Julia Royal Band 38

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HERZ ODER KRONE von PENNY JORDAN

Prinz Marco wird dem König auf den Thron von San Rinaldi folgen. Doch das bedeutet das Aus für seine Liebe mit Emily, da er keine Frau haben darf, die bereits verheiratet war. Marco gehorcht der Pflicht, bis er eine Entdeckung macht, die ihn vor die Frage stellt: Herz oder Krone?

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  • Erscheinungstag 05.04.2025
  • Bandnummer 38
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534031
  • Seitenanzahl 400
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

Penny Jordan

1. KAPITEL

Sein Herz klopfte wild. Heftig atmend riss Marco Fierezza die Augen auf und warf einen Blick auf den Wecker. Es war drei Uhr morgens. Kalter Regen peitschte gegen die Fenster der Wohnung am Eaton Square.

Was für ein Traum! Wieder einmal hatte Marco im Schlaf eine der vielen Auseinandersetzungen mit seinem Großvater, dem König von San Rinaldi, durchlebt.

Die ständigen Streitigkeiten mit dem unbeugsamen alten Mann hatten schließlich dazu geführt, dass Marco damals, im Alter von zweiundzwanzig Jahren, einen schwerwiegenden Entschluss gefasst hatte: Fernab von San Rinaldi wollte er es zu etwas bringen. Ohne den Einfluss seines mächtigen Großvaters. Ohne die Privilegien seiner adligen Herkunft.

Heute, mit sechsunddreißig, vertrug er sich längst wieder mit seinem Großvater, auch wenn dieser das Verhalten seines Enkels nicht verstand. Marco wollte auf seine Weise und durch harte Arbeit bestehen, ohne die Hilfe seiner Familie. Das hatte er geschafft. Als Jungunternehmer war Marco Fierezza in London zu einem anerkannten Finanzgenie und Multimillionär aufgestiegen.

Marco lächelte amüsiert. Seit einigen Jahren wandte sich sein Großvater an ihn, wenn er in finanziellen Angelegenheiten Rat suchte. Gleichzeitig weigerte König Giorgio sich, ihn für seine Arbeit zu bezahlen, indem er sich auf die Blutsbande berief. Großvater ist eben ein listiger alter Fuchs, dachte Marco. Für ihn steht das Wohl seines Königreichs an erster Stelle. Und er scheut auch nicht davor zurück, andere zum Wohle von San Rinaldi auszunutzen und zu manipulieren.

San Rinaldi …

Das Trommeln der Regentropfen verstärkte Marcos Sehnsucht nach der herrlichen Insel im Mittelmeer. Jener Insel, über die seine Familie bereits seit vielen Generationen herrschte.

San Rinaldi war wie ein grüner Edelstein in einer goldenen Fassung aus Sonnenschein, umgeben von der tiefblauen See. Dunkle Vulkane stachen in den Himmel, silberne Wolken verhüllten die Spitzen.

Niemals würde Marco vergessen, dass die See erst kürzlich seine Eltern verschlungen und ihn dadurch zum Thronerben gemacht hatte.

Dass er eines Tages der König von San Rinaldi sein würde, stand schon seit langer Zeit fest. Nur hatte Marco noch nicht so bald damit gerechnet. Den Gedanken an seine Verpflichtungen hatte er bisher stets weit von sich geschoben und sein freies Leben in London genossen. Nun war allerdings alles anders. Die Pflicht rief nicht erst in ferner Zukunft, sondern jetzt.

Vielleicht enthielt der Traum eine Warnung. Wenn Marco den Wunsch seines Großvaters erfüllte und als Herrscher nach San Rinaldi zurückkehrte, waren Konflikte vorhersehbar. Wie ein junger Löwe müsste ich mir harte Kämpfe mit dem alternden Rudelführer liefern, überlegte er.

Marco kannte und durchschaute seinen Großvater sehr gut. König Giorgio behauptete zwar, die Zügel aus der Hand geben zu wollen, würde jedoch weiterhin versuchen, so viel wie möglich zu kontrollieren. Trotzdem reizte es Marco, die Herausforderung anzunehmen. Er wollte über San Rinaldi herrschen und das Land nach seinen Vorstellungen umformen. Der autoritäre Herrschaftsstil seines Großvaters war längst veraltet. Es war Zeit für einen Neubeginn.

Seit Marco denken konnte, stand für ihn fest, dass er San Rinaldi in ein modernes Königreich verwandeln wollte. Allerdings hatte er stets geglaubt, dass vor ihm sein freundlicher und sanftmütiger Vater den Thron besteigen würde. Doch nun musste er das Zepter direkt von seinem tyrannischen Großvater übernehmen.

Marco seufzte leise. Sein verstorbener Vater war ein stiller und in sich gekehrter Mann gewesen, den König Giorgio wenig geschätzt und stets gnadenlos herumkommandiert hatte. Marco dagegen hatte seinem Großvater von Kindesbeinen an Paroli geboten. Denn genau wie der alte Mann verfügte auch er über ein sehr ausgeprägtes Selbstbewusstsein.

Dieser gemeinsame Charakterzug bildete sozusagen die Wurzel des Konflikts zwischen ihnen, dessen war sich Marco vollkommen bewusst. Gleichzeitig war er fest entschlossen, sich von seinem Großvater nicht dreinreden zu lassen.

Dennoch würde sich durch die Thronbesteigung sein ganzes Leben ändern. Es gab Gesetze, die für den König San Rinaldis galten und die er anerkennen musste. Obwohl Marco plante, diese Gesetze ganz allmählich zu ändern, würde er sich zunächst nach ihnen richten müssen. So viel stand fest.

Eines dieser Gesetze verbot, dass der König eine geschiedene Frau heiratete. Zwar hatte es Marco mit der Ehe nicht allzu eilig. Doch wenn es eines Tages so weit war, wurde von ihm eine Verbindung mit einer Prinzessin von tadellosem Ruf erwartet. Bestimmt würde es bei seinen Untertanen für Empörung sorgen, wenn Marco sich in Begleitung einer bürgerlichen Geliebten zeigte, anstatt pflichtgemäß eine ebenbürtige Gefährtin zu wählen.

Nachdenklich warf er einen Blick auf die schlafende Emily. Sie ahnte noch nicht, dass ihre Beziehung schon bald enden musste. Ihr langes blondes Haar lag ausgefächert auf dem Kopfkissen. Marco konnte nicht widerstehen und ließ die seidigen Strähnen durch die Finger gleiten, obwohl er Emily damit weckte. Gleichzeitig erwachte sein Verlangen. Es war erstaunlich, dass er sie noch immer so heftig begehrte, obwohl er mit ihr schon so lange zusammen war. Bisher hatte ihn jede andere Frau schon sehr bald gelangweilt. Doch Emily war anders.

Dennoch – die sinnlichen Bedürfnisse des Marco Fierezza verloren an Bedeutung im Vergleich mit der Herausforderung, König von San Rinaldi zu werden.

König von San Rinaldi …

Emily war gänzlich ahnungslos. Weder kannte sie seine Verbindung zu San Rinaldi, noch wusste sie etwas über seine vorgezeichnete Zukunft. Was hätte das auch gebracht? Weshalb hätte er ihr die Wahrheit anvertrauen sollen, nachdem er sich ganz bewusst dafür entschieden hatte, unerkannt zu bleiben? Er hatte San Rinaldi verlassen, um zu beweisen, dass Marco Fierezza auf eigenen Beinen stehen und ohne seine königliche Herkunft Erfolg haben konnte. Und rasch hatte sich herausgestellt, dass diese Anonymität höchst vorteilhaft für ihn war.

Als Zweiter in der Thronfolge von San Rinaldi war er eine höchst attraktive Partie und wurde von vielen Frauen umschwärmt. Sein Großvater hatte ihn schon in jungen Jahren vor diesen Mitgiftjägerinnen gewarnt und ihm eingeschärft, stets auf der Hut zu sein. Der künftige König von San Rinaldi könne nie wissen, ob eine Frau ihn oder seine gesellschaftliche Stellung begehrte.

Seit er in London nicht als Prinz Marco, sondern als Marco Fierezza lebte, wirkten zwar sein gutes Aussehen und der Reichtum sehr anziehend auf das andere Geschlecht. Aber niemand hier kannte seinen Titel. Außerdem bot Marco seinen Geliebten stets einen luxuriösen Lebensstil und verwöhnte sie mit teuren Geschenken, solange er mit ihnen zusammen war.

Er runzelte die Stirn. Auch nach so langer Zeit störte es ihn, dass Emily sich standhaft weigerte, auch nur ein einziges Schmuckstück von ihm anzunehmen. Dabei versuchte er oft genug, sie zu beschenken.

