So fern und doch so nah

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Zärtliche Stunden unter einem atemberaubenden Sternenzelt, romantische Schwüre unter der Sonne Australiens - Darcy erlebt einen Traum der Liebe. Und dennoch nagen Zweifel an ihr: Sind Davids Gefühle echt? Oder nutzt der reiche Unternehmer sie schamlos für seine Ziele aus?


  • Erscheinungstag 21.06.2017
  • ISBN / Artikelnummer 9783733778552
  • Seitenanzahl 130
  • E-Book Format ePub
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Leseprobe

1. KAPITEL

Darcy, die unter dem aufgespannten Regenschirm stand, hob erst den einen, dann den anderen Fuß und betrachtete angewidert ihre Schuhe. Sie erinnerte sich noch gut daran, wie großspurig Onkel Bill verkündet hatte, dass Bindaburra im trockensten Gebiet des trockensten Kontinents der Welt lag.

Doch nachdem es nun zwei Tage ununterbrochen geregnet hatte, fragte sie sich, ob ihr Onkel sie vielleicht auf den Arm genommen hatte. Darcy hatte sich das australische Klima heiß und sonnig vorgestellt, aber nicht kühl und regnerisch. Und schrecklich diese schlammigen Pisten, Dirt Roads, wie die unversiegelten Straßen hier hießen.

Während sie vorsichtig versuchte, die Dreckklumpen von den Schuhen abzuschütteln, blickte sie sich um. Doch das, was sie sah, beeindruckte sie überhaupt nicht. Spindeldürre Eukalyptusbäume säumten die Piste, spärlich wachsendes Gras und Gestrüpp erstreckten sich scheinbar endlos. Obwohl es erst Nachmittag war, war die Landschaft in dämmriges Licht getaucht. Und deswegen bin ich nun von London hierher gekommen, dachte Darcy enttäuscht.

Sie seufzte und ging erschöpft weiter. Jedes Mal, wenn sie einen Fuß vor den anderen setzte, musste sie ihn regelrecht aus dem Morast herausziehen, der dann an den Schuhen klebte und sie so schwer werden ließ, dass Darcy immer wieder stehen bleiben und den Schmutz abklopfen musste.

Den ganzen Tag war sie über aufgeweichte Straßen gefahren. Zu allem Überfluss war dann auch noch der Wagen, den sie in Adelaide gemietet hatte, so kurz vor dem Ziel im Schlamm stecken geblieben, deshalb versuchte sie, Bindaburra zu Fuß zu erreichen.

Plötzlich hörte sie hinter sich Motorengeräusch, ein Auto schien sich zu nähern. Sie atmete erleichtert auf, man würde sie sicher die kurze Strecke mitnehmen. Den Regenschirm fest über sich haltend, stapfte Darcy mühsam in die Mitte des Tracks. Doch dann dauerte es noch einige Minuten, bis der Wagen aus der Furt heraus und mit eingeschalteten Scheinwerfern auf Darcy zufuhr.

Sie schwang den Schirm hin und her. In dem hellen Lichtkegel wirkte sie auf den Betrachter seltsam unwirklich in dieser einsamen Gegend.

Einen schrecklichen Augenblick lang befürchtete sie, der Fahrer hätte sie gar nicht gesehen. Sie blinzelte, geblendet vom grellen Licht des Scheinwerfers, und während sie mit der freien Hand in der Luft herumwedelte, eilte sie an den Straßenrand. Gleich darauf fiel ihr ein Stein vom Herzen, denn der Fahrer drosselte die Geschwindigkeit.

Schließlich erkannte sie, dass es sich um einen uralten, total verschmutzten und zu einem Lieferwagen umgebauten Geländewagen handelte. Für meine Rettung habe ich mir eigentlich ein besseres Fahrzeug gewünscht, dachte Darcy ironisch. Aber da ich in den vergangenen drei Stunden keinem einzigen Auto begegnet bin, muss ich wahrscheinlich dankbar sein, dass überhaupt jemand unterwegs ist.

