Schon beim ersten Rendezvous

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Kara und Matt sind füreinander bestimmt! Der Computer der Partnervermittlung hat es sofort erkannt. Doch bei ihrem ersten Rendezvous macht der gut aussehende Rechtsanwalt der erstaunten Kara ein Angebot, das überhaupt nichts mit Liebe zu tun hat: Er bietet ihr viel Geld, wenn sie ein halbes Jahr seine Freundin spielt. Kara sagt Ja. Es ist nicht schwer, so zu tun, als sei sie in Matt verliebt! Er ist einfach unwiderstehlich, und seine Küsse in der Öffentlichkeit sind täuschend echt. Aber als sie zusammen ein Wochenende in einem idylluschen Landhotel verbringen, zieht Matt Kara zärtlich in die Arme - obwohl sie ganz allein in der Suite sind ...


  • Erscheinungstag 31.07.2019
  • ISBN / Artikelnummer 9783733747695
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Was soll ich für dich tun?“ Kara Roberts blickte ihre beste Freundin entgeistert an. Sie liebte Sally sehr, aber dieses Ansinnen ging weit über alles hinaus, worum sie sie jemals gebeten hatte.

„Liebste Kara, bitte tu mir diesen Gefallen! Du bist meine letzte Rettung. Wenn du mir nicht hilfst, ist es mit meiner Agentur aus.“ Sally sah sie flehend an.

Kara hatte Sally noch nie so verzweifelt erlebt. Offenbar steckte die Agentur in weitaus größeren Schwierigkeiten, als Sal bislang hatte durchblicken lassen.

Mit einer schicksalsergebenen Geste gab Kara nach. Dann setzte sie sich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Okay, ich tue es. Aber nur dies eine Mal. Dafür schuldest du mir einen großen Gefallen. Sogar einen sehr großen.“

Sally seufzte erleichtert auf und durchquerte den Raum so schnell, dass ihre grauen Locken flogen. „Vielen Dank, mein Schatz. Du bist die Größte!“ Sie nahm Kara in die Arme. Als sie sich wieder von ihr löste, standen ihr Tränen in den Augen. „Ein Glück, dass du Ja gesagt hast! Ich war schon so verzweifelt.“

Kara war froh, dass sie ihre Hilfe nicht verweigert hatte, denn sie verdankte Sally sehr viel. Im Alter von zwölf Jahren hatte sie ihre Eltern bei einem Autounfall verloren. Sally, die beste Freundin von Karas Mutter, war eingesprungen und hatte Kara ein Heim angeboten. Nicht nur das: Sie hatte sie gerade während der ohnehin nicht einfachen Jahre der Pubertät unterstützt und ermutigt. Auch danach war sie immer für sie da gewesen, wenn sie Trost oder Rat gebraucht hatte.

Verglichen mit all den Jahren, in denen Sally ihr ihre Liebe und Freundschaft geschenkt hatte, fiel es kaum ins Gewicht, Sally diesen einen Gefallen zu tun. Trotzdem handelte es sich um eine heikle Angelegenheit, und Kara hätte sich liebend gern aus der Affäre gezogen, wenn ihr nur eingefallen wäre, wie.

„Also gut, dann sag mir, was ich tun soll, Sal. Ich möchte das Ganze so schnell wie möglich hinter mich bringen.“

Sally stöberte in den Bergen von Papieren auf ihrem Schreibtisch. Dann zog sie einige zusammengeheftete Blätter hervor. „Da. Füll zuerst diese Formulare aus! Damit sie rechtsgültig sind, musst du jede Frage vollständig beantworten, Ort und Datum angeben und unterschreiben.“

Kara nahm die Fragebögen und blätterte sie durch. „Du machst Witze, Sal! Das soll ich alles beantworten? Was für blödsinnige Fragen: Welche Augenfarbe soll Ihr Wunschpartner haben? Wo würden Sie sich am liebsten für ein romantisches Abendessen verabreden? An welchen Stellen empfinden Sie Küsse als besonders erotisch? Also wirklich, Sally! Wie bist du bloß auf solche Ideen gekommen?“

