Sinnlich, süß und sexy

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Zum Anbeißen süß findet Margot ihren neuen Nachbarn Daniel. Nichts reizt sie mehr, als hinter seinem unauffälligen, immer korrekten Äußeren den sinnlichen Liebhaber hervorzulocken. Aber Achtung: Ist die Leidenschaft in Daniel erst entfesselt, gibt es kein Zurück mehr ...


  • Erscheinungstag 24.05.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733777777
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Der Salat fiel in sich zusammen. Na toll! Genau so hatte sie sich ihren ersten Tag als Foodstylistin für Whompies vorgestellt. Whompies mit dem doppelten Doppelburger mit den extra gewellten Fritten war natürlich nicht ihr neuer Arbeitgeber im eigentlichen Sinn. Sie arbeitete für Galloway und Donnelly, eine der ersten Werbeagenturen in Manhattan. Und sollte denen gefallen, was sie hier machte, würden sie ihr endlich einen festen Job geben, was, wie ihre Tante Sadie immer sagte, ein Segen wäre.

Seit sechs Jahren versuchte sie, Margot Janowitz, sich einen Namen in der Branche zu machen. Mit diesem Job in der Tasche durfte sie Honorare verlangen, dass es einem schwindlig wurde. Doch mit einem Salat, der aussah, als wäre ein Laster darübergefahren, schaffte sie den Durchbruch ganz bestimmt nicht.

Sie blickte auf die Uhr. Halb sechs, und sie musste bis acht Uhr durch sein. Die anderen Leute von der Agentur, die sie noch nicht kannte, würden jeden Moment eintreffen. Bestimmt schickten sie auch einen eigenen Foodstylisten und drei oder vier Assistenten mit, was für Margot nicht weiter schlimm war – vorausgesetzt, sie trieb rechtzeitig einen frischen Salatkopf auf.

Sie atmete tief durch. Nur die Ruhe, mahnte sie sich. Sie hatte schon bei Tausenden solcher Aufnahmen assistiert, und sie hatte eine ellenlange Liste von verlässlichen Lieferanten.

Alles würde bestens laufen, keine Frage. Sie lag prima in der Zeit und konnte locker im Budget bleiben. Whompies würde begeistert sein.

Sie ging vom Küchenstudio ins Hauptstudio, wo bereits die ersten Leute von der Agentur versammelt waren. Wie sie vermutet hatte, kannte sie keinen von ihnen. Noch nicht jedenfalls. Das war das Schöne an der Arbeit fürs Fernsehen: Es wimmelte von Menschen, die gemeinsam scherzten und sich gegenseitig antrieben.

Ihr Handy vibrierte in der Schürzentasche. Da sie ein Headset trug, brauchte sie bloß auf den Knopf zu drücken, um das Gespräch anzunehmen.

„Margot.“

„Hallo Süße.“

Sie lächelte, als sie die Stimme ihres Nachbarn erkannte. „Hi, Devon. Was gibt’s?“

„Ich wollte hören, wie es dir an deinem ersten Tag ergeht.“

„Tja, wenn man davon absieht, dass mein Telefon seit dem Morgengrauen ununterbrochen klingelt, eigentlich prima.“

Sie hörte, wie Devon gähnte. „Wohingegen ich gleich erst ins Bett gehe. Heute zieht übrigens der neue Typ ein.“

„Und? Habt ihr schon etwas über ihn herausgefunden?“

Ihr Nachbar lachte. „Eric glaubt, dass er hetero ist, sonst nichts. Normalerweise irrt er sich in solchen Dingen nicht. Ach ja, und er meint, der Neue hätte eine fantastische Figur, auch wenn er Anzüge von der Stange trägt.“

„Und Eric ist nicht in Ohnmacht gefallen?“

Devon lachte. „Nein, das kommt vielleicht noch. Ich muss jetzt erst mal schlafen. Wir sehen uns morgen, Süße.“

Margot verabschiedete sich und legte auf. Sie brauchte dringend einen Kaffee. Leider hatte sie nicht daran gedacht, sich einen Becher mitzubringen, weshalb sie nun einen der Styroporbecher nehmen musste, die sie nicht ausstehen konnte.

