalb pendelte er zwischen den beiden Städten hin und her. Schließlich wusste man nicht, wie lange er noch leben würde.

Eigentlich war sein nächster Besuch mehr als überfällig. Aber er hatte gute Gründe, Dallas zu meiden.

In diesem Moment klingelte sein Telefon. „Senator, Ms. Meer ist da.“

Eine Vielzahl von Gefühlen durchströmte ihn bei der Erwähnung der Frau, vor der er nach Washington geflohen war. Es war ihm zwar nicht gelungen, Alex zu vergessen, aber wenigstens hatte er versucht, die Distanz zu wahren. Denn auch wenn er ihr versprochen hatte, dass er sich melden würde, wusste er doch ganz genau, dass sie überhaupt nicht zueinander passten.

Und jetzt war sie hier. Warum? Spürte sie vielleicht, dass er immer an ihre gemeinsame Nacht denken musste? Oder ging es nur um das Lizensierungsverfahren? Immerhin arbeiteten sie zusammen.

„Bitte schicken Sie sie herein“, bat er Linda.

Er stand auf, als sich die Tür öffnete und Alex ins Zimmer trat. Jetzt sah sie wieder aus wie immer, mit Pferdeschwanz und in Jeans gekleidet.

Ohne Make-up erschien sie ihm sogar noch schöner. Ein inneres Strahlen ging von ihr aus, wie er erstaunt feststellte.

„Hi“, begrüßte er sie nach einem langen Moment des Schweigens.

„Hi“, erwiderte sie verlegen. „Danke, dass du mich empfangen hast, obwohl wir keinen Termin hatten. Tut mir leid, dass ich dich so überfalle.“

„Kein Problem“, erwiderte er. „Ich freue mich, dich zu sehen.“

„Vielleicht wirst du das in ein paar Minuten schon nicht mehr tun.“

Stirnrunzelnd sah er sie an. „Wieso? Stimmt etwas nicht?“

„Vielleicht.“ Sie biss sich auf die Lippen. „Du hast mich nie zum Essen eingeladen, wie du es versprochen hast.“

Eins stand fest – es ging hier nicht ums Geschäft.

„Bitte entschuldige“, erklärte er. „Ich könnte jetzt alles Mögliche erfinden, aber die Wahrheit ist, dass ich es nicht für ratsam halte, unsere Beziehung fortzuführen. Deshalb habe ich dich auch nicht angerufen.“

Aber er hatte davon geträumt, dass sich die Dinge anders entwickeln würden. Und zwar sehr oft. Wenn er sie nur in seine Arme hätte schließen und küssen können!

„Weil du das bekommen hast, worauf du scharf warst?“, flüsterte sie.

Die Frage traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht. Mit seinen dummen Regeln hatte er ihre Gefühle verletzt.

„Nein, natürlich nicht.“ Er seufzte. „Ich mag dich sehr, Alex, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir mit unserer Affäre weitermachen sollten. Es ist kompliziert. Ich wünschte, es wäre anders.“

Sie lachte auf, doch es klang mehr wie ein Schluchzen. „Ja, ich auch. Leider sind die Dinge aber noch sehr viel komplizierter, als du dir vielleicht vorstellen kannst.“

„Wie meinst du das?“

...

Autor

Yvonne Lindsay
Die in Neuseeland geborene Schriftstellerin hat sich schon immer für das geschriebene Wort begeistert. Schon als Dreizehnjährige war sie eine echte Leseratte und blätterte zum ersten Mal fasziniert die Seiten eines Liebesromans um, den ihr eine ältere Nachbarin ausgeliehen hatte. Romantische Geschichten inspirierten Yvonne so sehr, dass sie bereits mit...
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Emilie Rose
<p>Ihre Liebe zu romantischen Geschichten hat Emilie bereits im Alter von zwölf Jahren entdeckt. Zu der Zeit las sie einen Liebesroman nach dem anderen, sodass ihre Mutter die Bücher bald unter den Sofakissen versteckte, sobald Emilie ins Wohnzimmer kam. Dabei verbrachte sie damals viel Zeit in der freien Natur, wenn...
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