Sally verschränkte die Arme, entspannte sich und atmete tief durch. „Ich brauche diese Angaben, um die Computeranalyse durchführen zu können. Das weißt du doch sehr gut, Kara. Du machst dich seit Jahren darüber lustig, obwohl du miterlebt hast, dass es funktioniert. Wieso bekommst du jetzt plötzlich kalte Füße?“

Kara kicherte. „Solange diese lächerlichen Fragen andere Menschen betrafen, fand ich sie urkomisch. Wenn du mich dagegen persönlich unter die Lupe nimmst, ist es nicht mehr so witzig. Kann ich diesen Teil nicht überspringen? Ich gehe einfach so zu den Verabredungen, und damit ist die Sache erledigt.“

Sally schüttelte den Kopf. „Wenn ich mit Matchmaker den DATY, den großen Preis von Sydney, als Partneragentur des Jahres gewinnen will, muss alles ordnungsgemäß und vollständig ausgefüllt und eingereicht werden. Dein Antrag kommt mit den anderen in einen großen Topf und wird genau wie die übrigen ausgewertet. Bitte, Kara! Wenn mir ein anderer Ausweg eingefallen wäre, hätte ich dich nicht gebeten, so etwas für mich zu tun. Ich kenne dich ja und weiß, wie ungern du mitmachst. Aber als Maggie heute Morgen absagte, war ich am Boden zerstört. Du brauchst doch nur das bisschen Papierkram zu erledigen und heute Abend am Speed-Dating teilzunehmen.“

„Das nennst du einfach? Vielleicht treffe ich dort Bekannte. Die denken dann, ich wüsste mir gar nicht mehr zu helfen und würde alles tun, um mir irgendwie einen Mann zu angeln.“

Verletzt blickte Sally sie an. Matchmaker bedeutete ihr sehr viel. Schuldbewusst dachte Kara daran, wie wichtig ihr ihre eigene Firma war. Sicher ging es Sally mit der Partner-Vermittlungsagentur ebenso.

„Genau wie meine übrigen Klienten, meinst du?“ Sally warf ihr einen vorwurfsvollen Blick zu.

„Entschuldige, Sal. Für mich sind die Fragen eben ungewohnt. Ich verabrede mich lieber auf die übliche Art.“

Sally zog die Augenbrauen hoch. „Und die wäre? Du bist doch seit über einem Jahr nicht mehr ausgegangen!“

Sie hatte recht, und ihre Worte taten umso mehr weh. Kara war die ewigen Spiele der Männer leid gewesen und hatte sich in den vergangenen zwölf Monaten von Männern fern gehalten. Die meisten wollten sowieso nur das eine, und sie hatte das Ganze gründlich satt.

„Nimm nicht nur das letzte Jahr als Maßstab, Sal! Davor bin ich schließlich mit etlichen Männern gegangen.“ Wie immer, wenn von Männern die Rede war, überkam Kara ein Gefühl gähnender Leere. Nur ein einziger Mann hatte ihr jemals das Gefühl gegeben, etwas Besonderes zu sein. Doch der gehörte längst der Vergangenheit an.

„Natürlich, meine Liebe. Deshalb verbringst du ja den Löwenanteil deiner Freizeit mit einer alten Tante wie mir.“

„Du und alt? Sally, jetzt übertreib mal nicht! Die ersten grauen Strähnen und die paar Lachfältchen um die Augen machen dich noch lange nicht alt. Ach so! Jetzt geht mir ein Licht auf. Deshalb behältst du dir also die Auswahl der männlichen Kandidaten für das Speed-Dating persönlich vor! Ich habe oft genug erlebt, wie vital und lebendig du nach einem Interview mit einem Bewerber wirkst!“

