Rache, Lust – und Liebe?

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Der griechische Playboy-Milliardär Damon Kallinikos verführt die schüchterne Archäologin Kassia nur aus einem Grund: Er will ihrem rücksichtslosen Vater, der sein größter beruflicher Konkurrent ist, das Handwerk legen! Doch kaum hat er Kassia zu einem Dinner auf seiner Luxusjacht entführt und eine lustvolle Affäre mit ihr begonnen, muss Damon sich eingestehen: Gegen jede Vernunft fühlt er sich tatsächlich immer mehr zu ihr hingezogen. Ehe er sich’s versieht, muss er sich entscheiden: zwischen eiskalter Rache – und nie gekannten romantischen Gefühlen …


  • Erscheinungstag 15.04.2025
  • Bandnummer 2696
  • ISBN / Artikelnummer 9783751534741
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Damos Kallinikos ließ den Blick über die Baustelle schweifen, ohne dem Ausgrabungsleiter Dr. Michaelis wirklich zuzuhören, der ihm erklärte, woran hier gerade gearbeitet wurde. Schließlich war er nicht hier – auch wenn der Professor davon offensichtlich überzeugt war –, weil ihn irgendwelche Fundstücke aus der Bronzezeit interessierten, die hier auf dieser abgelegenen Insel in der Ägäis ausgegraben wurden. Und in Wirklichkeit legte er auch keinen gesteigerten Wert darauf, diese Arbeiten finanziell zu unterstützen. Nein, etwas völlig anderes hatte sein Interesse geweckt.

Suchend sah er sich um. Es herrschte ein geschäftiges Treiben. Einige der Archäologen knieten im Staub und bearbeiteten die Erde vorsichtig mit kleinen Spateln. Andere machten Fotos von den Fundstücken oder trugen sie behutsam zu breiten Tischen, die im Schatten der Olivenbäume am Rand des Areals aufgestellt waren.

Welche der Frauen war sie? Da er sie bisher nicht entdeckt hatte, widmete er jenen Mitarbeiterinnen, die Millimeter für Millimeter der staubigen Erde durchsuchten, nun mehr Aufmerksamkeit. Auch wenn er ihr noch nie begegnet war, hatte er erstklassige Fotos von ihr gesehen, die seine Ermittler ihm zusammen mit wichtigen Details über sie hatten zukommen lassen.

Kassia Bowen Andrakis, sechsundzwanzig Jahre. Die Mutter Engländerin, der Vater Grieche. Über die Mutter wusste er wenig, aber sie interessierte ihn auch nicht. Im Gegensatz zu ihrem Vater. Yorgos Andrakis war schon seit Langem kein Unbekannter mehr für ihn. Er galt als einer der reichsten Männer Griechenlands – und als einer der unangenehmsten. Damos war ihm oft genug begegnet, um diesen Ruf bestätigen zu können.

Aber hier ging es nicht um persönliche Abneigung, sondern ums Geschäft.

Und Yorgos Andrakis kam ihm gerade zu sehr in die Quere.

Sein Gesichtsausdruck wurde hart. Nun, Andrakis würde keinen Erfolg haben. Die Firma, die er sich einverleiben wollte, würde schon bald ihm gehören. Cosmo Palandrous Transportunternehmen war reif zur Übernahme. Zwar hatte der Firmenerbe wenig Talent fürs Geschäft, und es war ihm gelungen, in kürzester Zeit viele einst treue Kunden zu vergraulen, aber die Basis war Gold wert und würde unter einer kompetenten Leitung schnell wieder Gewinn abwerfen.

Er hatte bereits konkrete Pläne, würde die gut gelegenen Lagerhallen sinnvoll nutzen, neue Märkte erschließen und Synergien mit seinen eigenen Schiffen nutzen. Alles, was er nicht gebrauchen konnte, ließe sich gut verkaufen. Ja, Cosmo bot großartige Möglichkeiten.

Aber das wusste auch Yorgos Andrakis.

Allerdings würde er die Firma komplett zerschlagen und die einzelnen Bereiche zu Geld machen. Das war seine Art, mit schwächelnden Unternehmen, die er aufkaufte, Profit zu machen.