Der Fahrer hielt neben ihr an und kurbelte die Scheibe herunter, während Darcy eher zu ihm hinglitt als ging. Der Boden war hier so aufgeweicht und schlüpfrig, dass sie drauf und dran gewesen war, den Halt zu verlieren, wenn sie sich nicht gerade noch an der Tür fest gehalten hätte.

Etwas atemlos und froh, nicht in den Morast gefallen zu sein, schaute sie mit einem gewinnenden Lächeln ins Wageninnere.

„Hallo“, sagte sie und war sich dabei gar nicht bewusst, dass ihr englischer Akzent hier genauso unpassend wirkte wie ihre ganze Aufmachung.

Der Mann reagierte ziemlich unfreundlich. Er lehnte sich aus dem Fenster, runzelte die Stirn und warf Darcy einen ärgerlichen und zugleich ungläubigen Blick zu.

„Was denken Sie sich dabei, hier allein herumzulaufen?“, erkundigte er sich kurz angebunden, ohne ihren Gruß zu erwidern.

Darcy, gekränkt über den herablassenden Ton, erklärte: „Ich wollte nur sichergehen, dass Sie mich bemerken“, erklärte sie.

Spöttisch betrachtete der Fremde ihren gelb-grün gemusterten Regenschirm, den sie wegen der grellen Farben und der außergewöhnlichen Form sehr liebte. „Sie waren gar nicht zu übersehen“, meinte er, während er Darcy, die einen scharlachroten Blazer, eine dezent gestreifte modische Hose und elegante Schuhe trug, an denen jetzt jedoch dicker, orangegelber Schmutz klebte, von oben bis unten musterte. „Bis zum nächsten Ort sind es mehr als hundertfünfzig Kilometer. Was veranlasst Sie eigentlich dazu, hier herumzuwandern, als würden Sie durch die Ladenpassage einer Großstadt bummeln?“

Obwohl Darcy es nicht gewohnt war, so schroff behandelt zu werden, hielt sie es für vernünftiger, seine Unhöflichkeit zu ignorieren, denn dies war wahrscheinlich ihre einzige Chance, aus der misslichen Lage herauszukommen.

„Mein Wagen ist im Schlamm stecken geblieben“, erklärte sie.

„Dann ist es also Ihr Auto, an dem ich eben vorbeigefahren bin.“

Sie nickte. „Ja. Es rührte sich nicht mehr von der Stelle, es sitzt total fest. Ich musste es stehen lassen.“

In diesem Augenblick begann es, noch heftiger zu regnen. Dicke Tropfen prasselten auf den Regenschirm und das Dach des Geländewagens.

„Am besten steigen Sie endlich ein“, rief der Mann ihr zu, während er die Beifahrertür öffnete.

Darcy ging vorsichtig um die Kühlerhaube herum. Sie war viel zu erleichtert, endlich ins Trockne zu kommen, um irgendwelche Einwände gegen die wenig begeistert klingende Aufforderung zu erheben.

„Vielen Dank“, stieß sie atemlos hervor, als sie schließlich neben ihm saß. Meine Schuhe sind ruiniert, stellte sie bekümmert fest. Hätte ich gewusst, dass mich hier in Australien eine Schlammwüste erwartet, hätte ich meine Gummistiefel mitgenommen.

Schließlich wandte sie sich ihrem Retter zu. Er hatte die Innenbeleuchtung eingeschaltet und blickte Darcy ungeduldig an. Der Fremde wirkte ziemlich abweisend und war so ganz anders als die Menschen aus der Welt des Theaters, in der Darcy sich sonst bewegte. Irgendwie war sie von seiner zurückhaltenden, ruhigen Art, hinter der sie Kraft und Stärke vermutete, beeindruckt.