Ihre Ironie traf auf taube Ohren. Sally hatte sich wieder in die Papiere vertieft. Ganz die tüchtige Geschäftsfrau, sagte sie verbindlich: „Vielen Dank für dein Vertrauen und die Ermutigung. Du vergisst die vierzig Pfund, die ich momentan zu viel auf die Waage bringe. Aber genug des Small Talks. Füll die Formulare aus, meine Liebe, denn ich muss die Daten so schnell wie möglich in den Computer eingeben. Anschließend gehst du am besten nach Hause und ziehst dich um. Ich muss für heute Abend noch einen Mann interviewen, dann ist für diesmal alles erledigt. Sobald ich das tausendste Paar zusammengeführt habe, sollte der Preis für die Vermittlungsagentur des Jahres eigentlich mir gehören!“ Trotz des zuversichtlichen Tons machte Sally einen eher ängstlichen Eindruck. Offensichtlich sorgte sie sich sehr um die Zukunft.

Dieser Gedanke machte Kara so nervös, dass sie sich nicht einfach den Fragebögen zuwenden konnte. Leider hatte sie nichts mehr auf der hohen Kante, um es Sally zu leihen. Denn sie hatte nach dem Abschluss ihres Studiums der Innenarchitektur eine Firma für Inneneinrichtung, Wohndesign Kara Roberts, gegründet und jeden Cent, den sie besaß, hineingesteckt. Aber falls nötig, konnte sie ein Darlehen aufnehmen und es Sally zur Verfügung stellen. „Steht es wirklich so schlecht um deine Agentur, Sally?“

„Wenn ich den DATY nicht bekomme, muss ich Konkurs anmelden, Kara. Ich brauche das Preisgeld, um weiterzumachen. Damit könnte ich meinen Computer auf den neuesten Stand bringen. Außerdem würde das Prestige der Agentur steigen. Matchmaker wäre bekannter, und das würde mir sicher einige neue Kunden bringen.“ Sally seufzte tief. „Insofern stimmt es, dass ich im Moment in der Patsche sitze. Ich brauche dringend ein mittleres Wunder. Oder den Preis.“

„Wie ist es denn dazu gekommen?“, hakte Kara nach, obwohl sie ahnte, dass sie die Antwort bereits kannte.

„Wie du weißt, habe ich nie viel Geld gehabt. Das meiste habe ich dafür verwendet, dir und mir ein gemütliches Heim zu verschaffen. Meine Ersparnisse und den Erlös aus den wenigen Papieren, die ich besaß, habe ich in diese Agentur gesteckt.“ Sie wies auf das Büro, in dem sie saßen. „Offenbar habe ich mich dabei verkalkuliert.“

Eins hatte Sally nicht erwähnt: Mit der Summe, die sie Kara geliehen hatte, hatte sie sich mit Wohndesign Kara Roberts selbstständig machen können. Schuldbewusst nahm Kara den Kugelschreiber und begann, die Formulare auszufüllen. „Sag Bescheid, wenn ich noch irgendetwas anderes für dich tun kann, Sally!“

„Schreib nur weiter, meine Liebe. Den Rest erledige ich.“

Kurz darauf hatte Kara alle Fragen beantwortet und legte aufatmend den Stift beiseite. In wenigen Stunden würde sie nacheinander mit sieben Unbekannten je einen Drink nehmen, mit dem Ziel, einen passenden Partner zu finden. Wenn Sally nicht auf sie angewiesen gewesen wäre, hätte sie die Fragebögen sofort wieder zerrissen und weggeworfen.

Denn eigentlich hatte sie sich den Abend ganz anders vorgestellt. Sie hatte direkt nach Hause gehen wollen, um ein heißes Bad zu nehmen und sich bei den Klängen einer CD mit den schönsten Songs ihrer Lieblingssängerin zu entspannen. So etwas brauchte sie dringend, weil ein anstrengender Tag hinter ihr lag. Die Smithsons, denen etwa das halbe Gelände der exklusiven Double-Bay-Bucht gehörte, hatten sie beauftragt, ihr Gewächshaus neu zu gestalten. Leider hatte während der zweistündigen Besprechung der Einzelheiten die Enkelin des Ehepaars, angeblich ein Wunderkind, nebenan Violine geübt.