Soweit er gehört hatte, verhandelte Cosmo bereits hart mit Andrakis. Er wollte mehr – und dieses „Mehr“ war direkt hier und grub im Staub der Bronzezeit.

Kassia Andrakis. Die Tochter, die Yorgos Andrakis verheiraten wollte, um im Gegenzug Cosmos Firma zu bekommen. Damit wäre Cosmo Andrakis’ Schwiegersohn – eine Win-Win-Situation.

Damos allerdings hatte andere Pläne für Kassia Andrakis.

Jetzt hatte er sie entdeckt. In diesem Moment sah sie auf, wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn und konzentrierte sich wieder auf den winzigen Flecken Erde, den sie gerade bearbeitete. Ja, das war sie, kein Zweifel.

Kurz ließ er den Blick auf ihr ruhen. Wusste sie, welche Pläne ihr Vater für sie hatte? Wenn ja, war sie sicherlich wenig begeistert. Keine Frau wäre das. Cosmo Palandrou war ebenso aggressiv und unsympathisch wie Yorgos Andrakis, und auch optisch ähnelten sie einander – Palandrou war übergewichtig, hatte ein fliehendes Kinn und schlaffe Lippen, unter seinen kleinen Augen hingen dicke Tränensäcke.

Nein, Kassia Andrakis wollte ganz sicher nicht diesen Mann heiraten.

Und er würde sicherstellen, dass es etwas ganz anderes war, was sie wollte. Etwas, das Andrakis’ Pläne durchkreuzte und den Weg ebnete, damit er selbst Cosmos Firma übernehmen konnte.

Denn Cosmo Palandrou würde herausfinden, dass Kassia Andrakis die letzte Frau war, der er einen Heiratsantrag machen wollte …

Damos wandte sich an den Ausgrabungsleiter.

„Faszinierend“, murmelte er. „Können wir etwas näher herangehen?“

Gerade erhob sich Kassia Andrakis. In der Hand hielt sie eine Tonscherbe. Der Zeitpunkt war perfekt.

Mit einer Kopfbewegung deutete er auf sie. „Ein neues Fundstück?“

Ohne eine Antwort des Professors abzuwarten, ging er voraus. Hin zu der Frau, die er kennenlernen wollte. Und die noch nichts davon ahnte, dass sie demnächst seine Geliebte sein würde.

Kassia spürte, wie ein Schweißtropfen an ihrer Wirbelsäule hinunterrann. Ihr T-Shirt war durchgeschwitzt, und ihre Cargohose starrte vor Schmutz. Nachdenklich blickte sie auf das kleine Teil in ihrer Handfläche. Ziemlich sicher handelte es sich um den Henkel eines Tonkruges. Wahrscheinlich war darin vor dreitausend Jahren Olivenöl aufbewahrt worden. Vorsichtig trug sie es hinüber zu dem Tisch, wo es fotografiert und katalogisiert werden sollte.

„Was haben Sie da, Kassia?“

Als sie die Stimme von Dr. Michaelis hörte, sah sie auf.

Doch als sie den Mund öffnete, um ihm zu antworten, versagte ihr die Stimme. Wie magnetisch angezogen ging ihr Blick vorbei an dem Professor zu dem Mann neben ihm. In seinem maßgeschneiderten grauen Anzug, der weinroten Krawatte und den glänzenden Schuhen war er hier absolut fehl am Platz. Die goldene Uhr an seinem Handgelenk war ein Vermögen wert, das erkannte sie auf einen Blick. Er wirkte, als käme er gerade aus einem wichtigen Meeting.

Doch das allein war es nicht, was ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Es war vielmehr die Tatsache, dass dieser große gepflegte Mann – wer auch immer er sein mochte – der attraktivste Typ war, den sie je gesehen hatte.

Damos schenkte ihr die perfekte Dosis eines Lächelns. Doch hinter seiner freundlichen Miene rasten seine Gedanken.

