Sinnliches Rendezvous mit Folgen

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"Für mich bist du einfach nur ein Mann." Prinz Eduardo lächelte. "Ein Mann, den du begehrt hast. Den du gehabt hast. Und den du nun nicht mehr los wirst", sagte er. "Und du machst, was ich dir sage: Du heiratest mich!" Ein einziges Mal vergisst Stella ihre Pflicht. Statt ihr Land zu verteidigen, flieht sie an den Strand von San Felipe - in die Arme von Prinz Eduardo. Überwältigt von nie gekannter sinnlicher Sehnsucht tut sie, was sie noch niemals vorher gewagt hat: Selbstvergessen gibt sie sich dem berüchtigten Playboy hin … Als sie drei Monate später entsetzt feststellt, dass sie ein Kind unter dem Herzen trägt, zahlt sie einen hohen Preis für ihren Fehltritt. Erst verliert sie ihren Job, dann lässt Eduardo sie entführen und verlangt Unmögliches von ihr …


  • Erscheinungstag 31.01.2017
  • Bandnummer 2269
  • ISBN / Artikelnummer 9783733708078
  • Seitenanzahl 144
  • E-Book Format ePub
  • E-Book sofort lieferbar

Leseprobe

1. KAPITEL

Stella Zambrano fühlte sich wie eine Erstklässlerin, die zum Schulleiter bestellt worden war. Sie wusste, dass sie Ärger bekommen würde, hatte aber keine Ahnung, warum.

Der Militärtrakt des Palastes von San Felipe war ehrfurchteinflößend mit den hohen, gewölbten Decken, dem Mosaikboden und der Ahnengalerie der De Santis.

San Felipe, das berühmte Inselfürstentum im Herzen des Mittelmeeres, wurde zurzeit von Antonio De Santis regiert. Der dienstbeflissene und trotz seiner Strenge beliebte Antonio wurde von seinem charmanten jüngeren Bruder Eduardo unterstützt, den alle anhimmelten. Als Aushängeschild von San Felipe sorgte der wagemutige, weltgewandte Eduardo so gut wie allein dafür, dass der Tourismus auf der Insel florierte. Alle Welt nannte die beiden „die Prinzen“, obwohl Antonio nach dem frühen Tod der Eltern Staatsoberhaupt war. Für die Bevölkerung war er nach wie vor der Kronprinz.

Das neueste Portrait in dem großen Raum zeigte Antonio und Eduardo Seite an Seite in vollem militärischem Ornat. Es hing an der Wand direkt vor Stella. Sie hoffte inständig, dass die Brüder heute nicht im Palast waren.

„Leutnant Zambrano? Der General will Sie jetzt sehen.“

Endlich.

Stella sah dem Hauptmann ins Gesicht, doch das war völlig ausdruckslos. Sie hatte gerade ihren Morgenlauf beendet gehabt, als ein Feldwebel mit versteinerter Miene aufgetaucht war und sie dringend in den Palast beordert hatte. Ihr war keine Zeit geblieben, sich umzuziehen. Der Feldwebel hatte sie direkt vom Stützpunkt zum Palast gefahren, in dem sich das Quartier des Generals von San Felipe befand.

Sie fühlte sich überhaupt nicht wohl in ihrer Haut, wünschte, sie hätte ihre dunkelblauen Hosen, eine weiße Bluse und ihre goldbetresste Jacke an. Ihren Dienstanzug. Stattdessen trug sie einen fleckigen Tarnanzug und dreckige Stiefel. Doch vielleicht würde der General über ihre unordentliche Erscheinung hinwegsehen. Vielleicht war sie hierher bestellt worden, um in den Auslandseinsatz geschickt zu werden, auf den sie schon so lange wartete.

Leider fürchtete sie, dass es etwas anderes war. Die Ablehnung ihres letzten Gesuchs lag nicht lang genug zurück. Und die bemüht ausdruckslosen Gesichter des anwesenden Personals, die Art, wie sie ihrem Blick auswichen … Es musste etwas anderes sein.

„Leutnant?“, wiederholte der Hauptmann mit schneidender Stimme.