Wenigstens konnte sie das Kaffeeholen gleich damit verbinden, sich der Filmcrew vorzustellen. Sie wollte gerade mit der Frau neben ihr am Kaffeespender beginnen, als ihr Handy erneut vibrierte.

„Margot.“

„Hallo Liebes.“

„Ma?“

„Ich hab dich hoffentlich nicht geweckt, oder?“

„Nein, ich bin seit halb vier auf.“

„Leidest du unter Schlafstörungen?“

„Nein, ich habe einen neuen Job, erinnerst du dich?“

„Selbstverständlich. Deshalb rufe ich an. Ich wollte dir Glück wünschen.“

„Das ist lieb von dir, Ma, ehrlich, aber ich bin gerade ein bisschen …“

„Könntest du mir einen Gefallen tun?“ unterbrach ihre Mutter sie.

Margot seufzte. Sie würde ewig brauchen, um ihre Mutter abzuwimmeln. „Was?“

„Rede mit ihm.“

„Er“ war Margots Vater. „Was ist los?“

„Er hat fünf Kartons kaputtes Geschirr gekauft.“

„Und du bist sicher, dass alles kaputt ist?“

„Falls noch irgendwas davon heil ist, wird es zerbrechen, weil wir einfach keinen Platz haben, um es richtig zu verstauen. Wir haben dieses blöde Lager, das uns Unsummen kostet, und jetzt sagt er, wir brauchen noch einen Zusatzraum, weil wir aus allen Nähten platzen.“

„Ich rede mit ihm, Ma. Aber jetzt muss ich wirklich arbeiten.“

„Schon gut, Schatz. Bis später dann.“

Es war noch nicht einmal sechs, und schon riefen sie alle an. Margot rechnete fest damit, demnächst von ihrer anderen Nachbarin, Corrie, zu hören.

Sie liebte die Menschen, mit denen sie in einem Haus in Chelsea wohnte. Es war ein bunt gemischter Haufen von interessanten und ein wenig verrückten Leuten, die sich bestens verstanden und immer füreinander da waren.

Vor einem Monat allerdings war Seth Boronski gestorben, der arme Mann, und seitdem hatte der zweite Stock des Hauses leer gestanden. Letzte Woche dann war seine Wohnung von einem jungen Mann gekauft worden. Margot wusste bisher nur, dass er Daniel hieß, was ungewöhnlich war, denn niemand wusste so gut wie sie, was in Nummer 18 West 16. Straße los war.

Die letzten Tage jedoch war sie so sehr mit dem neuen Auftrag beschäftigt gewesen, dass sie alles andere vernachlässigt hatte. Nun musste sie wohl bis zum allwöchentlichen gemeinsamen Abendessen am Sonntag warten, ehe sie etwas über diesen Daniel herausfand.

„Vorsichtig!“ flehte Daniel seine Freunde Terry und Bill an, die das wuchtige Eichenkopfteil seines Bettes durch die Tür trugen und dabei nur knapp den frisch lackierten Rahmen verpassten.

Bill sah ihn finster an. „Weißt du, was du mich mit deinem dauernden Vorsichtig! mal kannst?“

„Dieses Kopfteil ist achtzehntes Jahrhundert.“

Terry fluchte leise vor sich hin.

„Okay, hasst mich meinetwegen. Aber vorher stellt es hierüber.“ Daniel ging vor ins Schlafzimmer und zeigte auf die eine Wand.

Seine beiden Exmitbewohner von der Rutgers-Uni stellten das schwere Holzding an die vorgesehene Stelle und streckten sich stöhnend. „Werden deine Möbel bis zum nächsten Umzug noch schwerer?“ fragte Bill.