Seine Miene war undurchdringlich, sein Gesicht markant, und um seinen Mund lag ein entschlossener Zug. Dieser Mann zeigt nicht gern seine Gefühle, ging es Darcy durch den Kopf. Allerdings ist unverkennbar, dass er mich nicht leiden kann.

Die Mundwinkel leicht heruntergezogen, musterte er Darcy mit seinen grauen Augen. Sie spürte, wie sie unter seinem missbilligenden Blick errötete. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, wie seltsam sie ausgesehen haben musste, als sie unter dem grellbunten Regenschirm durch den Morast watete.

„Ich bin Ihnen sehr dankbar“, sagte sie lächelnd.

„Hier im Outback dürfen Sie bei solchem Wetter Ihr Fahrzeug unter keinen Umständen verlassen“, erklärte er ihr unfreundlich. „Warum sind Sie nicht darin sitzen geblieben und haben gewartet, bis jemand vorbeifährt.“

„Ich habe gedacht, ich würde zu Fuß rascher vorankommen“, erwiderte sie.

„Zu Fuß?“, wiederholte er und blickte sie dabei so ungläubig an, als hätte sie vorgeschlagen, zum Mond zu fliegen. „Wohin?“

„Ich bin auf dem Weg zur Ranch Bindaburra“, antwortete sie kühl.

„Dann wären Sie noch lange unterwegs gewesen. Es sind noch gut dreißig Kilometer bis dort.“

Entsetzt schaute Darcy ihn mit ihren blauen Augen an. „Aber auf der Karte sah es so nah aus!“

„Das nächste Mal, wenn Sie sich anhand einer Karte orientieren, sollten Sie auf den Maßstab achten“, meinte er sarkastisch. „Jedenfalls ist das sinnvoller, als einfach kopflos loszustürzen.“

„Woher hätte ich denn wissen sollen, dass es so weit ist?“, gab Darcy verärgert zurück.

„Genau das ist der Punkt, wenn man es nicht weiß, muss man unbedingt im Wagen bleiben, egal, wie nahe man sich dem Ziel glaubt. Hier verirrt man sich nämlich sehr leicht. Und in der Dämmerung hätten Sie ganz bestimmt die Orientierung verloren. Ihr Auto hätten wir irgendwann gefunden, Sie selbst vielleicht jedoch nie.“

„Aber Sie haben mich ja gefunden.“ Darcy wünschte sich beinahe, er wäre nicht aufgetaucht. Vielleicht wäre es viel angenehmer gewesen, dreißig Kilometer zu Fuß zurückzulegen, als von diesem schlecht gelaunten Mann gefahren zu werden. Anstatt ihr einen Vortrag über Sicherheit im Outback zu halten, sollte er lieber so schnell wie möglich damit beginnen, ihren Wagen aus dem Schlamm zu ziehen.

„Das war purer Zufall!“

Musste er ihr unbedingt noch einen Dämpfer versetzen? „Was wollen Sie überhaupt auf Bindaburra? Man kann dort nicht zelten, falls Sie das vorhaben.“

„Wie bitte?“ Verständnislos schaute sie ihn an. „Wer würde bei diesem Wetter auf eine so absurde Idee kommen?“, fragte sie.

„Ich habe gedacht, Sie suchen einen Platz zum Übernachten, statt heute noch nach Muroonda weiterzufahren. Offenbar habe ich mich getäuscht.“

„Lieber würde ich nach London zurückfliegen, als bei diesem Wetter hier zu zelten“, versicherte sie ihm.

Er blickte sie gereizt an. „Wenn Sie keine Übernachtungsmöglichkeit suchen, was wollen Sie dann hier?“

„Was geht Sie das an?“ Sie war es leid, ausgefragt zu werden.

„Als Besitzer von Bindaburra kann ich wohl eine Erklärung von Ihnen erwarten, oder etwa nicht?“

Nun war Darcy verblüfft. „Ich glaube, jetzt sind Sie mir eine Erklärung schuldig“, erwiderte sie frostig. „Bindaburra gehört nämlich mir!“

Sekundenlang herrschte eisiges Schweigen.