Dies also war Andrakis’ Tochter. Nun, sie entsprach nicht im Geringsten dem Typ Frau, mit dem er sich normalerweise umgab. Sie war alles andere als glamourös. Aber schließlich musste er ihr zugestehen, dass sie seit Stunden in der staubigen Hitze arbeitete. Daher konnten ihre von der Sonne geröteten Wangen, der Schmutzfilm auf ihrem Gesicht und das ungebändigte Haar ihn nicht wirklich überraschen.

Aber die Kleidung …

Damos’ Bestandsaufnahme war gründlich und gnadenlos.

Ein verschwitztes, formloses T-Shirt in einem unattraktiven Senfton, schlammfarbene, tief sitzende Cargohose mit Schmutz auf den Knien. Ausgetretene Turnschuhe, ebenfalls voller Staub und getrocknetem Schlamm. Die Figur? Groß und schlaksig, alles andere ist schwer zu sagen unter dieser konturlosen Kleidung. Vielleicht ist es auch besser so.

Nein. Kassia Andrakis, ungelenk und verschwitzt und unordentlich in ihren abgetragenen, staubigen Arbeitsklamotten, wirkte alles andere als verführerisch.

Kann ich es wirklich ertragen, mit dieser unattraktiven Frau ein Verhältnis anzufangen?

Dieser Gedanke war formuliert, ehe er sich daran hindern konnte. Dann setzte er eine entschlossene Miene auf. Seine persönliche Meinung von ihr als weiblichem Wesen war uninteressant. Sie war Mittel zum Zweck, mehr nicht. Und der Zweck war so lukrativ, dass er zu diesem Opfer bereit war.

Fragend sah er sie an. „Zeigen Sie uns, was Sie da gefunden haben?“

Einen Moment lang stand die Frau, an die er sein Lächeln verschwendete, regungslos vor ihm. Sie schien wie erstarrt. Die Tonscherbe noch in der Hand, sah sie ihn an wie ein Kaninchen, das auf der Straße von Autolichtern geblendet und im nächsten Moment überfahren wird.

Nun, das war doch zumindest ein vielversprechender Anfang. Und das überraschte ihn nicht. Schon als Jugendlicher war er sich seiner Wirkung auf Frauen bewusst gewesen. Und das hatte nichts mit Selbstgefälligkeit zu tun. Auch nicht mit dem Geld, das er inzwischen verdiente. Vielmehr war es noch schwieriger geworden, die Frauen auf Abstand zu halten, seit er reich war. Allerdings gefiel es ihm durchaus, wählen zu können.

Er verfügte nicht über „altes Geld“, und es machte sich gut, wenn er mit einer Frau an seiner Seite auftauchte, deren Gesicht bekannt war. Schauspielerinnen, TV-Moderatorinnen, Models und andere Prominente. Sie alle liebten das Rampenlicht. Und ihnen war bewusst, dass es auch für sie vorteilhaft war, mit ihm gesehen zu werden – für ihr Ego ebenso wie für ihre Karriere. Sie alle hatten nichts gegen eine Affäre mit ihm einzuwenden.

Abschätzend betrachtete er jetzt die Frau, die voraussichtlich die nächste in der Reihe sein würde. Auch wenn sie der Gegenentwurf eines Glamourgirls war und nichts mit ihren Vorgängerinnen gemein hatte, würde sie sein Angebot nicht ablehnen, dafür würde er schon sorgen. Sie sollte es ebenso genießen wie alle anderen.

Aber erst einmal musste er sie dorthin bringen.

Zu ihrem unsicheren Blick gesellte sich nun eine flammende Röte auf ihren Wangen, die – da war Damos sicher – nichts mit der Gluthitze des Tages zu tun hatte.

Irgendwann schien sie zu realisieren, dass sie nicht einfach dastehen und ihn anstarren konnte. Sie gab sich einen Ruck. „Ähm …“, stammelte sie.

Dr. Michaelis kam ihr zu Hilfe. Konzentriert betrachtete er die schmutzige Scherbe. „Lassen Sie mich mal sehen … definitiv ein Seitenteil. Und angesichts der Größe muss das gesamte Gefäß mindestens zwanzig Zentimeter hoch gewesen sein. Haben Sie noch mehr davon gefunden?“

Damos beobachtete, wie sie versuchte, sich auf ihren Chef zu konzentrieren.