Schon nach dem ersten gemeinsamen Monat hatte er ihr eines Abends ein Diamantarmband angelegt. Auf die Frage, wofür es sei, antwortete Marco lässig, sie solle es als Bonus betrachten. Emily wurde blass und betrachtete fassungslos das Lederetui mit dem herrlichen Schmuckstück, das aus der Auslage eines königlichen Juweliers stammte.

„Du brauchst mich nicht zu bezahlen, Marco“, sagte sie spröde. „Ich bin deinetwegen mit dir zusammen und nicht wegen deines Geldes.“

Noch heute ärgerte er sich über ihren unglaublichen Starrsinn. Doch seine Rache hatte nicht lange auf sich warten lassen.

„Nein, du hast das falsch verstanden“, hatte er leise und mit einem warnenden Unterton erwidert. „Schließlich weiß ich genau, dass du mit mir zusammen bist, weil du mich begehrst, Emily. Wenn du das Armband unbedingt als Bezahlung ansehen möchtest, kannst du das gerne tun. Aber du musst dir klar darüber sein, dass ich keineswegs vorhabe, dich mit meinem Geld fester an mich zu binden. Ganz im Gegenteil. Es dient vielmehr dazu, dass du rasch und widerspruchslos verschwindest, wenn ich genug von dir habe.“

Auf diese Bemerkung war sie zwar nicht eingegangen, aber ihre Gefühle waren ihr deutlich anzusehen gewesen. Kurz darauf war sie ohne weitere Erklärung für ein paar Tage geschäftlich verreist.

War es ihre Absicht gewesen, auf diese Weise sein Verlangen nach ihr zu verstärken? Wenn ja, hatte sie sich getäuscht. Keiner Frau würde das jemals gelingen. Er war kein Mann, der sich von seinen Gefühlen beherrschen ließ. Schließlich hatte er schon in jungen Jahren miterlebt, wie sein herrschsüchtiger Großvater die aufrichtige Liebe des eigenen Sohnes dafür missbrauchte, ihn zu manipulieren. In Marcos Augen war sein Vater durch König Giorgios Machtspiele gedemütigt worden.

Zwar machte er sich keine Illusionen darüber, welch verheerende Auswirkungen zu großer Stolz haben konnte. Doch andererseits wusste Marco genauso gut, dass ein freundliches und sanftmütiges Wesen nur allzu leicht missbraucht werden konnte. Er hatte seinen Vater so sehr geliebt, dass er in jungen Jahren häufig zornig auf seinen Großvater losgegangen war, wenn dieser seinen unmittelbaren Erben wieder einmal schlecht behandelt hatte.

Das wird mir nie passieren, dachte Marco. Niemand durfte ihn unterdrücken, nicht einmal der König von San Rinaldi.

Er hatte den Großvater oft durch seine rebellische Haltung verärgert. Trotzdem respektierte ihn Giorgio inzwischen, wenn auch nur widerstrebend. Stolz und Zielstrebigkeit zeichneten sie beide gleichermaßen aus. Ja, sie waren einander in vieler Hinsicht sehr ähnlich. Allerdings unterschieden sich ihre Pläne deutlich. Denn schon jetzt stand für Marco fest, dass er als König zahlreiche Änderungen durchführen würde, um das Reich endlich zu modernisieren.

Sein Großvater regierte wie ein Feudalherr. Schon Marcos Vater hatte die Meinung vertreten, dass die Menschen über ihr Leben selbst bestimmen sollten. Niemand sollte einen Erwachsenen wie ein ahnungsloses kleines Kind behandeln, dem man nichts zutrauen konnte. Doch genau das tat König Giorgio.

Marco hatte große Pläne für San Rinaldi und konnte es daher kaum erwarten, London zu verlassen und sein Geburtsrecht einzufordern. Zwar störte ihn die Aussicht, dadurch seine Geliebte zu verlieren. Schließlich war er ein Mann. Doch letztlich wünschte er sich mehr als nur eine willige Gespielin im Bett, an die er sich gefühlsmäßig nie binden würde.

Ich werde Emily nicht vermissen, sagte er sich. Es gab nur einen Grund, aus dem er so viel über sie nachgrübelte: die Frage, wie sie es aufnehmen würde, wenn er ihr das Ende ihrer Affäre verkündete. Schließlich wollte Marco diese ebenso sensible wie schöne Frau unter keinen Umständen verletzen.

Bis jetzt hatte er noch nicht entschieden, wie viel er ihr tatsächlich enthüllen sollte. Natürlich musste er London verlassen, und die Wahrscheinlichkeit war hoch, dass die Paparazzi über die Vorgänge auf San Rinaldi Bescheid wussten. Dort herrschte schließlich eine der reichsten königlichen Familien der Welt.

Emily musste einfach einsehen, dass ihre Gefühle seine Zukunft als König von San Rinaldi nicht gefährden durften.

Weshalb sie seine teuren Geschenke ablehnte und sich auch nicht als Innenarchitektin von ihm helfen ließ, begriff Marco bis heute nicht. Seit drei Jahren waren sie nun schon ein Liebespaar. Seit Langem überlegte er, was Emily wirklich von ihm erwartete. Was war es, wonach sie suchte und das ihr mehr als Geld bedeutete?

Es war ihm zur zweiten Natur geworden, keinem Menschen zu vertrauen. Außerdem hatte er seinen Großvater und die Mitglieder des Hofs genau beobachtet. Was geschah, wenn man sich von jemandem ausnutzen ließ, wusste Marco daher nur zu genau. Sein Vater war ihm ein trauriges Beispiel gewesen.

Bei dem Gedanken an seine Eltern biss Marco die Zähne zusammen. Er scheute den Schmerz. Und er scheute nicht nur dieses Gefühl, sondern auch noch zahlreiche andere Emotionen, die der Verlust der Eltern ausgelöst hatte.

Seit Jahren kämpfte er schon gegen die Schuldgefühle an. Hätte ich Großvater nicht daran hindern können, Vater so schlecht zu behandeln? fragte Marco sich oft. Vielleicht wäre dann alles anders gekommen. Umgekehrt war er auf seinen Vater zornig, weil dieser es nie geschafft hatte, sich durchzusetzen. Vor allem aber verübelte Marco es seinem Großvater, diese Schwäche ausgenutzt zu haben.

Seit einiger Zeit war es ihm jedoch gelungen, Frieden mit seinem Großvater zu schließen. Marcos Vater lebte nicht mehr, und er selbst war inzwischen ein erwachsener Mann. Mittlerweile wurde er nur noch in seinen Träumen von der Vergangenheit eingeholt. Und Emilys Nähe half ihm, diese Träume zu verscheuchen.

Wie würde es weitergehen, wenn sie nicht mehr bei ihm war? Aber weshalb verschwendete er seine Zeit mit solchen Überlegungen? Irgendwann fand er bestimmt eine neue Geliebte, auch wenn er in San Rinaldi wahrscheinlich viel diskreter vorgehen musste. Eine jüngere Frau, mit einem älteren Mann verheiratet, erschien Marco ideal. Natürlich durfte sie nicht so jung sein, dass sie kein Verständnis für die Gepflogenheiten bei Hofe aufbrachte.

Grundsätzlich wäre er sogar bereit gewesen, Emily mit einem Höfling zu verheiraten, der das Spiel mitmachte. Sie wäre dann eine respektable Frau und könnte heimlich die Affäre mit ihm als König fortsetzen. Marco war jedoch überzeugt, dass Emily aufgrund ihrer Leidenschaft und ihrer bedingungslosen Offenheit nicht mit der Rolle einer heimlichen Mätresse einverstanden wäre.

Das war besonders bedauerlich, da San Rinaldi ihr bestimmt gefallen hätte. Wenn Marco an sein Heimatland dachte, sah er eine Insel im Sonnenschein vor sich, die von den Göttern so großzügig bedacht worden war, dass sich zahlreiche Legenden um dieses Paradies rankten.

Und doch gab es kein Paradies ohne Schlange. Das traf durchaus auf San Rinaldi zu. Die Götter hatten einen hohen Preis für ihre Gaben gefordert.

Da Marco jetzt ohnedies nicht schlafen konnte, schlug er die Bettdecke zurück. Im schwachen Licht der Straßenlaternen erschien sein schlanker kräftiger Körper wie gemalt. Lautlos trat er ans Fenster.

Der Wind hatte an Stärke zugenommen, ließ den Regen gegen die Fenster prasseln und rüttelte an den kahlen Bäumen, die die Straße säumten.

Auch San Rinaldi wurde gelegentlich von heftigen Stürmen heimgesucht, die das Meer rings um die Insel aufpeitschten. Die Menschen dort hüteten sich, während solcher Unwetter den Wogen zu trotzen, die gegen die Vulkanklippen donnerten.