Blinzelnd besann sie sich. Noch nie war es vorgekommen, dass ein höhergestellter Offizier einen Befehl an sie hatte wiederholen müssen. Steif folgte sie ihm zu der großen, mit Schnitzereien verzierten Tür, betrat den Raum und nahm in respektvollem Abstand zum Schreibtisch des Generals eine stramme Haltung ein. Die Tür fiel geräuschvoll hinter ihr zu.

Der uniformierte Mann hinter dem Schreibtisch sah nicht zu ihr auf. Er sagte ihr nicht, dass sie sich rühren sollte. Nicht, dass sie sich setzen sollte. Er sagte überhaupt nichts. Stattdessen starrte er auf eine Personalakte, die aufgeschlagen vor ihm lag. Stella wusste, dass es ihre war, doch sie hielt den Blick fest auf die Wand hinter dem General geheftet. Nur am Rand registrierte sie das angegraute Haar des Generals – und dass er eine Brille trug, um in der Akte zu lesen. Er diente seit fast 50 Jahren in dieser Armee. Andere Männer in seinem Alter wären bereits in den Ruhestand gegangen. Er würde das nie tun. Er würde bis an sein Lebensende dabeibleiben. Denn das Militär war sein Leben.

Sie respektierte das. Verstand es. Weil es ihr genauso ging.

„Leutnant“, sagte er schließlich.

„Zu Befehl, Sir.“ Sie salutierte.

Er sah noch immer nicht auf. „Am Nachmittag des 27. Juli waren Sie in der Kaserne von San Felipe im Dienst, ist das richtig?“

Ihr Mut sank. Das Datum hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt.

„Ich denke ja, Sir.“ Sie befeuchtete ihre entsetzlich trockenen Lippen mit der Zunge.

Ihre Ahnung hatte sie nicht getäuscht. Hier ging es nicht um den Einsatzbefehl, auf den sie hoffte.

„Und sind Sie vorschriftsmäßig den gesamten Nachmittag und Abend in der Kaserne gewesen?“

Sie schluckte. Es war nur eine Stunde gewesen. Eine Stunde, in der sie …

Nein. Nicht dran denken.

Stella verdrängte die Erinnerung, wie sie es während der vergangenen Wochen immer wieder recht erfolgreich getan hatte, und dachte an all die Jahre, in denen sie sich streng an die Regeln gehalten hatte.

Jemand musste sie verraten haben.

„Leutnant?“, fuhr der General fort. „Haben Sie die Kaserne an dem Tag ohne Erlaubnis verlassen?“

Die letzten Monate hatte sie in ständiger Anspannung verbracht und sich gefragt, ob ihre Irrsinnsaktion irgendwelche Konsequenzen nach sich ziehen würde. Doch da nichts passiert war, hatte sie schließlich geglaubt, dass sie noch einmal glimpflich davongekommen sei.

Womit sie sich wohl getäuscht hatte.

„Der 26. Juli“, wiederholte der General. „Erinnern Sie sich an den Nachmittag, Leutnant?“

Leider gab es keine Antwort auf diese Frage, die sie laut hätte äußern können. „Ich war nicht weit weg. Ich habe das Kasernengelände nur sehr kurz verlassen.“

„Sie waren in Bereitschaft. Und hatten keine Genehmigung, den Stützpunkt zu verlassen.“

Sie war die Klippen hinunter in die Bucht geklettert, die nur wenige Meter vom Stützpunkt entfernt war. Sie hätte es gehört, wenn die Sirenen zum Einsatz gerufen hätten.

„Letzte Woche waren Sie bei der Routineuntersuchung.“ Der General warf einen Blick in ihre Akte.

„Ja, Sir.“ Der plötzliche Themenwechsel verunsicherte Stella.

„Bei der Blutuntersuchung gab es einen Befund.“

Einen Befund? Sie war doch gesund und fit! Zwar war sie bei ihrem morgendlichen Lauf in letzter Zeit tatsächlich etwas müder gewesen, aber sonst …

„Seit wann wissen Sie, dass Sie schwanger sind?“

„Was?“ Vor Schreck vergaß sie die formelle Ansprache.