„Hm, ja, ich glaube schon. Ein paar Stücke scheinen noch dort zu liegen. Etwas, das aussah wie ein Gießrand und ein Stück vom Henkel.“

Ihr Tonfall klang fahrig, und ihre Wangen waren noch immer tiefrot.

Das machte sie nicht attraktiver.

Damos wandte den Blick ab und konzentrierte sich auf den antiken Gegenstand. „Ist das ein Muster?“, heuchelte er Interesse.

„Ja“, bestätigte Dr. Michaelis begeistert und hielt Damos einen Vortrag über die damalige Art der Verzierung von Gebrauchsgegenständen. Höflich hörte Damos zu, bis der Redeschwall versiegte. Dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Yorgos Andrakis’ Tochter zu. „Zeigen Sie mir, wie Sie den Rest des Gefäßes bergen? Sie müssen vermutlich äußerst vorsichtig sein, nicht wahr?“

Er bemerkte, wie sie schluckte.

„Also …“ Unsicher sah sie zu ihrem Chef hinüber.

Sofort übernahm dieser das Kommando. „Ich sehe zu, dass dieses Stück fotografiert und katalogisiert wird“, sagte er und nahm ihr die Scherbe aus der Hand. „Dann können Sie unserem Gast zeigen, wie wir arbeiten.“

Es schien ihm wichtig zu sein, dass sie das tat, und Damos kannte auch den Grund. Er war ein potenzieller Sponsor – deshalb würde er jeden Wunsch erfüllt bekommen.

Die Röte auf Kassia Andrakis’ Wangen wurde noch intensiver. Sie zögerte offensichtlich. Damos beschloss, ihr zu helfen.

„Ich freue mich darauf“, sagte er und nahm ihren Ellbogen. „Das ist alles sehr faszinierend.“

Der Blick, mit dem sie ihn bedachte, war unerwartet. Zuerst meinte er, es sei nur Überraschung gewesen, doch da war mehr, und er revanchierte sich mit einem Lächeln – einem schmeichelnden.

„Ich war noch nie an einer archäologischen Ausgrabungsstätte“, sagte er sanft.

Sie trat einen Schritt zur Seite, sodass er ihren Ellbogen loslassen musste.

„Warum tun Sie es gerade jetzt?“, wollte sie wissen.

Plötzlich wirkte sie … wachsam. Das gefiel ihm nicht. Er wollte, dass sie offen für ihn war. Sich von ihm beeindrucken ließ.

„Ich denke darüber nach, sie finanziell zu unterstützen“, erklärte er, während sie zu der Stelle zurückkehrten, an der sie gearbeitet hatte.

„Warum?“

Ihre Frage kam unerwartet. Arglos sah er sie an.

„Ich kann es steuerlich absetzen.“

Wieder veränderte sich ihr Gesichtsausdruck, wurde missbilligend.

„Was ist schlimm daran? Ich nutze einen Teil des Gewinns aus meinen Geschäften dafür, etwas Gutes für das Land zu tun. Für die Gesellschaft.“

Vorsichtig betrat er den tiefer liegenden Bereich und war sich seiner handgenähten Schuhe und seines edlen Anzugs mehr als bewusst.

„Also, zeigen Sie mir, was Sie hier tun?“

Er bemerkte, dass sich mehrere Köpfe zu ihnen umwandten. Darunter war eine Blondine mit reizvollen Kurven. Doch er setzte nur ein neutrales Lächeln auf und hockte sich neben Kassia Andrakis.

„Passen Sie auf Ihre Schuhe auf“, wies sie ihn zurecht. „Der Staub kommt in jede Pore.“

„Danke für die Warnung.“ Er bückte sich nach dem Spatel, den sie liegen gelassen hatte, und hielt ihn ihr auffordernd hin.

„Ich weiß wirklich nicht, warum Sie das interessiert …“, sagte sie, während sie sich wieder hinkniete und zögerlich nach dem Spatel griff. Ihre Stimme hatte zwar an Schärfe verloren, klang aber dennoch nicht besonders begeistert. „Es gibt keinen Grund, sich die mühsame Kleinarbeit anzugucken, nur um eine Ausgrabung zu sponsern. Und erst recht keinen Grund, sich selbst die Hände schmutzig zu machen“, fügte sie spitz hinzu.

