Schwarzes Gold und rote Locken

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Cade Landon, Spezialist im Ölgeschäft, hatte sich unter der Chefin von Gordon Oil eine verbitterte Frau vorgestellt - immerhin muss er ihre Firma sanieren. Doch Angelica ist mit ihren langen Locken hinreißend schön. Und trotz ihres Widerstandes zieht sie ihn magisch an…


  • Erscheinungstag 13.09.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733753214
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

PROLOG

Es war Cade Landons achtundzwanzigster Geburtstag. Gestern war das schwarze Gold in einer hohen Fontäne aus der Erde geschossen, die es seit Jahrmillionen gehütet hatte. In seiner Großzügigkeit hatte der Sultan Cades ohnehin horrendes Honorar noch einmal verdoppelt. Und ihm ein Geschenk versprochen.

Ihm war die Ehre zuteilgeworden, eine Suite auf derselben Etage zu beziehen, auf der auch der Sultan seine Privatgemächer hatte. Bei dem Geschenk würde es sich um eine Tänzerin handeln.

Doch Cade hatte noch nie eine Frau genommen, die für ihre Gunst bezahlt wurde, das hatte er nicht nötig. Frauen kamen freiwillig zu ihm.

Vielleicht lag das an der gefährlichen Ausstrahlung, die von ihm auszugehen schien. Breite Schultern, ein durchtrainierter Körper, dunkelblaue Augen, die fast schwarz vor Leidenschaft oder Wut werden konnten, und eine etwas schiefe Nase, die bei einem Streit auf den Ölfeldern gebrochen war – all das trug dazu bei, dass Männer Cade voller Respekt betrachteten und Frauen ihm sehnsüchtige Blicke zuwarfen.

Was Frauen betraf, so hatte er seine eigenen Regeln. Ihm fehlte die Zeit für gefühlsmäßige Bindungen, sein Leben war viel zu ausgefüllt für derartigen Unsinn.

Zum Teufel, dachte er. Egal, wie der Abend auch endete, an diesen Geburtstag würde er sich noch lange erinnern.

Unwillkürlich wanderten seine Gedanken zu einer anderen Geburtstagsfeier, die sieben lange Jahre zurücklag.

Cade war einundzwanzig geworden, und sein Vater hatte darauf bestanden, auf ihrer Ranch in Colorado eine Party zu geben.

„Es wird das größte Fest, das die Leute je gesehen haben, Junge“, hatte er gesagt.

Und es wurde genauso, wie Denver es von Charles Landon erwartete – vier- bis fünfhundert der engsten Freunde, ein komplettes Orchester, ein Zauberkünstler und genug Hummer, Austern und Kaviar, um alle zu verköstigen.

Um Mitternacht hatte Charles die Gäste zu den Fenstern an der Vorderfront gescheucht. Ein leises Raunen ging durch die Menge, als ein einzelner Scheinwerferkegel sich auf eine kirschrote Corvette auf dem Vorplatz richtete. Der Wagen war mit einer gewaltigen silbernen Schleife geschmückt.

„Der Schlitten gehört dir“, sagte Charles schroff. „Gefällt er dir?“

„Ob er mir gefällt? Ich …“ Cade war sprachlos.

Seit er mit sechzehn seinen Führerschein gemacht hatte, träumte er von einem solchen Auto. Dass ausgerechnet sein Vater ihm diesen Wunsch erfüllt hatte, wunderte ihn. Obwohl Charles extravagante Gesten liebte, hatte er seinem jüngsten Sohn nie das geschenkt, was dieser sich gewünscht hatte.

Die Party, zum Beispiel. Cade hatte sie nicht gewollt. Er hatte eigentlich den Abend ganz ruhig mit dem Mädchen verbringen wollen, in das er sich im Sommer verliebt hatte. Insgeheim hatte er gehofft, dass Stacey noch vor Morgengrauen einwilligen würde, seine Frau zu werden und gemeinsam mit ihm ein Leben aufzubauen, das nicht vom Geld und der Macht der Landons abhängig war.

Stattdessen stand er nun inmitten von Fremden, die nichts anderes im Sinn hatten, als dem wohlhabendsten und einflussreichsten Unternehmer westlich des Mississippi zu schmeicheln, und, was am schlimmsten war, Stacey hatte sich noch nicht blicken lassen. Sie hatte versprochen, auf der Party zu erscheinen, obwohl Cade wusste, dass seinem Vater ihre Anwesenheit nicht behagen würde. Landon Senior hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er die Verbindung seines jüngsten Sohnes mit einem Mädchen, das für Landon Enterprises arbeitete, absolut nicht billigte.