„Ich arbeite daran“, sagte Daniel, der schnellstmöglich zurück zum Möbelwagen wollte. Zwar war Steve unten und bewachte seine restliche Habe, und die meisten Kartons und Möbel waren sowieso schon oben, doch sie hatten immer noch einiges zu tun, ehe in einer Stunde die bestellte Pizza geliefert wurde. „Kommt, wir müssen den Rest vom Bett holen.“

Terry, der bereits an der Uni geglänzt hatte und mittlerweile zu einem sehr erfolgreichen Börsenmakler geworden war, wischte sich das Gesicht mit seinem Ny-T-Shirt. „Ich fasse es nicht, dass du mich überredet hast, einen Donnerstag für diese Nummer herzugeben. Ich verliere Millionen und schwitze dazu wie ein Wasserfall.“

„Du hast Urlaub, und außerdem tut dir ein bisschen Bewegung ganz gut.“

„Schöner Urlaub! Ich sollte in Aruba in der Sonne liegen.“

„Und was ist mit mir?“ beschwerte sich Bill. „Ich hab nicht mal Urlaub.“

„Du hast dauernd Urlaub“, sagte Terry. „Schon vergessen?“

„He, ich habe schließlich angeboten, ein Umzugsunternehmen zu bezahlen.“

Daniel lachte. „Das liebe ich so an dir, Bill. Im Zweifelsfall schmeißt du eben mit Geld um dich.“

Bill zuckte mit den Schultern. Er war ein ausgesprochen attraktiver Mann, auch wenn man ihm allmählich seinen Lebenswandel ansah. Im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder hatte Bill die Leitung des Familienunternehmens abgelehnt und entschieden, sein riesiges Erbe einfach zu genießen.

Er war unglaublich großzügig, aber Daniel machte sich trotzdem Sorgen um ihn. Bill ging auf die Fünfunddreißig zu, und wenn er weiter auf der Überholspur lebte, würde er nicht einmal mehr seinen Vierzigsten erleben.

Sie gingen ins Treppenhaus, holten den Fahrstuhl nach oben und stiegen hinein. Bei den ersten paar Ladungen hatten sie noch die Treppe genommen, doch dafür waren sie inzwischen viel zu erschöpft.

Daniel gratulierte sich im Stillen ein weiteres Mal zu seinem Glück, diese Wohnung in der Stadt gefunden zu haben. Von jetzt an würde er einen weit kürzeren Arbeitsweg haben als von Greenwich, Connecticut, aus, wo er bisher gelebt hatte.

Alle Welt kannte Chelsea. Seit den späten Achtzigern galt der Stadtteil als das bevorzugte Viertel aller Künstler und Intellektuellen, denen Greenwich Village zu teuer geworden war. Früher war Chelsea ein reines Schwulenviertel, aber jetzt war das Publikum hier bunt gemischt.

Daniel hatte eine sehr schöne Wohnung in Greenwich gehabt, nur … Er wusste nicht einmal, was ihm dort gefehlt hatte, außer dass das Leben entsetzlich langweilig gewesen war.

In der Firma hatten alle gestaunt, als er von seinem Umzug erzählte, doch das interessierte ihn nicht.

Sie gingen hinaus zu dem Truck, der in der zweiten Reihe vor dem Haus parkte. An der Ladefläche lehnte Steve und las. „Das Bett?“ fragte er, ohne aufzusehen.

„Ja“, sagte Daniel. „Und du bist dran, also setz deinen faulen Hintern in Bewegung.“

Steve sah die beiden anderen an. „Fasst man noch, was dieser Kerl für Töne spuckt?“

„Ich würde sagen, wir lassen ihn die Matratze allein hinauftragen“, schlug Bill vor und lehnte sich neben Steve.