Der Blick, den sie ihm zuwarf, war eindeutig. In aller Klarheit machte sie ihm deutlich, dass ein staubiges Stück Land auf einer abgelegenen Insel nicht zu einem Mann in einem Zehntausend-Euro-Anzug und handgenähten Lederschuhen passte.

Doch er blieb unbeeindruckt.

„Ich habe mir schon manches Mal in meinem Leben die Hände schmutzig gemacht, glauben Sie mir“, erwiderte er.

Die Gereiztheit in seiner Stimme, die er selbst wahrnahm, hatte er gar nicht beabsichtigt. Doch er spürte, dass er langsam genervt war. Wie kam die Tochter eines der reichsten Männer Griechenlands dazu, ihn zu kritisieren? Immerhin kam sie aus derselben Welt wie er.

Sie senkte den Blick und verstärkte den Griff um ihren Spatel. Mit der Spitze klopfte sie auf ein Stück unbearbeitete Erde.

„Vermutlich liegt hier noch etwas“, erklärte sie. „Aber man muss sehr vorsichtig sein.“

Behutsam lockerte sie den festen Boden, griff dann nach einem Pinsel und fegte damit die Erde zur Seite. Nach und nach kam eine gewölbte Tonscherbe zum Vorschein.

„Dies ist das erste Mal seit etwa dreitausend Jahren, dass Sonnenlicht auf dieses Keramikstück fällt“, sagte Kassia Andrakis.

Der Tonfall war beinahe feierlich, und unwillkürlich sah Damos sie an. Er fragte sich, was ihn daran so irritierte. Und dann erkannte er es. Ein Begriff, der in seinem Wortschatz eigentlich nie vorkam.

Ehrfurcht.

Sie betrachtete dieses unauffällige Stück Ton, als wäre es ein Heiligtum.

„Dreitausend Jahre“, wiederholte sie andächtig. „Stellen Sie sich das vor – in einer Welt, die so schnelllebig ist wie unsere. Mit internationalem Handel, einer multikulturellen Gesellschaft, all dem Wissen. Und dann taucht plötzlich ein Relikt aus einer völlig anderen Zeit auf.“

Sie sah ihn an, und Damos wurde bewusst, dass sie zum ersten Mal Blickkontakt mit ihm aufnahm. Gleichzeitig fiel ihm auf, dass die Röte aus ihren Wangen verschwunden war. Ihre Augen waren graublau mit einem beinahe silbernen Schimmer.

„Dieser Ort, das ganze Areal hier ist nur ein Bruchteil unserer Geschichte“, fuhr sie voller Begeisterung fort und gestikulierte mit dem Spatel in ihrer Hand. „Vor dreitausend Jahren endete diese Welt in einer Katastrophe. So vieles von damals ist verloren gegangen. Deshalb ist es so wichtig, dass wir das erhalten, was uns geblieben ist.“

„Katastrophe?“, wiederholte Damos stirnrunzelnd. Sie hatte es tatsächlich geschafft, sein Interesse zu wecken.

Nachdrücklich nickte sie. „Ja, die Bronzezeit im östlichen Mittelmeerraum ist kollabiert. Das alles ging sehr plötzlich. Die Bevölkerungszahl brach ein. Ganze Landstriche waren völlig verlassen. Der Lebensstandard stürzte ab. Es war ein düsteres Zeitalter.“

Damos erhob sich. „Erzählen Sie mir mehr darüber. Heute Abend beim Dinner.“

Ohne ihre Reaktion abzuwarten, verließ er das Areal und kehrte zurück zu Dr. Michaelis, der noch immer an den Tischen unter den Olivenbäumen stand. Der Ausgrabungsleiter empfing ihn mit einem hoffnungsvollen Lächeln.

„Faszinierend“, sagte Damos. Dann machte er eine kurze Pause. „So sehr, dass ich Ihre junge Kollegin gebeten habe, mir heute Abend beim Dinner mehr darüber zu erzählen.“ Mit einem Kopfnicken deutete er auf Kassia.