„Sie haben Ihren Zustand nicht an Ihren Vorgesetzten gemeldet. Ein weiteres Dienstvergehen.“

Schwanger?

„Ich bin nicht …“ Sie atmete tief ein. „Ich kann nicht …“ Das konnte nicht sein. Es war nur das eine Mal passiert. Und sie hatte sich geschützt. Nie im Leben hatte sie schwanger werden wollen!

Der General hielt ein Blatt Papier hoch. „Der Test wurde mit der zweiten Blutprobe wiederholt. Es besteht kein Zweifel. Machen Sie Ihren Abgang nicht noch unwürdiger, als er ohnehin schon ist.“

„Meinen Abgang?“ Das konnte, das durfte nicht wahr sein.

„Sie sind aller Aufgaben enthoben“, verkündete der General emotionslos. „Sie haben sich ohne Erlaubnis vom Stützpunkt entfernt. Sie haben Ihren Zustand geheim gehalten. Sie scheiden mit sofortiger Wirkung aus der Armee von San Felipe aus. Nach Ihrer Rückkehr zur Kaserne haben Sie Ihre Uniform abzugeben. Alles, was sich ansonsten an Eigentum des Fürstentums auf Ihrem Zimmer befunden hat, ist bereits abgeholt worden. Ihre eigenen Sachen sind gepackt. Wenn Sie das Kasernengelände nicht binnen zehn Minuten verlassen haben, wird man das als Hausfriedensbruch auffassen und Sie vom Stützpunkt entfernen.“

Ihr wurde schwindelig. Sie wurde aus der Armee geworfen! Aus der Armee, die ihre Heimat war. Der einzige Ort, wo sie hinkonnte. Und sie war schwanger.

Sie konnte nicht schwanger sein. Nicht von … Wussten sie, mit wem sie zusammen gewesen war? Wer sie dazu gebracht hatte, sich zu verhalten, wie es sonst gar nicht ihre Art war? Wer solche intensiven Gefühle in ihr ausgelöst hatte?

Panik drohte sie zu überwältigen, doch ihr Selbsterhaltungstrieb rettete sie. Sie rang um Fassung. Hier ging es um ihre Zukunft.

„Müsste ich nicht vor ein Militärgericht gestellt werden?“, fragte sie und hoffte, dass der General nicht merkte, wie ihre Stimme schwankte. „Müsste nicht ein Soldat vor Ort sein und diese Unterhaltung aufzeichnen?“ Stella wollte keine Vorzugsbehandlung. Nicht für das, was sie getan hatte und mit wem.

Und auch nicht dafür, wer sie war.

Der General brummelte etwas Unverständliches. Das war sein erster Ausreißer während dieses Gesprächs – ein winziger Hinweis darauf, dass er tatsächlich menschlich sein könnte. Er senkte seinen Blick wieder auf die Akte. „Wir hielten es für das Beste, Ihnen die Blamage zu ersparen.“

Seine barsche Antwort machte Stellas letztes bisschen Hoffnung zunichte.

Wer hatte diese Entscheidung getroffen? Wer war „wir“? Und ging es wirklich darum, ihr die Blamage zu ersparen? Oder jemand anderem? Jemandem, der viel wichtiger war als sie?

Wollten sie, dass sie unauffällig verschwand, damit sie die Sache unter den Teppich kehren konnten? Damit dieser Zwischenfall aus der Welt war? Blinde Wut packte sie. Am liebsten hätte sie die Ungerechtigkeit laut herausgeschrien. Aber das konnte sie nicht. Es war ihre eigene Schuld, dass ihr Leben ruiniert war. Es war ihre eigene falsche Entscheidung gewesen. Aber diese absurde Behauptung, dass sie schwanger sei … Das konnte einfach nicht wahr sein.

„Ich bin nicht schwanger“, wiederholte sie nachdrücklich. Sie wollte es nicht glauben.

„Wegtreten!“

Der schonungslose Befehl ließ sie erstarren. Der General hatte ihr unmissverständlich klargemacht, dass ihre Karriere beendet war und ihn ihre Reaktion und ihre Einwände nicht interessierten. Sie waren ihm egal. Er wollte nur, dass Stella schnell und ohne großes Aufhebens verschwand.