In den unwegsamen Bergregionen lebten noch heute die Nachkommen jener Piraten, die vor langer Zeit die Insel erobert hatten. Die mächtigen Wellen des Meeres hatten im Lauf der Zeit den Fels ausgehöhlt, sodass ganze Teile der Küste den Gezeiten zum Opfer gefallen waren. Auch die Olivenhaine und die Weinberge der Insel wurden immer wieder von den Naturgewalten heimgesucht. Jahr für Jahr wüteten die Herbststürme, als wollten sie das Land dafür bestrafen, dass die Ernte bereits sicher eingefahren worden war.

Als Junge hatte Marco fasziniert beobachtet, wie der Sturm das Land tief unterhalb des Königsschlosses verwüstete. Auf eine weich gepolsterte Fensterbank gekuschelt, beobachtete er das Naturschauspiel und wünschte sich sehnlichst, ins Freie zu laufen und sich den Elementen zu stellen. Doch er war kein normales Kind, das draußen spielen durfte. Auf Wunsch seines Großvaters musste er im Schloss bleiben, um alles über die Vergangenheit der Familie und seine Rolle als zukünftiger Herrscher der Insel zu lernen.

Erinnerungen an die Kindheit tauchten wie ungebetene Gäste auf, als Marco jetzt am Fenster seiner Londoner Wohnung stand. Eine Kindheit, die nicht durch die liebevolle Erziehung der Eltern, sondern durch die Befehle seines Großvaters geprägt worden war. König Giorgio hatte die Gesetze aufgestellt und auch für deren Einhaltung gesorgt …

„Marco, komm wieder ins Bett. Dir muss doch kalt sein.“ In Emilys leiser, warmer Stimme schwang ein süßes Versprechen mit, süß wie die Früchte von San Rinaldi zur Zeit der Ernte.

Er drehte sich um. Also hatte er sie doch geweckt.

Emily besaß ein kleines Geschäft nahe der Sloane Street. Sie waren sich zufällig auf einer Party begegnet, und Marco hatte die zierliche Frau auf den ersten Blick begehrt. Also setzte er alles daran, um sie zu bekommen. Schließlich war er daran gewöhnt, stets seinen Willen durchzusetzen – selbst wenn er dafür kämpfen musste. Von dieser Grundhaltung wich er nie ab.

Sehr schnell brachte er damals in Erfahrung, dass sie geschieden war und keine Kinder hatte. Ideale Voraussetzungen für eine Geliebte. Hätte er allerdings von Anfang gewusst, wie tief ihre Gefühle waren, hätte er sich nicht um Emily bemüht. Als er schließlich die Wahrheit herausfand, war es bereits zu spät. Sein Begehren war bereits so groß gewesen, dass er nicht mehr von ihr lassen konnte.

Auch jetzt weckte ihr Anblick in ihm ein so starkes Verlangen, dass er sich instinktiv dagegen wehrte. Er bekämpfte naturgemäß alles, das ihn zu beherrschen drohte.

„Marco, irgendetwas stimmt doch nicht. Was ist es denn?“

Wieso erahnte sie Dinge, die sie gar nicht wissen konnte?

Im Todesjahr seiner Eltern waren die Unwetter früher als sonst über San Rinaldi hereingebrochen. Trotz seiner kühlen Selbstbeherrschung hatte Emily sofort gemerkt, dass ihn etwas bedrückte.

Andererseits erriet sie zwar seine Gefühle, stellte jedoch keine Verbindung zu den Fernsehberichten über San Rinaldi her. Gerade deshalb hatte es sie schwer getroffen, dass sie ihn nicht zu der Trauerfeier begleiten durfte. Marco hatte sie nur knapp über den Tod seiner Eltern informiert, ohne Einzelheiten zu nennen. Sie wusste lediglich, dass seine Familie nicht aus England stammte und dass er zu der Beerdigung ins Ausland flog. Ohne sie.

Zwar verlor Emily kein weiteres Wort darüber, aber das tat sie wahrscheinlich nur, um einen Streit zu vermeiden, der das Ende der Affäre bedeuten konnte.

Trotz ihres offen zur Schau gestellten Desinteresses an teuren Geschenken gab es seiner Meinung nach eigentlich nur einen Grund, aus dem Emily an der Beziehung festhielt: Sie wollte ihn wegen seines Reichtums nicht verlieren.

Marco hielt es für unmöglich, dass eine Frau sich vom Wohlstand ihres Geliebten so wenig beeindrucken ließ wie Emily. In diesem Punkt hatte sein Großvater ausnahmsweise recht. Frauen, die sich um einen reichen Mann drängten, erwarteten immer Geschenke. Auch wenn sie es nicht offen zugaben.

Emily war froh, dass Marco ihr Gesicht in der Dunkelheit nicht sah. Sonst hätte er bestimmt gemerkt, wie sehr sie sich über den flehenden Unterton in ihrer Stimme ärgerte. Wieso kann ich mich nicht beherrschen? dachte Emily. Wieso gehe ich immer wieder Beziehungen ein, in denen ich mich unsicher fühle?

„Alles in Ordnung“, behauptete Marco in einem kühlen Ton, der sie tief traf.

Wenn man erst einmal damit beginnt, sich etwas vorzumachen, kann man sich der Wahrheit nur noch schwer stellen. Doch irgendwann holen einen die Fragen ein. Emily seufzte nachdenklich.

Musste es wirklich immer so sein, dass einer in der Liebe zu kurz kam? Gab es wirklich immer einen Menschen, der nicht genug geschätzt und respektiert wurde? Und warum musste sie dieser Mensch sein?

Energisch verbot sie sich jegliches Selbstmitleid. Tatsache war, dass sie sich ganz allein die Schuld an ihrer gegenwärtigen Lage geben musste. Niemand sonst trug die Verantwortung.

Schon seit den ersten Wochen wusste sie, was für ein Mann Marco war und welche Art von Beziehung er wollte. Bedrückt erkannte Emily, dass sie seine Wünsche und Ansprüche besser kannte als die eigenen. Trotzdem wurde sie immer wieder schwach und malte sich aus, dass er sich ändern würde.

In ihren Wunschträumen war Marco Fierezza kein attraktiver Multimillionär, sondern ein normaler Mann mit ganz gewöhnlichen Zielen: Heirat, eine Familie und …

Der Gedanke versetzte ihr einen schmerzhaften Stich ins Herz, der sich vertiefte bei der Vorstellung, eigene Kinder zu haben.

Wieso um alles in der Welt war sie so dumm gewesen, sich in jemanden wie Marco zu verlieben? Jemand, der so reich und so attraktiv war, dass er jede Frau bekommen konnte? Wieso nur?

Gleich zu Beginn ihrer Beziehung hatte Marco ihr klar und deutlich gesagt, was er von ihr wollte. Liebe kam dabei nicht vor. Doch Emily hatte ihn so sehr begehrt, dass sie sich bereitwillig auf eine Affäre ohne Verpflichtungen eingelassen hatte, die so lange andauern sollte, wie er es wünschte.

Aus diesem Grund musste sie die Verantwortung für den Schmerz, der sie jetzt zu überwältigen drohte, auch ganz allein bei sich selbst suchen. Schlimmer noch: Sie allein war auch für die Lüge verantwortlich, unter der ihre Beziehung litt. Sie spielte Marco vor, dass sie keine tieferen Gefühle für ihn hegte. Doch in Wahrheit liebte sie ihn und litt unter der ständigen Angst, dass er dieses Theater eines Tages durchschauen und fortgehen könnte.

Ihre eigene Schwäche erfüllte Emily mit Verachtung. Sie sehnte sich nach der Kraft, ihm endlich ihre Liebe zu gestehen und dann die Konsequenzen zu ziehen. Doch war sie wirklich stark genug, den unvermeidlichen Schmerz der Trennung auf sich zu nehmen?

Vielleicht würde es sie sogar befreien, wenn sie Marco verließ. Sagte man nicht, ein tapferer Mann würde nur einmal, ein Feigling dagegen tausendmal sterben? Für sie galt das bestimmt. Im Grunde wusste sie genau, was sie zu tun hatte: Sie musste sich zurückziehen und ganz allein mit ihren Gefühlen fertig werden. Stattdessen blieb sie bei Marco und litt darunter, dass er ihr ständig bewies, wie wenig er sie liebte.

Er begehrte sie. Daran bestand kein Zweifel. Daher klammerte Emily sich verzweifelt an diesen schwachen Hoffnungsschimmer. Vielleicht würde sich eines Tages das Schicksal doch noch wenden. Marco würde plötzlich doch noch erkennen, dass er sie liebte und ihr jenen Teil seines Herzens öffnen, den er bisher eisern verschlossen hielt. Vielleicht würde er sogar sagen, dass er sie niemals allein lassen wollte …

2. KAPITEL

In ihren Träumen machte Marco ihr eine Liebeserklärung und bat sie, für immer bei ihm zu bleiben. Die Wirklichkeit sah jedoch anders aus. Seit einiger Zeit kam es Emily so vor, als würden sie sich immer weiter voneinander entfernen. Darum nahm sie jetzt ihren ganzen Mut zusammen.