Sallys Anruf auf dem Handy, der Kara von der Katzenmusik erlöst hatte, war gerade im rechten Moment gekommen. Doch die Erleichterung war nur von kurzer Dauer gewesen: Vor die Wahl gestellt, den Abend beim Speed-Dating oder in Hörweite jener kindlichen Violinklänge zu verbringen, hätte Kara die Violine bevorzugt.

„Dann sehe ich dich also heute Abend?“

Kara seufzte. „Ja, vermutlich.“

Sally lachte. „Du siehst genauso aus wie früher, wenn ich mit dir zum Zahnarzt musste.“

„So fühle ich mich auch. In diesem Moment würde ich mir sogar lieber einen Zahn ziehen lassen, als zum Speed-Dating zu gehen.“

Sally tätschelte ihr die Wange und sah sie liebevoll an. „Geh erst mal nach Hause, und ruh dich ein bisschen aus, Kara. Entspann dich, und mach dir vor allem keine Sorgen. Du wirst schon sehen, so ein Abend ist im Nu vorbei.“

„Hm.“ Insgeheim probte Kara bereits Small Talk mit einer Reihe unbekannter Männer.

Dann verließ sie Sallys Büro und zog die Zwischentür hinter sich zu. Aufatmend blickte sie sich in dem ansprechenden Vorraum mit der Rezeption um. Gar nicht so schlecht für eine Anfängerin, dachte sie. Die Gestaltung dieses Raumes war eins ihrer ersten Projekte gewesen. Sie liebte ihre Arbeit und die künstlerische Freiheit, die sie ihr bot. Die Möglichkeit, mit Farben, Formen und Dimensionen zu experimentieren, machte ihr große Freude, und sie war sicher, für jeden Bedarf eine passende Umgebung kreieren zu können.

Leider sahen ihre potenziellen Kunden dies anders. Nachdem Kara in den ersten Monaten nach der Geschäftseröffnung sehr viel zu tun gehabt hatte, waren die Aufträge inzwischen fast auf null zurückgegangen. Nicht nur Sal litt an Geldmangel, ihr ging es ebenso: Sie brauchte eine Finanzspritze, und das am besten sofort.

Kara drückte die Klinke der Außentür herunter, als jemand die Tür von außen so schwungvoll aufstieß, dass sie dahinter beinahe an die Wand gedrückt wurde.

„Oh, entschuldigen Sie. Ist alles in Ordnung?“

Nein, überhaupt nicht. Entgeistert blickte Kara den Mann an, den sie als Allerletzten hier erwartet hätte. Matthew Byrne! Was, in aller Welt, wollte ein Mann wie er in einer Partner-Vermittlungsagentur?

„Kara! Welch eine Überraschung!“ Er nahm sie in den Arm.

Trotz ihrer etwas über einen Meter siebzig kam sich Kara neben Matt klein vor, zumal er breitschultrig und durchtrainiert war. Längst vergessen geglaubte Gefühle erwachten: Sehnsucht und Begehren nach diesem Mann und ein Gefühl der Unzulänglichkeit, weil sie nicht die Frau war, die er wollte. Anscheinend hatte sich an ihren Gefühlen für ihn nichts geändert. Immer noch empfand sie sich in seiner Nähe als dumm, unfähig und wertlos. Aber das brauchte er nicht zu merken.

„Hallo, Matt. Wie schön, dich zu sehen.“ Sie brachte die Worte kaum über die Lippen. Hastig löste sie sich aus seiner Umarmung. Ihr war schwindelig, und ihr Herz pochte heftig.

Das liegt sicher daran, dass er mich so fest umarmt hat.