Sie starrte den alternden Mann an, der so viel Macht besaß. Offenbar wusste er nicht, mit wem sie zusammen gewesen war. Er wäre viel wütender, hätte er es gewusst.

Sie musste hier weg, bevor er es herausfand. Bevor es irgendjemand herausfand.

Aber wohin? Sie hatte keine eigene Wohnung. Während ihres Fronturlaubs reiste sie. Wenn sie nur wenige Tage freihatte, blieb sie oft auf dem Stützpunkt und übernahm freiwillig zusätzliche Schichten. Also, wohin? Zu ihm konnte sie nicht. Und ihr Elternhaus …

Wieder sah sie den Mann an, der sie geflissentlich ignorierte. „Sir …“

„Wegtreten!“

Die Wiederholung des emotionslosen Befehls raubte ihr das letzte bisschen Zuversicht. Nun konnte sie nur noch flehen … „Vater …“

General Carlos Zambrano, Oberbefehlshaber der Streitkräfte von San Felipe und Stellas Vater antwortete nicht. Stattdessen schloss er die Akte, die das Einzige war, was von ihrer Militärkarriere, in die sie so viel Arbeit gesteckt hatte, übrig blieb.

Sie hatte getan, was nie zu tun sie sich geschworen hatte – und woran sie sich bis jetzt auch strikt gehalten hatte. Sie hatte die Grenze zwischen Beruflichem und Privatem überschritten. Die Grenze, die ihr Vater und sie sich auferlegt hatten.

Schweigend wandte sie sich um und ging zur Tür. Diese Niederlage war unerträglich schmerzhaft. Mit jedem Schritt hoffte Stella, dass ihr Vater etwas sagen würde. Sie aufhalten, ihr Hilfe anbieten würde.

Doch das hatte er noch nie getan, und es kam nichts außer diesem enttäuschten Schweigen.

In der Tür wandte sie sich noch einmal zu ihm um. Er blickte ungerührt geradeaus.

Wieder hatte sie ihn enttäuscht. Und es gab nichts, womit sie diese Katastrophe wiedergutmachen konnte. Stella hielt inne und umklammerte den Türgriff. Sie hatte keine Ahnung, was sie tun und wo sie hingehen sollte.

Jetzt erst bemerkte sie die verstohlenen Blicke des anwesenden Personals. Es war ungewöhnlich, dass jemand ihres Ranges ins Büro des Generals bestellt wurde. Wahrscheinlich dachten sie, dass Stella in den Genuss einer Vorzugsbehandlung kam, weil sie die Tochter des Generals war. Womöglich wussten sie schon Bescheid. Der Gedanke erschreckte sie. Ob sie alle wussten, was sie getan hatte und mit wem?

Und es war eine Vorzugsbehandlung. Eigentlich hätte sie unehrenhaft entlassen werden müssen oder – im günstigsten Fall – verwarnt und degradiert. Aber ihr Vater hatte seine Position genutzt, um sicherzustellen, dass niemand etwas von ihrem unrühmlichen Abgang aus der Armee mitbekam.

Sodass keiner blamiert wurde.

Es änderte nichts daran, dass Stella jetzt vor dem Nichts stand. Sie hatte keine Arbeit und kein Zuhause mehr. Der gute Ruf, den sie sich so hart erarbeitet hatte, war dahin. Und das alles nur wegen dieser einen Stunde, von der niemand hatte erfahren sollen …

„Ich soll Sie in die Kaserne zurückbringen.“ Der Feldwebel, der sie herbegleitet hatte, stand vor ihr.

„Danke“, antwortete sie leise.

Kaum saß sie auf dem Rücksitz des Wagens, kurbelte sie die Scheibe herunter, weil sie hoffte, von der frischen Luft einen klaren Kopf zu bekommen. Sie ließ den Blick über die Palastanlage mit den marmornen Säulen und den herrlichen Gärten vor der malerischen Küste mit dem türkisblauen Wasser schweifen. Die Schönheit der Insel versetzte sie in eine wehmütige Stimmung. Stella wünschte, der Feldwebel würde schneller fahren. Was sie jetzt brauchte, war ein Ort, um nachzudenken. Und das war nicht San Felipe.