„Marco, ich war stets offen und … und ehrlich zu dir und …“

Nein, es hatte keinen Sinn. Sie schaffte das nicht. Es war ganz einfach unmöglich, ihm die alles entscheidende Frage stellen: Willst du unsere Beziehung beenden?

Außerdem stimmte es auch gar nicht, dass sie stets offen und ehrlich zu ihm gewesen war. Dass sie sich in ihn verliebt hatte, behielt sie schon viel zu lange für sich. Seine abweisende Art schnürte ihr im entscheidenden Moment stets die Kehle zu.

Marco musterte sie schweigend. Sein dichtes dunkles Haar war kurz geschnitten und doch lang genug, dass Emily mit den Fingern hindurchstreichen konnte, wenn sie sich liebten. Das schwache Licht genügte ihr, um seine Augen zu erkennen und den scharfen Blick, den er unverwandt auf sie richtete. Erriet er ihre Gedanken und ahnte, wie sehr sie ihn begehrte? Kein anderer Mensch konnte einen derart durchdringend ansehen.

Das war schon an jenem ersten Abend so gewesen. Inmitten des Partygetümmels hatte Marco sie nicht mehr aus den Augen gelassen. Und Emily hatte vergeblich versucht, seinem Zauber zu widerstehen und vernünftig zu bleiben.

Energisch verscheuchte Emily die aufkommenden Erinnerungen. Es hatte keinen Zweck, sich in die Vergangenheit zu flüchten. Hier und jetzt musste sie ihre Probleme lösen und herausfinden, warum sich Marco in der letzten Zeit so merkwürdig verhielt.

Doch die Erfahrungen in ihrer Kindheit machten es Emily schwer, über ihre Gefühle zu sprechen. Sosehr es in ihrem Inneren auch brodeln und kochen mochte – nach außen hin blieb sie stets gelassen. Und schwieg.

Hatte sie Angst, was passieren würde, wenn sie ihren Gefühlen endlich einmal freien Lauf ließ? Oder fürchtete sie sich schlicht und einfach vor der Realität? Eines war jedenfalls sicher: Irgendetwas stimmte mit Marco nicht. Er hatte sich eindeutig verändert, wirkte besorgt und in sich gekehrt.

Aber was konnte es sein, das ihn so sehr beunruhigte? Marco Fierezza war ein gut aussehender, erfolgreicher Geschäftsmann, der das Leben in vollen Zügen genoss. Ging es etwa doch um ihre Trennung? Spürte er, was sie in Wahrheit für ihn empfand und wollte der Sache schnell ein Ende setzen?

„Tut mir leid, Emily. Aber es stimmt ganz einfach nicht, dass du immer offen und ehrlich zu mir warst.“

Ihr blieb fast das Herz stehen. Er wusste Bescheid? Offenbar hatte er ihre Gedanken erraten und steuerte nun bewusst auf einen Streit zu. Wahrscheinlich, damit er sich endlich von ihr trennen konnte.

„Erinnerst du dich noch an das Abendessen, als du mir von deiner Ehe erzählt hast?“, fuhr Marco spöttisch fort. „Du hast zwar sehr offen gewirkt. Aber in Wahrheit hast du mir damals eine ganze Menge verschwiegen.“

Sie brachte kein Wort hervor. Ihre anfängliche Erleichterung verflog, und sogleich machten sich neue Sorgen breit. Es geht also um meine Ehe, dachte Emily voller Bitterkeit. Bis jetzt hatte sie stets geglaubt, dass Marco wusste, wie bedrückend dieses Thema für sie war. Dass er begriff, wie sehr sie die Narben der Vergangenheit noch immer schmerzten. Aber offenbar hatte sie sich geirrt.

„Das habe ich doch nicht absichtlich getan, Marco“, erwiderte sie und versuchte möglichst ruhig zu bleiben. „Ich habe dir nichts bewusst verschwiegen.“ Wieso kam er überhaupt so plötzlich auf dieses Thema zu sprechen? Weil er nach einem Grund für die Trennung suchte? So etwas hatte er doch gar nicht nötig. Dieser Mann war viel zu selbstbewusst, um auf eine Ausrede zurückzugreifen oder die Wucht des Schlages zu mildern, den er ihr versetzen wollte.

Marco wandte verärgert den Blick ab. Wie dumm, dass er diese Sache überhaupt erwähnt hatte. Es war ganz gewiss nicht seine Absicht gewesen, Erinnerungen an vergangene Zeiten heraufzubeschwören. Doch nun war es zu spät. Seine Gedanken ließen sich nicht aufhalten …

An jenem Abend hatte er Emily zum Essen in ein exklusives Restaurant ausgeführt und ihr während des Desserts ganz kühl und sachlich verkündet, dass er die Nacht mit ihr verbringen wollte. Schließlich war sie eine Frau von Welt – geschieden, unabhängig und kinderlos. Was hoffentlich auch so bleiben würde.

„Nur aus Interesse“, hatte er wie nebenbei hinzugefügt. „Was war eigentlich der Grund für die Scheidung?“ Bevor er den nächsten Schritt unternahm, musste er erst einmal über Emilys Vergangenheit Bescheid wissen.

Sekundenlang sah es so aus, als wollte sie nicht antworten. Doch er sah ihr an, dass sie seine Frage richtig verstanden hatte. Wenn sie jetzt schwieg, war der Abend vorüber, bevor er überhaupt richtig begonnen hatte.

Als sie schließlich zu sprechen begann, überraschte ihn ihre Unsicherheit. Emily stockte und stammelte, spielte mit dem Besteck und wirkte bei Weitem nicht mehr so ruhig und beherrscht wie zuvor. Ihre betroffene Miene ließ ihn sogleich Verdacht schöpfen; bestimmt war sie für das Scheitern ihrer Ehe verantwortlich. Wahrscheinlich hatte sie ihren Mann betrogen.

Umso mehr überraschten ihn ihre nächsten Worte. Genau wie das Mitgefühl, das er urplötzlich verspürte. Normalerweise neigte er nicht zu solchen Gefühlen.

„Ich war sieben, als ich meine Eltern durch einen Autounfall verlor“, begann Emily ihre Erzählung leise. „Danach kümmerte sich mein Großvater um mich. Er war Witwer, und er hat mich immer gut behandelt. Aber im Grunde konnte er mit kleinen Kindern nichts anfangen – und schon gar nichts mit traurigen kleinen Mädchen. Großvater war Professor an der Universität von Cambridge, ein sehr sanfter Mann … und etwas weltfremd. Als Gutenachtgeschichten las er mir die Klassiker vor. Über Literatur wusste er eine ganze Menge, über das Leben eher weniger. Ich wuchs bei ihm sehr abgeschirmt und beschützt auf. Sein Freundeskreis war klein und bestand nur aus einer Handvoll älterer Akademiker und … und Victor.“

„Victor?“, fragte Marco, als sie zögerte.

„Ja, Victor Lewisham, mein Exmann. Er hat bei Großvater studiert, bevor er selbst an der Universität unterrichtete.“

„Dann war er wohl beträchtlich älter“, warf Marco ein.

Emily nickte. „Zwanzig Jahre. Irgendwann begann Großvater zu kränkeln. Eines Tages rief er mich an sein Bett und sagte mir, dass Victor sich von nun an mich kümmern würde. Wenige Wochen später starb Großvater. Für mich war das ein schrecklicher Schock. Ich hatte damals gerade mit dem Studium begonnen und wusste zwar, dass er krank und schwach war; aber trotzdem konnte ich nicht … ich war nicht auf das Schlimmste vorbereitet. Als Victor mir dann einen Heiratsantrag machte und versicherte, Großvater hätte das so gewünscht, da … also, ich …“ Emily senkte den Kopf. „Ich hätte ablehnen sollen, aber ich traute mir nicht zu, auf eigenen Beinen zu stehen. Ich hatte Angst und war feige“, fügte sie leise hinzu.

„Also eine Art Vernunftehe“, stellte Marco gleichmütig fest. „War er gut im Bett?“ Im selben Moment wünschte er sich, er hätte diese Frage nicht ausgesprochen. Dass er tatsächlich eifersüchtig war, störte Marco. Aber ihm gefiel der Gedanke einfach nicht, dass ein anderer Mann Emily erregen könnte. Bisher hatte er nie so gedacht. Sex war für ihn ein körperliches Bedürfnis, das er mit einer Frau befriedigte. Mit Gefühlen hatte das gar nichts zu tun. Erst als er aus seinen Grübeleien aufschreckte, bemerkte er die Tränen in Emilys Augen. Ihre nächsten Worte ließen ihn aufhorchen.