„Also?“, fragte Charles. „Ist die Corvette das, was du dir gewünscht hast?“

Cade drehte sich gerührt zu dem älteren Mann um. Das Auto sollte zweifellos etwas symbolisieren. Sein Vater betrachtete ihn endlich als einen Erwachsenen. Vielleicht, aber nur vielleicht, war dies ein neuer Anfang.

„Ja.“ Cade nickte. „Danke, Vater, vielen Dank. Ich hätte nie erwartet …“

„Mach das Beste daraus, Junge.“

Cade lächelte. „Das werde ich.“

„Dir bleibt nur dieses Semester, um dein neues Spielzeug auszuprobieren.“ Sein Vater schmunzelte, als hätte er gerade einen fabelhaften Witz erzählt. „Du wirst es nach deinem Examen bestimmt nicht nach New York mitnehmen wollen. Die Corvette ist kein Wagen für die Stadt.“

„New York? Wie kommst du denn darauf?“

„Wir eröffnen dort eine Niederlassung. Du wirst mit Switzer zusammenarbeiten und lernen, wie man den Laden leitet, sobald du die Prüfungen hinter dir hast.“

Cade runzelte die Stirn. „Ich studiere doch nicht Geologie, um später hinter einem Schreibtisch zu sitzen, das weißt du doch. Du hast eingewilligt …“

„Ich habe meine Meinung geändert.“

„Dazu ist es zu spät“, erwiderte Cade scharf. „Meine Pläne stehen fest. Ich werde Stacey …“

„Stacey?“, unterbrach ihn sein Vater lachend. „Stacey ist auf dem Weg nach San Francisco.“

Eine eiskalte Faust schien nach Cades Herzen zu greifen. „Wovon redest du?“

„Ich habe deine kleine Freundin ein bisschen protegiert, indem ich ihr die Teilnahme an unserem Managementprogramm an der Westküste ermöglicht habe.“

„Nein!“ Cade ballte die Hände zu Fäusten und trat einen Schritt auf seinen Vater zu. „Stacey liebt mich. Sie würde niemals …“

„Hör auf, dich wie ein Idiot zu benehmen, Junge. Das Mädchen ergreift jede Gelegenheit, die sich ihr bietet.“ Charles warf die Wagenschlüssel in Cades Richtung. „Es wird langsam Zeit, dass du vernünftig wirst.“

Es gab einen Riesentumult. Cade konnte sich später nur daran erinnern, dass irgendjemand – vielleicht Zach oder Grant – seine Arme packte und ihn zurückhielt, ehe er sich noch mehr zum Narren machte.

Bevor der Morgen anbrach, schrieb Cade ein paar Zeilen an Kyra, Grant und Zach. Dann schlich er sich aus dem Haus. Die rote Corvette ließ er ebenso zurück wie seinen Vater. Ein mitleidiger Trucker sammelte Cade am Highway auf und nahm ihn bis Albuquerque mit. Von dort aus trampte er ostwärts bis Oklahoma, wo er Arbeit auf den Ölfeldern fand.

Mit einem wehmütigen Lächeln schenkte Cade sich neuen Champagner ein. Es war ein langer, harter Weg seit jener Nacht gewesen, doch er hatte es geschafft. Er war erst nach Hause zurückgekehrt, nachdem er mit seinen Bohrungen in Texas Erfolg gehabt hatte. Charles hatte ihn so unbeteiligt begrüßt, als wäre er nie fort gewesen. Was den Zwischenfall an Cades einundzwanzigstem Geburtstag betraf, so verlor keiner der beiden je ein Wort darüber.

Cade verzog die Lippen. In gewisser Hinsicht hatte sein Vater ihm einen Gefallen erwiesen. Er hatte ihn davor bewahrt, noch einmal Liebe mit Lust zu verwechseln und sich an eine Frau zu binden.

Ein Klopfen an der Tür durchbrach brach in sein Grübeln ein. Cade unterdrückte einen Fluch und trat hastig einen Schritt zurück.

„Ja?“, rief er.