Dr. Michaelis öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Ein gerissener, geschäftstüchtiger Ausdruck blitzte in seinen Augen auf, gepaart mit Überraschung.

Und Damos wusste auch, warum.

Nicht wegen der Einladung.

Sondern wegen der Person, der sie galt.

Wenn sein Interesse der vollbusigen Blondine gegolten hätte, wäre der Professor sicherlich nicht überrascht gewesen.

Damos beschloss, Dr. Michaelis’ Neugier zu befriedigen.

„Ich kenne Kassias Vater“, erklärte er lächelnd. „Er hat mir gegenüber erwähnt, dass ich sie möglicherweise hier treffen würde.“

Das war eine Lüge, aber es spielte keine Rolle. Und zumindest entsprach es der Wahrheit, dass Yorgos Andrakis und er sich in denselben Kreisen in Athen bewegten.

Dr. Michaelis’ Miene hellte sich auf. Die Erklärung schien ihn zufriedenzustellen.

„Ah, ich verstehe“, erwiderte er. „Gibt es noch irgendetwas anderes, das ich Ihnen zeigen oder erklären könnte? Sie müssen es nur sagen.“

Höflich lächelte Damos. „Vielen Dank. Aber das, was ich gesehen habe, hat mich schon sehr beeindruckt. Ihre Arbeit ist sehr wertvoll für die Gesellschaft, das weiß ich zu schätzen. Ich bin froh, dass ich die Möglichkeit hatte, auf dem Weg nach Istanbul einen Abstecher zu machen und hier vorbeizuschauen.“

Er streckte Dr. Michaelis die Hand zum Abschied hin, der sie ergriff und dankbar schüttelte. Als Damos zum Rand des abgesperrten Bereichs kam, drehte er sich noch einmal um. Es wunderte ihn nicht, dass Kassias blonde Kollegin ihm nachblickte. Kassia selbst allerdings schenkte ihre gesamte Aufmerksamkeit ihren Grabungen. Und auch das wunderte ihn nicht.

Sein Ehrgeiz war geweckt. Mochte Kassia Andrakis ihn auch ignorieren – früher oder später würde sie doch in seinem Bett landen.

Die Frage war nur, wie er es am besten anstellte …

Zufrieden mit dem bisherigen Verlauf, ging er zurück zu seinem Wagen, der am Rand der staubigen Landstraße stand, die durch den üppigen Olivenhain führte. Als er die Beifahrertür öffnete und hineinglitt, war er dankbar für die Klimaanlage. Er griff in seine Jackentasche und zog einen goldenen Füllfederhalter heraus. Auf die Rückseite einer Visitenkarte schrieb er eine kurze Nachricht, dann reichte er die Karte seinem Fahrer.

„Die Notiz ist für die Frau im ersten Abschnitt des Ausgrabungsfeldes“, erklärte er. „Nicht die Blonde. Für die in dem senffarbenen T-Shirt“, fügte er hastig hinzu.

Aufatmend lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Dann dachte er über den nächsten Schritt nach, Kassia Andrakis zu verführen. Dinner auf seiner Jacht war Punkt eins. Und dann … Nun, er musste sehen, was sich danach ergab. Immerhin ging es um eine Menge Geld.

Und was Kassia Andrakis betraf – sie würde die Affäre mit ihm genießen. Alle Frauen taten das, sie bildete sicherlich keine Ausnahme. Warum auch? Er würde dafür sorgen, dass die Zeit mit ihm vergnüglich war, und sie sich wohlfühlte.

Sie sieht nicht so aus, als wäre sie allzu viel männliche Aufmerksamkeit gewohnt …

Unwillkürlich runzelte er die Stirn. Etwas an Kassia Andrakis war beunruhigend. Sie gehört nicht zu dem Typ Frau, mit dem er normalerweise seine Zeit verbrachte. Seine Geliebten waren glamourös und hungrig nach Öffentlichkeit. Sie aber war gebildet und alles andere als eitel. Aber wenn er die Pläne ihres Vaters durchkreuzen wollte, dann musste er Kassia nach allen Regeln der Kunst verführen.