„Was …?“, brachte er schließlich ungläubig heraus. Doch gleich darauf erschien ein Ausdruck von Resignation auf seinem Gesicht. „Sie müssen Darcy sein“, fuhr er müde fort.

„Für Sie bin ich Miss Meadows!“ Darcys blaue Augen blitzten empört auf. Dieser Mann war unverschämt, es schien ihm überhaupt nichts auszumachen, bei einer dreisten Lüge ertappt worden zu sein. Wahrscheinlich arbeitet er auf der Farm und versucht nun, sich Onkel Bills Tod zu Nutze zu machen, überlegte sie. Aber damit ist jetzt Schluss!

„Wieso behaupten Sie, Besitzer von Bindaburra zu sein, während es in Wirklichkeit mir gehört?“, fragte sie scharf.

„Sie irren sich …“, erklärte er aufreizend ruhig.

Darcy unterbrach ihn. „Oh nein!“ Sie zog einen Brief aus der Tasche. „Das ist das Schreiben des Rechtsanwalts aus Adelaide, in dem mir mitgeteilt wird, dass mein Onkel gestorben ist und ich Alleinerbin bin. Lesen Sie doch selbst, wenn Sie mir nicht glauben!“

„Natürlich glaube ich Ihnen, Miss Meadows“, erwiderte der Fremde verächtlich. „Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass Sie so schnell hier auftauchen, um sich an Ort und Stelle zu vergewissern, wie viel der alte Mann Ihnen hinterlassen hat.“

„Was soll das denn heißen?“, fragte Darcy jetzt wütend. „Wer sind Sie überhaupt?“

„Ich bin David Anderson.“ Aufmerksam sah er sie an.

„Sie sind fristlos entlassen, Mr. Anderson.“ Plötzlich war es ihr egal, dass sie eigentlich auf seine Hilfe angewiesen war. Im schlimmsten Fall gehe ich eben zu Fuß weiter, dachte sie.

„Es tut mir Leid, Sie enttäuschen zu müssen, aber Sie können mir gar nicht kündigen“, erwiderte er ruhig.

„Hoffentlich fällt Ihnen dafür eine gute Begründung ein!“

„Wenn Sie mich nicht unterbrochen hätten, dann wüssten Sie bereits, dass Bindaburra nicht Ihnen allein, sondern uns beiden gehört. Ich bin Ihr Partner.“

Darcy schaute ihn entsetzt an. „Wovon reden Sie überhaupt?“, warf sie schon etwas vorsichtiger ein. „Ich weiß nichts von einem Partner.“

„Ich fürchte, damit müssen Sie sich abfinden“, entgegnete David amüsiert. „Mir gefällt es ebenso wenig wie Ihnen, das können Sie mir glauben!“

Darcy drehte den Kopf zur Seite. Soll er sich doch über mich lustig machen, dachte sie erbost. Das Schreiben des Rechtsanwalts hielt sie immer noch krampfhaft in der Hand. „Onkel Bill hat sein gesamtes Vermögen mir vererbt! So steht es in dem Brief.“

„Ja, das hat er auch“, stimmte David kühl zu. „Ihm gehörte jedoch nur noch die Hälfte von Bindaburra. Die andere Hälfte gehört mir.“

Der heftige Regen hatte etwas nachgelassen. Darcy beobachtete, wie das Wasser die Windschutzscheibe hinunterrann, während sie sich bemühte, Davids Worte zu begreifen.

„Ich nehme an, das können Sie beweisen, oder?“, meinte sie nach einer Weile.

„Natürlich, sonst hätte ich es bestimmt nicht behauptet.“ Es klang scharf.

Darcy biss sich auf die Lippe. „Onkel Bill hat nie etwas von einem Partner erwähnt …“

„Statt überstürzt nach Australien zu fliegen, um das Erbe anzutreten, hätten Sie sich besser erst einmal gründlich informiert.“

Darauf war Darcy auch schon gekommen.