„Nun sieh mal einer an: Die kleine Kara ist inzwischen erwachsen geworden!“ Matt taxierte sie anerkennend von Kopf bis Fuß. Als er den Blick einen Moment zu lange auf ihren Brüsten ruhen ließ, bekam sie am ganzen Körper eine Gänsehaut.

Irritiert verschränkte Kara die Arme und gab sich gelassen und unbefangen. Doch Matt ließ sich nicht so leicht täuschen. Er grinste zufrieden. Dieses Grinsen hatte sie jahrelang in ihren Träumen verfolgt. Also hatte er ihre Reaktion bemerkt und richtig gedeutet. Sicher genoss er es, eine solche Macht über sie auszuüben.

Resolut hob sie das Kinn und funkelte ihn an. „Ja, das ist nun mal so mit kleinen Mädchen.“

Ob er sich an seine Worte von damals erinnerte, die er am Abend ihres achtzehnten Geburtstags zu ihr gesagt hatte? Jene Worte, mit denen er ihr das Herz gebrochen hatte?

Er warf ihr einen verständnisvollen Blick zu, ehe er wieder eine unverbindlich höfliche Miene aufsetzte. „Tja, ein kleines Mädchen bist du allerdings wirklich nicht mehr, Kara. Du siehst großartig aus. Wie schade, dass wir den Kontakt verloren haben.“

Fasziniert blickte sie ihn an. Sie hätte ihm stundenlang in die Augen sehen mögen. Sie leuchteten intensiv in einer ungewöhnlichen Farbmischung, die sie sonst noch nirgendwo gesehen hatte: in dunklem Lila und Saphirblau mit einem Hauch von Smaragdgrün.

Kara spürte, wie ihr warm wurde und sie tief errötete. Sie konnte sich nur allzu gut vorstellen, was es bedeutet hätte, mit Matt in Kontakt zu bleiben. In ihrer Vorstellung streichelte er sie und berührte jeden Zentimeter ihres Körpers, und seine Lippen liebkosten ihre intimsten Stellen.

Als spürte er, woran sie dachte, streckte Matt den Arm aus und berührte ihre Wange. „Du siehst hinreißend aus, wenn du errötest, Kara. Genau wie damals. In der Beziehung bist du also noch ganz die Alte.“

Seine tiefe, heisere Stimme zog sie unwiderstehlich an. Am liebsten wäre sie auf ihn zugegangen, hätte sich an ihn geschmiegt und sich dem Trost hingegeben, den nur er ihr spenden konnte.

Stattdessen erinnerte sie sich an ihre letzte Begegnung. An ihren leidenschaftlichen Kuss und daran, wie Matt sie gleich darauf zurückgestoßen hatte. Diese grobe und gefühllose Zurückweisung war für Kara damals ganz unvermutet gekommen und hatte sie sehr verletzt. Sie hatte sich unendlich gedemütigt gefühlt. So sehr, dass sie bis zu diesem Tag nicht darüber hinweggekommen war. Deshalb hatte sie seither nicht mehr mit ihm gesprochen und jeglichen Kontakt zu ihm vermieden.

Und nun stand Matt plötzlich vor ihr und sah aus wie Supermann persönlich: breite Schultern, kräftige Muskeln, ein markantes, wie aus Stein gemeißeltes Gesicht. Ihm fehlte nur das Cape über dem teuren Designeranzug.

Kara musste lachen. Die Vorstellung war zu komisch.

„Was ist denn so witzig?“ Matts Lächeln entglitt.

„Ach, nichts. Entschuldige bitte. Ich musste nur an früher denken.“ Kara wischte sich vorsichtig die Lachtränen ab. Hoffentlich war ihr Mascara nicht verwischt!

„Ich fand unsere gemeinsamen Erinnerungen gar nicht so lustig.“ Er schob die warmen Hände unter die Ärmel ihres T-Shirts und streichelte ihre Arme.