Ihr gingen alle möglichen Zweifel und Fragen durch den Kopf. Der schicksalhafte Nachmittag lag drei Monate zurück. Wie konnte sie im dritten Monat schwanger sein und nichts davon gemerkt haben? Die bloße Vorstellung, in anderen Umständen zu sein, löste blankes Entsetzen in ihr aus. Ein Kind hatte nicht zu ihren Zukunftsplänen gehört.

Sobald der Hauptmann die Kontrollstation des Stützpunkts erreicht hatte, stieg Stella aus dem Wagen. Auf dem Weg zu ihrem Zimmer begegnete sie keinem Menschen. In der kurzen Zeit, die sie weg gewesen war, hatte man das Zimmer komplett leer geräumt. Nur ihr großer Seesack stand am Fuß des abgezogenen Betts. Als Stella ihn öffnete, zog sich ihr Herz schmerzhaft zusammen. Jemand hatte ihre Sachen sorgfältig zusammengepackt. Das empfand sie als übertrieben und distanzlos. Und warum war keiner der anderen Soldaten zu sehen?

Stella gab sich einen Ruck und konzentrierte sich auf das, was jetzt zu tun war. Sie rief ein Taxi zum Eingang des Kasernengeländes, legte ihre Felduniform ab und zog das an, was ihr als Erstes in die Hände fiel – ein altes graues T-Shirt, eine schwarze Yogahose und flache, leichte Turnschuhe. Und ein Sweatshirt, denn trotz des warmen Herbstwetters war ihr kalt. Die Felduniform legte sie fein säuberlich zusammengefaltet aufs Bett. Dann schwang sie den Seesack über die Schulter und ging zur Sicherheitskontrolle.

Acht Minuten hatte sie sich auf dem Gelände aufgehalten. Nicht, dass das ihren Vater beeindrucken würde. Sie schaffte es nie, ihn zu beeindrucken, sosehr sie sich auch darum bemühte.

„Zum Flughafen bitte“, sagte sie zum Taxifahrer und ließ sich in den Rücksitz sinken.

Knapp 20 Minuten später befand sie sich im Terminal und ging schnurstracks zum nächstgelegenen Flugschalter, um ein Ticket für den nächstmöglichen Flug zu kaufen.

Die Dame hinter dem Schalter lächelte und begann dienstbeflissen zu tippen, doch ein paar Sekunden später starrte sie irritiert auf den Bildschirm und verfestigte den Griff um den Pass, den Stella ihr gereicht hatte. „Es tut mir leid …“, sagte sie und verstummte.

Stella sah sich vorsichtig um. In einer Ecke standen zwei uniformierte Soldaten, ein weiterer kam gerade auf sie zu. Der Hauptmann, der sie ins Büro ihres Vaters gebracht hatte.

„Folgen Sie mir bitte, Ms. Zambrano.“ Er nahm der Dame am Schalter Stellas Pass ab.

Stella rührte sich nicht.

„Ms. Zambrano?“, wiederholte er.

Kein „Leutnant“. Nicht mehr. Man hatte ihr den Titel, auf den sie sechs Jahre hingearbeitet hatte, bereits entzogen.

Weil die Armee von San Felipe sie anfangs nicht genommen hatte, war sie nach Neuseeland gegangen, in das Geburtsland ihrer Mutter. Da Stella die doppelte Staatsbürgerschaft besaß, war es möglich gewesen, dort zum Militär zu gehen.

Sie hatte alles gegeben, bis sie mit einer Erfolgsgeschichte nach San Felipe zurückkehren konnte, die selbst ihr Vater anerkennen musste. Sie war einfach zu gut.

Stella musterte ihren Vorgesetzten. Oder besser Exvorgesetzten, da sie nun Zivilistin war. Er hatte ihr nichts mehr zu sagen. Sie könnte ihn niederschlagen und weglaufen. Sie war sehr gut trainiert und schon mit größeren, kräftigeren Männern fertiggeworden.