„Ich wollte mich nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist.“ Feindselig blickte sie David an. „Es hätte ja sein können, dass sich niemand um die Ranch kümmert. Und da mir nichts von einem Partner bekannt war, war es aus meiner Sicht vernünftig, an Ort und Stelle nach dem Rechten zu sehen.“

David zog die Augenbrauen hoch. Er konnte sich kaum vorstellen, dass Darcy sich von der Vernunft hatte leiten lassen. Ihre großen Augen in dem ausdrucksvollen Gesicht waren tiefblau, und das dunkle gewellte Haar, in dem Regentropfen glitzerten, fiel ihr bis über die Schultern. Sie wirkte ganz bezaubernd, aber keineswegs vernünftig.

„Eine interessante Überlegung“, erwiderte er ironisch, während wieder ein amüsiertes Lächeln seine Lippen umspielte. „Aber Sie wissen bestimmt nicht, wie man eine solche Ranch führt. Wie wollen Sie Probleme, die auf einer Farm nun einmal anfallen, lösen?“

Zu ihrem Entsetzen begann ihr Herz heftig zu pochen, so sehr gefiel ihr sein Lächeln. „Ich bin sehr anpassungsfähig“, erklärte sie ein bisschen hochmütig und versuchte, die Gefühlsregung einfach zu ignorieren.

„Ich würde Sie eher als verantwortungslos bezeichnen“, erklärte David schonungslos.

Er hört sich genauso an wie mein Vater, fuhr es ihr durch den Kopf.

„Das bin ich keineswegs.“

„Wie sonst würden Sie denn die Tatsache umschreiben, dass Sie hier aus heiterem Himmel auftauchen?“, erkundigte sich David. „Warum haben Sie mich nicht vorher informiert?“

„Wie denn? Ihre Existenz war mir doch gar nicht bekannt.“

„Sie hätten zumindest irgendjemand Ihre Ankunft mitteilen können“, wandte er ein und machte eine ungeduldige Handbewegung. „Oder haben Sie einfach vorausgesetzt, dass Sie auf der Ranch schon jemand antreffen werden?“

Damit kam er der Wahrheit ziemlich nahe, allerdings würde sie das niemals zugeben. „Ich erinnere mich, dass Onkel Bill die Viehtreiber erwähnt hat, die für ihn arbeiten. Ich bin davon ausgegangen, dass alle noch da sind. Oder sind sie etwa schon weg?“

„Nein. Aber diese Woche arbeiten sie alle auf den Außenstellen.“

„Ist denn niemand mehr im Haus? Ich meine, zum Beispiel eine Haushälterin?“

„Sie hat vorige Woche aufgehört. Ich hatte leider noch keine Zeit, mich um Ersatz zu kümmern. Sie wissen ja gar nicht, wie viel Glück Sie haben, dass ich entgegen meiner ursprünglichen Absicht ausgerechnet heute nach Bindaburra unterwegs bin!“ Als er Darcys aufgebrachte Miene betrachtete, fügte er hinzu: „Sonst würden Sie hier festsitzen und mindestens eine Woche auf Hilfe warten!“

„Woran mag es wohl liegen, dass sich bei mir so gar kein Glücksgefühl einstellt?“, meinte sie mürrisch. Allmählich ging es ihr auf die Nerven, dass Männer ihr immer wieder klar zu machen versuchten, wie verantwortungslos sie sei. „Von Adelaide bis hierher habe ich zwei Tage gebraucht, und die meisten Straßen waren völlig morastig. Ich friere, bin müde und total durchnässt. Auf diesem miserablen Weg habe ich mich mühsam weitergeschleppt und dabei zu allem Überfluss auch noch meine Lieblingsschuhe ruiniert! Und Sie reden davon, ich hätte Glück gehabt!“

„Seien Sie froh, dass Sie so glimpflich davongekommen sind!“ David zeigte nicht das geringste Mitgefühl. Daraufhin ließ er den Motor an und wendete das Fahrzeug mit so viel Schwung, dass Darcy sich am Armaturenbrett festhalten musste.