Die Tür wurde geöffnet, und der Sultan von Dumai kam herein.

„Eure Hoheit.“ Cade berührte mit seinen Fingern Lippen und Brust, während er versuchte, die Erregung zu verdrängen, die ihn erfasst hatte. „Ich fühle mich durch Ihre Anwesenheit geehrt, Sir.“

„Cade, mein Freund.“ Das Gesicht des Sultans war von Mitleid gezeichnet. „Ich fürchte, ich überbringe Ihnen schlechte Neuigkeiten.“

„Die Quelle“, begann Cade besorgt. „Ist sie …“

„Das Bohrloch ist in Ordnung. Das Öl sprudelt, wie Sie es versprochen haben. Aber es ist ein Fax für Sie aus Amerika eingetroffen.“ Der Sultan legte tröstend eine Hand auf Cades Schulter. „Ihr Vater ist zu seinen Ahnen berufen worden.“

„Mein Vater? Tot?“

„Es tut mir so leid, Ihnen dies mitteilen zu müssen, mein Freund.“

Charles Landon war tot? Der alte Mann war zwar seit ein paar Monaten krank gewesen, doch Grant hatte versichert …

„Gibt es irgendetwas, das ich für Sie tun kann?“

Cade räusperte sich. „Ich … Nun ja … Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir einen Platz in der nächsten Maschine buchen lassen könnten.“

„Das ist kein Problem. Mein Privatjet wird Sie heimbringen. Kann ich Ihnen sonst irgendwie helfen? Müssen Sie besondere Vorbereitungen treffen?“

„Nein, danke, Sir. Meine Brüder werden sich um alles kümmern. Ich kann einfach nicht fassen, dass …“

Der Sultan nickte. „Es ist Schicksal“, sagte er sanft. „Inshallah. Wir Menschen sind dem Willen Gottes unterworfen.“ Der Sultan wandte sich ab und verließ leise das Zimmer.

Cade trat ans Fenster und blickte hinaus in die Wüstennacht, ohne etwas wahrzunehmen. Inshallah, dachte er mit einem bitteren Lächeln.

Tausende von Meilen entfernt sah Angelica Gordon aus ihrem Fenster in die texanische Nacht hinaus.

Waren dies dieselben Sterne, die sie zu Hause in New England betrachtet hatte? Angelica lächelte. Natürlich. Hier wirkten sie nur viel heller und strahlender.

Ihr Vater hätte dieses Phänomen damit erklärt, dass in Texas alles viel größer und besser war als sonst auf der Welt.

Sogar die Schulden, dachte sie, und ihr Lächeln verschwand. Die Verbindlichkeiten von Gordon Oil wuchsen so schnell, dass ihr der Kopf schwirrte. Als sie die Firma übernommen hatte, war sie überzeugt gewesen, das Unheil abwenden zu können, doch wie es schien, hatte sie sie stattdessen an den Rand des Abgrunds geführt.

Früher oder später würde jemand bei Landon Enterprises bemerken, was sich hier abspielte, und dann …

Seufzend kehrte Angelica zu dem altmodischen Schaukelstuhl zurück und setzte sich. Ihr kupferrotes Haar fiel in wilden Locken über ihre Schultern.

Wenn wenigstens die Männer, die für sie arbeiteten, ihr eine Chance geben würden. Wenn sie nur endlich aufhören würden, sie so zu behandeln, als wäre sie ein Eindringling in einem exklusiven Macho-Club … Aber eher würde der Mond vom Himmel fallen als dieses Wunder geschehen.

Dies war eine Welt, in der Männer ihre Muskeln und nicht den Verstand spielen ließen. Hier glaubten die Männer, Frauen gehörten in die Küche und ins Schlafzimmer, aber niemals in einen Aufsichtsrat.

Selbst ihr Vater hatte genauso gedacht. Gewiss, Hank Gordon hatte Angelica während der Schulferien in seinem Büro arbeiten lassen, doch wann immer sie vorgeschlagen hatte, er möge sie nach dem Examen als Vollzeitkraft übernehmen, hatte er schmunzelnd ihren Arm getätschelt, als habe sie einen fabelhaften Witz gemacht. Irgendwann hatte sie begriffen, dass er ihr niemals eine Stellung bei Gordon Oil geben würde, egal, wie viele Kurse sie in Wirtschaftswissenschaften belegte. Also hatte sie sich schweren Herzens für eine akademische Laufbahn entschieden.