Daniel ignorierte ihn, sprang auf die Ladefläche und trieb seine Freunde an. Diesmal blieb Bill unten, aber sie schafften es, die Matratze ohne ihn nach oben zu bekommen. Gleich vor Daniels Tür wartete eine Überraschung auf sie. Eine junge, sehr große und sehr dünne Frau stand dort, die nichts als ein winziges Top und enge Strumpfhosen trug.

„Hi“, sagte sie mit einer ziemlich hohen Stimme und strahlte Daniel an. „Willkommen bei uns im Haus. Ich bin Corrie aus 302, die Frau von Nels.“

„Ich bin Daniel, freut mich“, sagte er und reichte ihr die Hand. „Daniel Houghton III.“

Sie reichte ihm eine federleichte, zarte Hand, die er kaum zu schütteln wagte. „Sonntags haben wir immer unser gemeinsames Abendessen“, erklärte sie. „Da kommen alle hin, wir wandern von Wohnung zu Wohnung. Jeder macht irgendetwas, Vorspeisen, Salat, Hauptgericht.“ Sie wurde rot. „Na ja, Sie müssen beim ersten Mal noch nichts beisteuern, aber Sie sollten unbedingt dabei sein, okay?“

Er nickte. „Ich komme gern.“

Sie lächelte. „Na, ich geh dann mal wieder. Übrigens fangen wir um fünf an. Ach ja, Sie könnten Wein mitbringen.“

„Mach ich.“

„Bis dann.“

„Jetzt verstehe ich“, sagte Terry, sobald Corrie in ihrer Wohnung verschwunden war.

„Jetzt verstehst du was?“ fragte Daniel.

„Warum du hergezogen bist. All diese Heterofrauen und so wenig Nicht-Schwule.“ Er drehte sich zu Steve um. „Er ist doch nicht so blöd, wie er aussieht.“

„Danke für das Kompliment. Los, runter zum Truck“, sagte Daniel.

Steve und Terry folgten ihm lachend zurück zum Fahrstuhl. Sie hatte tatsächlich alle Sachen oben, bevor die Pizza kam, wofür Daniel aufrichtig dankbar war. Ihm blieben vier Tage zum Auspacken und Einräumen, dann musste er wieder zur Arbeit.

Er war Architekt, und zwar ein sehr guter. Die Firma, für die er arbeitete, Kogen, Teasdale und Webster, genoss einen erstklassigen Ruf in der Branche, und Daniel war auf dem besten Weg, Teilhaber der Firma zu werden.

„Wow, das ist der süßeste Typ, den ich je gesehen habe, ich schwör’s, Margot. Er ist um die Einsneunzig, hat dunkles Haar, entsetzlich geschnitten, aber das lässt sich ja ändern, und er trägt eine von diesen runden Brillen, die seit den Achtzigern total out sind. Stell dir vor, seine Jeans war gebügelt, und das Poloshirt steckte drin! Trotzdem, wenn ich nicht verheiratet wäre, ich würde ihn auf der Stelle vernaschen. Warte, bis du ihn siehst.“

Margot lachte. Wenn Corrie in Fahrt kam, klang sie wie ein Auktionator, der Helium geschluckt hatte. „Kommt er am Sonntag?“

„Ja, er ist dabei. Hach, mit dem werden wir eine Menge Spaß haben.“

„Klingt, als bräuchte er eine Generalüberholung.“

„Oh ja, und zwar von Grund auf. Diese Tennisschuhe! Hatte ich die Tennisschuhe schon erwähnt?“

„Nein, aber ich muss dich jetzt sowieso abwürgen. Ich habe hier ein paar ernste Personalprobleme.“

„Entschuldige, Süße, was bin ich bloß für eine dumme Pute. Du hast deinen ersten Tag, und ich quassele dir was von Daniel vor. Er heißt übrigens Daniel Houghton III. Fasst du das?“

„Nein, nicht wirklich. Hör mal, lass uns später reden. Die haben mir nur zwei Assistenten geschickt, was der blanke Wahnsinn ist. Jetzt muss ich zaubern.“

„Hals- und Beinbruch.“

„Danke. Bis dann.“ Margot stellte ihr Handy ab und sah hinüber zu Bettina, einer der beiden Assistenten, die gerade einen Salat putzte. Der andere, Rick, sortierte Brötchen. Sie fasste es nicht, dass die Agentur ihr nur die zwei geschickt hatte, die nicht einmal genug Erfahrung hatten, um einen Kühlschrank zu säubern.