„Was haben Sie denn jetzt vor?“, fragte sie ihn erschrocken.

„Wir holen Ihr Auto. Wenn wir noch lange warten, führen die Flüsse so viel Wasser, dass wir beide festsitzen.“

Das Wasser war jedoch innerhalb kürzester Zeit so dramatisch angestiegen, dass David sich entschloss, keine Zeit mit Abschleppen zu verlieren.

„Wir nehmen nur Ihr Reisegepäck mit und kehren sogleich wieder um“, verkündete er. Und während sie langsam die Furt durchquerten, beobachtete er aufmerksam den Wasserstand.

„Steigt es immer so schnell an?“, fragte Darcy, beunruhigt darüber, mit welcher Gewalt das Wasser um die Reifen herumwirbelte.

„Ja, wenn es so heftig regnet wie heute. Auf dem Weg nach Bindaburra liegen noch fünf Furten vor uns. Je eher wir es schaffen, desto besser.“

Ihr Auto stand noch so da, wie sie es verlassen hatte, mitten in einem Schlammloch.

„Meinen Sie, wir können es hier unbesorgt zurücklassen?“, fragte sie.

„Wenn der Regen anhält, kommt sowieso niemand vorbei, der es stehlen könnte, falls Sie sich deswegen Gedanken machen“, antwortete David resigniert, als er sah, wie Darcy, typisch Großstädterin, den auffallenden Schirm aufspannte, ehe sie durch den Morast watete, um den Wagen aufzuschließen. „Außerdem findet so ein Vehikel hier keine Abnehmer“, fügte er hinzu. „Es ist eigentlich ein Wunder, dass Sie überhaupt so weit damit gekommen sind. Warum haben Sie keinen Wagen mit Allradantrieb gemietet?“

„Weil ich mir das nicht leisten kann“, erklärte sie wahrheitsgemäß. Dann öffnete sie den Kofferraum und zog ihr Gepäck heraus.

David half ihr dabei. „Ah, ja. Aber für den Flug von London nach Adelaide hatten Sie Geld genug“, stellte er fest.

„Mein Vater hat es mir geliehen“, gestand Darcy. „Ich wusste nicht, wie weit es von Adelaide nach Bindaburra ist. Deshalb habe ich das billigste Auto gemietet, für den Fall, dass ich es nicht innerhalb weniger Tage zurückgeben kann.“ Sie schlug den Kofferraumdeckel wieder zu. „Wie sich inzwischen herausgestellt hat, war das auch gut so! Denn ich hätte mir nie träumen lassen, dass man nach Bindaburra zwei Tage unterwegs ist!“

„Was die Ranch angeht, sind Sie offenbar insgesamt sehr ahnungslos“, erwiderte David unfreundlich, während er das Gepäck auf die offene Ladefläche seines Geländewagens beförderte.

Darcy betrachtete es nachdenklich. „Es wird wahrscheinlich nass, oder?“

„Wir noch viel mehr, wenn wir noch länger hier herumstehen.“

So leicht gab sie jedoch nicht auf. „Ist denn innen überhaupt kein Platz dafür?“

„Wenn Sie alles auf den Schoß nehmen wollen …“ David wurde langsam ungeduldig.

„Haben Sie nichts zum Abdecken, damit meine Kleider trocken bleiben?“

David sagte etwas Unverständliches. Dann wühlte er auf dem Rücksitz herum und zog schließlich eine verschmutzte Öljacke hervor, die er über den Koffer und die Reisetasche warf. „Sind Sie jetzt endlich zufrieden?“

„Ja, so ziemlich.“ Darcy dachte mit finsterer Miene daran, wie feucht ihre Sachen sein würden.