Und trotzdem führte sie nun aufgrund einer Fügung des Schicksals Gordon Oil – und wie es aussah, direkt in den Ruin.

Angelica stand auf und zog den smaragdgrünen Morgenrock, der exakt die Farbe ihrer Augen hatte, enger um sich. Nein, sagte sie sich energisch, ich bin nicht schuld an der Misere von Gordon Oil!

Die Probleme hatten begonnen, lange bevor sie die Firma übernommen hatte. Und sie konnte eine Wende erreichen. Die Fakten sprachen für sie: Sie besaß Entschlossenheit, ein fundiertes Wissen und Pläne, die sie über die Jahre hinweg ausgearbeitet hatte – Pläne, die ihr Vater keines Blickes gewürdigt hatte.

Sie brauchte lediglich ein bisschen Unterstützung vom Schicksal, demselben Schicksal, das sie in diese Lage versetzt hatte.

1. KAPITEL

Die Morgensonne fiel durch die hohen Bogenfenster des Landon-Hauses und verlieh dem Parkett einen goldenen Schimmer.

Cade unterdrückte ein Gähnen, als er das leere Esszimmer betrat. Er ging zu der Anrichte hinüber, wo bereits die große silberne Kaffeekanne stand.

Manche Dinge änderten sich nie. Auf dem Sideboard wartete stets frischer Kaffee, und Landon Mansion war nach wie vor das größte und stattlichste Gebäude an den grasbewachsenen Ufern des Emerald Lake.

„Morgen, Mr. Cade.“

Er drehte sich zu Stella um, die für die Küche verantwortlich war, solange er sich erinnern konnte. Sie schob einen schwer beladenen Servierwagen durch die Tür. Als Cade ihr zu Hilfe eilen wollte, scheuchte sie ihn lächelnd fort.

„Setzen Sie sich, und trinken Sie Ihren Kaffee, Mr. Cade.“ Mit schwungvollen Bewegungen stellte sie Platten mit Obst, Käse, Croissants, Waffeln, Rühreiern und Schinken auf die Anrichte. „Na, wie ist das?“ Zufrieden betrachtete sie die gewaltigen Portionen.

Cade schmunzelte. „Fabelhaft, Stella.“

Sie schaute ihn zweifelnd an. „Wirklich?“

„Was braucht man mehr, um den Tag zu beginnen, als eine Tasse von Ihrem wunderbaren Kaffee?“

Stella errötete geschmeichelt. „Ihre ironische Art wird Sie irgendwann einmal in ernste Schwierigkeiten bringen, Mr. Cade“, erwiderte sie und rauschte in die Küche zurück.

Cade setzte sich an den Tisch. Stella hielt sich noch immer an Charles Landons Anweisung, riesige Essensmengen zum Frühstück bereitzustellen, obwohl niemand mehr da war, um sie zu verzehren.

Cade seufzte. Landon Mansion war weniger ein Heim als vielmehr ein Zeichen der Macht – einer Macht, gegen die sich jeder von Charles Landons Söhnen in der einen oder anderen Weise aufgelehnt hatte. Andere hatten sich jedoch bis zum Ende diesem eisernen Willen gebeugt.

Nach der Beerdigung vor drei Tagen war das Haus von Trauergästen überfüllt gewesen. Bankiers, Richter, Industriekapitäne sowie ein halbes Dutzend Senatoren und Kongressabgeordnete waren erschienen, um dem Verstorbenen die letzte Ehre zu erweisen.

„Verdammt“, hatte Zach Cade am späten Nachmittag zugeflüstert, „ich komme mir vor wie im Zirkus.“

Ihr Vater hingegen hätte jede Minute genossen. Eine schier endlose Karawane aus Cadillacs, Lincolns und Mercedes war dem Sarg zu dem imposanten Marmormausoleum gefolgt, in dem bereits Ellen Landon lag, die bei der Geburt von Kyra gestorben war.

Weniger Verständnis hätte er allerdings für das gehabt, was sich gestern nach der Verlesung des Testaments abgespielt hatte.

Das Haus sowie der dazugehörige Landbesitz waren zusammen mit dem Löwenanteil von Charles’ persönlichem Vermögen an Kyra gefallen. Landon Enterprises, das weitverzweigte, millionenschwere Imperium, dem Charles seine gesamte Aufmerksamkeit und Energie gewidmet hatte, war an seine drei Söhne gegangen.