„Unsere Beziehung … unsere Ehe wurde … sie wurde nie körperlich vollzogen.“

Es fiel ihm schwer, seine Verwunderung nicht zu zeigen. Ausnahmsweise hielt er sich zurück und wartete gespannt auf eine genauere Erklärung.

„Ich war naiv“, fuhr sie fort. „Ich dachte, Victor würde sich nur beherrschen, weil ich so unerfahren war. In meiner Verwirrung habe ich mich nie gefragt, wieso er keinerlei Annäherungsversuche machte. Wäre ich nicht so behütet aufgewachsen und hätte mehr Zeit mit Altersgenossen verbracht, wäre alles anders gewesen. Dann hätte ich sicher gleich gemerkt, dass etwas nicht in Ordnung war. Aber ich erkannte die Wahrheit erst, als ich ihn mit jemand anderem im Bett überraschte.“

„Er hatte also eine Geliebte“, warf Marco ein.

Emily zögerte nur einen Augenblick. „Er hatte einen Geliebten“, korrigierte sie stockend. „Vermutlich hätte ich es gleich merken sollen. Wahrscheinlich dachte der arme Victor sogar, ich wüsste Bescheid. Er hat mich immer wie eine seiner Schülerinnen behandelt. Nicht wie eine Ehefrau. Aber für mich war es ein schlimmer Schlag, ihn mit einem Mann im Bett zu ertappen.“

Emily wich Marcos Blick aus und schüttelte den Kopf.

„Er nahm es mir ziemlich übel, dass ich einfach so hereingeplatzt bin. Und ich konnte mir meine eigene Dummheit nur verzeihen, indem ich die Scheidung verlangte. Zuerst war er nicht einverstanden. Victor gehörte mehr zur Generation meines Großvaters als zu meiner. Er kam mit seinen eigenen Neigungen nicht wirklich klar. Deshalb versuchte er, durch die Ehe den Schein zu wahren. Als ich versuchte, offen mit ihm über den Vorfall zu sprechen, wehrte er sofort ab. Und als ich ihm sagte, dass er lernen sollte, sich selbst zu akzeptieren, wurde er sogar ziemlich zornig.“

Sie zuckte die Schultern und lächelte bedauernd.

„Allerdings stellte sich bald heraus, dass seine geheimen Neigungen gar nicht so geheim waren, wie er gedacht hatte. Viele Leute wussten Bescheid, und darum hätte er auch nichts verbergen müssen. Doch so war er eben, er konnte wohl nicht anders. Nun, mein Großvater hatte mir etwas Geld hinterlassen. So kam ich nach London und suchte mir Arbeit. Innenarchitektur hat mich schon immer interessiert. Darum studierte ich weiter, arbeitete eine Zeit lang für eine Einrichtungsfirma und machte mich schließlich vor zwei Jahren selbstständig. Ich suchte einen Neubeginn und wollte weg von allen Leuten, die mich von früher gekannt hatten. Mich und Victor. Bestimmt haben mich damals alle für schrecklich dumm gehalten, weil ich nichts merkte. Und ich kam mir selbst sehr albern vor – eine verheiratete Frau, die nie wirklich verheiratet war.“

„Eine geschiedene Jungfrau sozusagen?“, ergänzte Marco und lächelte.

„Ja“, räumte Emily ein. „Ich habe mir ein völlig neues Umfeld gesucht, in dem niemand etwas von meiner gescheiterten Ehe wusste und daraus irgendwelche Schlüsse ziehen konnte.“

Der Kellner brachte die Rechnung, bevor Marco sich nach dem Mann erkundigen konnte, der ihr irgendwann dann doch die Liebe gezeigt haben musste. Er hätte gern mehr über ihn erfahren. Denn er beneidete ihn von ganzem Herzen.

Im Nachhinein begriff er nicht mehr, wieso er Emily damals eigentlich so sehr in die Enge getrieben hatte. Genauso wenig konnte Marco sich erklären, weshalb es ihn so zornig gemachte hatte, sich Emily mit einem anderen Mann vorzustellen. Schließlich kannten sie sich damals doch noch kaum.

Der Wunsch, Emily zu seiner Geliebten zu machen, war überwältigend gewesen. Kopfschüttelnd ging er auf sie zu. Inzwischen hatte er bekommen, was er wollte, und Emily teilte Nacht für Nacht sein Bett. Doch das Verlangen nach ihr war seitdem nur noch mehr gewachsen.

Emilys Herz klopfte wie rasend, als Marco näher kam. Sie waren nun seit fast drei Jahren ein Liebespaar. Trotzdem wirkte seine bloße Nähe auf sie noch immer so überwältigend wie beim ersten Mal. Seine männliche Ausstrahlung erregte und verwirrte sie auch jetzt, obwohl sich zwischen ihnen eine tiefe Kluft aufgetan hatte.

Bei ihrem ersten Treffen hatte sie zwar ein aufregendes Knistern gespürt. Doch es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, dass sie emotional und körperlich von Marco so abhängig werden könnte. Wäre vielleicht alles anders gekommen, wenn sie das geahnt hätte? Hätte sie dann auf dem Absatz ihrer teuren Schuhe kehrtgemacht und wäre weggegangen?

Kurz vor Weihnachten war Emily zum ersten Mal aufgefallen, wie gereizt und bedrückt Marco sich benahm. Jeden Tag zog er sich etwas mehr in sich selbst zurück. Zuerst hatte sie angenommen, es ginge um ein sehr wichtiges Geschäft. Mittlerweile zweifelte sie jedoch an dieser Theorie.

Hätte die Veränderung kurz nach dem Tod seiner Eltern stattgefunden, wäre das nur natürlich gewesen. Marco zeigte zwar selten seine Gefühle; doch selbst ein Mann wie er litt, wenn er die Eltern durch einen Unfall verlor. Nach der Rückkehr vom Begräbnis war Marco jedoch sofort mit ihr ins Bett gegangen und hatte kein Wort über seine Familie verloren. Stattdessen hatte er sie voller Leidenschaft geliebt.

Überhaupt sprach er selten über seine Kindheit und nie über seine Familie. Anfangs hatte Emily das nicht gestört. Es war ihr sogar recht gewesen. Schließlich wollte sie in der Beziehung mit Marco die Vergangenheit hinter sich lassen und endlich die Welt der Leidenschaft kennenlernen.

In ihrer Ahnungslosigkeit hatte sie jedoch nicht die Gefahr erkannt, der sie sich aussetzte. Niemals wäre ihr in den Sinn gekommen, sie könnte sich in Marco verlieben. Er hatte ihr offen und ehrlich erklärt, wie er lebte und was er von einer Beziehung erwartete. Solange sie zusammen waren, konnte sie sich bedingungslos auf seine Treue verlassen. Doch irgendwann würde ihre Beziehung enden, und das war es dann auch. Punkt und Ende.

Marco lehnte emotionale Bindungen ab. Daher durfte sie von ihm keine Gefühlsbezeugungen erwarten. Und auf keinen Fall durfte sie schwanger werden.

„Aber was ist, wenn es durch einen unglücklichen Zufall doch passiert?“, hatte sie einmal verunsichert gefragt.

„Es wird keinen unglücklichen Zufall geben“, hatte seine schroffe Antwort gelautet. „Und sollte doch einmal etwas schiefgehen, wirst du die Situation so schnell wie möglich bereinigen.“

Seine kaltherzige Haltung traf sie schwer, minderte jedoch nicht ihr Verlangen nach ihm. Darum redete Emily sich ein, dass es letztlich unwichtig war, wie er darüber dachte. Schließlich wollte sie mit Kindern ohnedies warten, bis sie den richtigen Mann gefunden hatte – der auch ein guter Vater sein würde.

Marco bemühte sich anfangs so sehr um sie, dass alle noch verbliebenen Zweifel wie weggewischt waren. Und auch ihr eigenes Begehren machte sie blind. Zum ersten Mal in ihrem Leben begriff sie, was pure Lust bedeutete. Bei Tag und bei Nacht dachte Emily an Marco und an die Erfüllung, die sie in seinen Armen fand.

Ihr eigenes Geschäft lief gut, und sie konnte sich schon bald einen bescheidenen Luxus erlauben. Kurz nach ihrem Kennenlernen hatte Emily daher einen exklusiven Dessousladen aufgesucht. Sie wollte Marco überraschen und ihn erregen.

Heute lächelte sie darüber, wie sinnlich und mutig sie sich damals gefühlt und was sie sich alles ausgemalt hatte.

Marco hatte ihre Fantasie jedoch noch bei Weitem übertroffen.

In ihrem kleinen Haus in Chelsea zog er sie im Schlafzimmer ganz langsam aus und brachte sie schon vor Vorfreude zum Beben. Lange ließ er sie auf die erste Berührung warten. Und als er sie endlich streichelte, glitten seine Hände ganz sacht über ihre Haut und fachten ihr Verlangen nach mehr Intimität und Leidenschaft an.