Die Wirkung dieser intimen Geste erschreckte Kara. Sie stand sofort in Flammen. Hastig trat sie einen Schritt zurück. Womöglich hätte sie ihn sonst nur hilflos angesehen und seinen Kuss erwidert. Denn er machte ganz den Eindruck, als wollte er sie gleich küssen. Dabei konnte sie sich gar nicht vorstellen, warum. „Das ist Schnee von gestern, Matt. Wie ich höre, hast du es bis ganz nach oben geschafft. Dein Leben als Anwalt eines Weltkonzerns und als bekannter Playboy ist sicher viel reizvoller als die alten Erinnerungen.“

Er runzelte die Stirn. „Du solltest nicht alles glauben, was die Presse über mich schreibt. Die Medien übertreiben oft, nur um ihre Auflagen zu erhöhen.“

„Es würde mich nicht wundern, wenn du inzwischen längst Aktionär der großen Boulevardblätter wärst. Denn allein das, was sie über dich schreiben, sorgt für Auflagen in Millionenhöhe.“

Matt war jede Woche Thema der Klatschspalten. Natürlich mit Foto. Da er praktisch jedes Mal mit einer neuen platinblonden Schönheit am Arm erschien, lieferte er den Boulevardblättern eine Story nach der anderen. Kara war diesem Schicksal damals nur um Haaresbreite entgangen. Warum also zerknüllte sie regelmäßig die Zeitung und warf sie in den Papierkorb, kaum hatte sie wieder einmal ein Foto von Matt mit seiner neuesten Flamme entdeckt?

„Apropos Klatschspalten – was willst du eigentlich hier, Matt? Du bist der Letzte, den ich auf der Schwelle einer Partner-Vermittlungsagentur erwartet hätte. Hat dich dein Charme im Stich gelassen?“

Er lachte gezwungen. „Nein. Mit dem Charme habe ich keine Probleme. Das merkst du doch.“

Sie konnte es kaum bestreiten. Nicht, solange er vor ihr stand und allein seine Anwesenheit Erinnerungen in ihr weckte, die sie jahrelang erfolgreich verdrängt hatte. „Dann also heraus mit der Sprache, Matt: Warum bist du hier?“

„Aus geschäftlichen Gründen.“

Kara erschrak. Sally musste wirklich tief in der Patsche sitzen, wenn die Anwälte sie bereits im Büro aufsuchten! „Sei nicht zu hart mit ihr, okay?“ Sie wünschte einmal mehr, sie könnte etwas tun, um Sally zu helfen.

Ein rätselhafter Ausdruck huschte über Matts Gesicht, das eine faszinierende Mischung aus weichen und harten Konturen und aus geraden und gebogenen Linien war. Schatten auf seinen Wangen zeigten, dass sein Bart seit dem Morgen bereits nachgewachsen war. Kara hätte alles dafür gegeben, diese Bartstoppeln auf ihrer Haut zu spüren. Am liebsten überall an ihrem Körper.

„Kara? Was hast du denn? Ist dir heiß? Alles okay?“

Schlagartig kam sie wieder zurück in die Realität. Es wurde höchste Zeit, sich zu verabschieden. Matt übte noch dieselbe hypnotische Macht über sie aus wie früher. In seiner Nähe hatte sie schon immer dazu tendiert, sich in Fantasien zu verlieren. Offenbar hatte sich daran nichts geändert. Demnach hatte sie in den vergangenen neun Jahren ihre Gefühle für Matt weder verarbeitet noch überwunden. Ihre Erfahrungen mit anderen Männern hatten den Eindruck dieses Mannes nicht überlagert, geschweige denn aus ihrem Gedächtnis gelöscht. Anscheinend hatte sich ihr Matts Bild für alle Zeiten eingeprägt.

Kara fand diese Erkenntnis ziemlich beängstigend.

Da sie nur die Wahl hatte, sich der Situation zu stellen oder ihr auszuweichen, entschied sie sich für Letzteres. „Ja, mir geht’s gut. Es war nett, dich wieder zu sehen. Viel Glück mit dem Anliegen, das dich hergeführt hat!“ Sie sah ihn noch einmal aufmerksam an, um sich jede Einzelheit seiner Gesichtszüge einzuprägen.