Aber keiner von ihnen hatte das Erbe annehmen wollen.

Sobald Cade mit seinen Brüdern allein war, hatte er seinem Herzen Luft gemacht. „Ihr könnt meinen Anteil haben“, hatte er rundheraus erklärt. „Ich will nichts mit den Geschäften des alten Mannes zu tun haben.“

Grant hatte ihnen allen einen Drink eingeschenkt. „Vorlaut wie immer, nicht wahr, kleiner Bruder? Du hast mir die Worte aus dem Mund genommen. Ich verzichte ebenfalls.“

Zach hatte nickend ein Glas Bourbon entgegengenommen. „Demnach ist das Urteil einstimmig.“

Innerhalb weniger Minuten hatten sie sich darauf geeinigt, dass Zach, der Finanzexperte der Familie, den Wert von Landon Enterprises feststellen sollte. Grant als Jurist würde die für den Verkauf erforderlichen Papiere aufsetzen.

Cade hatte spöttisch gelächelt, als seine Brüder ihn erwartungsvoll angeblickt hatten. „Ich werde eine Ölquelle suchen, in die wir die Gewinne investieren können“, hatte er ihnen versprochen.

Das allgemeine Gelächter hatte ihnen geholfen, die Anspannung abzubauen, die mit dem Eingeständnis der schmerzlichen Wahrheit verbunden war.

Sie alle hatten ihren Vater – zu unterschiedlichen Zeiten – respektiert, gefürchtet und manchmal sogar gehasst. Aber keiner von ihnen hatte ihn geliebt.

Nachdem das Lachen verklungen war, hatte Cade seinen Brüdern versichert, dass es genügend Orte auf der Welt gab, wo sie ihr Geld darauf verwenden könnten, dringend benötigte Krankenhäuser und Schulen zu errichten.

Es ist also vorbei, dachte Cade und trat ans Sideboard. Es galt nur noch, die Einzelheiten zu regeln. Victor Bayliss, der Verwaltungschef ihres Vaters, hatte um ein Treffen gebeten, bei dem die letzten Details geklärt werden sollten.

Es war Cades Idee gewesen, dass Grant sich mit diesem Problem befasste. „Es ist schließlich nur logisch, dass ein Anwalt mit einem anderen Anwalt verhandelt“, hatte er mit einem unschuldigen Lächeln behauptet.

„Mein eigen Fleisch und Blut wirft mich also den Wölfen vor“, hatte Grant grinsend erwidert.

Cade warf einen Blick auf die alte Standuhr in der Ecke. Grant würde bald zurück sein, und dann konnten sie endlich abreisen – Grant nach New York, Zach nach Boston und Cade nach London.

Die Tatsache, dass Kyra hier blieb, hatte etwas Tröstliches an sich. Auf diese Weise wurde wenigstens die Familie zusammengehalten.

„Warum so trübsinnig, kleiner Bruder? Ich dachte, du magst Stellas Kaffee.“ Kyra hatte unbemerkt das Zimmer betreten. Sie trug ähnlich wie Cade verblichene Jeans, ein Wollhemd und bequeme Lederstiefel.

„Hör auf mit dem Kleinen-Bruder-Kram, Quälgeist. Ich bin sechs Jahre älter als du, falls du das vergessen haben solltest.“ Er küsste sie liebevoll auf die Wange.

Kyra musterte ihn von Kopf bis Fuß. „Du siehst aus wie einer unserer Cowboys.“

Er zuckte mit den Schultern. „Ich ziehe mich immer so an. Das ist meine Arbeitskleidung. Die Leute werden nervös, wenn der für die Bohrungen verantwortliche Mann in einem Anzug um sie herumscharwenzelt.“

„Willst du etwa in dieser Aufmachung nach London fliegen?“

„Ach, komm schon, Schwesterherz, was ist los?“

„Entschuldige. Ich habe nur in den letzten Tagen meine drei großen Brüder beobachtet und bin zu dem Schluss gelangt, dass es allmählich Zeit für euch wird, sich häuslich niederzulassen.“

„Erzähl mir nicht, dass du uns unter die Haube bringen willst“, neckte Cade.