Allein schon die Erinnerung weckte erneut ihr Begehren und ließ ihr Herz schneller schlagen. Damals hatte sie ihm gezeigt, wie ungeduldig sie war, doch er ließ sich nicht drängen. Mit den Lippen verwöhnte er ihre Brustspitzen, und seine Finger strichen über ihren Bauch und ihre Schenkel, Marcos erfahrene Bewegungen entlockten Emily ein leises Stöhnen.

Doch ausgerechnet bei seinem ersten leidenschaftlichen Kuss klingelte das Telefon neben dem Bett. Dummerweise hob Emily ab. Am Apparat war eine besonders schwierige Kundin, die sofort neue Ideen für ihre Einrichtung besprechen wollte. Als es Emily endlich gelang, das Gespräch zu beenden, hatte Marco sich bereits angezogen. Er lächelte zwar gelassen, machte ihr jedoch unmissverständlich klar, dass er es nicht gewohnt war, zu warten.

Der Vorfall war ihr eine Lehre. Nie wieder beging Emily diesen Fehler. Aber war es nicht ein viel größerer Fehler, dass sie ihr Leben ganz nach Marco ausrichtete?

Erst in jüngster Zeit war ihr klar geworden, dass sie sich insgeheim nach einem Ehemann und Kindern sehnte. Nach einer richtigen Familie. Sie wollte nicht ihr Leben lang Kunden helfen, die passenden Farben für das neue Wohnzimmer auszusuchen. Sie wollte nicht, dass ihr Mann von der Arbeit heimkam und ein leeres Haus mit einem unberührten Bett vorfand.

Wenn sie irgendwann heiratete und schwanger werden würde, wollte sie, dass ihre Kinder mit all ihren kleinen Freuden und Schmerzen zu ihr kommen konnten. Sie liebte ihre Arbeit und war stolz auf ihre beruflichen Erfolge; dennoch zog sie das liebevolle Lächeln eines Kindes einem luxuriösen Leben vor. Sie wollte geliebten Menschen ein schönes Heim erschaffen und die Freude erleben, wenn ihre Kinder oder der Ehemann sie umarmten.

Marco war dagegen ein Mann, der von Herausforderungen lebte. Drei Monate nach ihrem Kennenlernen hatte er sie aufgefordert, zu ihm zu ziehen. Und es kam zum ersten Streit, weil sie sich weigerte, ihren Beruf aufzugeben. Und das, obwohl er ihr einen großzügigen monatlichen Betrag versprach, die ihr Gehalt weit überstieg.

„Ich möchte bei dir sein, Marco“, hatte sie entschieden erklärt. „Trotzdem werde ich meine finanzielle Unabhängigkeit nicht aufgeben. Ich will dein Geld nicht.“

„Was willst du dann?“, fragte er geradezu misstrauisch.

„Dich“, erwiderte sie schlicht, und die Auseinandersetzung war vergessen.

Marco schätzte ihre Unabhängigkeit. Das hatte sie zumindest angenommen. Erst mit der Zeit fand sie heraus, dass er sie keineswegs respektierte, weil sie sein Geld und die teuren Geschenke ablehnte. Stattdessen benahm er sich misstrauisch und betrachtete sie sogar etwas geringschätzig.

Vielleicht hätte sie auf die Warnsignale achten sollen. Dann wäre sie nicht in diese hoffnungslose Lage geraten, in der sie sich jetzt befand.

3. KAPITEL

Die erste Zeit mit Marco war für Emily wundervoll. Er arbeitete zwar hart, verstand es jedoch auch, die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Dieser Mann war daran gewöhnt, nur das Beste vom Besten zu bekommen.

Obwohl Emily seine herablassende Art und all den Luxus nicht sonderlich mochte, freute sie sich doch darüber, dass Marco sie so sehr verwöhnte. Mehrmals die Woche führte er sie aus. Vor allem aber verwirklichte er als Liebhaber all ihre Wunschvorstellungen. Durch ihn sammelte Emily erotische Erfahrungen, die sie niemals für möglich gehalten hätte.

Schon nach wenigen Wochen reagierte sie so empfindsam auf ihn, dass es völlig ausreichte, wenn er die Hand auf ihren Arm legte oder ihr in die Augen sah. Dann wusste sie sofort, dass er sie begehrte. Umgekehrt bedurfte es nur eines Blickes, um Marco ihr Verlangen zu zeigen. Ohne Worte sagte Emily ihm, dass sie mit ihm ins Bett gehen wollte.

Allerdings schafften sie es nicht immer bis ins Schlafzimmer. Marco war ein meisterhafter Liebhaber, der es genoss, ihr auf stets neue Weise Lust zu schenken. Gelegentlich sogar an ungewöhnlichen Orten. Mehr als einmal errötete Emily hinterher vor Scham, wenn sie an ein solches Erlebnis zurückdachte.

Oft liebte Marco sie die ganze Nacht oder den ganzen Tag über. Sie ihrerseits erwies sich als gelehrige Schülerin, deren Verlangen im Lauf der Zeit immer mehr zunahm. Unter seiner geschickten Anleitung blühten ihre Sinnlichkeit und ihr Selbstbewusstsein geradezu auf.

Zum ersten gemeinsamen Weihnachtsfest schenkte er ihr einen wunderschönen Diamantring. Doch Emily überraschte ihn mit der Bitte, stattdessen für bedürftige Kinder zu spenden.

Marco ging wortlos darüber hinweg, doch an ihrem Geburtstag entführte er sie in ein romantisches Hotel und liebte sie dort, bis sie vor Glück und Erfüllung stöhnte. Anschließend überreichte er ihr zwei Diamantohrringe und sagte: „Übrigens, ich habe schon eine Spende für das Kinderheim veranlasst.“

In diesem Moment passierte es. Sie verliebte sich in Marco.

Heute wusste sie, dass dies eine unverzeihliche Dummheit gewesen war. Aber nun war es zu spät.

Mit klopfendem Herzen beobachtete sie, wie Marco zu ihr ins Bett kam, um ihr dann sofort den Rücken zuzukehren. Der Sturm, der schon den ganzen Abend um das Haus tobte, heulte immer lauter.

Bei jeder anderen Gelegenheit hätte Emily sich wohlig geborgen gefühlt. Draußen stürmte und regnete es, doch ihr konnte nichts passieren, wenn Marco die Arme fest um sie schlang. Aber das tat er nicht. Im Gegenteil: Er hatte sich so weit wie möglich von ihr entfernt. Langweilte er sich mit ihr?

Marco hörte, wie Emily leise atmete. Er sehnte sich nach der körperlichen Befriedigung, die nur sie ihm verschaffen konnte. Und weshalb sollte er auch auf ihre Zärtlichkeiten verzichten? Er würde Emily eine beträchtliche Summe geben, als Dank für die gemeinsame Zeit. Von diesem Moment an würde sie nie wieder Geldsorgen haben und sich jeden Wunsch erfüllen können. Aber bis dahin war er dankbar, ihre Reize noch weiter genießen zu können.

Nach wie vor begriff er nicht, wieso er sie unverändert begehrte, während ihn viel erfahrenere Frauen schnell gelangweilt hatten. Noch erstaunlicher fand er, dass er sie nicht nur im Bett um sich haben wollte. Er unterhielt sich gern mit ihr, über alles Mögliche, und ließ sich von ihr sogar zu wohltätigen Spenden überreden.

Anfangs hatte er kaum glauben können, wie viel Emily von ihrem bescheidenen Einkommen für Not leidende Kinder ausgab. Ganz im Gegensatz zu seinem Großvater, der sich weigerte, den wenig begüterten Einwohnern von San Rinaldi zu helfen. König Giorgio vertrat die Meinung, dass die Armen vom Leben nicht mehr erwarten sollten, als ihnen die Insel bot.

Nein, Emily wäre bestimmt keine geeignete Mätresse für den König von San Rinaldi. Allerdings war Marco auch noch nicht der König.

Er drehte sich um und betrachtete sie. Ihre Brüste waren wie für seine Hände geschaffen, ihr schlanker Körper erregte ihn unbeschreiblich. Allein ihr ganz spezieller Duft genügte, um sein Begehren anzufachen. Obwohl er sie schon unzählige Male geliebt hatte, konnte er einfach nicht genug von ihr bekommen.

Eine innere Stimme warnte ihn vor dieser gefährlichen Anziehung, doch er hörte nicht darauf. Bevor er nach San Rinaldi abreiste, würde er diese Affäre ohnehin beenden. Dann würde er jegliche Erinnerung an sie auslöschen. Bestimmt ließ sie sich im Bett leicht ersetzen. Dass er sie jetzt begehrte, bedeutete noch lange nicht, dass er sie immer bei sich haben wollte. Nein, diese Gefahr bestand nicht, völlig abwegig!