Alte Gewohnheiten gibt man nicht so schnell auf.

„Vielen Dank. Ich freue mich auch, dass wir uns getroffen haben. Vielleicht können wir uns mal zum Drink verabreden und uns darüber austauschen, wie es uns in der Zwischenzeit ergangen ist.“

Kara ignorierte das heftige Pochen ihres Herzens. „Nein, besser nicht. Trotzdem vielen Dank. Tschüss!“ Mit diesen Worten eilte sie nach draußen.

Dreh dich nicht um! Dann denkt er nur, du seist ihm immer noch verfallen.

Doch auf ihre Vernunft zu hören war noch nie ihre Stärke gewesen. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter. Matt stand am Fenster und sah ihr nach. Über seinem Kopf prangte die Aufschrift Matchmaker in großen roten Buchstaben auf der Fensterscheibe. Jeder Pressefotograf hätte mit diesem Bild für Schlagzeilen sorgen können. War der stadtbekannte Playboy Matt Byrne auf der Suche nach einer passenden Frau, mit der er sich häuslich niederlassen konnte? Niemals.

Matt blickte Kara nach und versuchte, die erotischen Bilder zu verdrängen, die ihm seine Fantasie vorgaukelte. Kara hatte sich wirklich herausgemacht. Sie war eine große, schlanke, wunderbar proportionierte Schönheit geworden.

Er kam täglich mit sehr schönen Frauen zusammen, denn in seinen Kreisen gab es mehr als genug von ihnen. Intelligente, reizvolle Frauen, die sich darum drängten, etwas Zeit mit ihm zu verbringen. Rechtsanwältinnen, Wirtschaftsprüferinnen, Börsenmaklerinnen. Der Vorrat schien unerschöpflich. Trotzdem hatte keine Frau sein besonderes Interesse geweckt, ehe er Kara getroffen hatte. Sie hatte ihn umgeworfen. Alles an ihr hatte ihn fasziniert: die grünen Katzenaugen, ihr rötlich blondes Haar und die üppigen Kurven bis hin zu den langen Beinen.

Mit sechzehn war sie ein hübsches junges Mädchen gewesen, das gerade begann aufzublühen. Er erinnerte sich immer noch an die endlosen Gespräche, die sie damals geführt hatten. Nächtelang hatten sie diskutiert, sich ihre Sorgen und Nöte anvertraut, und sie waren gute Freunde geworden.

Kurz vor Karas achtzehntem Geburtstag hatten Matts Hormone beinahe über Nacht angefangen, verrückt zu spielen. Jede wache Sekunde hatte er damit verbracht, an Kara zu denken, jede Nacht hatte er von ihr geträumt.

Sein Verlangen nach ihr war so überwältigend gewesen, dass er ganz erschrocken gewesen war. Da er für sie so etwas wie die Rolle des älteren Bruders übernommen hatte, hätte ihm das nicht passieren dürfen. Obwohl es Jahre her war, erinnerte er sich immer noch so deutlich, als wäre es erst gestern gewesen, an jenen ungestümen, arglosen Kuss, mit dem Kara sich an ihrem achtzehnten Geburtstag bei ihm bedankt hatte. Trotz ihrer Unschuld war es ein leidenschaftlicher Kuss gewesen, und Matt hatte sich einen Moment lang vergessen, weil es ihm vorgekommen war, als wären seine Fantasien plötzlich wahr geworden. So hatte er ihren Kuss erwidert, bis ihm bewusst wurde, wen er da küsste. Dann hatte er übertrieben heftig reagiert, Kara grob von sich gestoßen und sie mit einer Flut eiskalter, harter Worte überschüttet.