„Vielleicht brauchst du wirklich eine Frau, die sich um dich kümmert“, meinte sie vorsichtig.

„Glaub mir, Quälgeist, ich habe alle Frauen, die ich mir nur wünschen kann.“

„Darauf könnte ich wetten.“ Kyra wandte sich zur Anrichte um. Nach einem kurzen Blick auf die wohlgefüllten Platten, schenkte sie sich eine Tasse Kaffee ein. „Ich schätze, jemand sollte Stella sagen, dass sie nicht mehr solch enorme Mengen kochen muss.“

„Das ist dein Job“, erwiderte Cade. „Du bist von nun an für Landon Mansion verantwortlich.“

Ein sonderbarer Ausdruck huschte über Kyras Gesicht. „Ich kann noch immer nicht fassen, dass Dad mir das Haus hinterlassen hat.“

„Wem hätte er es sonst vermachen sollen?“, fragte Zach, als er das Zimmer betrat. „Du bist die Einzige, die an diesem Steinhaufen hängt.“ Er nickte Cade zu und küsste Kyra auf die Stirn. Dann schob er den Ärmel seines Tweedjacketts hoch und warf einen Blick auf die Uhr. „Ich werde mit der Elfuhrmaschine nach Boston fliegen. Ist Grant noch nicht zurück?“

Cade stellte seine leere Tasse ab und erhob sich. Mit großen Schritten durchquerte er den Raum und lehnte sich, die Hände in die Hosentaschen gesteckt, an das Sideboard. „Bist du nicht völlig falsch gekleidet? Wie ich hörte, müssen Bankiers eine Erklärung unterschreiben, dass sie immer in Nadelstreifen herumlaufen.“

Zach grinste. „Mach dich ruhig über mich lustig. Allerdings solltest du stets daran denken, dass du in ein paar Tagen einem englischen Kollegen von mir um den Bart streichen musst, damit er sein Geld in dein jüngstes Hirngespinst steckt. Wo, sagtest du, liegt diesmal dein Luftschloss?“

„In der Nordsee“, antwortete Cade lächelnd. „Und es ist weder ein Hirngespinst noch ein Luftschloss, sondern mindestens genauso vielversprechend wie die Investitionen, für die du Reklame machst.“

„Ach ja?“

„Ja. Und ich wette, wenn deine hochnäsigen Klienten wüssten, dass ich dich noch immer beim Armdrücken besiegen kann, ohne in Schweiß auszubrechen …“

„Noch immer? Was meinst du damit? Du hast mich noch nie besiegt. Nicht ein einziges Mal.“

„Beweise es.“

„Mit Vergnügen. Ich muss nur meine Jacke ausziehen, und dann …“

„Verdammt, was ist hier los? Sind wir Kinder oder was?“

Cade, Zach und Kyra wandten sich um, als Grant das Esszimmer betrat. Er warf ihnen einen vernichtenden Blick zu, ehe er einen Ordner auf den Tisch legte.

„Ist alles in Ordnung, Grant?“, erkundigte Kyra sich.

Grant nickte und schenkte sich Kaffee ein. „Aber natürlich.“

Das stimmt nicht, dachte Cade. Grants markante Züge, die immer ein wenig streng wirkten, schienen heute wie aus Granit gemeißelt. Er wartete, bis sein Bruder einen Schluck getrunken hatte. „Worüber wollte Bayliss mit dir reden?“

„Über Ärger.“

„Was für Ärger?“

Grant nahm den Ordner vom Tisch, zog zwei Akten hervor und reichte jedem Bruder eine Mappe. Kyra wartete einen Moment, dann wandte sie sich zum Fenster um. Eine Zeit lang durchbrach nur das Rascheln von Papier die Stille im Raum.

Schließlich blickte Cade stirnrunzelnd auf. „Was soll das?“

„Das hast du doch gelesen. Vater hat eine kleine Ölfirma in Dallas erworben …“

„Du meinst, er hat ein Bankrottunternehmen gekauft.“ Cade deutete auf die Unterlagen in seiner Hand. „Und er hat tatenlos zugesehen, wie die Lage sich verschlimmerte. Das Unternehmen ist so gut wie pleite.“

Zach schüttelte verständnislos den Kopf. „Wovon redet ihr? Dieser Bericht hier hat überhaupt nichts mit Öl zu tun. Es geht hierbei um eine Produktionsfirma namens Triad in Hollywood, die am Rande des Ruins steht.“

„Ihr habt unterschiedliche Akten, die von Bayliss stammen, aber im Grunde auf das Gleiche hinauslaufen. Wie es scheint, hat Vater beide Gesellschaften übernommen, bevor er krank wurde, und die Sache dann vergessen.“

„Wenn Gordon Oil Pleite macht, kann das erhebliche Auswirkungen auf Landon Enterprises haben“, warf Cade ein.