Eine leichte Berührung genügte, dass Emily sich an ihn schmiegte und ihm bereitwillig entgegenkam. Als er die Bettdecke zurückschob, fiel ein schwacher Lichtschimmer auf ihre Brüste mit den aufgerichteten Knospen. Sachte strich er mit den Fingern drüber, bis Emily den Rücken durchbog und leise seinen Namen rief.

Aus ihren Augen traf ihn ein sinnlicher Blick, als Marco sie fester an sich drückte. Jetzt gab es für ihn nur noch ein Ziel – sich mit ihr zu vereinigen und die Ekstase zu genießen, die sie ihm schenkte.

Hingebungsvoll verlor er sich in ihr und stachelte die gemeinsame Leidenschaft immer weiter an. Seine Hände an ihren Brüsten entlockten ihr ein leises Stöhnen. Er fuhr mit den Lippen über ihren Hals und steigerte gleichzeitig den Rhythmus, bis sie schließlich unter seinen Zärtlichkeiten erbebte.

Emily lächelte verstohlen. Marco forderte stets alles von ihr. Selbst wenn er sie nur flüchtig küsste, suchte er Körperkontakt. Dagegen hatte sie nichts, absolut nichts einzuwenden. Sie fand es wunderbar, wenn er sie besitzergreifend in die Arme nahm. Nur dann durfte sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen, anstatt sie zu unterdrücken. Jetzt musste sie sich nicht mehr beherrscht und gelassen geben.

Wenn Marco sie liebte, zügelte er seine Leidenschaft nicht im Geringsten. Das erlaubte Emily wiederum, ihr Begehren offen zu zeigen. Was sie im Bett teilten, war so ungehemmt, dass es sie beinahe erschreckte.

Mittlerweile kannte sie Marcos Stimmungen gut genug. Heute Nacht spürte sie in ihm eine unerklärliche Unruhe und ein ungeduldiges Drängen, das ihre eigene Anspannung verstärkte. Leise stöhnend bewegte sie die Beine, als er ihre Brustspitzen mit Lippen und Zunge verwöhnte, und er nahm die Einladung an und ließ die Hand zwischen ihre Schenkel gleiten.

Am Beginn der Beziehung hatte er ihre Unsicherheit gespürt und war behutsam auf sie eingegangen. Damit sie sich entspannte, hatte er sie einen ganzen Abend lang mit Champagner, Komplimenten und verführerischen Zärtlichkeiten verwöhnt. Erst später nahm er sie an der Hand und zog Emily ins Schlafzimmer, wo sie ihre nackten Körper im Spiegel betrachten konnte.

Es war ein atemberaubendes Erlebnis gewesen. Emily spürte Marco nicht nur, sondern sah ihn auch. Vor diesem Spiegel trug er sie in eine Welt voller unbeschreiblicher Empfindungen, die sie nie vergessen würde.

Sobald sie ruhiger atmen konnte, hatte sie sich bei ihm revanchiert, indem sie ihn vor demselben Spiegel reizte und erregte, bis er Erfüllung fand.

Auch jetzt, im Dunkeln des Schlafzimmers, vergaß sie ihre Sorgen und gab sich ganz seinen Liebkosungen hin. Ausnahmsweise zog er das Liebesspiel jedoch nicht in die Länge, sondern führte sie schnell und heftig dem Gipfel entgegen.

Der Wunsch, diese Frau ganz zu besitzen, trieb Marco mehr als sonst an. Emily erbebte ein weiteres Mal unter ihm und stand ihm in seiner Leidenschaft in nichts nach. Fiebrig erwiderte sie seine Küsse, strich ihm mit den Fingernägeln über den muskulösen Rücken und drückte seinen Körper an sich.

Reines Verlangen beherrschte sein Denken. Schon seit Langem dachte er nicht mehr über die möglichen Folgen ihres Liebesspiels nach. Emily kannte seine Meinung zu diesem Thema. Außerdem liebte sie es ganz besonders, ihn ohne einen Schutz in sich zu spüren.

Emily fühlte, dass sie nicht länger an sich halten konnte. Ahnte Marco überhaupt, wie tief er sie berührte und welch unaussprechliche Lust er ihr schenkte? Wusste er, wie sehr sie ihn begehrte und sich nach ihm sehnte?

Der Augenblick der Erfüllung war gekommen. Emily stöhnte laut auf, klammerte sich an Marco und bog den Kopf weit in den Nacken. Welle um Welle der Lust durchflutete sie, heftiger und noch heftiger, bis auch Marco sich aufseufzend von seinen Gefühlen davontragen ließ.

Tränen rollten ihr über die Wangen. Die letzten Minuten waren von einer solchen Intensität gewesen, dass sie ihr ganzes Sein ausfüllten. Wie konnte Marco ihr nur solche Leidenschaft schenken, ohne sie zu lieben? Aber vielleicht benahm er sich in letzter Zeit so merkwürdig, weil er sich eben doch in sie verliebt hatte. Möglicherweise wagte er es nur nicht, das zuzugeben.

Zärtlich schmiegte sie sich an ihn. Er war verwundbar, das wusste sie, doch er würde es niemals eingestehen. Sein Körper wärmte sie, und seine uneingeschränkte Nähe glich einem Versprechen. Plötzlich war Emily voller Hoffnung. Sie wollte ihm zeigen, dass die Liebe stärker und nicht schwächer machte. Und dass Gefühle für sie viel mehr zählten als alle Reichtümer dieser Welt.

Weshalb er so kühl und unnahbar war, wusste sie nicht. Sie nahm jedoch an, dass er als junger Mann verletzt worden war. Wahrscheinlich hatte er sich geschworen, nie wieder zu lieben. Einen stolzen Mann wie Marco traf eine Zurückweisung sicher besonders hart.

Als Marco und sie sich erstmals gemeinsam in der Öffentlichkeit gezeigt hatten, waren viele Freunde zu Emily gekommen, um über ihn zu reden. Sie erzählten von zahlreichen Frauen, die man mit ihm gesehen hatte. Erstaunlicherweise wusste jedoch niemand über sein Vorleben Bescheid. Fast schien es, als hätte er nicht existiert, bevor er nach London gezogen war.

Marco schirmte seine Vergangenheit und seine Privatsphäre vollständig ab. Sehr schnell merkte Emily, dass er sich nur noch mehr verschloss, wenn sie etwas von ihm erfahren wollte.

Schläfrig rekelte sie sich. Bestimmt hatte es etwas zu bedeuten, dass sie nach drei Jahren noch immer zusammen waren. War es wirklich ausgeschlossen, dass er sich in sie verliebt hatte, vielleicht, ohne es selbst gleich zu merken?

4. KAPITEL

„Ich will Rosa! Überall Rosa, wohin man auch blickt! Und dann brauche ich offene Regale für meine Schuhe. Meine Fans wissen, dass ich ein totaler Schuh-Freak bin.“

Emily fiel es äußerst schwer, sich auf die Erklärungen ihrer neuesten Kundin zu konzentrieren. Und das lag nicht nur daran, dass der Fernsehstar schreckliche Vorstellungen davon hatte, wie eine Wohnung aussehen sollte.

Ihre übliche professionelle Haltung und die Liebe zur Arbeit litten in den letzten Wochen, weil Emily ständig müde war. Zudem wurde sie immer wieder von Übelkeit geplagt. Hoffentlich war diese Grippewelle in London bald vorbei!

Die prominente Dame sah ungeduldig auf die Uhr. „Ist das hier denn wirklich nötig?“, fragte sie ihre PR-Assistentin in nörgelndem Tonfall. „Ich dachte, ich mache eine Fernsehdokumentation über das neue Design meiner Wohnung. Muss ich dazu unbedingt ein Gespräch mit dieser Dekorateurin über mich ergehen lassen?“

Während die PR-Assistentin versuchte, ihre Arbeitgeberin zu beruhigen, zog Emily sich diskret zurück. Sie hatte noch geschlafen, als Marco heute Morgen ins Büro gefahren war. Auf der Küchentheke hatte sie eine Nachricht von ihm vorgefunden, die besagte, dass er noch etwas Wichtiges zu erledigen hätte.

Dass er schon so früh arbeitete, war nicht ungewöhnlich. Heute allerdings sehnte Emily sich unbeschreiblich danach, bei ihm zu sein.

Was war nur los mit ihr? Sonst wurde sie nicht gleich sentimental, wenn Marco losging, ohne sie zu wecken und zum Abschied zu küssen. Emily hielt es für das Beste, die ungeheure Sehnsucht nach ihm zu unterdrücken. Das gelang ihr jedoch nicht. Im Gegenteil, der Wunsch nach seiner Gegenwart wurde immer stärker.