„Sie wollen doch nicht im Ernst einen Aufstand machen“, sagte er jetzt. Offenbar sah er ihr an, wie sie innerlich rebellierte.

Wollte sie nicht?

„Ich werde Ihre Tasche tragen.“ Er hatte den Seesack schon in der Hand.

Zu gern hätte Stella ihm die Tasche entrissen, mit dem Fuß aufgestampft und geschrien. Aber das würde ihr auch nicht weiterhelfen. Und der Hauptmann hatte natürlich recht – sie wollte keinen Aufstand machen. Sie wollte sich zurückziehen und in Ruhe überlegen, wie es nun weitergehen sollte.

Als Stella dem Offizier schweigend folgte, wich das erstarrte Lächeln der Schalterangestellten einer fast komisch wirkenden erleichterten Miene.

„Sie waren im Palast“, wandte sich Stella an den Mann. „Im Büro meines Vaters. Warum sind Sie jetzt hier?“

„Ich führe Befehle aus.“

„Wessen Befehle?“

Er antwortete nicht.

„Wessen Befehle, Hauptmann?“, wiederholte sie.

„Hier entlang, Ms. Zambrano.“

Von ihrem Vater stammten die Befehle wohl nicht. Er hatte sehr deutlich gemacht, dass er fertig mit ihr war. Also mussten sie von jemand anderem kommen. Von jemandem noch höheren Ranges.

Vorhin war ihr schon kalt gewesen, aber jetzt fror sie. In der dürftigen Kleidung fühlte sie sich angreifbar, sie vermisste ihre festen Stiefel.

Der Hauptmann führte sie durch mehrere Sicherheitstüren und einen Gang, die letzte Tür öffnete sich zum Flugfeld hin.

„Wo fliegen wir hin?“, fragte Stella besorgt, als sie den wartenden Hubschrauber entdeckte.

„An einen Ort, wo Sie sicher sind.“

„Bin ich denn in San Felipe nicht sicher?“

„Sie hatten nicht vor, in San Felipe zu bleiben.“

Da hatte er allerdings recht. „Also – wo bringen Sie mich hin?“

Keine Antwort.

Der Motor des Hubschraubers lief bereits, die Rotoren knatterten. Resigniert stieg Stella ein und lehnte die Hilfe des Soldaten, der bereits an Bord wartete, dankend ab. Sie wusste, wie man sich anschnallte. Das hatte sie schon unzählige Male gemacht.

Ihre Tasche wurde hineingeworfen, anschließend stieg der Hauptmann ein und nahm neben ihr Platz, sodass sie nun von zwei Männern in Uniform flankiert wurde. Gerade so, als wäre sie drauf und dran, die Flucht zu ergreifen.

Oder als bräuchte sie Leibwächter.

Nachdem der Hubschrauber abgehoben war, blickte sie die ganze Zeit am Hauptmann vorbei aus dem Fenster in der Hoffnung, zu erfahren, wo sie hingebracht wurde. Keine 20 Minuten später wusste sie es.

Aus der Luft wirkte die Insel zunächst wenig einladend und unbewohnbar. Mit ihren schroffen Klippen konnte sie Alcatraz Konkurrenz machen. Als sie näher heranflogen, bemerkte Stella einen Felsausläufer, der eine Lagune bildete, die einen kleinen Sandstrand beherbergte. Auf dem Felsausläufer stand eine hoch aufragende Festung – vor Jahrhunderten erbaut, um Eindringlinge daran zu hindern, in die Lagune einzufahren und den Frieden der Inselbewohner zu stören.

In der Mitte der Insel entdeckte Stella nun ein großes Gebäude, das sie nur von Bildern kannte. Ohne königliche Einladung hatte hier niemand Zutritt. Denn dies war die Insel, auf der die Herrscherfamilie in aller Abgeschiedenheit Urlaub machte und sich von den Strapazen ihrer täglichen Verpflichtungen erholte. In einem schmuckvollen, altehrwürdiger Palast.