Nie hatte sie von einem Werbespot gehört, bei dem so wenig Leute mitarbeiteten. Sie hatte schon versucht, ihre Auftraggeberin Janice zu erreichen, doch die war noch nicht im Büro. Also musste sie jetzt selbst kräftig mit anpacken, damit sie dem Regisseur irgendetwas anbieten konnten.

An die hundert Brötchen wollten sortiert werden, um die perfekte Kombination von Größe, Form und Sesamstreu zu finden. Sobald sie das richtige gefunden hatten, den Helden, wie sie es nannten, legten sie es zur Seite und suchten das zweitbeste als Ersatz. Für den Notfall hatte Margot eine Tüte mit Sesamsamen und Klebstoff dabei.

Außerdem musste der Salat gezupft, der Ketchup abgetropft und die Burger geformt und so gegrillt werden, dass sie nicht mehr roh aussahen und die Grillstreifen richtig platziert waren. Dann kamen das Käseschmelzen, das Zwiebelnrösten und die Tomaten … Es war einfach zu viel. Mit so wenig Leuten konnten sie in der kurzen Zeit nie fertig werden.

Sie setzte sich zu Rick und sortierte die Brötchen mit. In einer solchen Situation half nur eins: Einen Schritt zur Zeit erledigen und ja nicht hysterisch werden.

Fünfzehn Minuten und sechsundvierzig Brötchen später steckte einer der Regieassistenten den Kopf zur Küchentür hinein. „Was schätzt ihr?“

„Mindestens drei Stunden.“

„Shit.“

„Schneller schaffen wir es nicht.“

„Ich sag’s ihm.“

Mit ihm war Joe DeVario gemeint, der Regisseur. Margot hatte bis jetzt ganze fünf Sekunden mit ihm gesprochen und gar kein gutes Gefühl. Er war muffig und hatte sie keines Blickes gewürdigt.

Ihre Stimmung besserte sich nicht gerade, als sie ihn kurz darauf draußen herumbrüllen hörte. Dieser Job entwickelte sich allmählich zum Albtraum. Der einzige Lichtblick war die Nachricht von Daniel Houghton III. Was Corrie erzählt hatte, klang wirklich interessant.

Offenbar brauchte der Mann dringend eine Stilberatung von jemandem mit einem Designerblick. Devon und Eric waren bestimmt schon völlig aus dem Häuschen. Margot hoffte bloß, die beiden würden Daniel nicht direkt in die Flucht treiben, wie sie es bei einem früheren Mieter geschafft hatten.

Margot lächelte. Sie liebte neue Herausforderungen.

„Aha“, sagte sie und hielt das schönste Brötchen aller Zeiten in die Höhe. „Wir haben unseren Helden!“

Daniel stand mit einem weißen Handtuch um die Hüften vor seinem Kleiderschrank. Er hatte keine Ahnung, was man bei so einem Sonntagsessen mit den Nachbarn trug. In den vier Tagen, die er inzwischen hier wohnte, hatte er die anderen Bewohner kaum gesehen. Er war die meiste Zeit mit Auspacken beschäftigt gewesen.

Nun blickte er sich in seinem neuen Schlafzimmer um. Die schweren Eichenmöbel wirkten sehr schön vor den weiß gestrichenen Wänden. Die Bücher waren sauber in die Regale sortiert, und Daniel hatte sich sogar einen neuen Überwurf in Schottenkaro mit passenden Kissen gekauft.