Seufzend blickte sie auf ihre Armbanduhr. Es war fast schon Mittagszeit. Zu Beginn ihrer Beziehung hatte Marco sie eingeladen, ihn doch einmal in seinem Büro zu besuchen. Emilys Herz schlug schneller, während sie sich daran erinnerte …

Seine Begrüßung war alles andere als freundlich gewesen. „Da bist du ja endlich. Wie du weißt, hasse ich es, zu warten“, erklärte er finster, nachdem die Sekretärin Emily in sein Büro geführt hatte. „Noch zwei Minuten später, und du wärst nicht mehr hereingelassen worden. Da hast du ja gerade noch mal Glück gehabt, Emily“, fügte er herablassend hinzu.

Mit einem solchen Empfang hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Stumm schüttelte sie den Kopf.

„Wenn du dir einen Vorteil davon versprichst, mich hinzuhalten …“

„Warum um alles in der Welt sollte ich das tun?“, fiel Emily ihm hastig ins Wort. Seine Vorwürfe schockierten sie dermaßen, dass sie zu spät begriff, was sie gerade gesagt hatte. Das wurde ihr erst bewusst, als Marco langsam auf sie zukam.

„Wenn das so ist“, sagte er leise, „haben wir etwas nachzuholen, nicht wahr?“ Damit griff er nach ihren Händen und zog Emily an sich.

Ihre freudige Erregung blieb ihm nicht verborgen. Er lächelte zufrieden. Allerdings erkannte Emily bald, dass er sie genauso begehrte wie sie ihn. Seine Stimme war rau vor Verlangen, als er ihr Worte voller Leidenschaft ins Ohr flüsterte.

Hätte das Telefon nicht geklingelt, wäre es bestimmt in seinem Büro zu einer verführerischen Mittagspause gekommen. Marco hatte bereits Emilys Bluse geöffnet und massierte sanft und sinnlich ihre Brüste.

Das Telefon störte sie, gerade als er die Lippen um eine Brustspitze schloss. Während er den Hörer abhob, versuchte Emily, sich hastig wieder anzuziehen. Aber er hielt sie zurück und ließ während des Gesprächs eine Fingerspitze über ihre aufgerichtete Brustspitze kreisen.

Auch jetzt noch wurde Emily bei dieser Erinnerung von heißem Begehren überflutet. Was Marco damals mit mir angestellt hat, dachte sie und lächelte. Seine aufreizenden Bewegungen hatten in krassem Gegensatz zu dem geschäftsmäßigen Ton gestanden, in dem er sich mit dem Anrufer unterhielt. Als Marco schließlich auflegte, wollte sie nur noch eins: dass er sie auf der Stelle nahm und leidenschaftlich liebte.

Doch dann musste sie erkennen, dass sie sich wieder einmal in ihm getäuscht hatte. Unvermittelt ließ er sie los und knöpfte ihre Bluse zu. „Lass uns etwas essen gehen“, sagte er kühl.

Damals hatte sie ihn noch nicht gut genug gekannt, um sein Verhalten zu verstehen. Er hatte sie ganz bewusst erregt, ohne ihr Erfüllung zu schenken. Als süße Strafe dafür, dass sie ihn hatte warten lassen. Und um ihr zu zeigen, wer in dieser Beziehung die Kontrolle hatte.

Die erste Zeit mit Marco war so aufregend gewesen, dass Emily sich plötzlich danach sehnte, sie neu zu beleben. Entschlossen wandte sie sich an die PR-Assistentin des nörgelnden Stars. „Ich muss jetzt leider los“, erklärte sie entschieden. „Sie haben ja meine E-Mail-Adresse, falls Sie etwas von mir wollen.“

Der schockierte Gesichtsausdruck der Frau ließ zwar darauf schließen, dass Emilys Firma diesen Auftrag wohl verlieren würde. Im Moment war ihr Marco jedoch wichtiger als alles andere.

Gedankenverloren stand Marco neben seinem gläsernen Schreibtisch, von dem aus er seine Geschäfte führte. Als er vor vielen Jahren San Rinaldi verließ, um es ohne Adelstitel in der Welt zu etwas zu bringen, hatte sein Großvater nur laut gelacht und gemeint, er würde in spätestens einem halben Jahr zurückgekrochen kommen.

Beinahe hätte der alte Mann recht behalten. Marco machte sich in diesem Punkt nichts vor. Schließlich war er damals erst zweiundzwanzig Jahre alt gewesen, und sein jugendliches Selbstvertrauen hatte bei Weitem seine Kenntnisse der internationalen Finanzwelt übertroffen.

Anfangs hatte er ununterbrochen Geld an der Börse verloren. Doch als er schon mit dem Schlimmsten rechnete, starb eine Tante in Italien und hinterließ ihm ein beträchtliches Vermögen. Und auch ein zweiter Glücksfall kam ihm zu Hilfe: Einer der reichsten Unternehmer in der Londoner City wurde auf ihn aufmerksam und nahm ihn unter seine Fittiche. Dieser Mann brachte ihm alles bei, was er wissen musste. Vor allem schärfte er Marcos Instinkte, was wichtige Transaktionen und Vertragsabschlüsse anging. Innerhalb eines Jahres gelang es Marco, sein Erbe zu verdoppeln. Nach fünf Jahren war er bereits aus eigener Kraft zum Millionär aufgestiegen.

Emily hatte ihm das Büro neu eingerichtet. Der Schreibtisch war ein Geburtstagsgeschenk von ihr, genau wie das Foto in dem antiken Silberrahmen. Auf dem Bild blickte Emily lächelnd und voller Verlangen zu ihm auf. Sein Gesicht lag im Schatten und war halb verborgen. Trotzdem erkannte jeder bei genauerem Hinsehen, wie sehr Marco sie begehrte. Seine Körperhaltung und der Ausdruck seiner Augen sprachen Bände. Und Emilys strahlendes Lächeln machte nur allzu deutlich, wie sehr sie es genoss, von einem derart reichen Liebhaber im Arm gehalten zu werden.

„Marco“, hatte sein Großvater einmal zu ihm gesagt, „die Könige von San Rinaldi empfangen Liebe, aber sie geben keine. Sie stehen über anderen Menschen, die schwächer sind als sie. Und im Gegensatz zu diesen simplen Gemütern verwechseln sie Verlangen niemals mit irgendwelchen unsinnigen Gefühlen.“

Damit war die Lektion jedoch noch nicht beendet.

„Du bist ein junger Mann“, fuhr sein Großvater fort, „und du wirst bald feststellen, dass du dank deines Standes die schönsten und ehrgeizigsten Frauen der Welt anziehst. Du kannst frei unter ihnen wählen und bekommst, was immer du haben willst. Sie werden dir ihre Körper schenken und als Gegenleistung Geld und gesellschaftliche Anerkennung fordern. Jedes Mittel wird ihnen recht sein, um in dein Bett zu kommen. Dafür werden sie intrigieren, lügen und betrügen.“

König Giorgios Stimme hatte schroff geklungen, als er weitersprach. „Wenn du dumm genug bist, auf diese Frauen hereinzufallen, werden sie dir uneheliche Kinder anhängen. Und eines Tages werden deine illegitimen Nachkommen dann eine große Gefahr für San Rinaldi darstellen. Deshalb ließen die Sultane im Morgenland vor ihrer Thronbesteigung einst auch sämtliche männlichen Halbgeschwister töten. Auf diese Weise verhinderten sie schreckliche Erbfolgekriege.“

Die letzte Warnung sprach der alte König mit erhobenem Zeigefinger aus. „Genieße die Frauen, sosehr du nur willst. Aber denke stets daran, was ich dir gesagt habe. Letztlich wirst du zum Wohle deines Reichs eine junge Frau von königlichem Geblüt und makelloser Tugend heiraten. Sie, und nur sie, wird dir legitime Erben gebären. Wenn du weise bist, Marco, werden das deine einzigen Nachkommen sein.“

Nun, bisher war er weise gewesen, oder etwa nicht? Dabei sollte es auch bleiben.

Er richtete den Blick auf den Brief, der vor ihm auf dem Tisch lag. Der Umschlag trug das königliche Wappen und ein...

Autor

Michelle Celmer
<p>Michelle Celmer wurde in Metro, Detroit geboren. Schon als junges Mädchen entdeckte sie ihre Liebe zum Lesen und Schreiben. Sie schrieb Gedichte, Geschichten und machte selbst dramatische Musik mit ihren Freunden. In der Junior High veröffentlichten sie eine Daily Soap Opera. Ungeachtet all dessen, war ihr Wunsch immer Kosmetikerin zu...
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Maisey Yates
<p>Schon von klein auf wusste Maisey Yates ganz genau, was sie einmal werden wollte: Autorin. <br/>Sobald sie mit einem Stift umgehen und ihre erste Worte zu Papier bringen konnte, wurde sie von der Leidenschaft fürs Schreiben gepackt und bis heute nicht mehr losgelassen. <br/><br/>Von da an konnte nichts und niemand...
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