Denn er hatte nicht denselben Fehler begehen wollen wie sein Vater. Sein Dad hatte genügend Unheil gestiftet, und Matt hätte ihn manchmal dafür umbringen mögen. Also hatte er getan, was ihm das einzig Anständige zu sein schien: Er war Kara aus dem Weg gegangen. Bis zu diesem Tag. Er fand sie immer noch so faszinierend wie vor Jahren. Sie war wirklich umwerfend sexy und bildschön. Einen Moment lang hatte er sogar den Eindruck gewonnen, dass sie sein Interesse erwiderte, doch gleich darauf hatte sie sich plötzlich verschlossen.

Vielleicht erinnert sie sich daran, wie grob du sie damals behandelt hast, und mochte deshalb die Einladung zum Drink nicht annehmen.

Hm, vielleicht. Was mochte sie in einer Partner-Vermittlungsagentur gewollt haben? Eine Frau, die aussah wie Kara, war sicher nie lange allein. Er hätte schon nach dieser einen kurzen Begegnung viel darum gegeben, einige Zeit mit ihr verbringen zu dürfen!

Irgendwann verdrängte Matt seine Grübeleien und drückte auf den Klingelknopf für Besucher an der Rezeption.

„Moment, ich komme gleich!“, rief jemand aus dem angrenzenden Büro.

Matt blickte sich aufmerksam um. Als Anwalt war es ihm zur zweiten Natur geworden, Einzelheiten zu registrieren. Der Empfangsbereich war ganz in Schwarz, Weiß und Chrom gehalten. Nur hier und da lockerte ein Tupfer Rot die strenge Gestaltung auf. Weder rote Herzen noch Blümchen oder anderer Kitsch zierte die Wände, nur schlichte Drucke eines Künstlers, den er nicht kannte. Nicht dass Matt Byrne sich mit Partner-Vermittlungsagenturen auskannte. Weit gefehlt! Dies war sein erster und, wie er hoffte, letzter Besuch in einer solchen Agentur.

„Entschuldigen Sie, dass ich Sie habe warten lassen.“

Die Stimme kam ihm bekannt vor. Er wandte sich um. „Sally? Heute scheint ein Tag der merkwürdigen Zufälle zu sein. Erst treffe ich Kara, und jetzt dich!“

Sally umarmte ihn herzlich. „Ich freue mich, dich wieder zu sehen, Matt. Du siehst so gut aus wie immer.“ Sie entfernte einen imaginären Fussel von seinem Jackett, und Matt erinnerte sich unvermittelt an den Abend seines ersten Balls. Sally hatte auf der Schwelle seines Elternhauses gestanden und ihm nachgewunken wie eine Mutter. Tatsächlich hatte sie ihm damals näher gestanden als sein Vater.

„Du siehst aber auch sehr gut aus, Sally!“

„Nun übertreib mal nicht, Matt.“ Sie klopfte ihm auf den Arm. „Erzähl, was dich zu mir führt. Ich hätte nicht gedacht, dass du Unterstützung von einer Agentur wie Matchmaker brauchst.“

„Dies ist deine Agentur?“ Jetzt ging ihm ein Licht auf: Wenn Sally hier arbeitete, hatte Kara sie besucht. Sie war also nicht als Kundin gekommen! Der Gedanke erleichterte ihn sehr.

Sally nickte. „Ja, mein Lieber. Als Kara vor etlichen Jahren auszog, um sich selbstständig zu machen, habe ich diese Agentur eröffnet. Ich hatte schon lange mit dem Gedanken geliebäugelt, auf diese Weise einsame Menschen glücklich zu machen. Irgendwann habe ich dann den Schritt gewagt.“

Autor

Nicola Marsh
Als Mädchen hat Nicola Marsh davon geträumt Journalistin zu werden und um die Welt zu reisen, immer auf der Suche nach der nächsten großen Story. Stattdessen hat sie sich für eine Karriere in der Gesundheitsindustrie entschieden und arbeitete dreizehn Jahre als Physiotherapeutin

Doch der Wunsch zu schreiben ließ sie nicht los...
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