„Das Gleiche gilt für Triad“, erklärte Zach. „Landon Enterprises kann von Glück sprechen, wenn es für einen Dollar zehn Cent zurückbekommt.“

Grants Miene Wurde noch düsterer. „Offenbar hat Landon beide Unternehmen erworben, um sie zu sanieren. Stattdessen haben wir lediglich dazu beigetragen, dass sich ihre Lage weiter verschlechtert.“

„Wieso ‚wir‘?“, fragte Cade.

„Hast du etwa vergessen, dass wir seit gestern Landon Enterprises repräsentieren? Und das wird auch so bleiben, bis wir einen Käufer gefunden haben.“

Cade seufzte. „Ja, und wenn diese beiden Babys untergehen, reißt das ein gewaltiges Loch in unsere Bilanz.“ Er sah Grant an. „Okay, sag Bayliss …“

„Bayliss ist heute Morgen mit sofortiger Wirkung von allen Ämtern zurückgetreten.“ Grant lächelte über die verblüfften Mienen seiner Brüder. „Er meint, er sei zu alt für einen weiteren Winter in Colorado. Anscheinend hat er sich irgendwo auf den Jungferninseln ein Haus gekauft und will den Rest seiner Tage am Strand mit einer Piña colada in der Hand verbringen.“

„Dann werde ich mit Goodwin sprechen. Er ist schließlich Bayliss’ Stellvertreter und kann …“

„Goodwin hat schon genug zu tun.“

Cade warf die Mappe auf den Tisch. „Fabelhaft. Und was machen wir jetzt?“

„Ach, zum Teufel!“ Die Männer drehten sich erstaunt um. Kyra hatte die Hände in die Hüften gestemmt und musterte sie wütend. „Was ist los mit euch? Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen?“

„Quälgeist“, begann Cade nachsichtig, „ich weiß, du meinst es gut, aber du hast nicht die leiseste Ahnung vom Geschäft und …“

„Selbst ein Zehnjähriger würde das begreifen.“ Sie blickte Zach an. „Du bist das Finanzgenie in unserer Familie. Warum fliegst du nicht an die Küste, nimmst die Bücher von Triad unter die Lupe und versuchst, der Firma zu helfen?“

„Ich? Mach dich nicht lächerlich. Ich werde in Boston erwartet und kann nicht einfach …“

„Und du …“ Sie wandte sich an Cade. „Du weißt doch angeblich alles über Öl. Hier ist eine kleine Gesellschaft, die in Schwierigkeiten steckt. Wäre es wirklich zu viel verlangt, wenn du in Dallas einmal nach dem Rechten siehst?“

„Ausgeschlossen! Ich habe geschäftlich in London zu tun und kann nicht …“

„Sie hat recht“, unterbrach Grant ihn schroff. „Ihr beide könntet die Angelegenheiten schneller als jeder andere regeln.“

Einen Moment lang herrschte Schweigen. Cade und Zach schauten einander an, dann hob Zach resigniert die Hände.

„Zwei Tage“, knurrte er, „und keine Sekunde länger.“

Cade nickte. „Das Gleiche gilt für mich. Zwei Tage und … Moment mal.“ Er wandte sich zu Grant uni. „Und was ist mit dir? Erzähl mir nicht, dass du der Einzige von uns bist, der nichts mit diesem Ärger zu schaffen hat.“

Autor

Sandra Marton
<p>Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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Sandra Marton
<p>Sandra Marton träumte schon immer davon, Autorin zu werden. Als junges Mädchen schrieb sie Gedichte, während ihres Literaturstudiums verfasste sie erste Kurzgeschichten. „Doch dann kam mir das Leben dazwischen“, erzählt sie. „Ich lernte diesen wundervollen Mann kennen. Wir heirateten, gründeten eine Familie und zogen aufs Land. Irgendwann begann ich, mich...
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