Diese Wohnung markierte einen Neuanfang für ihn. Hier durfte er tun, was er wollte. Er könnte sich verrückt benehmen oder Kunstwerke kaufen, weil sie ihm gefielen, und nicht, weil sie eine gute Investition waren.

Morgen früh kehrte er zwar in seine normale Welt zurück, doch irgendwie hatte er das Gefühl, sie würde nicht mehr so wie vorher sein. Der Umzug hatte ihn verändert. Gestern Abend zum Beispiel hatte er sich eine Hawaii-Pizza bestellt, was er nie zuvor getan hatte. Okay, sie hatte ihm nicht geschmeckt, aber darum ging es nicht.

Zurück zum Kleiderschrank. Nichts schien ihm passend für dieses Essen, weder die Jeans noch die Anzüge. Schließlich entschied er sich für etwas Schlichtes: schwarze Leinenhose, weißes Hemd, graues Sportjackett. Ach ja, und die knallrote Krawatte, die seine Nichte ihm letzte Weihnachten geschenkt hatte.

Nachdem die Garderobenfrage geklärt war, ging er wieder ins Bad und rasierte sich. Dabei betrachtete er sich kritisch im Spiegel. Sein Haar war ein bisschen zu lang geworden, was ihm überhaupt nicht gefiel. Nächste Woche würde er zum Friseur gehen.

Die Zeit verging, und ihm wurde immer unbehaglicher bei dem Gedanken an den Abend. Ja, er wollte seine Nachbarn kennen lernen, aber wollte er gleich einen ganzen Abend mit all den Fremden verbringen? Vielleicht sollte er hinaufgehen, seinen Wein abgeben und irgendeinen Vorwand bringen, weshalb er nicht bleiben konnte.

Das war die Lösung. Er konnte sich kurz umsehen, mit wem er es zu tun hatte, damit er auf künftige Begegnungen besser vorbereitet war, und dann verschwand er wieder.

„Mein Basilikum ist gestorben.“

„Wie furchtbar. Wann findet die Trauerfeier statt?“

Margot warf ihr Haar mit der freien Hand zurück und stellte den Telefonlautsprecher ein. „Du solltest Schauspielerin werden, Corrie.“

„Ach Margot, keine Frau kann einem so charmant sagen wie du, dass man eine Niete ist.“

„Ich brauche frisches Basilikum, oder das ganze Essen schmeckt wie Hundefutter. Also komm bitte ein bisschen früher und lass die andern herein.“

„Bei Martini’s kriegst du frisches Basilikum.“

„Bei Martini’s krieg ich lausiges Basilikum, auf dem nur frisch draufsteht. Ich muss zum Garden of Eden.“

„Das ist nicht dein Ernst.“

Margot blickte auf ihre Zutaten für die gegrillte Pizza. Alles war bereit, der Teig schön aufgegangen, der Balkongrill schon angezündet. Sie musste sich ein Taxi zum Garden of Eden nehmen, aber dort gab es die besten frischen Sachen, und das war es wert.

In Augenblicken wie diesen bereute sie, nicht mehr neben ihren Eltern zu wohnen, in deren Lebensmittelladen man alles bekam, was man für ein anständiges Essen brauchte.

„Ich bin bald zurück“, beruhigte sie Corrie.

„Aber Daniel kommt.“

„Sag ihm, er soll ruhig durchatmen und warten, bis ich da bin.“

Corrie seufzte. „Du bist vielleicht ‚ne Marke! Kommst zu spät zu deiner eigenen Party.“

„Es sind doch nur wir“, sagte Margot, griff nach ihrer Handtasche und ging zur Tür. „Der Wein steht im Kühlschrank.“

„Okay, beeil dich.“

„Mach ich. Bis später.“ Margot stellte das Handy ab und eilte aus der Wohnung. Sie hoffte nur, dass sie ein Taxi bekam. Inzwischen war sie die Einzige unter den Hausbewohnern, die Daniel noch nicht gesehen hatte, und sie war ein bisschen nervös.