„Dann können Sie ja wieder einsteigen. Wenn das Wasser weiterhin so rasch steigt, haben wir ganz andere Probleme!“

Schließlich gelang es ihnen mit ein bisschen Glück, alle Furten gerade noch rechtzeitig zu durchqueren. Die letzte führte bereits so viel Wasser, dass es ihre Füße umspielte. Darcy schluckte heftig. Mit dem Mietwagen hätte ich es nie geschafft, überlegte sie. Vielleicht sollte ich David doch dankbar sein, dass er mich mitgenommen hat.

Als sie Bindaburra erreichten, war es dunkel. Von der Homestead konnte Darcy nur das größere Gebäude erkennen, das sehr lang gezogen, niedrig und rundherum von einer breiten Veranda umgeben war. David führte sie über einen düsteren Flur, an dessen kahler Decke nur eine einzige nackte Glühbirne baumelte.

Vor einem der Zimmer blieb er stehen und öffnete die Tür. „Hier hat die Haushälterin geschlafen. Es ist wahrscheinlich einigermaßen in Ordnung“, meinte er, während er das Gepäck abstellte. „Ich kümmere mich um die Bettwäsche. Sie möchten sicher duschen, oder? Anschließend müssen wir uns unterhalten.“

Es klang wie ein Befehl. Nachdem David verschwunden war, setzte Darcy sich aufs Bett und blickte sich um. Das Zimmer war spartanisch und altmodisch möbliert und roch muffig. Plötzlich kam sie sich ganz verlassen vor. Sie hatte ein freundliches, einladendes Haus in hellem Sonnenschein erwartet, nicht jedoch so viel Regen und einen derartig unfreundlichen Empfang. Hätte ich doch nur auf meinen Vater gehört und wäre zu Hause geblieben, überlegte sie missmutig.

Doch nach dem Duschen fühlte sie sich schon wieder besser. Sie hob den Koffer aufs Bett, öffnete ihn, hängte die feuchten Sachen über den Stuhl und suchte nach trockenen. Schließlich zog sie ein wunderschönes tiefblaues Kleid über, dessen breiter Wildledergürtel ihre schmale Taille betonte. Danach streifte sie sich noch einige orientalisch aussehende silberne Armreifen über und betrachtete sich kritisch im Spiegel.

In dem schwachen Lichtschein sah sie aus wie ein Filmstar, mit dem seidig glänzenden dunklen Haar und den großen blauen Augen. Irgendwie war es ihr unerklärlich, warum David so gar nicht für ihren Charme empfänglich war. Sie war hübsch und freundlich und keineswegs dumm, auch wenn er, was Letzteres anging, anderer Meinung sein mochte.

Aufmunternd lächelte Darcy ihrem Spiegelbild zu. Natürlich muss er mich nicht unbedingt attraktiv finden, aber er könnte mich wenigstens etwas freundlicher willkommen heißen, dachte sie.

Sie entdeckte David in der Küche, einem großen Raum mit mehreren Kühlschränken und einem uralten Herd.

David saß an dem blank gescheuerten Holztisch und drehte wie geistesabwesend eine Dose Bier in den Händen. Seine Miene wirkte angespannt. Die Augenbrauen hatte er leicht zusammengezogen, so als würde er über einem schwierigen Problem grübeln. Jetzt hob er den Kopf und schaute Darcy kühl an.

Wie angewurzelt blieb sie auf der Schwelle stehen, denn bei seinem Anblick überkam sie mit einem Mal das merkwürdige Gefühl, ihn schon lange zu kennen. Alles schien ihr seltsam vertraut, so als hätte sie ihr Leben lang darauf gewartet, in dieser Küche zu stehen und diesem Mann in die Augen zu sehen, während das Ticken einer Uhr und der Regen, der auf das Wellblechdach trommelte, die Stille durchbrachen.

„Was ist los?“ Stirnrunzelnd stand David auf.

Völlig entnervt durch ihre Reaktion auf diesen Mann, schluckte Darcy heftig. „Nichts“, antwortete sie heiser und räusperte sich rasch.