Die Falten auf seiner Stirn wurden noch tiefer. Er musste ihr zugestehen, dass sie den ganzen Tag in der Hitze und dem Staub gearbeitet hatte. Natürlich sah sie nicht wie aus dem Ei gepellt aus. Aber sie wirkte auch … ausgesprochen zurückhaltend. Traf es das? Bescheiden. Unsicher, dass er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Sie war groß, hielt sich aber nicht aufrecht, sondern zog die Schultern nach vorne, als wollte sie sich kleiner machen. Und ihr struppiges Haar, das sie unordentlich zurückgesteckt hatte, tat sein Übriges zum Gesamtbild.

Sie schien sich selbst gegenüber nachlässig zu sein und verhielt sich seltsam. Andererseits … Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Als sie ihm von den Fundstücken erzählt hatte, war eine Veränderung mit ihr vorgegangen. Die unverhohlene Begeisterung hatte ihre Augen glänzen lassen, und zum ersten Mal hatte er sie wirklich wahrgenommen.

Graublau, mit diesem silbernen Schimmer.

Wieder runzelte er die Stirn.

Faszinierend und so unpassend zu dem Rest von ihr.

Die Ankunft seines Chauffeurs riss ihn aus seinen Grübeleien. Der Fahrer startete den Motor und fuhr los.

Entschlossen verbannte Damos Kassia Andrakis und seine Pläne für sie aus seinem Kopf, griff nach dem Handy und las seine Nachrichten.

2. KAPITEL

Kassia saß auf dem Bett ihres kleinen Zimmers in der Pension, die sie und andere aus dem Ausgrabungsteam gebucht hatten. Noch einmal las sie die Notiz auf der Rückseite der Visitenkarte, die ihr der Chauffeur heute Nachmittag überreicht hatte. Er hatte tatsächlich eine Schirmmütze getragen. Ein Chauffeur – ob mit oder ohne Schirmmütze – war völlig fehl am Platz auf dieser kleinen Insel. Aber das galt noch mehr für seinen Auftraggeber.

Maßgeschneiderter Anzug, handgenähte Schuhe, Seidenkrawatte, goldene Uhr – das ganze Programm.

Aber zumindest wusste sie jetzt, wer er war.

Damos Kallinikos.

Der Name auf der Visitenkarte sagte ihr nichts. Auch wenn Dr. Michaelis ihr erzählt hatte, dass er ihren Vater kannte. Wahrscheinlich hatte er deshalb sie und nicht den Ausgrabungsleiter zum Essen eingeladen. Einen anderen Grund, ausgerechnet sie auszuwählen, konnte es nicht geben. Sie war nicht der Typ Frau, der um ihrer selbst willen von attraktiven, erfolgreichen Männern zum Dinner eingeladen wurde – das wusste sie nur zu gut.

Auch die Firma, deren Vorstand Damos Kallinikos war, kannte sie nicht. Der Name klang nach neuem Geld. Die Finanzkrise, die Griechenland 2010 und in den Jahren danach erschüttert hatte, war für jene, die pfiffig und skrupellos genug waren, eine große Chance gewesen. Während viele Menschen ruiniert waren, nutzten andere die Gelegenheit, Firmen aus dem Bankrott aufzukaufen und so zu Vermögen zu gelangen. 

Einer dieser Geschäftsleute war ihr Vater gewesen. Er hatte sein damals schon großes Imperium noch erweitert, indem er Firmen weit unter Preis erworben hatte. Als wenige Jahre später die Covid-Pandemie dann auch noch Griechenlands blühenden Tourismus aufgrund der Lockdowns in die Knie gezwungen hatte, konnte Yorgos Andrakis ein zweites Mal zuschlagen. Ob verlassene Hotels oder unverkäufliches, aber wertvolles Inventar – er hatte aus dem Verlust der Branche einen Profit geschlagen.

Gründete auch der Reichtum von Damos Kallinikos auf einem solchen Geschäftsgebaren? Selbst wenn nicht – sie hatte noch zu gut seine Stimme im Ohr, als er davon sprach, dass er sein Engagement für die Historie seines Landes ja steuerlich absetzen könne. Aber genauso gut erinnerte sie sich auch an Dr. Michaelis’ hoffnungsvollen Tonfall.