Corrie, Devon und Eric schwärmten ohne Ende von ihm. Ihre Clique verbrachte Stunden damit, in den kleinen Bistros und Cafés zu sitzen und sich darüber zu unterhalten, wie der eine oder andere Gast durch ein bisschen Styling-Nachhilfe aufzupeppen wäre. Leider ergab sich kaum mal die Gelegenheit für die vier, ihr Können unter Beweis zu stellen.

Genau genommen hatten sie erst zweimal die Chance bekommen, wobei Tad nicht wirklich zählte. Nach seinem ersten Einkaufsbummel mit Devon und Eric war der arme Mann so verschreckt gewesen, dass er den nächsten Zug nach Yonkers nahm und für immer verschwand.

Also war Daniel ein echter Glücksfall für die selbst ernannten Stilberater.

Margot fand tatsächlich ein Taxi direkt vor der Haustür. Sie sprang in den Wagen und sagte: „Garden of Eden in der 7ten.“

Das Taxi fuhr los, und Margot schloss die Augen. Trotz all der Aufregung um Daniel waren ihre Gedanken in der letzten Zeit vor allem bei der Arbeit. Den Donnerstag und den Freitag hatte sie einigermaßen überstanden, und sie war zuversichtlich, auch den Montag zu schaffen, wenngleich sie immer noch nicht fasste, dass man ihr so wenig Personal zugeteilt hatte.

Bettina und Rick waren nett und bemüht, aber sie musste ihnen alles und jedes zeigen. Bei einer großen Kette wie Whompies sollte man doch vermuten, dass der Werbeetat mehr Geld für Stylisten hergab. Doch als sie Janice endlich erreicht hatte, erklärte die ihr unverfroren, falls sie es nicht mit den Mitteln hinbekam, die sie hatte, wäre Margot wohl nicht die Richtige für den Job. Das machte sie so wütend …

Nein, heute wollte sie sich nicht mehr darüber ärgern, sondern sich lieber auf Daniel konzentrieren. Sie konnte es kaum erwarten, ihn endlich zu sehen. Hoffentlich entpuppte er sich nicht als schrecklicher Muffel.

2. KAPITEL

Daniel wollte gerade den Wein aus der Küche holen, als es an der Tür klopfte. Draußen stand Corrie. Heute trug sie ein langes, geblümtes Kleid, das sich weich an ihren schmalen Körper schmiegte. Ihr Haar war kurz und ein wenig struppig, und ihre Augen hatte sie für Daniels Geschmack ein wenig zu schwarz geschminkt.

Neben ihr stand ein Mann, der noch ein ganzes Stück größer war als sie. Er hatte Khaki-Shorts und ein Hawaiihemd an und sah aus, als käme er direkt aus einem Shampoo-Werbespot.

„Hi, Daniel, das ist Devon“, stellte Corrie den Mann vor.

Daniel reichte ihm die Hand. „Freut mich, dich kennen zu lernen. Corrie hat dich bereits erwähnt, als wir uns das letzte Mal sahen.“

Devon sah Corrie erstaunt an, die nicht minder staunte, ehe sie begriff. „Ach so, nein, das ist nicht mein Mann. Nels kann heute Abend nicht kommen. Das hier ist Devon. Er wohnt mit Eric gleich neben Margot.“

„Aha.“

„Wir wollten dich abholen“, erklärte Corrie und sah an Daniel vorbei in die Wohnung. „Wow, das sieht toll aus.“

Er trat einen Schritt zur Seite. „Kommt doch rein.“

„Wir können aber nicht lange bleiben“, sagte Corrie, die in die Wohnung ging und sich darin umsah, als wollte sie sie auf der Stelle umgestalten. „Margot ist noch Basilikum holen gefahren, also spiele ich die Gastgeberin, bis sie zurück ist.“

„Margot?“

„Bei ihr fangen wir doch heute Abend an. Ich glaube, sie macht gegrillte Pizza.“

Devon schritt an Daniel vorbei schnurstracks auf das Bücherregal zu. „Interessante Sachen. ‚Ne Menge Architektur.“

„Das ist mein Beruf.“

Devon gab einen Laut von sich, den Daniel nicht recht einordnen konnte. Fand er Architektur gut oder schlecht? Eines jedenfalls war eindeutig schlecht, nämlich dass Daniel so viel förmlicher gekleidet war als die beiden. Er sollte sich schnell umziehen.