„Sie sehen etwas verstört aus.“

„Und Sie haben immer etwas an mir auszusetzen“, erwiderte sie gereizt und versuchte verzweifelt, die unpassenden Fantasien zu verdrängen.

„Wie kommen Sie denn darauf?“, fragte er überrascht.

Leider fiel Darcy nicht so rasch eine schlagfertige Antwort ein. „Oh, Sie erwecken jedenfalls den Eindruck“, erwiderte sie deshalb missmutig. „Sie scheinen mich für ein albernes, dummes Ding zu halten.“

„Mit diesem lächerlichen Regenschirm ist das auch kein Kunststück“, bemerkte er amüsiert. Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute er Darcy an, die sich nicht von der Stelle gerührt hatte. „Wollen Sie den ganzen Abend dort stehen bleiben, oder kommen Sie doch noch herein?“

Das ist wieder so eine seiner Äußerungen, die ich mit meiner Bemerkung gemeint habe, dachte sie ärgerlich. Aber wie soll ich ihm das erklären? Wenigstens war dieses eigenartige Gefühl der Vertrautheit inzwischen wieder verschwunden. Eigentlich war sie David dankbar, dass er sie daran erinnert hatte, wie fremd er ihr war und wie unangenehm er sein konnte. Sie ging zum Tisch und rückte sich einen Stuhl zurecht.

„Möchten Sie auch ein Bier?“, erkundigte er sich.

„Lieber einen Tee, wenn Sie einen haben“, antwortete sie und war stolz darauf, wie kühl ihre Stimme klang.

„Ja, sicher.“ Er füllte den Kessel mit Wasser.

Darcy, die sich inzwischen gesetzt hatte, beobachtete David aufmerksam. Er war groß und schlank, bewegte sich geschmeidig und strahlte eine wohltuende Ruhe und Selbstsicherheit aus.

Das genaue Gegenteil von Sebastian, fuhr es ihr durch den Kopf. Sebastian, ausgesprochen charmant und weltmännisch, tat stets alles, um im Mittelpunkt zu stehen, während David eher einen nachdenklichen und zurückhaltenden Eindruck machte. Trotzdem wirkte er viel männlicher und attraktiver und hatte eine starke persönliche Ausstrahlung. Erst in diesem Augenblick wurde Darcy sich bewusst, dass sie ganz allein mit ihm hier war.

Völlig unbeirrt von dem Schweigen, lehnte David sich an den Schrank, während er darauf wartete, dass das Wasser kochte.

„Woran ist Onkel Bill eigentlich gestorben?“, fragte Darcy unvermittelt. „Der Rechtsanwalt hat nur seinen plötzlichen Tod erwähnt. Bei seinem Besuch in England war mein Onkel noch sehr gesund gewesen.“

„Es war ein grotesker Unfall“, erklärte David ruhig. „Er hat sich das Genick gebrochen, als er mit dem Motorrad gegen einen Termitenturm fuhr. Bill war auf der Stelle tot.“

Darcy schloss sekundenlang die Augen.

„Sind Sie hier, um herauszufinden, wie er gestorben ist?“, erkundigte sich David.

„Ja, auch.“

„Und um festzustellen, welchen Wert das Erbe hat?“ In Davids Stimme schwang ein sarkastischer Unterton mit.

„Onkel Bill hat sich immer gewünscht, dass ich mir Bindaburra einmal anschaue“, erwiderte sie herausfordernd.

„Das stimmt. Aber es war nicht sein Wunsch, dass Sie es erben.“

Autor

Jessica Hart
Bisher hat die britische Autorin Jessica Hart insgesamt 60 Romances veröffentlicht. Mit ihren romantischen Romanen gewann sie bereits den US-amerikanischen RITA Award sowie in Großbritannien den RoNa Award. Ihren Abschluss in Französisch machte sie an der University of Edinburgh in Schottland. Seitdem reiste sie durch zahlreiche Länder, da sie sich...
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