Als der Hubschrauber zu kreisen begann, erkannte Stella die steinernen Säulen, die Buntglasfenster und Statuen. Das Hauptgebäude lag eingebettet in einen riesigen Renaissance-Garten. Akkurat geschnittene Hecken bildeten geometrische Muster und umrahmten Rosenbeete und Wasserbassins. Hinter einem Bogengang fiel Stella etwas leuchtend Blaues auf – ein Pool.

Die meisten Leute hätten es wohl aufregend gefunden, eine so exklusive Insel aus der Vogelperspektive zu sehen – und wären bei dem Gedanken, womöglich sogar einen Fuß darauf zu setzen, völlig aus dem Häuschen geraten. Aber Stella war nicht wie die meisten Leute. Sie fühlte sich einfach schrecklich.

Während des Anflugs auf den kleinen Landeplatz am äußersten Rand der Gartenanlage dröhnte es in ihren Ohren. Stella hatte keine Ahnung, ob das Dröhnen von ihrem Herzschlag rührte oder vom Hubschrauber. Es wurde jedenfalls immer lauter, und ihr Atem wurde flacher. Um sie herum fing alles an zu verschwimmen.

Reiß dich zusammen.

Auf keinen Fall durfte sie jetzt schwächeln. Im Gegenteil, sie musste stark sein wie noch nie. Sie musste Soldatin sein, bereit für den Kampf.

„Wenn Sie mir bitte folgen wollen?“ Der Hauptmann kletterte mit ihrer Tasche in der Hand aus dem Hubschrauber.

Da Stella nichts anderes übrig blieb, folgte sie ihm. Sie kam sich vor, als wäre sie in irgendeinem sonderbaren Märchen gelandet, in dem sie zu einem abscheulichen Prinzen gebracht wurde, der in seinem Schloss auf sie wartete.

Allerdings war er nicht abscheulich. Und das war das Problem.

Der Hauptmann führte sie nicht durch den riesigen Torbogen zum mächtigen Hauptportal, sondern einen Pfad entlang und dann eine schmale Steintreppe hinauf, die in einem breiten Säulengang an der Seite des Gebäudes mündete. Hinter den Säulen wechselten sich hohe Fenster mit Glastüren ab.

Eine dieser Türen am Ende des Gangs stand weit offen. Im Inneren des spärlich beleuchteten Raums erspähte sie Bücherregale, die die Wände bedeckten.

Der Hauptmann führte sie zur Tür. „Da wären wir“, verkündete er knapp und verschwand – mit ihrer Tasche und ihrem Pass.

Stella zögerte, den schicksalhaften Schritt hineinzutun. Sie wusste, dass Prinz Eduardo De Santis drinnen auf sie wartete. Der piratenhafte Playboy, der gut aussehende Schirmherr von all dem Abenteuerlichen und Glamourösen, was San Felipe zu bieten hatte.

Von all dem, was sie nicht war.

Und doch hatte sie ein Rendezvous mit ihm gehabt. Trotz ihrer phänomenalen Selbstdisziplin hatte sie ihm an jenem Nachmittag nicht widerstehen können. Wie es aussah, würde sie einen hohen Preis dafür bezahlen, dass sie sich auf Prinz Eduardo eingelassen hatte. Weshalb sie jetzt sehr auf der Hut war. Und obwohl sie Zeit gehabt hatte, sich innerlich darauf vorzubereiten, war sie noch nicht bereit für die Begegnung.

„Komm rein“, hörte sie ihn sagen. „Wenn man zu lange in der Sonne bleibt, passieren manchmal komische Sachen.“

Das war zugleich Befehl, Warnung und Anspielung auf das, was geschehen war. Die Gefühle, die der Klang seine Stimme in ihr auslöste, gefielen ihr gar nicht. Erinnerungen stiegen in ihr auf. Aufregende Erinnerungen.

Stella durfte nicht daran denken. Durfte sich nicht wieder darauf einlassen. Sie hatte schon zu viel verloren.

Prinz Eduardo De Santis war eher ein verführerischer Pirat als ein rücksichtsloser Wüstling. Statt gebrochener Herzen verursachte er entrücktes Lächeln und Ach-würde-er-doch-Seufzer. Aber er würde nicht – Eduardo liebte seine Freiheit viel zu sehr, um sich einfangen zu lassen.