„Komm, wir müssen los, sonst gibt es gleich einen Aufstand im Treppenhaus“, sagte Corrie und machte damit Daniels Pläne zunichte.

Devon hakte ihn strahlend unter. „Dann mal auf in den Kampf, Neuer.“

„Ähm, Wein.“

„Weinen kannst du später noch, nachdem du die anderen kennen gelernt. hast.“

„Nein, ich meine, ich habe noch Wein da.“

„Ach so.“ Devon ließ ihn wieder los. „Na, dann hol ihn. Wir brauchen viel, viel Vino.“

Daniel war verunsichert, denn Devon lächelte ihn auf eine Art an, als hielte er ihn für vollkommen unterbelichtet. Er ging in die Küche und holte die zwei Flaschen aus dem Kühlschrank. Als er ins Wohnzimmer zurückkam, war Corrie bereits weg.

Er ging mit Devon hinaus und wiederholte im Stillen seine Ausrede, weshalb er nicht lange bleiben konnte.

Er brauchte mehr Wein, viel mehr, denn diese … Vorstellung … stand er nur in angetrunkenem Zustand durch.

Corrie erwies sich als die Normalste von allen, und wie sich herausstellte, war sie früher Striptease-Tänzerin gewesen, bevor sie ihre Karriere nach einem Beinbruch aufgeben musste.

Devon war Barkeeper in einem Lokal, das von allen nur als „Spelunke“ bezeichnet wurde, und sein Partner Eric war Chiropraktiker, der an Auras und spirituelle Führer glaubte.

Dann war da noch Anya, die nach Daniels Schätzung in den Siebzigern sein musste und anscheinend lange Gespräche mit ihren zahlreichen Haustieren führte – drei Pudeln, zwei Katzen und einem Sittich. Ihr bester Freund Rocco musste ungefähr in ihrem Alter sein und war ein Exboxer, bei dem nicht bloß die Ohren, sondern auch das ganze Gesicht wie verbrühter Blumenkohl aussahen. Rocco guckte mit Begeisterung Seifenopern und strickte leidenschaftlich gern.

Alle Hausbewohner waren schon von ihm bestrickt worden, und so war es wohl nicht weiter verwunderlich, dass er heute Daniel mit einer gelben Strickkappe beschenkte. Er versuchte mehrfach, sie sich abzunehmen, aber Devon setzte sie ihm jedes mal wieder auf.

Nachdem die Vorstellungsrituale vorbei waren, gab es anscheinend kein anderes Gesprächsthema als die fehlende Gastgeberin, Margot. Daniel hatte bereits mitbekommen, dass sie Foodstylistin war. Bisher hatte er nur von dem Beruf gehört, aber nie jemanden aus der Branche kennen gelernt. Der extravaganten Einrichtung ihrer Wohnung nach zu urteilen, musste die Bezahlung einigermaßen gut sein.

Autor

Jo Leigh
<p>Seit Jo Leigh 1975 bei der großen Filmgesellschaft 20-Century-Fox als Lektorin in der Abteilung für Comedys einstieg, ist sie im Filmgeschäft zu Hause. Sie war für die Mediengesellschaften CBS, NBC und verschiedene andere große Produktionsfirmen tätig, wobei sie zunehmend Drehbücher konzeptionierte und bearbeitete. Kein Wunder, dass bei so viel Sachkenntnis...
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