Kassia, ich hoffe, Sie nehmen seine Einladung zum Dinner an und tun Ihr Bestes, um ihn zu überzeugen, dass er uns fördert. Dann könnten wir nächstes Jahr weitermachen. Plaudern Sie ein bisschen mit diesem Mann und begeistern Sie ihn für unser Projekt.

Sie seufzte. Ja, sie würde ihr Bestes geben, aber sie fühlte sich nicht wirklich wohl dabei. Nicht wegen des Sponsorings, sondern aus einem ganz anderen Grund.

Nur zu genau konnte sie sich Damos Kallinikos Aussehen in Erinnerung rufen. Nicht ohne Grund war sie in seiner Gegenwart so errötet.

Sie zog eine Grimasse. Was spielte es für eine Rolle? Schließlich würde ein Mann wie er eine Frau wie sie sowieso keines zweiten Blickes würdigen. Ihr war bewusst, dass ihr jegliche weibliche Ausstrahlung fehlte. Das hatte ihr Vater mehr als einmal in ihrem Leben bemängelt.

Sieh dich nur an! Du bist ein Strich in der Landschaft. Nicht einmal mit deinem Gesicht kannst du einen Mann davon ablenken, dass du keine weiblichen Formen hast. Deine Mutter hat mich zwar ein Vermögen gekostet, um sie loszuwerden. Aber zumindest war sie eine Schönheit.

Das Schlimmste war, dass ihr Vater recht hatte. Ihre Mutter war zierlich und wohlgeformt. Ihr herzförmiges Gesicht mit den chinablauen Augen wurde von weichen blonden Locken umrahmt. Mehr als einmal hatte ihr Vater sich darüber beschwert, dass sie nichts davon geerbt hatte.

Kein Mann wird dich jemals deinetwegen heiraten. Es wird immer nur um mein Geld gehen und um meinen Status, nicht um dich.

Das war sein üblicher Vorwurf gewesen.

Kassia schaltete die schnarrende Stimme in ihrem Kopf aus. Sie hatte sich nie in die Machenschaften ihres Vaters hineinziehen lassen. Und vor diesem Hintergrund sollte sie dankbar sein, dass er kein Interesse daran gezeigt hatte, sie in seine Welt einzuführen. Wenn sie so aussähe wie ihre Kollegin Maia, hätte ihr Vater dafür gesorgt, dass sie jemanden heiratete, der ihm weitere geschäftliche Vorteile verschaffen konnte.

So aber hatte er Kassia abgeschrieben. Er ließ sie in Ruhe im Staub graben, und nur zu ganz seltenen Gelegenheiten erwartete er, dass sie sich in Athen auf irgendwelchen Empfängen blicken ließ. Sie gehorchte, denn sie wusste, dass ihr Vater Sponsor des kleinen Museums war, für das sie arbeitete. Dort würde man Schwierigkeiten bekommen, wenn sie sich weigerte, seiner Einladung zu folgen.

Grübelnd starrte sie auf die Visitenkarte in ihrer Hand. Auch diese Notiz war mehr Vorladung als Einladung. In schwarzer Tinte hatte Damos Kallinikos schlicht geschrieben:

Marina, acht Uhr.

Seufzend wünschte sie sich, es wäre Maia gewesen und nicht sie, die von Damos Kallinikos ins Visier genommen worden war. Zumal ihre Kollegin es ihr durchaus übelnahm, dass sie den Abend mit dem attraktiven Besucher verbringen würde.

Sie stand auf und ging ins Bad. Es wurde Zeit, sich für den Abend fertig zu machen. Am besten dachte sie gar nicht groß darüber nach. Noch besser – sie sollte keinen Gedanken an Damos Kallinikos verschwenden, geschweige denn an sein fabelhaftes Aussehen. Denn sie war der letzte Mensch, für den er sich auf diese bestimmte Weise interessieren würde.

Ja, am besten dachte sie gar mehr nicht an ihn …

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