Für viele Frauen machte das einen Teil seiner Anziehungskraft aus.

Er tat, wozu er Lust hatte, und gefiel sich dabei. Als Freund von Action und Abenteuer war er das königliche Aushängeschild für alle Vergnügungen im Freien, die die Insel zu bieten hatte.

Hatte sie das nicht am eigenen Leib erlebt?

Sie wappnete sich und betrat den Raum. Obwohl sich ihre Augen nach dem hellen Sonnenlicht erst an die Schummrigkeit im Zimmer gewöhnen mussten, bemerkte sie sofort, dass er umwerfend wie eh und je aussah.

Groß und mit vollem schwarzen Haar, das er ein wenig zu lang trug, wodurch es seine wilde Ausstrahlung verstärkte. Sein durchtrainierter Körper steckte in einem schwarzen T-Shirt und schwarzen Jeans. Er sah aus wie eine Undercoveragent – und er war barfuß, auf diese arrogant lässige Art, die so typisch für ihn war. Gelassen stand er an die Wand gelehnt da und betrachtete Stella aus seinen unglaublich blauen Augen. Sie hatten die gleiche Farbe wie der Lapislazuli, für den San Felipe berühmt war.

Plötzlich wurde Stella ganz heiß. Sein bloßer Anblick reichte, um das Feuer der Leidenschaft in ihr zu entfachen. Und ihr heftig pochendes Herz verstärkte ihre Erregung.

Sie hatte ihn schon immer attraktiv gefunden. Als Frau, die Augen im Kopf hatte, konnte man kaum anders. Aber die Bilder im Internet und in den Zeitschriften wurden ihm nicht gerecht. In natura war Eduardo noch viel beeindruckender. Außerdem kannte Stella seinen perfekten Körper ganz genau. Wusste, wie groß er war. Wie kraftvoll. Wie geschickt.

Sie zwang sich, nicht daran zu denken. Denn sie musste die Situation einigermaßen im Griff behalten. Sich selbst im Griff behalten.

Ihr Puls raste, und ihre Hände wurden feucht. Und sie konnte nichts dagegen tun, dass sie am liebsten zu seinen Füßen dahingeschmolzen wäre.

Wie konnte ein Mann, der einfach nur reglos dastand, solche Macht über sie ausüben? Wie schaffte er es, sie mit einem bloßen Blick stumm und reglos zu machen? Wieso begehrte sie ihn immer noch so sehr?

Reiß dich zusammen!

Denn wenn man dem Bluttest Glauben schenken konnte, gab es etwas wesentlich Ernsteres, um das sie sich sorgen musste. Nicht sie, sondern jemand anderes brauchte Schutz. Und Stella war darauf trainiert, das Wertvollste zu verteidigen. Die Freiheit eines Landes und seiner Bevölkerung. Auch der zukünftigen.

Also blieb sie in der Nähe der Glastür stehen und sah Eduardo an. Hielt Abstand – und bewahrte Ruhe.

Lastendes Schweigen hing im Raum.

Stellas Anspannung verstärkte sich von Sekunde zu Sekunde. Während er sie mit diesem eindringlichen Blick anschaute, dem nichts entging. Während er wartete.

„Du kannst nicht einfach so eine Zivilistin entführen“, sagte sie schließlich.

„Du bist keine Zivilistin“, antwortete er in vorwurfsvollem Ton.

Er war so wütend gewesen, als er herausgefunden hatte, wer sie war.

„Jetzt bin ich es“, konterte sie.

Eduardo sagte nichts. Weder bestätigte er ihre Äußerung noch deutete er an, dass er zu ihrem Rauswurf beigetragen hatte.

Autor

Natalie Anderson
<p>Natalie Anderson nahm die endgültigen Korrekturen ihres ersten Buches ans Bett gefesselt im Krankenhaus vor. Direkt nach einem Notfall-Kaiserschnitt, bei dem gesunde Zwillinge das Licht der Welt erblickten, brachte ihr ihr Ehemann die E-Mail von ihrem Redakteur. Dem Verleger gefielen ihre früheren Korrekturen und da es gerade einen Mangel an...
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